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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 15 W 33/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 247 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 15 W 33/04
17. Januar 2005
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heidelberg vom 28. September 2004 - 4 O 14/02 - dahingehend abgeändert, dass aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des Landgerichts Heidelberg vom 14. Juli 2004 an Kosten zu erstatten sind:
2.662,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches seit 16.08.2004 von der Klägerin an den Beklagten.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 262,15 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.02.2002 erhob die Klägerin eine Klage gegen den Beklagten, mit der sie Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung geltend machte. Das Verfahren des Landgerichts H. endete im Termin vom 14.07.2004 mit einem Vergleich, wobei die Parteien hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits eine Verteilung von 83 % (Klägerin) : 17 % (Beklagter) vereinbarten.
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte - im Hinblick auf außergerichtlich von der Klägerin geltend gemachter Ansprüche - bereits im August 2000 ein medizinisches Gutachten erstellen lassen. Dieses Gutachten kam u.a. zu dem Ergebnis, dass eine Ursächlichkeit der von der Klägerin behaupteten ärztlichen Behandlungsfehler (chirotherapeutische Behandlungen) für die angegebenen Gesundheitsschäden (Dissektionen der Halsschlagadern) "zwar nicht ausgeschlossen ... aber ... nicht wahrscheinlich" sei (Anlagen LG K 5). Die Klägerin hatte daraufhin im November 2000 ein eigenes medizinisches Privatgutachten (Dr. med. X.) erstellen lassen, welches - insbesondere bei der Frage der Ursächlichkeit des behaupteten Behandlungsfehlers - zu teilweise abweichenden bzw. ergänzenden Feststellungen kam (Anlagen LG K 6). Die spätere Klage vom 13.02.2002 stützte die Klägerin insbesondere auf die Feststellungen des Privatgutachtens Dr. med. X.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.09.2004 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts H. die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.924,85 € nebst Zinsen festgesetzt. Die Kosten des Privatgutachtens Dr. X in Höhe von 1.542,06 € haben im Kostenausgleich keine Berücksichtigung gefunden. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, die Kosten eines Privatgutachtens seien als Vorbereitungskosten nicht zu berücksichtigen, wenn das Privatgutachten lediglich zur Beurteilung von Prozessaussichten und zur Entscheidung, ob ein Rechtsstreit überhaupt eingeleitet werden solle, in Auftrag gegeben werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin mit dem Ziel, die der Klägerin entstandenen Kosten des Privatgutachtens Dr. X in Höhe von 1.542,06 € im Kostenausgleich zu berücksichtigen. Die Klägerin ist der Auffassung, das Privatgutachten sei im Rahmen von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig. Der Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts H.. Eine unmittelbare Beziehung des Privatgutachtens zu dem konkreten Rechtsstreit sei nicht gegeben, da die Klägerin erst mehr als ein Jahr nach Einholung des Gutachtens Klage erhoben habe. Der Beklagte beanstandet im Übrigen - fürsorglich - die Höhe der Sachverständigenkosten.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts H. hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Kosten des Privatgutachtens Dr. X in Höhe von 1.542,06 € sind im Kostenausgleich zu berücksichtigen.
1. Die Kosten des Privatgutachtens Dr. X, die die Klägerin vorprozessual aufgewendet hat, sind Kosten des Rechtsstreits, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Beklagte hat die Kosten des Privatgutachtens nach der Regelung im Vergleich vom 14.07.2004 mit einer Quote von 17 % zu tragen. Dementsprechend ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.09.2004 um 262,15 € (17 % von 1.542,06 €) zugunsten der Klägerin zu korrigieren. Der Betrag, den die Klägerin dem Beklagten zu erstatten hat, reduziert sich dadurch auf 2.662,70 €.
