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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 15 U 48/05
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 434 Abs. 1
HGB § 435
HGB § 439 Abs. 1 Satz 2
HGB § 475
HGB § 475 Satz 1
HGB § 475 a Satz 1
BGB § 215
BGB § 249 Satz 1
BGB § 286 Abs. 1 Satz 1
BGB § 286 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11.02.2005 - 13 O 59/03 KfH I - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 6.981,- EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.06.2004.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Karlsruhe verwiesen mit folgenden Ergänzungen:

Die Klägerin macht mit der Klage Vergütungsansprüche geltend aus folgenden Rechnungen:

 Rechnung vom 31.10.2001 407,03 EUR
Rechnung vom 13.11.2001 1.204,45 EUR
Rechnung vom 16.02.2002 1.427,60 EUR
Rechnung vom 26.02.2002 289,36 EUR
Rechnung vom 29.05.2002 2.106,56 EUR
Summe: 5.435,-- EUR.

Die Rechnung vom 31.10.2001 lautete ursprünglich auf einen Betrag von 899,67 EUR. Nach Verrechnung einer Zahlung in Höhe von 492,64 EUR macht die Klägerin aus dieser Rechnung noch den Restbetrag in Höhe von 407,03 EUR geltend. Bei den anderen Rechnungen sind die vollen Rechnungsbeträge Gegenstand der Klage. Die Rechnung vom 29.05.2002 betrifft die Vergütung der Klägerin für die Lagerung verschiedener Waren im Lager der Klägerin in K in der Zeit von Januar bis Mai 2002. Die anderen Rechnungen betreffen Frachtvergütung für verschiedene Transporte. Die tatsächlichen Grundlagen der Rechnungen sind zwischen den Parteien unstreitig.

Die von der Beklagten am 22.01.2002 der Klägerin übergebenen 925 Eurostarterkits Italien wurden im Lager der Klägerin in K in einem gesonderten Raum verwahrt, den die Klägerin als "Wertverschlag" bezeichnet. Der Raum war verschlossen; der einzige Schlüssel befand sich im Besitz eines Mitarbeiters der Klägerin. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten den Raum aufsuchte, um Waren (die aus unterschiedlichen Einlagerungsvorgängen stammten) zu entnehmen, war dies nur möglich, wenn der zuständige Mitarbeiter der Klägerin, der erstinstanzlich vernommene Zeuge K, dem Geschäftsführer der Beklagten Zutritt zu dem Raum verschaffte. In dem Raum wurden nicht nur Waren der Beklagten (die streitgegenständlichen Eurostarterkits sowie Sammlermünzen aus anderen Einlagerungsvorgängen der Beklagten) aufbewahrt, sondern gleichzeitig auch Waren anderer Kunden der Klägerin.

Das Landgericht hat im Urteil vom 11.02.2005 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagten stehe keine Schadensersatzforderung zu, die sie im Wege der Aufrechnung bzw. der Widerklage geltend machen könne. Zum einen hätten die Parteien mit dem Fax-Schreiben der Klägerin vom 06.02.2002 wirksam einen Haftungsausschluss vereinbart. Aus der durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich, dass die Beklagte das Schreiben der Klägerin erhalten habe. Der Haftungsausschluss stehe einer Schadensersatzforderung der Beklagten wegen des Verlusts der Eurostarterkits entgegen. Zum anderen habe die Beklagte - unabhängig von dem Haftungsausschluss - nicht bewiesen, dass die streitgegenständlichen Münzen tatsächlich im Gewahrsam der Klägerin in Verlust geraten seien. Der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, verschiedentlich im Lager gewesen, um Münzen aus anderen Einlagerungsvorgängen zu entnehmen. Es sei letztlich nicht geklärt, ob der Geschäftsführer der Beklagten dabei nicht auch bei einem dieser Besuche die fraglichen Eurostarterkits mitgenommen habe. Die von den Parteien vorgelegte schriftliche Dokumentation zu den Einlagerungen und Entnahmen im Lager der Klägerin seien unzureichend. Die Mängel in der Dokumentation der Entnahmen aus dem Lager wirkten sich zu Lasten der Beklagten aus, die den Verlust der Eurostarterkits nicht nachgewiesen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe die Frage der Beweislast unzutreffend gewürdigt. Die Klägerin müsse nachweisen, dass sie die - unstreitig eingelagerten - Eurostarterkits zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Beklagte herausgegeben habe; da sie diesen Nachweis nicht geführt habe, hafte sie gegenüber der Beklagten für den Verlust der Münzen. Ein Haftungsausschluss sei zwischen den Parteien - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht vereinbart worden. Das fragliche Schreiben der Klägerin vom 06.02.2002 sei der Beklagten nicht zugegangen. Außerdem sei aus dem Schreiben nicht erkennbar, dass sich die Ausführungen der Klägerin in diesem Schreiben (kein Versicherungsschutz mehr möglich, daher Ablehnung einer Haftung seitens der Klägerin) gerade auf das fragliche Lager in K beziehen sollten; vielmehr beziehe sich das Schreiben offenbar auf ein anderes Lager (in W), wo der Geschäftsführer der Beklagten bei bestimmten Gelegenheiten andere Einlagerungen vorgenommen habe.

