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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 16 UF 238/99
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1587 a
FGG § 12
FGG § 53 b Abs. 3
Zur Behandlung ungeklärter Versicherungszeiten im Versorgungsausgleich
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

16 UF 238/99

Karlsruhe, 27. Juli 2001

Familiensache

wegen Versorgungsausgleichs

Beschluss:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg wird die Versorgungsausgleichsentscheidung im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 16. Juni 1999 - 36 F 156/98 - ersatzlos aufgehoben.

Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin tragen die Parteien je zur Hälfte. Im übrigen werden die Kosten gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 2.833,68 DM.

Gründe:

Das Amtsgericht hat in dem Verbundurteil vom 16.06.1999 den Versorgungsausgleich geregelt und vom Versicherungskonto der Antragsgegnerin auf ein für den Antragsteller einzurichtendes monatliche auf den 31.08.1998 bezogene Rentenanwartschaften von 236,14 DM übertragen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Antragsteller in der Ehezeit Versorgungsanrechte nicht erworben hat. Demzufolge hat es auch einen Träger von Versorgungsanrechten nicht beteiligt.

Gegen dieses Urteil hat die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg am 28.12.1999 Beschwerde eingelegt und mitgeteilt, dass der Antragsteller bei ihr monatliche auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaften von mindestens 74,39 DM erworben habe. Das Versicherungskonto sei jedoch in Zeiten vor und während der Ehe ungeklärt.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Versorgungsausgleich neu zu regeln.

Der Vertreter des Antragstellers hat keinen Sachantrag gestellt und erklärt, dass der Antragsteller unbekannten Aufenthalts sei, sich vermutlich nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Die Antragsgegnerin hat sich in der Sache nicht geäußert.

Die beteiligte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat das Rechtsmittel der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gutgeheißen.

Die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg ist zulässig; die Beschwerdeführerin hat zwar die absolute Beschwerdefrist versäumt. Dies ist jedoch unschädlich, da sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war (BGH, Urteil vom 19.01.2000 - XII ZB 16/96 - FamRZ 2000, 746).

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Versorgungsausgleichsentscheidung. Eine eigene Regelung des Versorgungsausgleichs nimmt der Senat nicht vor, da er vorbehaltlich einer Abänderung nach § 10 VAHRG unterstellt, dass die von den Parteien in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte gleich hoch sind.

1. Eine vollständige Ermittlung der Versorgungsanrechte des Antragstellers ist nicht möglich. Der Antragsteller ist unbekannten Aufenthaltes. Er hält sich nach der Vermutung seines Verfahrensbevollmächtigten nicht in der Bundesrepublik Deutschland auf. Dafür spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, weil sich der Antragsteller in erster Instanz als Asylbewerber bezeichnet hat. Von dem Antragsteller ist also Aufklärung über verschiedene Lücken in seinem Versicherungsverlauf nicht zu erwarten. Auch die Antragsgegnerin hat zur Aufklärung nichts beitragen können.

2. Unterstellt man, dass der Antragsteller in den ungeklärten Zeiten Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze entrichtet hätte, betrügen die von ihm in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Versorgungsanrechte monatlich 514,47 DM. Die entsprechenden Versorgungsanrechte der Antragsgegnerin betragen 472,27 DM. Es ist deshalb zwar wenig wahrscheinlich, andererseits aber nicht auszuschließen, dass die Antragsgegnerin ausgleichsberechtigt ist, während sie bislang als ausgleichspflichtig behandelt wurde.