2. Die Kosten des Privatgutachtens Dr. X sind erstattungsfähige außergerichtliche Kosten der Klägerin im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei der Frage, ob ein Privatgutachten im Rahmen der Kostenfestsetzung Berücksichtigung findet, sind grundsätzlich zwei Voraussetzungen zu prüfen: Zum einen ist es erforderlich, dass das Gutachten sich auf den konkreten Rechtsstreit bezieht und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben wurde. Zum anderen kommt es darauf an, dass die konkreten Kosten des Privatsachverständigen auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung waren (vgl. zur Kostenerstattung eines Privatgutachtens eingehend BGH, NJW 2003, 1398, 1399). Beide Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
a) Das Gutachten Dr. X bezieht sich auf den vorliegenden Rechtsstreit und wurde von der Klägerin mit Rücksicht auf die beabsichtigte Klage in Auftrag gegeben. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Einholung des Gutachtens (November 2000) ihrem Prozessbevollmächtigten bereits den unbedingten Auftrag erteilt hatte, eine Arzthaftungs-Klage gegen den Beklagten zu erheben. Die entsprechende Darstellung der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2004 ist unstreitig. Da sich die Klägerin bei der Einholung des Privatgutachtens bereits zur Klageerhebung entschlossen hatte, steht der Bezug des Gutachtens Dr. X zum Prozess fest. Das Privatgutachten diente nicht lediglich dazu, die Aussichten eines möglichen Prozesses abzuklären, um die Entscheidung über eine eventuelle Klageerhebung vorzubereiten. Da die Klägerin sich bereits zur Klageerhebung fest entschlossen hatte, konnte das Gutachten Dr. X nur dazu dienen, der Klägerin die Darlegung eines ärztlichen Behandlungsfehlers und der Kausalität der eingetretenen Gesundheitsschäden zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Das Gutachten Dr. X diente dazu - wie aus der Begründung der Klage ersichtlich -, den Sachvortrag der Klägerin zu substantiieren und zu konkretisieren.
Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein längerer zeitlicher Abstand zwischen dem vorprozessual eingeholten Privatgutachten und der späteren Klage (vorliegend mehr als ein Jahr) vielfach ein Indiz gegen den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Gutachten und dem Prozess sein kann. Ein längerer zeitlicher Abstand wird in anderen Fällen nicht selten darauf zurückzuführen sein, dass zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags ein Rechtsstreit sich noch nicht konkret abgezeichnet hat. Derartige Erwägungen können vorliegend jedoch keine Rolle spielen, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Einholung des Gutachtens Dr. X ihrem Anwalt bereits unbedingten Klageauftrag erteilt hatte. Dass in einer schwierigen zivilrechtlichen Angelegenheit zwischen der Erteilung des Auftrags an den Rechtsanwalt und der Erhebung der Klage längere Zeit vergehen kann - beispielsweise wegen Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts - ist senatsbekannt nicht ungewöhnlich.
b) Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Einholung des Gutachtens Dr. X zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Die Kosten eines vorprozessualen Privatgutachtens sind erstattungsfähig, wenn - aus der Sicht einer verständigen Partei - eine ausreichende Klagegrundlage nur durch einen Sachverständigen beschafft werden kann (vgl. Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 25. Aufl. 2005, § 91 ZPO Rn. 13 "Privatgutachten" mit Rechtsprechungsnachweisen). Hierbei kommt es zum einen auf die Schwierigkeit des Sachverhalts und zum anderen auf die Sachkunde der Partei und ihres Rechtsanwalts an. Arzthaftungsklagen gehören erfahrungsgemäß - was die Erfassung und Darstellung des Sachverhalts betrifft - zu den schwierigsten Zivilprozessen. Es ist daher davon auszugehen, dass eine nicht medizinisch vorgebildete Partei, die einen Arzthaftungsprozess führen will, oft auf die vorprozessuale Einholung eines Privatgutachtens angewiesen ist. Diese Einschätzung entspricht auch der Tendenz der veröffentlichten Rechtsprechung in ähnlichen Fällen (vgl. OLG Stuttgart, Zeitschrift für Schadensrecht 1986, 108; OLG Saarbrücken, JurBüro 1990, 623; OLG Hamburg, JurBüro 1990, 1476; LG Zweibrücken, Medizinrecht 2000, 191). Auch im vorliegenden Fall war es für die Klägerin kaum möglich, die komplizierten medizinischen Zusammenhänge zur Begründung ihrer Klage ohne die Einholung eines Privatgutachtens aufzubereiten und für das Gericht darzustellen. Diese Feststellung ergibt sich unmittelbar aus den im Rechtsstreit gewechselten Schriftsätzen und aus den verschiedenen - unterschiedlichen - Sachverständigen-Gutachten. Die Notwendigkeit der Einholung eines eigenen Privatgutachtens ergab sich für die Klägerin zudem aus dem für sie negativen Privatgutachten der Gegenseite. Die Absicht der Klägerin, das von der Haftpflichtversicherung des Beklagten eingeholte Privatgutachten im Prozess zu erschüttern, war ein zusätzlicher wesentlicher Gesichtspunkt für die Einholung eines eigenen Privatgutachtens (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken a.a.O.).