Die Beklagte beantragt,

1. das am 11.02.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Karlsruhe, Az.: 13 O 59/03 KfH I, aufzuheben und die Klage abzuweisen, und

2. auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6.981,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.06.2003 zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Fürsorglich weist die Klägerin darauf hin, dass bei einer eventuellen Schadensersatzforderung der Beklagten die Haftungsbeschränkungen nach den ADSp, insbesondere Ziffer 24.1 ADSp, zu berücksichtigen seien. Einer Aufrechnung gegenüber der Klageforderung stehe zudem das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 19 entgegen. Außerdem beruft sich die Klägerin - höchst hilfsweise - auf Verjährung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen begründet. Der Beklagten steht wegen des Verlusts von 776 Euro-Starterkits Italien im Lager der Klägerin in K ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 12.416,- EUR zu. Die (unstreitige) Klageforderung ist daher durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen. Wegen der überschießenden Gegenforderung in Höhe von 6.981,- EUR hat die Widerklage Erfolg. Die Widerklage bleibt lediglich wegen der Zinsen teilweise erfolglos.

1. Über die Klageforderung in Höhe von 5.435 EUR besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der Klägerin ist ein entsprechender Vergütungsanspruch entstanden aus Fracht- und Lagerverträgen mit der Beklagten. Die Abrechnung der Klageforderung hat der Senat oben (I.) konkretisiert.

Verzugszinsen kann die Klägerin erst ab dem 26.03.2003 (Zustellung des Mahnbescheids, vgl. § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB) geltend machen. Soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, die Beklagte befinde sich "spätestens seit dem 01.07.02 in Zahlungsverzug" (Klageschrift Seite 4, I/27), fehlt der erforderliche Sachvortrag. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob die Klägerin die Beklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt gemahnt hat und was die Parteien über die Fälligkeit der Vergütungsforderungen der Klägerin vereinbart hatten.

2. Die Klageforderung ist durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten im Schreiben vom 13.05.2003 (Anlagen LG K As. 15, 17) erloschen. Der Beklagten ist wegen des Verlusts der Eurostarterkits im Lager der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 12.416,- EUR entstanden. Die Aufrechnungsforderung übersteigt die Klageforderung.

a) Der Schadensersatzanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 475 Satz 1 HGB. Die Parteien haben über die streitgegenständlichen Eurostarterkits einen Lagervertrag abgeschlossen. Die Übernahme der Münzen durch die Klägerin am 22.01.2002 ist unstreitig. Die Klägerin hat die Münzen nicht an die Beklagte ausgeliefert. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Geschäftsführer der Beklagten die verschwundenen 776 Starterkits bei einer anderen Gelegenheit (Besuche des Geschäftsführers im Lager der Klägerin zwecks Entnahme anderer Waren) entnommen hat. Die Klägerin ist für die vollständige Rückgabe beweispflichtig (vgl. Teutsch in Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, 2000, § 475 HGB Rn. 20; BGH, VersR 1973, 342, 343). Da die Klägerin diesen Beweis nicht geführt hat, ist gemäß § 475 Satz 1 HGB davon auszugehen, dass das Gut in der Obhut der Klägerin in Verlust geraten ist. Den Nachweis, dass der Schaden durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnte (§ 475 Satz 1, zweiter Halbsatz HGB), hat die Klägerin nicht geführt.

b) Es ist nach Auffassung des Landgerichts im Rahmen der Beweisaufnahme ungeklärt geblieben, ob der Geschäftsführer der Beklagten - versehentlich oder vorsätzlich - bei einem seiner Besuche im Lager der Klägerin die streitgegenständlichen Euro-Starterkits entnommen hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Klägerin daraus jedoch nichts zu ihren Gunsten herleiten. Es verbleibt im vorliegenden Fall bei der sich aus § 475 Satz 1 HGB ergebenden Beweislastregel (siehe oben a.).

