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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 06.06.2003
Aktenzeichen: 15 U 61/01
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 280
HGB §§ 407 ff.
1. Verpflichtet sich der Auftraggeber in einem Rahmenvertrag, dem Transportunternehmer Aufträge in einem bestimmten Mindestumfang zu erteilen, so kann dem Transportunternehmer bei Nichterreichen der Mindestmenge ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zustehen.

2. Steht fest, dass die vereinbarte Mindestmenge in einem abgelaufenen Vertragsjahr nicht erreicht wurde, so reicht dies in der Regel zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs des Transportunternehmers aus; es ist in der Regel nicht erforderlich, dass der Transportunternehmer dem Auftraggeber vorher eine Frist zur Erteilung der erforderlichen Aufträge gesetzt hat.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 15. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

15 U 61/01

Verkündet am: 06. Juni 2003

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2003 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Oppenz,

Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus,

Richter am Amtsgericht Dr. Ganßauge

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts Heidelberg vom 31.07.2001 - 11 O 167/00 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung wegen der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war als Transportunternehmer tätig, die Beklagte betreibt ein Bauuntertnehmen. Am 02.05.1984 schlossen die Parteien einen "Dauervertrag", der vorsah, dass der Kläger mit einem Tankfahrzeug Bitumen transportierte zu den damals bestehenden Asphalt-Mischanlagen der Beklagten in M.-R. und S. Auf Seiten der Beklagten wurde der Vertrag von dem Mitarbeiter F. unterzeichnet. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelung wird auf den bei den Akten befindlichen Vertrag (I 9, 11) verwiesen.

In den folgenden Jahren führte der Kläger absprachegemäß Bitumentransporte für die Beklagte durch, wobei das Bitumen von dem Kläger zunächst aus K., ab 1993 teilweise auch aus K. geholt wurde. Im November 1997 teilte der Zeuge F. dem Kläger mit, dass die Beklagte beabsichtige, die beiden Asphalt-Mischanlagen in M.-R. und S. zu schließen. In der Folgezeit reduzierten sich die vom Kläger für die Beklagte durchgeführten Transporte. Die Mischanlage in R. wurde am 13.03.1998 geschlossen, diejenige in S. am 04.03.1999. Am 11.01.1999 führte der Kläger den letzten Transport für die Beklagte durch. Nachdem der Kläger mit außergerichtlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.01.2000 Schadensersatzansprüche wegen ausgebliebenen Transportaufträge geltend gemacht hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 17.01.2000 - vorsorglich - die Kündigung des Vertrages vom 02.05.1984.

Der Kläger hat vor dem Landgericht von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von DM 153.271,11 nebst Zinsen verlangt, weil die Beklagte sich hinsichtlich der Transportaufträge nicht an den Vertrag vom 02.05.1984 gehalten habe. Die Beklagte sei nach diesem Vertrag verpflichtet gewesen, Transportaufträge in einem Gesamtumfang von mindestens 5.000 t pro Jahr zu erteilen. Ab dem 01.01.1998 seien die Aufträge der Beklagten hinter dieser Mindestmenge zurückgeblieben. Dem Kläger seien hierdurch erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen entstanden. Der Kläger hat erstinstanzlich den durch ausgebliebene Transportaufträge in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1999 entstandenen Schaden beziffert und sich die Geltendmachung eines weiteren Schadens für die Zeit ab dem 01.01.2000 vorbehalten. Die Beklagte hat gegenüber den Ansprüchen des Kläger» Einwendungen erhoben sowohl zum Grund als auch zur Höhe. Das Landgericht Heidelberg - Kammer für Handelssachen - hat am 31.07.2002 den Klageantrag dem Grunde nach in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt.