3. Dazu, wie die Aufgabe erledigt werden kann, ein Versorgungsausgleichsverfahren auch dann abzuschließen, wenn Versorgungsanrechte einer Partei gegenwärtig nicht aufklärbar sind, werden verschiedene Auffassungen vertreten:

a) Das Familiengericht beschließt: "Der Versorgungsausgleich wird nicht geregelt" (OLG Schleswig, Beschluss vom 29.09.1989 - 10 UF 262/85 - FamRZ 1990, 527). Gegen ein solches Vorgehen spricht, dass letztlich die Aussage, dass der Abschluss des Verfahrens nicht möglich ist, in eine das Verfahren abschließende Form gegossen wird. Ein von dem OLG Schleswig befürchteter Eingriff in Rentenanwartschaften einer Partei ohne Ermächtigungsgrundlage und die Gefahr, dass eine Partei aus der unterlassenen Klärung ihres Versicherungskontos ungerechtfertigt Vorteile zieht, können auf andere Weise vermieden werden.

b) Das Familiengericht entscheidet: "Der Ausgleich aller Anwartschaften der Parteien ist dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten" (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.09.1991 - 8 UF 133/93 - FamRZ 1994, 903; OLG Köln, Beschluss vom 15.04.1986 - 4 UF 182/84 - FamRZ 1986, 689). Dieser Weg lässt sich allenfalls dann beschreiten, wenn, wie auch im vorliegenden Fall, nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Berücksichtigung der unbekannten, nicht ermittelbaren Versorgungsanrechte sich die Ausgleichsrichtung umdreht. Ist dies nicht der Fall, dürfte der schuldrechtliche Versorgungsausgleich allenfalls zum Ausgleich der zusätzlichen, nicht ermittelbaren Anrechte vorbehalten werden. Im übrigen gibt es keine gesetzliche Handhabe dafür, den Ausgleich von Anrechten, der öffentlich-rechtlich zu erfolgen hat, in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abzudrängen.

c) Der Versorgungsausgleich wird ohne Rücksicht auf die nicht ermittelten Anrechte als öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt. Eine Korrektur wird dem Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG vorbehalten (so wohl OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.12.1998 - 7 UF 3704/98 - FamRZ 1999, 1203; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.1999 - 2 UF 133/98 - FamRZ 2000, 677). Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es dem Gebot, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchzuführen, am nächsten kommt. Es kann jedoch uneingeschränkt nur dann benutzt werden, wenn feststeht, dass

-) sowohl sich die Ausgleichsrichtung nicht umkehrt

-) als auch feststeht, dass nicht zu viele Anrechte übertragen oder begründet werden.

Es scheidet also grundsätzlich aus, wenn Anrechte bei dem Ehegatten ungeklärt sind, der ohne Berücksichtigung der ungeklärten Versicherungszeiten ausgleichsberechtigt wäre. In solchen Fällen kann das Verfahren allenfalls dann beschritten werden, wenn die auf der Seite des Ehegatten mit den zunächst wertniedrigeren Anwartschaften liegenden ungeklärten Anwartschaften wegen nicht zu erwartender Realisierbarkeit tatsächlich als wertlos anzusehen sind (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.). Dann wird die Bewertung der Anwartschaften durch eine Schätzung ersetzt, welche der Korrektur nach § 10 a VAHRG zugänglich ist. Eine solche Schätzung verbietet sich im vorliegenden Fall, da es an der nötigen Schätzungsgrundlage fehlt. Denkbar ist auch eine Schätzung dahin, dass der ohne Berücksichtigung ungeklärter Versicherungszeiten ausgleichsberechtigte Ehegatte in diesen Anrechte aus Beiträgen bis zur Beitragsbemessungsgrenze erworben hat. Dieses Verfahren scheidet jedoch hier schon deshalb aus, da sich dann die Ausgleichsrichtung umdrehen würde.

d) Wenn der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt, dabei gleichzeitig vermieden werden muss, das Versorgungsanrechte auf einen in Wahrheit nicht ausgleichsberechtigten Ehegatten oder an diesen zu viele Versorgungsanrechte übertragen werden, hilft allein die Annahme weiter, dass die von beiden Ehegatten in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte gleich hoch sind. Diese Annahme erlaubt immer noch einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, der dann eben nur rechnerisch Null ist und eröffnet die Möglichkeit einer Korrektur nach § 10 VAHRG.

Ende der Entscheidung

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