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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.07.1999
Aktenzeichen: 16 UF 154/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 c Nr. 1
§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB

Der Ehezeitanteil eines Anrechts auf betriebliche Altersversorgung bei der TÜV Süddeutschland Holding AG ist nach der sogenannten VBL - Methode zu berechnen.

OLG Karlsruhe Beschluß 29.07.1999 - 16 UF 154/97 - 1 F 166/96


wegen Versorgungsausgleichs

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - ... vom 03. 07. 1997 - 1 F 166/96 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlußbeschwerde des Antragsgegners wird dieses Urteil in Tenor Nr. 3 wie folgt abgeändert:

Gründe

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte werden Rentenanwartschaften in Höhe von 290,41 DM und von 35,47 DM, bezogen auf den 31. 07. 1996, auf das Konto Nr. ... der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen.

Die Anwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Der Beschwerdewert wird auf 1.000,00 DM festgesetzt.

I.

Durch Verbundurteil vom 03. 07. 1997 hat das Amtsgericht - Familiengericht - ... die Ehe der Parteien geschieden und in Tenor Nr. 3 des Urteils den Versorgungsausgleich geregelt. Hierzu hat es bestimmt, daß vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf das Versicherungskonto der Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 307,31 DM und von 49,49 DM, bezogen auf das Ehezeitende (31. 07. 1996), übertragen werden. Das Amtsgericht hat auf Seiten der Antragstellerin die Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 17. 12. 1996 ... und auf Seiten des Antragsgegners die Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 14. 02. 1997 ... und die Auskunft des TÜV Süddeutschland vom 13. 03. 1997 ... zugrunde gelegt, wonach die Antragstellerin während der Ehezeit monatliche Rentenanwartschaften von 188,32 DM und der Antragsgegner monatliche Rentenanwartschaften bei der BfA in Höhe von 802,94 DM sowie eine Versorgungsanwartschaft beim TÜV Süddeutschland, bezogen auf die Ehezeit, von jährlich 7.432,25 DM erworben haben; das Familiengericht hat die unverfallbare Anwartschaft über die betriebliche Altersversorgung auf einen dynamisierten Betrag von 98,98 DM errechnet.

Die Antragstellerin hat gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt. Sie macht unter Vorlage des Parteigutachtens des ... vom 25. 06. 1997 geltend, daß von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen gewesen wären. So habe es das Familiengericht versäumt, beim TÜV Süddeutschland die Höhe des maßgeblichen pensionsfähigen Gehalts des Antragsgegners abzuklären, dort die Anrechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit überprüfen und abklären zu lassen, weshalb der TÜV Süddeutschland die Sozialversicherungsrente nicht angerechnet habe; schließlich sei das Familiengericht ohne weitere Überprüfung davon ausgegangen, daß Anwartschaften des Antragsgegners aus der betrieblichen Altersversorgung nicht dynamisch seien.

Der Senat hat dazu Stellungnahmen des TÜV Süddeutschland vom 24. 10. 1997, 19. 02. 1998 und 18. 05. 1999 eingeholt, auf die verwiesen wird.

Am 08. 09. 1998 hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Auskunft über die Neuberechnung der auf die Ehezeit entfallenden Anwartschaft der Antragstellerin vorgelegt ... . Danach ist auf ihrer Seite eine Rentenanwartschaft von 222,11 DM zugrundezulegen.

Nach Vorlage der Neuberechnung hat der Antragsgegner Anschlußbeschwerde eingelegt und beantragt, Tenor Nr. 3 des Scheidungsurteils entsprechend der Neuberechnung abzuändern.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde, die Antragstellerin der Anschlußbeschwerde entgegengetreten. Die Antragstellerin ist der Auffassung, Tenor Nr. 3 des Verbundurteils sei zugunsten der Antragstellerin abzuändern und dabei inhaltlich auch über die Anschlußbeschwerde mitzuentscheiden.

II.

Die nach § 621 Abs. 1, 621 e Abs. 1 und 3 ZPO, § 20 Abs. 1 FGG zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Demgegenüber führt die zulässige unselbständige Anschlußbeschwerde des Antragsgegners zu einer Ermäßigung des im Wege des sog. Rentensplittings (§§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2, 1587 b Abs. 1 BGB) auszugleichenden Betrages auf 290,41 DM sowie Herabsetzung des Betrages des Supersplittings (§ 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) auf 35,47 DM.

1. Die unselbständige Anschlußbeschwerde des Antragsgegners ist zulässig.

2. Der Ehezeitanteil der Versorgungsanrechte der Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt für die Antragstellerin 212,11 DM, für den Antragsgegner 802,94 DM. Dies ergibt sich aus den zutreffenden Auskünften der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, gegen welche die Parteien auch Einwendungen nicht vorgetragen haben.