aa) Die Parteien hätten im Hinblick auf die verschiedentlichen Entnahmen des Geschäftsführers der Beklagten im Lager der Klägerin vertragliche Vereinbarungen treffen können über die Anforderungen an die Dokumentation bei diesen Entnahmen und über die Frage der Beweislast im Falle des Verlusts von Waren. Eine solche - von § 475 Satz 1 HGB abweichende - Vereinbarung haben die Parteien jedoch auch nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht getroffen.

bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.09.1991 (NJW 1992, 367) nicht entnehmen, dass sich generell die Darlegungs- und Beweislast für Verlustfälle ändert, wenn ein Einlagerer während der Lagerzeit das Lager aufsucht, um Teile der zuvor eingelagerten Sachen zu entnehmen. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung die Frage der Beweislast nur deshalb anders beurteilt, weil dort auf ausdrücklichen Wunsch des Einlagerers aus Kostengründen eine Auflistung des eingelagerten Gutes unterblieben war. Entscheidend war, dass der Lagerhalter unter den gegebenen Umständen keine Kontrollmöglichkeit hatte, um festzustellen, welche Gegenstände der Einlagerer bei seinen verschiedenen Besuchen entnommen hatte, und dass der Einlagerer für dieses Fehlen von Kontrollmöglichkeiten verantwortlich war (BGH, NJW 1992, 367).

Mit dieser Konstellation ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Ob der Zeuge K (Mitarbeiter der Klägerin) bei sämtlichen Besuchen des Geschäftsführers der Beklagten im Lager jeweils die ganze Zeit anwesend war, kann dahinstehen. Jedenfalls hatte der Zeuge K bei allen Besuchen des Geschäftsführers der Beklagten die Möglichkeit, die jeweiligen Entnahmen zu kontrollieren. Von dieser Möglichkeit hat der Zeuge K in gewissem Umfang auch Gebrauch gemacht (vgl. die Entnahme-Bestätigungen, Anlagen LG, B, As. 23, 27, 29). Soweit der Zeuge K bei dem Besuch des Geschäftsführers der Beklagten im Lager vor der Entnahme vom 28.04.2002 auf eine Kontrolle und Auflistung der zu entnehmenden Waren verzichtet hat, ist die Beklagte hierfür nicht verantwortlich. Denn der Geschäftsführer der Beklagten hat den Zeugen K - unstreitig - in keiner Weise an einer Kontrolle oder Dokumentation der Entnahme gehindert. Es war - im Hinblick auf die Beweislastregelung in § 475 Satz 1 HGB - Sache der Klägerin (bzw. des Zeugen K) für eine entsprechende Dokumentation der Entnahme vom 28.04.2002 zu sorgen.

cc) Entscheidend für die Unklarheiten bei den Entnahmen des Geschäftsführers der Beklagten ist die mangelhafte Dokumentation der Klägerin. Die Klägerin hat für die Einlagerungen der Beklagten weder ein Lagerbuch geführt noch auf andere Weise sichergestellt, dass Einlagerungen und Auslagerungen jeweils zuverlässig festgehalten wurden. Der Zeuge P (früher in der Niederlassung der Klägerin in K tätig) hat bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht eingeräumt, dass bei anderen Kunden die Bewegungen im Lager computermäßig dokumentiert wurden (Protokoll vom 14.01.2005, Seite 4, I/183). Wenn die Klägerin meinte, dass sich eine solche - bei Speditionen übliche und im Hinblick auf § 475 Satz 1 HGB erforderliche - Dokumentation "nicht gelohnt" habe (Aussage des Zeugen S, Protokoll vom 14.01.2005, Seite 4, I/183), müssen die sich daraus ergebenden Nachteile zu Lasten der Klägerin gehen.