Gegen dieses Grundurteil richtet sich die Berufung der Beklagten Sie rügt, die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heidelberg sei erstinstanzlich nicht zuständig gewesen. Die Kammer für Handelssachen hätte das Verfahren auf die entsprechende erstinstanzliche Rüge des Beklagtenvertreters an die Zivilkammer verweisen müssen. Das Urteil des Landgerichts Heidelberg sei auch in der Sache unrichtig. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht gegeben, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen sei, dem Kläger Transportaufträge in einem gewissen Mindestumfang zu erteilen. Insbesondere ergebe sich eine derartige Verpflichtung - entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus dem Vertrag vom 02.05.1984. Der Kläger habe nach der letzten Fahrt für die Beklagte seine Transportleistung nicht mehr angeboten und die Beklagte auch "nie in Annahmeverzug" gesetzt. Der Kläger habe bereits ab November 1997 durch den Zeugen F. gewusst, dass wegen der beabsichtigten Schließung der Asphalt-Mischanlagen in M.-R. und S. Transporte des Klägers zunächst nur noch in geringerem Umfang und später überhaupt nicht mehr benötigt wurden.

Einem eventuellen Anspruch des Klägers aus dem Vertrag vom 02.05.1984 stehe außerdem entgegen, dass der Mitarbeiter der Beklagten, Fr. F., nicht berechtigt gewesen sei, diesen Vertrag zu unterzeichnen. Des weiteren sei am 24.05.1984 ein anderer Vertrag abgeschlossen worden zwischen der Beklagten und der Firma H. v. W. GmbH & Co., wobei entsprechende Transportleistungen von der Firma H. v. W. GmbH & Co. hätten erbracht werden sollen. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass der Kläger - in Erfüllung dieses weiteren Vertrages vom 24.05.1984 - nicht für die Beklagte, sondern als Subunterhehmer für die Firma H. v. W. GmbH & Co. gefahren sei. Offensichtlich sei mithin der frühere Vertrag vom 02.05.1984 gar nicht vollzogen bzw. mit Kenntnis und Einvernehmen des Klägers durch den Vertrag vom 24.05.1984 ersetzt worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heidelbergs vom 31.07.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger ändert im Berufungsrechtszug die Begründung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche wie folgt: Die Beklagte habe sowohl im Vertragsjahr vom 1998/1999 (02.05.1998 bis 01.05.1999) als auch im Vertragsjahr 1999/2000 (02.05.1999 - 01.05.2000) ihre Verpachtung verletzt, dem Kläger jeweils Aufträge im Gesamtvolumen von mindestens 5.000 t pro Vertragsjahr zu erteilen. Im Vertragsjahr 1998/1999 sei dem Kläger durch geringere Umsätze ein Schaden entstanden in Höhe von 66.121,55 DM, im Vertragsjahr 1999/2000 ein Schaden in Höhe von 87.149,56 DM. Hieraus ergebe sich für die beiden Vertragsjahre zusammen (02.05.1998 bis 01.05.2000) die Klageforderung In Höhe von 153.271,11 DM.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts Heidelbergs. Er weist darauf hin, dass er zwar bemerkt habe, dass die Transportaufträge von der Beklagten repliziert wurden. Ihm sei jedoch zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten erklärt worden, dass seine Dienstleistungen endgültig nicht mehr in Anspruch genommen werden sollten. Von rechtlichen Maßnahmen habe er gegenüber der Beklagten zunächst abgesehen, weil er noch Hoffnung gehabt habe, Transportaufträge zu erhalten und "nicht zu viel Porzellan/zerschlagen" wollte. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Parteien haben auch nach der Änderung der Klagebegründung durch den Kläger im Senatstermin am 16.05.2003 an ihren früheren Berufungsanträgen festgehalten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu, soweit die Beklagte Transportaufträge in der Zeit vom 02.05.1998 bis 01.05.2000 unter die vertraglich vereinbarte Mindostmenge reduziert hat.

