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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 15 W 23/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 170 Abs. 3
BGB § 709 Abs. 1
BGB § 714
1. Bei einer Klage gegen eine Anwaltskanzlei ist durch Auslegung der Klageschrift zu ermitteln, ob die Anwaltskanzlei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Beklagte sein soll, oder die einzelnen Partner der Kanzlei als natürliche Personen.

2. Die Bezeichnung "GbR" im Rubrum einer Klageschrift deutet im allgemeinen darauf hin, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Partei sein soll, und nicht etwa die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft.

3. Die Angabe des gesetzlichen Vertreters einer GbR ist im Rubrum einer Klageschrift zwar sinnvoll, um eine Zustellung der Klageschrift an den gesetzlichen Vertreter zu ermöglichen. Zur Klarstellung der Parteiidentität (Klage gegen die GbR statt einer Klage gegen die Mitglieder der Gesellschaft) ist die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters hingegen in der Regel nicht erforderlich.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 23/07

20. Juni 2007

In dem Rechtsstreit wegen Forderung; hier KfB

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 06.02.2007 - 6 O 26/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 337,22 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Rechtsanwältin vom 17.03.2006 Klage zum Landgericht Mannheim erhoben gegen

"Rechtsanwälte Dr. jur. K. W. H. , Hu. H. , S. H. & Partner GbR, .... ".

Bei der Anwaltskanzlei Dr. H. & Partner handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aus den Partnern (Gesellschaftern) Dr. jur. K. W. H. , Hu . H. und S. H. besteht.

Mit Beschluss vom 04.10.2006 hat das Landgericht Mannheim das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs festgestellt. Hinsichtlich der Kosten heißt es in dem Vergleich:

"2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 1/4 und die Klägerin 3/4."

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.02.2007 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Mannheim die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf Grund dieses Vergleichs auf 1.234,46 € nebst Zinsen festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie beanstandet, das die Rechtspflegerin auf Beklagtenseite beim Kostenausgleich eine Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 387,60 € netto (bzw. 449,62 € brutto) nicht berücksichtigt habe. Beklagte des Rechtsstreits sei nicht die betroffene Anwaltskanzlei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts; vielmehr habe sich die Klage gegen die drei einzelnen Gesellschafter der Anwaltskanzlei persönlich gerichtet. Partei des Rechtsstreits seien auf Beklagtenseite mithin drei natürliche Personen und nicht etwa nur eine einzige juristische Person (die Anwaltskanzlei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Mithin seien die Grundsätze gemäß Nr. 1008 VV RVG anwendbar (mehrere Personen als Auftraggeber), woraus sich die Berechtigung der Erhöhungsgebühr ergebe.

Die Beklagte weist auf verschiedene Umstände hin, aus denen sich die Parteiidentität auf Beklagtenseite ergebe. Dass die Klägerin ihre Klage nicht gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sondern gegen die einzelnen Gesellschafter gerichtet habe, ergebe sich insbesondere daraus, dass in der Klageschrift keine gesetzliche Vertretung für die Beklagte angegeben worden sei, was nach Auffassung der Beklagten bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Partei erforderlich gewesen wäre. Außerdem habe die Klägerin in ihrer Klageschrift beantragt, "die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen", was nur bei mehreren Beklagten einen Sinn ergebe.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Mannheim hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Die Beklagte kann zwar als Anwaltskanzlei gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO auch bei einer Tätigkeit in eigener Sache im vorliegenden Rechtsstreit entsprechende Anwaltsgebühren im Rahmen der Kostenfestsetzung verlangen. Die Beklagte hat hierbei jedoch keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VVRVG. Die Rechtspflegerin hat die von der Beklagten geltend gemachte Erhöhungsgebühr bei der Kostenfestsetzung zu Recht abgesetzt. Es ist keine Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber im Sinne von Nr. 1008 VVRVG angefallen. Denn auf Beklagtenseite war im Rechtsstreit nur eine juristische Person, nämlich die Anwaltskanzlei Dr. H. & Partner in ihrer Eigenschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beteiligt, und nicht etwa die einzelnen Rechtsanwälte als natürliche Personen.