Der Hinweis des Klägervertreters, eine exakte Dokumentation der Einlagerungen und Entnahmen sei nicht möglich gewesen, ist unzutreffend. Die Klägerin hatte verschiedene Möglichkeiten, den Lagerbestand bei den Einlagerungen der Beklagten jeweils exakt festzuhalten. Die Anforderungen an die Dokumentation der Klägerin entsprechen den Anforderungen, die in gleicher Weise auch sonst an die Schnittstellendokumentation im Transportgewerbe zu stellen sind. Die Klägerin hätte zum einen dafür sorgen müssen, dass Bezeichnungen und Mengenangaben bei der Dokumentation von Einlagerungen einerseits und Auslagerungen andererseits übereinstimmten. Wenn der Zeuge K bei einer bestimmten Einlagerung nicht feststellen konnte, wie viele Münzen sich in einem verschlossenen Behältnis befanden, hätte er dies zur Absicherung der Klägerin bei der Dokumentation der Einlagerung entsprechend vermerken können, wie dies auch sonst im Transportrecht bei der Quittierung des Erhalts einer Sendung üblich ist. Bei den Besuchen des Geschäftsführers der Beklagten war die Klägerin durch die Regelungen in Ziffer 15.3 ADSp (Betreten des Lagers für den Auftraggeber nur in Begleitung des Lagerhalters) und durch Ziffer 15.4 ADSp geschützt. Hätte der Zeuge K von seinen Befugnissen gemäß Ziffer 15.4 ADSp Gebrauch gemacht (Feststellung von Anzahl, Gewicht und Beschaffenheit der vom Geschäftsführer der Beklagten entnommenen oder umverpackten Münzen), wäre es zu den späteren Beweisproblemen nach dem Verlust der Euro-Starterkits nicht gekommen. Nach alledem ergeben sich aufgrund der Besuche des Geschäftsführers der Beklagten im Lager der Klägerin keine rechtlichen Gesichtspunkte für eine Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin (anders in einem derartigen Fall anscheinend Koller in einer Entscheidungs-Anmerkung in WuB IV D § 417 HGB 1.92).

c) Aus dem Schreiben der Klägerin vom 06.02.2002 (Anlagen LG K, As. 19) ergibt sich kein Haftungsausschluss.

Mit diesem Schreiben hat die Klägerin den Lagervertrag mit der Beklagten gekündigt. Das Schreiben war an die Beklagte gerichtet. Das Schreiben ist zugegangen. Der Inhalt des Schreibens bezieht sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch auf das Lager in K.. Die entsprechenden Feststellungen im Urteil des Landgerichts sind nicht zu beanstanden.

Gemäß § 473 Satz 1 HGB war die Klägerin zur Kündigung mit einer Frist von einem Monat berechtigt, so dass die Kündigung mit Ablauf des 06.03.2002 wirksam wurde. Für eine Kündigung aus wichtigem Grund (§ 473 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz HGB) ist nichts ersichtlich. Ob und inwieweit die Klägerin ihre Haftung durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung decken konnte, lag allein in ihrem Risikobereich und konnte eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Der Auftrag der Beklagten zur Eindeckung einer Versicherung (vgl. das Schreiben vom 22.01.2002, Anlagen LG B, AS. 3) bezog sich im Übrigen auf eine "Lagerversicherung", das heißt auf eine Sachversicherung und nicht auf eine eventuelle Haftpflichtversicherung der Klägerin. Es kann daher dahinstehen, ob der Sachvortrag der Klägerin, eine Versicherung von eingelagerten Münzen sei ihr nicht mehr möglich gewesen, ausreichend substantiiert ist.

Mit dem Schreiben vom 06.02.2002 hat die Klägerin der Beklagten gleichzeitig angeboten, ab dem 07.03.2002 einen neuen Lagervertrag abzuschließen, bei dem jedoch jegliche Haftung der Klägerin, auch für einen Verlust der Güter, ausgeschlossen sein sollte. Dieses Angebot hat die Beklagte angenommen, indem sie die Münzen nicht bis zum 06.03.2002 dem Lager entnommen, sondern weiter bei der Klägerin eingelagert gelassen hat. Der Haftungsausschluss ist wirksam; die Parteien sind bei einem Lagervertrag frei, von der dispositiven Haftungsregelung in § 475 HGB abzuweichen.

Der Haftungsausschluss greift im vorliegenden Fall jedoch nicht ein, weil nicht feststeht, zu welchem Zeitpunkt die Münzen im Lager der Klägerin in Verlust geraten sind. Da der Haftungsausschluss erst am 07.03.2002 wirksam wurde, könnte sich die Klägerin auf diese Vereinbarung nur dann berufen, wenn der Verlust in der Zeit ab dem 07.03.2002 bis zum 20.01.2003 (Feststellung des Fehlens im Lager der Klägerin) entstanden wäre. Bei einem Verlust in der Zeit zwischen dem 22.01.2002 (Einlagerung) und dem 06.03.2002 muss die Klägerin hingegen haften. Die Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt des Verlusts obliegt der Klägerin, die sich auf den Haftungsausschluss beruft. Da die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten hat, dass der Verlust erst ab dem 07.03.2002 eingetreten ist, kann der Senat die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nicht feststellen. Die Klägerin hat die Möglichkeit eines Verlustes in der Zeit vor dem 07.03.2002 (Lagerung ohne Haftungsausschluss) nicht ausgeräumt.