1. Eine eventuelle Unzuständigkeit der Kammer für Handelssachen - anstelle der Zivilkammer - kann die Beklagte mit der Berufung nicht rügen. Eine solche Rüge käme nur in Betracht bei willkürlicher Handhabung der Zuständigkeit durch das Landgericht, nicht jedoch bei irriger Gesetzesauslegung (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., 2001, vor § 93 GVG Rn. 3 sowie § 21 e GVG Rn. 53). Das Landgericht hat die Gründe für seine Auffassung zur Frage der Zuständigkeit in Ziffer 1 des Beschlusses vom 16.01.2001 (I 133) festgehalten. Die Ausführungen des Landgerichts lassen jedenfalls keinerlei Willkür erkennen, sodass eine weitergehende Prüfung der Zustängkeitsfrage durch den Senat nicht geboten ist.

2. Die Änderung der Begründung der Schadensersatzansprüche durch den Kläger im Senatstermin vom 16.05.2003 (andere Zeiträume) stellt eine Klageänderung dar. Diese ist zulässig gem. §§ 523 a.F., 263 ZPO. Der Beklagtenvenreter hat im Senatstermin der Klageänderung konkludent zugestimmt. Außerdem erachtet der Senat die Klageänderung für sachdienlich. 3. Zu Recht hat das Landgericht die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils angenommen (§ 304 Abs. 1 ZPO).

a) Der Kläger hat eine Teilklage erhoben hinsichtlich seines in einem bestimmten Zeitraum entstandenen Schadens. Der Erlass eines Grundurteils ist grundsätzlich auch bei einer Teilklage zulässig (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 304 ZPO Rn. 13). Für das Berufungsverfahren ist der geänderte Zeitraum 02.05.1998 bis 01.05.2000 maßgeblich.

b) Der vom Klage geltend gemachte Anspruch ist nach Grund und Höhe streitig. Entscheidungsreife ist bisher lediglich hinsichtlich des Grundes eingetreten.

c) Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Schaden des Klägers - auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten zur Höhe - tatsächlich eingetreten ist. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Gewinn- und Verlustrechnungen 1995 bis 1998, vgl. Anlagen LG AS 19 ff., sowie Umsatz- und Gewinnberechnung des Steuerberaters für 1999, vgl. I 13). Die Unterlagen zeigen einen deutlichen Umsatz- und Gewinnrückgang des klägerischen Unternehmens 1998 und 1999, parallel zur Reduzierung bzw. zum Ausbleiben der Transportaufträge von Seiten der Beklagten. Inwieweit die vom Kläger in den beiden Vertragsjahren für den entgangenen Gewinn genannten Zahlen tatsächlich zutreffend sind (der Kläger hatte entsprechende Zahlen erstinstanzlich zunächst nicht für die Vertragsjahre, sondern für die Kalenderjahre 1998 und 1999 genannt), kann dahinstehen. Diese Frage wird das Landgericht im weiteren Verfahren über die Höhe der Ansprüche des Klägers zu klären haben.

4. Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger in jedem Vertragsjahr (jeweils 02. Mai eines Jahres bis zum 01. Mai des Folgejahres) Aufträge zum Transport von Bitumen über eine Mindestmenge von 5.000 t zu erteilen. Dies ergibt sich aus Ziffer 6 des Dauervertrags vom 02.05.1984 (I 9).

Die Parteien haben in Ziffer 2 des Vertrages eine Laufzeit von 12 Monaten vorgesehen und in Ziffer 6 eine "Mindestmenge des zu befördernden Gutes" von 5.000 t. Zu Recht hat das Landgericht diesen vertraglichen Regelungen im Wege der Auslegung entnommen, dass die Mindestmenge zu transportieren war innerhalb der Mindestdauer von 12 Monaten. Aus der Verlängerungsklausel in Ziffer 12 des Vertrages ("Dieser Vertrag verlängert sich stillschweigend um jeweils 12 Monate, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf von einem der Vertragspartner gekündigt wird") ergibt sich unmittelbar, dass die gleiche Regelung - jeweils 5.000 t Mindestmenge pro Vertragsjahr - auch für die folgenden Jahren gelten musste, wenn der Vertrag nicht gekündigt wurde. Die Festlegung einer Mindestmenge pro Vertragsjahr war für den Kläger wichtig, der als Transportunternehmer mit lediglich einem Fahrzeug in hohem Maß von der Beklagten und deren Aufträgen abhängig war.

