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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 16 UF 129/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1612 Abs. 2 Satz 2
Ein Antrag nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nur zulässig, wenn eine wirksame Unterhaltsbestimmung getroffen wurde.

Eine Unterhaltsbestimmung ist unwirksam, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nur Gewährung von Wohnung anbietet und sonstige Unterhaltsleistungen ablehnt.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 UF 129/05

Karlsruhe, 21. Juli 2005

wegen Abänderung der Unterhaltsbestimmung Tenor:

1. Auf die (befristete) Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Familiengerichts Mannheim vom 07. März 2005 (28 F 7/05) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Antrag der Antragstellerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners in beiden Instanzen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners. Die Ehe der Eltern der Antragstellerin ist geschieden. Sie studiert Rechtswissenschaften im 6. Semester. Bis Ende November 2004 erhielt sie Leistungen des Bafög-Amtes. Diese wurden im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse ihres Vaters eingestellt.

Die Antragstellerin führt einen eigenen Haushalt. Der Antragsgegner hat ihr im Januar 2005 eine Einliegerwohnung in seinem Haus als Unterkunft angeboten, ansonsten aber die Zahlung von Unterhalt abgelehnt.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2005 hat die Antragstellerin die Abänderung der Unterhaltsbestimmung beim Familiengericht Mannheim beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass es für sie nicht zumutbar sei bei ihrem Vater zu leben.

Der Richter hat das Verfahren unter Hinweis, dass die Antragstellerin eine Unterhaltsbestimmung gem. § 1612 Abs. 2 BGB begehre, formlos an die Rechtspflegerin abgegeben. Diese hat den Antrag an den Antragsgegner zur Stellungnahme binnen einer Woche übersandt. Innerhalb der Frist ging keine Stellungnahme ein.

Mit Beschluss vom 07. März 2005 hat das Familiengericht durch die Rechtspflegerin antragsgemäß die Unterhaltsbestimmung des Antragsgegners auf Leistung von Naturalunterhalt mit Wirkung vom 28. Januar 2005 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner die Unterhaltsleistung in Form einer Geldrente zu erbringen habe.

Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 08. März 2005 zugestellt. Mit am selben Tag beim Familiengericht eingegangenen Schreiben hat der Antragsgegner vorgetragen, dass er sich im Hinblick auf das Alter seiner Tochter (30 Jahre) nicht mehr verpflichtet fühle, diese zu unterstützen. Im Januar 2005 habe er ihr eine Wohnung angeboten, das Angebot habe sie jedoch nicht angenommen.

Mit Verfügung vom 08. März 2005, am 31. März 2005 ausgefertigt, hat das Familiengericht angefragt, ob das Schreiben des Antragsgegners als Beschwerde anzusehen sei. Dies hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. April 2005, eingegangen am gleichen Tag, bejaht. Daraufhin hat das Familiengericht Mannheim mit Beschluss vom 09. Mai 2005 die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragstellerin hat unter dem 5. Juli 2005 auf die Beschwerde erwidert.

II.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

1.

Gegen die Entscheidung des Familiengerichts über die Änderung einer Bestimmung der Eltern über die Art der Unterhaltsgewährung ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde nach § 621 e Abs. 1 ZPO statthaft (Senat FamRZ 2004, 655; OLG Dresden FamRZ 2004, 209; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., Rdn. 7 zu § 621e).

Zwar hat der Antragsgegner die Notfrist der §§ 621e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO versäumt. Danach ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung beim Beschwerdegericht, also beim Oberlandesgericht, einzulegen. Dies gilt auch bei Entscheidungen des Rechtspflegers. Vorliegend hat der Antragsgegner jedoch innerhalb der Monatsfrist sein als Beschwerde auszulegendes Begehren beim Familiengericht angebracht. Dies genügt zwar grundsätzlich nicht. Ihm ist jedoch auch ohne seinen Antrag (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen, nachdem es das Familiengericht versäumt hat rechtzeitig die Beschwerdeschrift an das Oberlandesgericht weiterzuleiten. Dies hätte die Fristversäumung gehindert. Damit war die Einlegung der Beschwerde beim falschen Gericht nicht ursächlich für die Fristversäumung (vgl. hierzu BVerfG FamRZ 1995, 1559; BGH FamRZ 1998, 285; OLG Karlsruhe, 5. Zivilsenat, FamRZ 2004, 831).