3. Das Anrecht des Antragsgegners bei der "TÜV Süddeutschland Holding AG", München:

Gemäß dem Versorgungsstatut der Unternehmensgruppe TÜV Süddeutschland hat der Antragsgegner beim Ausscheiden aus den Diensten der Unternehmensgruppe TÜV Süddeutschland nach seinem 65. Lebensjahr einen monatlichen Pensionsanspruch, welcher sich nach folgender Formel berechnet:

r = p × (G - 4/3 GRV).

Dabei bedeuten:

p = Prozentsatz der Pensionshöhe

G = pensionsfähiges Gehalt

GRV = gesetzliche Rentenversicherung

Der Prozentsatz der Pensionshöhe bestimmt sich nach der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit. Diese wird in Anlehnung an die Beamtenversorgung ermittelt. Unter Einrechnung von Vorzeiten ist ruhegehaltsfähige Dienstzeit der Zeitraum von 01. Dezember 1982 bis 30. Juni 2018, also 35,58 Jahre. Bei der Berücksichtigung von Vorzeiten ist nach der durch den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 01. Februar 1984 - IVb ZB 49/83 - FamRZ 1984, 565 eingeleiteten Rechtsprechung der im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche Rechtsstand zu beachten. Dies hat zur Folge, daß die Dauer des Hochschulstudiums nicht mehr mit 5, sondern, wie geschehen, nur noch mit 3 Jahren als anrechenbare Vorzeit berücksichtigt werden kann. Für jedes Jahr der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit werden dann als Prozentsatz der Pensionshöhe 1,875 % angesetzt. Bei 35,58 Jahren sind dies 66,71 %.

Das pensionsfähige Gehalt beträgt nach der sachlich richtigen Aufschlüsselung in der Auskunft der TÜV Süddeutschland Holding AG vom 19. Februar 1998 6.559,50 DM. Die von dem Antragsgegner erworbenen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind darauf nach der sogenannten VBL-Methode, nicht, wie dies die TÜV Süddeutschland Holding AG vorgerechnet hat, der sogenannten Hochrechnungsmethode anzurechnen. Die oben wiedergegebene Formel ist auch folgendermaßen zu lesen:

r = p × G - p × 4/3 GRV

und besagt sachlich, daß auf das pensionsfähige Gehalt (6.559,50 DM) in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe (66,71 %) einerseits 4/3 des Anrechts aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe (66,71 %) andererseits anzurechnen sind. Die Besonderheit ist danach die, daß die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vor der Anrechnung mit einem starren Faktor - 4/3 - sowie einem variablen Faktor - dem Prozentsatz der Pensionshöhe; hier: 66,71 % - multipliziert wird. Dies ändert jedoch nichts an dem der VBL-Methode zugrundeliegenden Gedanken, daß bei der Ermittlung des Ehezeitanteils der gesetzlichen Rentenversicherung ein gleicher Maßstab anzulegen ist, sowohl wenn es um das Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung als unmittelbar auszugleichendes als auch wenn es um das Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Größe bei der Ermittlung des Ehezeitanteils einer Gesamtversorgung geht (grundlegend BGH-Beschluß vom 09. Januar 1985 - IVb ZB 715/80 - FamRZ 1985, 363, 366).

Das pensionsfähige Gehalt in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe beträgt sonach 66,71 % von 6.559,50 DM, also 4.375,84 DM

In die Zeit der Betriebszugehörigkeit einschließlich Vorzeit - 01. Dezember 1982 bis 31. Juli 1986; 427 Monate - fällt in vollem Umfang die Ehezeit - 01. Mai 1986 bis 31. Juli 1996; 123 Monate. Vor einer Bestimmung des Ehezeitanteils ist jedoch das pensionsfähige Gehalt in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe zunächst zu verringern um 66,71 % von 4/3 der vorbetrieblich erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaft (vgl. BGH Beschluß vom 05. Oktober 1994 - XII ZB 129/92 - FamRZ 1995, 88, 90; auch bereits Beschluß vom 25. September 1991 - XII ZB 165/88 - FamRZ 1991, 1416, 1419). Denn es ist die insgesamt erworbene gesetzliche Rentenversicherung auf das pensionsfähige Gehalt in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe anzurechnen, so daß die gesetzliche Rentenversicherung auch mit ihrem vorbetrieblich erlangten Teil das pensionsfähige Gehalt in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe verringert, ohne insoweit einer bestimmten Zeit der Betriebszugehörigkeit zugeordnet werden zu können. Dies muß vorab berücksichtigt werden, weil sonst das Ergebnis der Ehezeitanteilsberechnung verfälscht und untragbar werden würde. Nach der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 14. Februar 1997 hat der Antragsgegner im Zeitraum 03. Juni 1970 bis 30. September 1978 7,2768 Entgeltpunkte für 96 Monate beitragsfreie Zeiten erworben, danach wieder, bereits in der Zeit der Betriebszugehörigkeit ab 21. März 1984 Entgeltpunkte für Pflichtbeiträge. Der vorbetrieblich erlangte Teil der gesetzlichen Rentenversicherung macht nach Multiplikation des Betrages der Entgeltpunkte von 7,2768 mit dem für das Ende der Ehezeit maßgeblichen aktuellen Rentenwert von 46,67 DM den Betrag von 399,61 DM aus Multipliziert mit 4/3 und dem Prozentsatz der Pensionshöhe - 0,6671 - ergeben sich 355,44 DM

Differenz 4.020,40 DM

Erst der Betrag von 4.020,40 DM ist auf Ehezeit - 123 Monate - und Gesamtbetriebszugehörigkeit - 427 Monate - zu verteilen.