Die Beklagte weist zwar im Rechtsstreit zutreffend darauf hin, dass die Auslegung des "Dauervertrags" die Regelungen des "Tarifs für den Güternahverkehr mit Kraftfahrzeugen" (GNT) berücksichtigen muss. Eine Auslegung des Vertrages im Hinblick auf den GNT bestätigt jedoch - insoweit entgegen der Auffassung der Beklagten - entscheidend die Auslegung des Landgerichts (5.000 t Mindestmenge jeweils pro Vertragsjahr).

Bei Abschluss des Vertrages im Jahr 1984 bestand eine Tarifbindung, auf Grund derer die Parteien verpflichtet waren, bestimmte Tarife des GNT nicht zu unterschreiten. Die Tarifbindung diente den Interessen der Transportunternehmer, die - aus der Sicht des Gesetzgebers - vor ruinösen Niedrigpreisen, die durch Konkurrenzdruck entstehen könnten, geschützt werden sollten. Um eine gewisse Flexibilität der Tarife zu errreichen, sah § 3 GNT die Möglichkeit vor, dass die in bestimmten Tafeln festgesetzten Tarife um bis zu 40 % unterschritten werden konnten bei einem sogenannten Dauervertragsverhältnis. Von dieser Möglichkeit haben die Parteien - unstreitig - im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Der Vertrag vom 02.05.1984 wurde auf einem damals gebräuchlichen Formular für einen "Dauervertrag" abgeschlossen. Der Vertrag wurde sodann gemäß § 3 GNT der zuständigen Behörde angezeigt, die die Einhaltung der Preisvorschriften zu überwachen hatte.

Die einzelnen Rubriken des Formulars und die Eintragungen im Formular richteten sich unter den gegebenen Umständen danach, was gemäß § 3 GNT als "Dauervertragsverhältnis" anzusehen war. Dies ist auch für die Auslegung der "Mindestmenge" in Ziffer 6 des Dauervertrags von Bedeutung: Gerade zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 GNT war es erforderlich, dass die Parteien eine Mindestmenge festlegten, die pro Zeiteinheit (im Vertragsjahr) zu transportieren war.