2.

Die befristete Beschwerde ist auch begründet.

a)

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Rechtspfleger für einen isolierten Antrag volljähriger Kinder auf Änderung einer elterlichen Unterhaltsbestimmung überhaupt zuständig ist (dagegen mit beachtlichen Argumenten OLG Dresden, a. a. O.; KG FamRZ 2003, 619; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1306; Palandt/Brudermüller, 64. Aufl., Rdn. 21 zu § 1612 BGB; Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts FamR, 5. Aufl., 6. Kapitel. Rdn.138; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 2, Rdn. 41; a.A.: OLG Köln FamRZ 2002, 111; OLG Frankfurt FamRZ 2001, 116; OLG Hamburg FamRZ 2000, 246; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rdn. 207). Gegen die Zuständigkeit des Rechtspflegers bei Anträgen auf Unterhaltsbestimmung volljähriger Kinder spricht, dass es hier nicht um eine Sorgerechts- sondern um eine unter § 621 Nr. 4 ZPO fallende Unterhaltsrechtsregelung geht. Für Unterhaltsverfahren gilt jedoch der Richtervorbehalt. Gleichwohl vom Rechtspfleger wahrgenommene Geschäfte sind gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG unwirksam.

b)

Der Antrag der Antragstellerin ist jedenfalls unzulässig.

Ein Antrag nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nur zulässig, wenn eine wirksame Unterhaltsbestimmung getroffen wurde. Nur dann steht auch dem unverheirateten Kind kein Unterhalt in Form einer Geldrente zu. Nur dann ist Raum für eine Änderungsentscheidung des Familiengerichts. Eine wirksame Erklärung der Eltern, ihren Kindern Naturalunterhalt zu gewähren, setzt deren inhaltliche Bestimmtheit voraus. Es müssen im Rahmen eines Gesamtkonzepts alle unterschiedlichen erforderlichen Leistungen wie Wohnung, Verpflegung, Taschengeld und sonstige Geldleistungen für zweckgebundene Ausgaben angeboten werden (OLG Frankfurt, a.a.O.).

Vorliegend hat der Antragsgegner der Antragstellerin nur die Gewährung einer Wohnung angeboten. Dies genügt, wie die Antragstellerin selbst sieht, den Anforderungen für eine Erfüllung des Unterhaltsanspruchs nicht, da damit nur der Wohnbedarf der Antragstellerin gedeckt wäre. Damit ist die Bestimmung des Antragsgegners, der, wie sich aus seinem Beschwerdeschreiben ergibt, eine Unterhaltsleistung an die Antragstellerin ablehnt, unwirksam. Die Unwirksamkeit tritt auch, klar genug zu Tage, sodass dies zur Unzulässigkeit des Abänderungsantrags nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB führt. Die Antragstellerin kann also, ohne durch eine Unterhaltsbestimmung daran gehindert zu sein, den Antragsgegner auf Zahlung einer Geldrente in Anspruch nehmen.

3.

Für eine seitens der Antragstellerin beabsichtigte Unterhaltsklage weist der Senat auf die örtliche Zuständigkeit des für den Wohnsitz des Antragsgegners zuständigen Familiengerichts hin. § 642 ZPO gilt bei Unterhaltsklagen volljähriger Kinder nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 FGG. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Antrags entspricht auch die Tragung der erstinstanzlichen Kosten durch die Antragstellerin der Billigkeit. Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedarf es im Hinblick auf § 2 Nr. 1 KostO nicht.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 30 Abs. 2, 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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