3. Die Kosten des Gutachtens Dr. X (1.542,06 €) sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Entscheidend für die Notwendigkeit der Kosten des Gutachtens - aus der vorprozessualen Sicht der Klägerin ex ante - ist der Inhalt des Gutachtenauftrags. Bei den von der Klägerin an den Privatgutachter Dr. X gerichteten Fragen (vgl. die Fragen auf Seite 2 des Gutachtens, Anlagen LG K 6), kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Klärung der Fragen (Aufklärungspflicht des Beklagten, Durchführung notwendiger Voruntersuchungen, Dokumentationsmängel sowie Fragen zur Ursächlichkeit) für die Begründung der Arzthaftungsklage von wesentlicher Bedeutung war. Daraus ergibt sich, dass die gesamten Kosten des Privatgutachtens notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO waren. Dass das Landgericht H. im späteren Beweisbeschluss vom 12.08.2002 teilweise abweichende Fragen an den vom Gericht beauftragten Gerichtsgutachter gestellt hat, ist ohne Bedeutung, da es für die Erstattungsfähigkeit des Privatgutachtens allein auf die Sichtweise der Klägerin vor Einreichung der Klage ankommt.
Dass der von der Klägerin beauftragte Gutachter Dr. X in seiner Rechnung vom 23.11.2000 (AS. 657) die Kosten des Gutachtens nicht näher aufgegliedert hat, spielt keine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass die Rechnung des Gutachters Dr. X den vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin entsprach, so dass die Klägerin verpflichtet war, den Rechnungsbetrag zu bezahlen. Der Beklagte hat nicht behauptet, dass der Privatgutachter eine Rechnung erstellt hätte, die den vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin nicht entsprechen würde.
Die Klägerin muss - bei der Verfolgung ihres Prozessziels - grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, einen Sachverständigen auszuwählen, den sie für geeignet hält. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nicht etwa einen anderen medizinischen Sachverständigen beauftragt hat, der eine niedrigere Rechnung gestellt hätte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Rechnung des Sachverständigen Dr. X nach Auffassung des Senats im Rahmen des Üblichen hält: Die Rechnung des Privatgutachters Dr. X entspricht der Höhe nach ungefähr der Rechnung des Gerichtsgutachters Prof. Dr. X vom 17.07.2003 (vgl. AS. 347). Zwar hat der Privatgutachter Dr. X - im Gegensatz zum Gerichtsgutachten Prof. Dr. X - die Klägerin nicht selbst untersucht. Die Aufschlüsselung des Zeitaufwands in der Rechnung des Gerichtsgutachters (AS. 347) zeigt jedoch, dass der größte Teil des Zeitaufwands - auch für den Privatgutachter - durch Aktenstudium und Auswertung wissenschaftlicher Literatur verursacht wurde.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus dem von der Klägerin geltend gemachten Unterschiedsbetrag für die Kostenfestsetzung.
6. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nach Auffassung des Senats kein Anlass, da die wesentlichen Rechtsfragen, die Grundlage der vorliegenden Entscheidung sind, geklärt sind.
Ende der Entscheidung
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