Ein Vertrag "auf längere Zeit" im Sinne von § 3 GNT sollte dem Transportunternehmer ermöglichen, über Fahrzeug und Personal langfristig und wirtschaftlich zu disponieren, um die bei Einzeleinsätzen unvermeidbaren Wagenstillstände zu vermindern und die festen Kosten auf eine Vielzahl von Leistungen zu verteilen (BGH, DAR 1976, 162, 163). Der Verordnungsgeber räumte in § 3 GNT den Parteien die Möglichkeit einer Tarifunterschreitung um 40 % zu Gunsten des Auftraggebers ein, wenn gleichzeitig der Auftragnehmer entsprechende wirtschaftliche Vorteile hatte, indem er Planungssicherheit für die wirtschaftliche Auslastung seines Unternehmens gewann. Ein Vertrag "auf längere Zeit" im Sinne von § 3 GNT sollte dem Unternehmer eine angemessen Auslastung seines Fahrzeugs - als Gegenleistung für die niedrigeren Preise - sichern (vgl. insbesondere Kreft/Liebert, GNT mit Erläuterungen, 6. Aufl., 1976, § 3 GNT Anmerkung 2 a). Nur eine Mindestmenge pro Vertragsjahr konnte dem Kläger eine Mindestbeschäftigung (vgl. BGH, a. a. O., 164) in einer bestimmten Zeit sichern. Diesem Verständnis eines Vertrages auf längere Zeit entsprechen beispielsweise auch die in Niedersachsen erlassenen Richtlinien zu § 3 GNT (vgl. Kreft/Liebert, a. a. O., Seite 29; Die Niedersächsischen Richtlinien sahen zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs Vertrag "auf längere Zeit" vor, dass dem Transportunternehmer eine bestimmte Anzahl von Taqeseinsätzen pro Zeiteinheit garantiert werden musste; vgl. zur Auslegung von § 3 GNT - Mindesttransportmenge pro Jahr - auch OLG Düsseldorf, Versicherungsrecht 1979, 675, 676). Unter diesen Umständen ist die Auffassung der Beklagten, die Eintragung der Mindestmenge von "5.000 t" habe nicht den Intentionen des Formulars entsprochen, weil in dieser Zeile des Formulars keine Gesamtmenge pro Jahr, sondern eine Ladungsmenge pro Fahrt einzusetzen wäre, unzutreffend. Die Festlegung einer bestimmten Mindestmenge, die der Kläger bei einem einzelnen Transportauftrag hätte erhalten müssen, wäre im Hinblick auf § 3 GNT - und die daran ausgerichtete Ausgestaltung des Formulars - nicht sinnvoll -; denn nur die Kalkulation einer Gesamt-Transportmenge pro Jahr konnte dem Kläger - entsprechend § 3 GNT - die Sicherheit geben, die er bei den um 40 % ermäßigten Vergütungssätzen für sein Unternehmen benötigte.

Etwas Abweichendes hat auch die erstinstanzliche Vernehmung des Zeugen F. nicht ergeben. Der Zeuge konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie die Eintragung von 5.000 t Mindestmenge in dem Vertrag vom 02.05.1984 gemeint war.

5. Der Dauervertrag vom 02.05.1984 war nicht wegen eines Verstoßes gegen § 22 Abs. 2 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) (a. F.) unwirksam. Eine Unwirksamkeit (vgl. für Rahmenverträge hierzu BGH, Versicherungsrecht 1969, 790, 791) käme in Betracht, wenn die Parteien im Vertrag vom 02.05.1984 die gültigen Tarife unterschritten hätten. Daran wäre zu denken, wenn bestimmte, vertraglich vereinbarte Transporte nicht mehr dem Bereich des Güternahverkehrs zuzuordnen gewesen wären. Transporte von K. nach M. oder S., die den Bereich des Güternahverkehrs überschritten (vgl. hierzu § 2 GüKG), waren unstreitig jedoch nicht Gegenstand des Vertrages vom 02.05.1984. Denn Transporte von K. führte der Kläger erst ab 1993 aus. Ob und inwieweit solche Transporte aus K. ab 1993 zulässig waren und wie diese gegebenenfalls zu vergüten waren - der Tarifzwang entfiel erst am 01.01.1994 - kann dahinstehen, da die Wirksamkeit des Vertrages vom 02.05.1984 in jedem Fall dadurch nicht berührt werden kann.

6. Der Wirksamkeit des Vertrages vom 02.05.1984 steht nicht entgegen, der Zeuge F. nicht berechtigt gewesen wäre, als Mitarbeiter der Beklagten diesen Vertrag zu unterzeichnen.

a) Nach der erstinstanzlichen Vernehmung des Zeugen steht fest, dass der Zeuge von dem damaligen Geschäftsführer Dr. E. L. ausdrücklich zum Abschluss des Vertrages mit dem Kläger bevollmächtigt worden war. Von einer Vertretungsmacht des Geschäftsführers Dr. L. geht die Beklagte selbst aus (Schriftsatz vom 10.01.2003, Seite 3, II 175).

b) Im übrigen ergibt sich - fürsorglich - eine konkludente - Genehmigung des Dauervertrags (§ 177 Abs. 1 BGB) aus dem Umstand, dass der Kläger in der Folgezeit - unstreitig - laufend Transporte für die Beklagte ausführte, die entsprechend dem Dauervertrag vergütet wurden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Tarifunterschreitung um 40 % bei der Abrechnung der Transporte des Klägers im Hinblick auf den GNT und § 22 GüKG ohne den vorherigen Dauervertrag (als Rahmenvertrag) unzulässig gewesen wäre.

7. Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte weitere Vertrag vom 24.05.1984 (Anlagen OLG B2) ist ohne rechtliche Bedeutung.

a) Der Vertrag vom 24.05.1984 kann das rechtliche Verhältnis zwischen den Parteien schon deshalb nicht beeinflussen, weil der Kläger an diesem Vertrag nicht beteiligt war. Transportunternehmer des Vertrages vom 24.05.1984 war "H. v. W. Internationale Spedition". Dass der Kläger in irgendeiner Art und Weise im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 24.05.1984 einer Abänderung des früheren Vertrages vom 02.05.1984 zugestimmt hätte, ist von der Beklagten weder substantiiert dargetan noch unter Beweis gestellt.

b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Streitgegenständliche Vertrag vom 02.05.1984 nicht vollzogen worden wäre. Der Kläger hat jahrelang Transportaufträge entsprechend diesem Vertrag für die Beklagte ausgeführt. Rechnungen hat der Kläger für diese Transporte unstreitig jeweils in eigenem Namen an die Beklagte gestern (vgl. beispielsweise die Rechnungen Anlagen CG AS. 1 ff). Sämtliche Rechnungen wurden immer von der Beklagten an den Kläger bezahlt (und nicht etwa an die H. v. W. Internationale Spedition, die Partner des Vertrages vom 24.05.1984 gewesen sein soll).

8. Die Aufhebung des Tarifzwangs zum 01.01.1994 ändert nichts an der Wirksamkeit der Bestimmungen des Rahmenvertrages aus dem Jahr 1984. Der Umstand, dass für den Dauervertrag vom 02.05.1984 die Bestimmungen des GNT maßgeblich waren, führt nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage zum 01.01.1994. Der Wegfall der Preisvorschriften kann allenfalls zu einer Anpassung der Vergütungsvereinbarungen im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung führen (vgl. BGH Transportrecht 2000, 214, 216). Eine solche Anpassung der Vergütungsregelungen könnte - wenn überhaupt - eventuell Auswirkungen auf die Höhe des Schadens des Klägers haben, nicht jedoch auf den Haftungsgrund; denn die Regelung über die Mindestmenge pro Vertragsjahr bleibt in jedem Fall unberührt (vgl. BGH a. a. O.).

9. Der Vertrag vom 02.05.1984 ist - in dem für den Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraum - auch nicht durch eine Kündigung der Beklagten oder durch eine einvernehmliche Vertragsaufhebung beendet worden. Nachdem die erstinstanzliche Beweisaufnahme den entsprechenden Sachvortrag nicht bestätigen konnte, hat die Beklagte ihre diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsverfahren nicht mehr wiederholt.

10. Der Umstand, dass die Beklagte ihre Asphalt-Mischwerke in S. und M.-R. aufgegeben hat, führte nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage - mit der Konsequenz einer vorzeitigen Beendigung des Transportvertrages - im Verhältnis zum Kläger. Die Aufrechterhaltung der von der Beklagten selbst betriebenen Asphalt-Mischanlagen gehörte zu ihrem eigenen Risikobereich (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., 2002, § 242 BGB Rn. 126 ff.). Eine Veränderung von Umständen im eigenen Risikobereich kann die Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten, zumal die Interessen der Beklagten insoweit im Rahmenvertrag durch die Möglichkeit einer fristgemäßen Kündigung jeweils zum Ablauf eines Vertragsjahres ausreichend berücksichtigt waren. Ob und inwieweit die Beklagte gegebenenfalls von dem Kläger in Anpassung an veränderte Verhältnisse bei Schließung der Asphalt-Mischanlage hätte verlangen können, Transporte von Bitumen zu anderen Standorten durchzuführen, kann dahinstehen, da die Beklagte Entsprechendes nicht geltend gemacht hat.