1. Wer Partei eines Rechtsstreits ist, wird grundsätzlich durch die entsprechende Bezeichnung in der Klageschrift festgelegt. Bei unklaren oder ungenauen Parteibezeichnungen ist eine Auslegung erforderlich. Es kommt darauf an, gegen welche Person die Klage erkennbar gerichtet werden sollte (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2007, vor § 50 ZPO Rn. 6, 7). Vorliegend war die Klage erkennbar gegen die Beklagte als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und nicht gegen die einzelnen Gesellschafter gerichtet.

Entscheidend für die Auslegung der Klageschrift ist nach Auffassung des Senats die Bezeichnung "GbR" bei der Parteibezeichnung im Rubrum der Klageschrift. "GbR" ist eine Abkürzung für "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" und kann nur bedeuten, dass nach dem Willen der Klägerin eine (nach heutiger Auffassung rechtsfähige) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Partei sein sollte und nicht etwa einzelne Gesellschafter dieser GbR. Die Bezeichnung "GbR" ist als Unterscheidungskriterium eindeutig; bei jeder Klage gegen eine oder mehrere natürliche Personen wäre ein Zusatz "GbR" im Rubrum sachlich falsch. Eine anderweitige Interpretation der Klage wäre nur dann zu erwägen, wenn die im Rubrum bezeichnete Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht existent wäre; eine solche Möglichkeit spielt vorliegend jedoch keine Rolle, da die Beklagte als Gesellschaft bürgerlichen Rechts am Rechtsverkehr tatsächlich teilnimmt.

Es gibt weitere Umstände im Rubrum der Klageschrift, welche die Interpretation der Parteibezeichnung bestätigen. Wenn mehrer natürliche Personen im Rubrum einer Klageschrift genannt werden, ist es üblich, diese einzeln mit entsprechenden Ziffern zu bezeichnen, und zu jeder natürlichen Person gesondert die entsprechende Anschrift anzugeben. Beides fehlt vorliegend. Die Bezeichnung "Rechtsanwälte Dr. jur. K. W. H. , Hu. H. , S. H. und Partner GbR" im Rubrum der Klage meint unter diesen Umständen den Namen, unter welchem die Beklagte im Rechtsverkehr - als Gesellschaft bürgerlichen Rechts - auftritt.

Die Interpretation des Senats stimmt überein mit der Handhabung des Verfahrens durch die Zivilkammer des Landgerichts. Bei mehreren natürlichen Personen als Beklagte hätte eine Zustellung an jeden Beklagten gesondert erfolgen müssen. Das Landgericht hat hingegen nur eine einzige Zustellung der Klageschrift an die Beklagte als juristische Person veranlasst. Auch aus den Formulierungen des Landgerichts im Terminsprotokoll vom 20.09.2006 und im Beschluss vom 04.10.2006 ("die Beklagte") ergibt sich, dass die Interpretation der Klageschrift durch den Senat mit dem Verständnis des Landgerichts übereinstimmt.

2. Die Einwendungen der Beklagten gegen das Verständnis der Parteibezeichnung sind nicht begründet.

a) Es trifft zwar zu, dass die Klägerin im Antrag formuliert hat " .... die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen ...". Angesichts der nach Auffassung des Senats eindeutigen Bezeichnung im Passivrubrum ("GbR") handelt es sich bei der Antragsformulierung um ein Versehen der Klägerin, welches für die Auslegung der Parteibezeichnung letztlich nicht entscheidend sein kann. Hierbei ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rechtsstreit nicht durchgängig die Formulierung "die Beklagten" verwendet hat, sondern an anderer Stelle - im Schriftsatz vom 20.06.2006 - die Formulierung "der Beklagte" gebraucht hat. Auch diese Formulierung war ungenau. Die unterschiedlichen Formulierungen der Klägerin im Antrag und in den Schriftsätzen sprechen dafür, dass diesen Formulierungen für die Bestimmung der Parteiidentität kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden kann.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt es keine Rolle, dass die Klägerin im Rubrum keinen gesetzlichen Vertreter auf Beklagtenseite angegeben hatte. Zwar wird vielfach empfohlen, bei der Bezeichnung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einer Klageschrift auch den gesetzlichen Vertreter mit anzugeben (vgl. beispielsweise Wertenbruch, NJW 2002, 324, 326). Der Hinweis auf den gesetzlichen Vertreter ist jedoch - genauso wie bei einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft - nur für die Frage der korrekten Zustellung der Klageschrift und für die Frage der Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO) von Bedeutung, nicht jedoch für die Frage der Parteiidentität. An der Identität einer juristischen Person (wie beispielsweise einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ändert sich nichts dadurch, wenn in einer Klageschrift die Angabe des gesetzlichen Vertreters versäumt wird. So befasst sich auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.12.2006 (V ZB 166/05) nur mit Zustellungsproblemen bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und nicht mit der Frage der Parteiidentität.