Das Landgericht hat zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Münzen in Verlust geraten sind, keinen Beweis erhoben (vgl. die Formulierung des Beweisbeschlusses vom 29.10.2004, I 131). Aus den Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugen U und J (vgl. das Protokoll vom 14.01.2005 I/177 ff.) kann der Senat auch nicht entnehmen, dass das Vorhandensein der fraglichen Eurostarterkits Ende April 2002 von den beiden Zeugen kontrolliert worden wäre, als diese andere Münzen (insgesamt sieben Paletten) umpackten und zur Abholung bereitstellten. Der Zeuge U hat lediglich angegeben, dass zu diesem Zeitpunkt "noch diese kleinste der drei Kisten im Lager belassen" worden sei. Die Kiste (mit den fraglichen Eurostarterkits) sei teilweise durch andere Paletten zugestellt gewesen. Daraus ergibt sich nicht, dass der Zeuge U zu diesem Zeitpunkt den Inhalt der fraglichen Kiste kontrolliert hätte. Der Hinweis darauf, dass die Kiste "teilweise" durch andere Paletten zugestellt gewesen sei, lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass die Zeugen U und J im April 2002 nicht festgestellt haben, ob die fraglichen Eurostarterkits noch vollständig vorhanden waren. Der Zeuge J hat bei seiner Vernehmung (I/187) lediglich angegeben, dass er im April 2002 nur andere Münzen zum Abtransport bereitgestellt habe und nicht die fraglichen Eurostarterkits. Der Zeuge hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Eurostarterkits "an anderer Stelle des Lagerraums" deponiert waren und "das ganze Lager ziemlich zugeräumt" gewesen sei; mithin bleibt auch aus den erstinstanzlichen Angaben des Zeugen J offen, ob das Vorhandensein der fraglichen Eurostarterkits im April 2002 von ihm festgestellt wurde, bzw. ob er einen Teilverlust zu diesem Zeitpunkt in irgend einer Art und Weise bemerkt hätte. Dementsprechend ist auch das Landgericht im erstinstanzlichen Urteil keineswegs davon ausgegangen, dass die Eurostarterkits im April 2002 noch vorhanden gewesen seien; vielmehr hat das Landgericht die Auffassung vertreten (S. 8 des LG-Urteils), die Eurostarterkits könnten bei verschiedenen Entnahme-Vorgängen (also auch vor April 2002) verschwunden sein.

d) Die Höhe des Schadens der Beklagten ist unstreitig. Gemäß § 249 Satz 1 BGB kann die Beklagte den Betrag verlangen, den sie bei einem Verkauf der 776 Starterkits im Januar 2003 erzielt hätte. Bei einem Betrag von 16,netto pro Starterkit ergibt sich ein Schaden in Höhe von insgesamt 12.416,00 EUR.

e) Die Klägerin kann sich gegenüber dem Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht auf die Haftungsbegrenzungen der ADSp (Ziffer 22.3 ADSp und Ziffer 24.1 ADSp) berufen.

aa) Die ADSp (Stand 01.01.2002) finden auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung. Die ADSp gelten im gewerblichen Bereich auch für Lagerverträge (Ziffer 2.1 ADSp). Die ADSp sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis der Parteien stillschweigend einbezogen worden (vgl. zur Einbeziehung Koller, Transportrecht, 5. Auflage 2004, vor Ziffer 1 ADSp Rn. 11).

bb) Die Haftungsbegrenzungen der ADSp kommen vorliegend gemäß Ziffer 27.1 ADSp nicht zur Anwendung, da die Klägerin eine vertragswesentliche Pflicht verletzt hat. Der Verlust der eingelagerten Münzen ist durch eine Verletzung der Obhutspflicht eingetreten. Die Obhutspflicht ist eine Kardinalpflicht des Lagerhalters beim Lagervertrag.