4.020,40 DM × 123 : 427 = 1.158,01 DM

Anzurechnen sind nunmehr noch 4/3 des Ehezeitanteils der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Prozentsatzes der Pensionshöhe:

802,94 DM × 4/3 × 0,6671 = 714,19 DM

Differenz 443,91 DM

Das Anrecht ist als dynamisches angelegt. Nach Auskunft der TÜV Süddeutschland Holding AG vom 13. März 1997 wird beim Ausscheiden eines Mitarbeiters vor Eintritt des Versorgungsfalles die Höhe eines eventuell unverfallbaren Anspruchs nach § 2 BetrAVG berechnet und der unverfallbare Wert gemäß § 2 Abs. 5 BetrAVG während der Zeit vom Ausscheiden bis zum Versorgungsbeginn nicht dynamisiert.

Betriebliche Altersversorgungen, die, wie vorliegend, einen bestimmten Prozentsatz des jeweils letzten vor dem Versorgungsfall bezogenen Einkommens gewähren und damit an die tarifliche Lohnentwicklung ankoppeln, sind zwar grundsätzlich anwartschaftsdynamisch. Bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Betrieb verfällt diese Anwartschaftsdynamik jedoch, weil sich die betriebliche Altersversorgung mit ihrem dem Arbeitnehmer verbleibenden Teilanspruch nur nach den zum Zeitpunkt des Ausscheidens gegebenen Bemessungsgrundlagen errechnet (§ 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG). Wegen dieser Verfallbarkeit der Höhe nach können solche Versorgungen nur als statisch behandelt und nach entsprechender Dynamisierung mit Hilfe der Tabelle 1 der Barwertverordnung in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Für die Berechnung des ausgleichspflichtigen Wertes bleibt das zum Ehezeitende bezogene Gehalt auch dann maßgebend, wenn es seither bis zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gestiegen ist. Dieser sogenannte Dynamisierungszuwachs kann bei der Umrechnung nach § 2 Barwertverordnung nicht berücksichtigt werden (so zutreffend - wörtlich - Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 3. Aufl., § 1587 a Rdn. 235 a.E. m.w.N.). Der Jahreswert von 443,91 DM beträgt 5.326,90 DM; der Barwert nach Multiplikation mit dem Barwertfaktor 2,8 14.915,38 DM; dem entsprechen 1,52000251119 Entgeltpunkte bzw. eine auf das Ende der Ehezeit bezogene monatliche Rentenanwartschaft von 70,94 DM

4. Der Versorgungsausgleich berechnet sich sonach wie folgt:

Auf Seiten der Antragstellerin bestehen - unter Berücksichtigung der Neuberechnung - Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von 222,11 DM und auf Seiten des Antragsgegners - unverändert - 802,94 DM. Der hälftige Wertunterschied beträgt insoweit 290,415 DM. Lautet die dritte Dezimalstelle eines gem. § 1587 a Abs. 1 S. 2 BGB errechneten Ausgleichsbetrages auf "5", so hat keine Aufrundung, sondern eine Abrundung zu erfolgen; da ansonsten dem Ausgleichsberechtigten mehr als die Hälfte des Differenzbetrages im Sinne der genannten Vorschrift zugute käme (OLG Karlsruhe, 2. Senat, Beschluß vom 04. 05. 1997, 2 UF 236/96). Dem steht die Rundungsvorschrift des § 121 Abs. 2 SGB VI nicht entgegen, da sie nur bei der Berechnung des in die Ausgleichsermittlung einzustellenden Betrages der Rentenanwartschaften Anwendung findet, nicht aber bei der Ermittlung des Ausgleichsbetrages selbst.

In dieser reduzierten Höhe von 290,41 DM sind nach § 1587 a BGB Rentenanwartschaften im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf dasjenige der Antragstellerin zu übertragen.

In Höhe der Hälfte von 70,94 DM - Anrecht des Antragsgegners aus der betrieblichen Altersversorgung - sind gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG weitere Rentenanwartschaften zu übertragen, also 35,47 DM

Der Beschwerdewert ist der Mindestwert nach §§ 14, 17 a GKG.

Für die Zulassung der weiteren Beschwerde besteht kein Anlaß.

Ende der Entscheidung

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