Es ist in diesem Zusammenhang im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Angabe des gesetzlichen Vertreters bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vielfach auch nicht ohne weiteres möglich ist, weil etwaige gesetzliche Vertreter dem Gegner oft unbekannt sind. Auch im vorliegenden Fall ist nicht bekannt, ob die Beklagte in ihrem Gesellschaftsvertrag Regelungen über die gesetzliche Vertretung getroffen hat. Eine solche Regelung ist insbesondere nicht aus den von der Beklagten verwendeten Briefköpfen ersichtlich. Die Parteibezeichnung in der Klageschrift ist in einem solchen Fall so zu verstehen, dass die Klägerin von einer Anwendung der Regeln in §§ 709 Abs. 1, 714 BGB (Gesamtvertretung der GbR durch die Gesellschafter) ausgeht. Die Angaben in der Klageschrift sind unter diesen Umständen auch für Zustellungszwecke ausreichend. Aus dem Rubrum in der Klageschrift ergeben sich die Namen mehrerer Gesellschafter. Gemäß § 170 Abs. 3 ZPO ist (im Hinblick auf §§ 709 Abs. 1, 714 BGB) die Zustellung der Klageschrift an einen der Gesellschafter ausreichend.

c) Die Parteiidentität einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann im Übrigen im Prozess zusätzlich dadurch klargestellt werden, dass der exakte Name der Gesellschaft verwendet wird, der gesellschaftsvertraglich vereinbart ist, und unter dem die Gesellschaft im Rechtsverkehr auftritt. Im vorliegenden Fall ist unbekannt, ob es einen solchen Namen der Beklagten gibt. Nach dem Briefkopf der Beklagten trägt diese möglicherweise den Namen "Anwaltskanzlei Dr. H. & Partner - GbR -". Dies ist allerdings insoweit nicht ganz klar, als sich im Adressfeld des Briefkopfes eine abweichende Bezeichnung befindet, nämlich "RAe Dr. jur. K. W. H. & Partner GbR". Nach den Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 22.02.2007 (AS. 96, Seite 2 dieses Schriftsatzes) tritt die Beklagten möglicherweise jedoch nicht unter diesen Bezeichnungen auf, sondern unter dem Namen "Dr. H. & Partner GbR". Von sämtlichen dieser Bezeichnungen unterscheidet sich der von der Klägerin im Rubrum der Klageschrift angegebene Name der Beklagten in verschiedenen Details. Dies ist jedoch unschädlich, da es unstreitig nur eine einzige Anwaltskanzlei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der entsprechenden Anschrift und mit ähnlicher Bezeichnung gibt.

d) Es ist im Übrigen teilweise üblich, die Identität einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einer Klageschrift dadurch zu kennzeichnen, dass zunächst der Name (oder vermeintliche Name) der GbR angegeben wird und sodann - mit dem Zusatz "bestehend aus: ...." - die Namen der Gesellschafter der GbR. Ein solcher Zusatz kann ergänzend der Klarstellung dienen, ist jedoch nicht zwingend erforderlich, um die Parteirolle der GbR hervorzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Beschwerdewert beträgt 337,22 €. Bei einem Erfolg der Beschwerde wären im Kostenausgleich auf Beklagtenseite zusätzlich 387,60 € netto, bzw. 449,62 € brutto, zu berücksichtigen gewesen. Auf Grund der im Beschluss vom 04.10.2006 enthaltenen Kostenquote von 3/4 hätten sich die zusätzlichen Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung mit 3/4 zu Gunsten der Beklagten ausgewirkt. (3/4 von 449,62 € ergibt den Beschwerdewert vom 337,22 €.)

5. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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