Soweit der Beklagten durch den Verlust der Münzen Verkaufserlöse entgangen sind, handelt es sich um einen vorhersehbaren, typischen Schaden im Sinne von Ziffer 27.1 ADSp.

f) Die Aufrechnungsforderung ist nicht verjährt. Gemäß § 215 BGB kommt es darauf an, ob Verjährung vor dem Zeitpunkt der Aufrechnungslage eingetreten ist. Am 20.01.2003, also zu dem Zeitpunkt, zu dem die Schadensersatzforderung der Beklagten entstanden ist, konnte sie auch schon aufgerechnet werden. Mithin konnte die Aufrechnungsforderung vor Entstehen der Aufrechnungslage nicht verjähren.

g) Das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 19 ADSp steht der Aufrechnung der Beklagten nicht entgegen. Auch insoweit findet Ziffer 27.1 ADSp (Ausschluss von Haftungsbegrenzungen bei Verletzung einer vertragswesentlichen Pflicht) Anwendung. Das Aufrechnungsverbot in Ziffer 19 ADSp ist als Haftungsbegrenzung im Sinne von Ziffer 27 ADSp anzusehen. Der Begriff "Haftungsbefreiungen und -begrenzungen" ist weit zu verstehen. Hierunter fällt jede Regelung, durch die die Haftung des Spediteurs in irgendeiner Weise erleichtert wird (vgl. zur ähnlichen Regelung in § 434 Abs. 1 HGB, Koller aaO., § 434 HGB Rn. 7). Eine solche Haftungserleichterung ist auch das Aufrechnungsverbot in Ziffer 19 ADSp. Das Haftungsrisiko des Spediteurs wird aus prozesstaktischen Gründen generell geringer, wenn der Auftraggeber nicht aufrechnen kann, sondern sich selbst zu einer Klage (oder Widerklage) entschließen muss. Das Aufrechnungsverbot führt im Übrigen auch bei der Frage der Verjährung zu einer günstigeren Position des Spediteurs. Wer im Hinblick auf § 215 BGB noch aufrechnen kann, hätte bei einer eigenen Klage die Möglichkeit zur Geltendmachung der Forderung unter Umständen wegen Verjährung schon verloren. Dies würde auch im vorliegenden Fall gelten, wenn man der Aufrechnung der Beklagten den Erfolg versagen würde.

h) Die Aufrechnung führt zum rückwirkenden Erlöschen der Klageforderung (§ 389 BGB). Die Beklagte schuldet daher auch keine Verzugszinsen.

Die Aufrechnungslage entstand am 20.01.2003, als der Verlust der Starterkits festgestellt wurde (siehe oben). Dementsprechend ist die Forderung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt erloschen. Die Wirkungen des am 26.03.2003 eingetretenen Verzuges (zum Verzugseintritt siehe oben 1.) sind mithin rückwirkend entfallen (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Auflage 2006, § 389 BGB Rn. 4).

3. Die Widerklage ist in der Hauptsache begründet.

a) Der Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe von insgesamt 12.416,00 EUR ist lediglich in Höhe von 5.435,- EUR durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen (siehe oben). Den Restbetrag in Höhe von 6.981, kann die Beklagte dementsprechend mit der Widerklage von der Klägerin verlangen.

b) Die Widerklageforderung ist nicht verjährt. Gemäß §§ 475 a Satz 1, 439 Abs. 1 Satz 2 HGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Durch die Erhebung der Widerklage (Zustellung am 04.06.2004, I/51) ist die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Ziffer 1 BGB).

Voraussetzung für die Verjährungsfrist von drei Jahren ist ein qualifiziertes Verschulden der Klägerin gemäß § 435 HGB. Maßgeblich ist eine leichtfertige Schadensverursachung in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. die Gesetzesformulierung in § 435 HGB). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn die Klägerin hat bei den Einlagerungen der Beklagten keine Dokumentationen erstellt, durch welche der Lagerbestand und eventuelle Verluste jeweils zuverlässig hätten festgestellt werden können (siehe oben 2. b). Damit hat die Klägerin grundlegende Pflichten eines Lagerhalters verletzt, wodurch das Risiko eines Verlustes der eingelagerten Güter und das Risiko der Unaufklärbarkeit bei Verlustfällen deutlich erhöht wurde. Das Verschulden der Klägerin entspricht den Fällen fehlender Schnittstellenkontrollen im Transportgewerbe, bei denen in der Rechtsprechung ein qualifiziertes Verschulden des Unternehmers anerkannt ist (vgl. beispielsweise die Rechtsprechungsübersicht bei Koller, aaO., Artikel 29 CMR Rn. 4).

c) Die geltend gemachten Zinsen stehen der Beklagten zu seit dem 04.06.2004 gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB (Zustellung der Widerklage). Das außergerichtliche Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 13.05.2003 (Anlagen LG, As. 15, 17) enthält keine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB, die einen früheren Verzug hätte auslösen können.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

5. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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