11. Die Beklagte haftet für das Nichterreichen der Mindestbeförderungsmengen unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung.

a) Anspruchsgrundlage bei der Verletzung der Pflichten aus einem Rahmenvertrag durch den Auftraggeber ist in einem Fall der vorliegenden Art grundsätzlich die positive Vertragsverletzung (vgl. BGH, Transportrecht 2000, 214, 217).

b) Die Beklagte hat ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 02.05.1984 durch Nichteinhaltung der Mindestmengen verletzt. Pro Vertragsjahr hätten Aufträge über mindestens 5.000 t Bitumen an den Kläger erteilt werden müssen. Diese Mindestmenge wurde im Vertragsjahr vom 02.05.1998 bis 01.05.1999 nicht eingehalten. Im Jahr 1999 hat der Kläger lediglich einen einzigen Transport ausgeführt (11.01.1999, I 101). Im Kalenderjahr 1998 wurden nach Angaben des Klägers 1.603 t transportiert, nach Angaben der Beklagten möglicherweise - allerdings ohne nähere Konkretisierung - 3.500 t (I 127). Für das weitere Vertragsjahr vom 02.05.1999 bis 01.05.2000 ist die Pflichtverletzung der Beklagten evident, da in dieser Zeit unstreitig kein einziger Transport mehr erfolgt ist.

c) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung aus dem Rahmenvertrag verletzt, durch entsprechende Abrufe gegenüber dem Kläger das Erreichen der Mindestmenge von 5.000 t pro Vertragsjahr sicherzustellen. Nach der Handhabung der Parteien - und der üblichen Praxis bei derartigen Rahmenverträgen - war es Pflicht der Beklagten, über Aufträge in entsprechendem Umfang zu Gunsten des Klägers zu disponieren. Der Kläger selbst hatte keine Möglichkeit - und dementsprechend auch keine Verpflichtung -, durch eigene Tätigkeit die Einhaltung des Transportvolumens sicherzustellen. Denn ein Transport von Bitumen konnte naturgemäß immer nur dann in Betracht kommen, wenn die Beklagte Bitumen benötigte und von einem bestimmte Lieferanten erwerben wollte.

Dem Kläger ist ein Schaden dadurch entstanden, dass die Beklagte in der Zeit bis zum 01.05.1999 die Transportaufträge deutlich reduziert hat. Nachdem das Vertragsjahr 02.05.1998 bis 01.05.1999 abgelaufen war, gab es für die Beklagte keine Möglichkeit mehr, die Verpflichtung aus dem Rahmenvertrag für dieses Vertragsjahr nachzuholen. Entsprechendes gilt für das Vertragsjahr 02.05.1999 bis 01.05.2000. Dementsprechend kann es für den vorliegenden Fall keine Rolle spielen, dass die Beklagte bis dahin zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung erklärt hat (vgl. hierzu BGH, Transportrecht 2000, 214, 218). Der Kläger hat bis zum 01.05.1999 bzw. bis zum 01.05.2000 zu keinem Zeitpunkt seine Bereitschaft aufgegeben, Transportaufträge von der Beklagten zu übernehmen (vgl. auch das Schreiben des Klägervertreters vom 04.01.2000, I 17 ff.). Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn der Kläger sich vor Ende des jeweiligen Vertragsjahres selbst vom Vertrag hätte lösen wollen, um zum Schadensersatzanspruch überzugehen.

12. Dem Kläger fällt bei der Entstehung des Schadens kein Mitverschulden insoweit zur Last, als er zunächst weder die Beklagte unter Fristsetzung und (eventuell) Ablehnungsandrohung zur Vertragserfüllung angehalten hat, noch Schadensersatzansprüche angekündigt oder geltend gemacht hat.

a) Da die zeitliche Disposition über die einzelnen Aufträge bei der Beklagten lag, konnte den Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten keine Verpflichtung treffen, seine Transportleistung "anzubieten" oder die Beklagte "in Annahmeverzug zu setzen". Der Kläger konnte nach dem Rahmenvertrag bei einer Reduzierung der Transportaufträge durch die Beklagte zu Beginn und während eines Vertragsjahres auch nicht ohne weiteres sofort Pflichtverletzungen der Beklagten rügen; denn der Vertrag sah nicht vor, wie die Mindestmenge von 5.000 t auf das ganze Jahr zu verteilen war, so dass die Beklagte wohl - zumindest in gewissem Umfang - berechtigt war, Aufträge zu reduzieren, wenn dies durch vermehrte Aufträge gegen Ende des Vertragsjahres ausgeglichen worden wäre.

b) Es ist im übrigen nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Fristsetzungen oder durch die Ankündigung von Schadensersatzforderungen mehr Aufträge von der Beklagten hätte bekommen können. Die Beklagte hat im Rechtsstreit nicht vorgetragen, dass sie auf irgendeine Maßnahme des Klägers hin bereit gewesen wäre, den Rahmenvertrag zu erfüllen und die Mindestmenge in den entsprechenden Vertragsjahren einzuhalten. Eine solche Möglichkeit - die von der Beklagten darzulegen wäre - erscheint auch eher fernliegend; denn die Beklagte hat ausführlich vorgetragen, die Reduzierung (und schließlich die Einstellung) der Transportaufträge sei ausschließlich durch die Einstellung der Produktion in den beiden Asphalt-Mischanlagen in Schriesheim und Mannheim-Rheinau verursacht worden.

c) Dem Kläger ist - im Sinne eines Mitverschuldens bei der Schadensentstehung - auch nicht vorzuwerfen, dass er durch Untätigkeit von seiner Seite (kein ausdrückliches Bestehen auf Vertragserfüllung vor dem anwaltlichen Schreiben vom 04.01.2000) eine rechtzeitige Kündigung des Vertrages durch die Beklagte verhindert hätte. Wenn die Beklagte sich von den Verpflichtungen aus dem Rahmenvertrag lösen wollte, wäre es - auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des Klägers - ihre Sache gewesen, für eine rechtzeitige fristgemäße Kündigung zu sorgen. Nachdem der Kläger für den 11.01.1999 noch einen Transportauftrag von der Beklagten erhalten hatte, bestand zu diesem Zeitpunkt noch kein Anlass für ihn, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten zu stellen, zumal die Beklagte im laufenden Vertragsjahr - bis 01.05.1999 - die fehlende Transportmenge durch erhöhte Aufträge noch mindestens teilweise hätte ausgleichen können. Wenn der Kläger im weiteren Verlauf des Jahres 1999 die Beklagte in irgendeiner Weise ausdrücklich an den bestehenden Rahmenvertrag erinnert hätte, wäre für die Beklagte in jedem Fall - wegen der vertraglichen Kündigungsfrist - eine Beendigung des Rahmenvertrages erst zum 01.05.2000 möglich gewesen.

13. Die Frage ob und wieweit die Rechnungen oder Schätzungen des Klägers zu seinem Umsatz und seinen Gewinneinbußen in den beiden Vertragsjahren zutreffend sind, wird das Landgericht im Betragsverfahren zu klären haben. Auch ein eventueller Verstoß des Klägers gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) durch Nichtausnutzung anderweitiger Erwerbstätigkeiten des Klägers wäre im Betragsverfahren zu klären.

14. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Herget Zivilprozessordnung, 23. Aufl., 2002, § 97 ZPO, Rn. 2).

15. Die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

16. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Frage der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung bei einem Rahmenvertrag hat nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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