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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 26.10.2001
Aktenzeichen: 16 UF 27/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 a
Die "basic pension" im System der gesetzlichen Rentenversicherung Großbritanniens unterfällt § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 a BGB.

Sie ist nicht dynamisch.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 UF 27/98

Karlsruhe, 26. Oktober 2001

wegen Versorgungsausgleich

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 06.02.1998 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tauberbischofsheim vom 08.01.1998 (AZ: 2 F 9/95 VA) in Ziffer 1 und 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Rentenanwartschaften von monatlich 890,82 DM bezogen auf den 30.04.1995 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin. Im übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 03.05.1969 geheiratet. Der Antragsteller besitzt die deutsche, die Antragsgegnerin die deutsche und die britische Staatsangehörigkeit. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 30.05.1995 ... zugestellt. Mit Urteil vom 12.10.1995 - rechtskräftig seit 03.01.1996 - hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tauberbischofsheim die Ehe der Parteien geschieden. Mit Beschluss vom 08.01.1998 hat es den zuvor abgetrennten Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es nach eingeholter Auskunft zugunsten des Antragstellers Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.916,83 DM monatlich und zugunsten der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 73,36 DM berücksichtigt und - bezogen auf den 30.04.1995 - Rentenanwartschaften in Höhe von 921,74 DM zugunsten der Antragsgegnerin zu Lasten des Versicherungskontos des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden BfA) begründet. Versorgungsanwartschaften, welche die Antragstellerin während der Ehezeit durch berufliche Tätigkeit in Großbritannien erworben hat, hat das Amtsgericht - Familiengericht - dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen ihr am 19.01.1998 zugestellten Beschluss ... hat die BfA mit Schriftsatz vom 06.02.1998 - eingegangen beim Oberlandesgericht am 13.02.1998 - Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat die BfA ausgeführt, die Antragsgegnerin habe neben deutschen Zeiten auch Zeiten in Großbritannien zurückgelegt. Die sich daraus ergebenden Anwartschaften seien zu ermitteln und gemäß §§ 1587a Abs. 2 Nr. 4 bzw. Abs. 5 BGB in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Der Antragsteller ist mit Schriftsatz vom 17.03.1998 der Beschwerde entgegengetreten, die Antragsgegnerin hat sich der Auffassung der BfA angeschlossen.

Mit Beschluss vom 24.11.1999 ... hat der Senat die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet zur Klärung der Höhe der von der Antragsgegnerin in Großbritannien erworbenen Versorgungsanwartschaften sowie die Einholung einer ergänzenden Auskunft der BfA für die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung einer etwaigen verbesserten Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Mit Auskunft vom 02.03.2000 ... hat die BfA die Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin auf 96,32 DM monatlich beziffert. Änderungen im Versicherungsverlauf des Antragstellers haben sich nach Auskunft der BfA vom 21.09.2001 ... nicht ergeben.

Mit Datum vom 06.07.2001 wurde das Gutachten des Sachverständigen erstellt, auf das Bezug genommen wird ...

II.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 629a Abs. 2 S. 1, 621e Abs. 1 und 3 ZPO, 20 Abs. 1 FGG (vgl. BGH FamRZ 1990, 1099) zulässige Beschwerde der BfA führt zur Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

1. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat die Antragsgegnerin während der Ehe in der Zeit von 01.05.1969 bis 07.06.1969 und vom 06.04.1989 bis 30.04.1995 Rentenanwartschaften im britischen System der sozialen Sicherheit erworben. Da beide Parteien die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen - die Antragsgegnerin neben der britischen - ist für die Scheidung und deren Rechtsfolgen deutsches Recht anwendbar, Art. 17 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Somit ist nach § 1587 ff. BGB ein Versorgungsausgleich durchzuführen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin auch Rentenanwartschaften bei einem ausländischen Rentenversicherungsträger erworben hat. Da die in Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften des Antragstellers höher zu bewerten sind als die von der Antragsgegnerin in Großbritannien erworbenen, ist ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich möglich, da die Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin lediglich Verrechnungsposten darstellen und der Versorgungsausgleich damit im Ergebnis nicht in das öffentliche Recht Großbritanniens eingreift.

2. Ausländische Rentenanwartschaften sind in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn sie die Voraussetzungen des § 1587 Abs. 1 BGB erfüllen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen - denen sich der Senat anschließt - sind diese Voraussetzungen zu bejahen.

a) Im britischen System der sozialen Sicherheit besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen die Leistung bei Alter aus einer pauschalen Grundrente (basic benefit / pension) und einer einkommensbezogenen Rente (additional pension). In der Zeit von 1961 bis 1975 konnten einkommensbezogene Staffelbeträge entrichtet werden, die durch eine Zulage (graduated pension) honoriert werden. An Beschäftigte, die seit dem 06.04.1978 Beiträge der Klasse 1 entrichtet haben, wird eine einkommensbezogene Zusatzrente gewährt. Der Bezug der Zusatzrente ist aber nicht vom Bestehen eines Anspruchs auf eine Grundrente abhängig. Bei Versicherungsfällen, die vor dem 06.04.1999 eintreten, werden für jedes Steuerjahr 1,25 % des Arbeitsverdienstes innerhalb der Einkommensgrenzen gewährt. Ältere Verdienste werden anhand eines jährlich von der Regierung festzusetzenden Faktors aufgewertet. Tritt der Versicherungsfall nach dem 06.04.1999 ein, werden die Beiträge je nach Beitragsjahr unterschiedlich gewichtet. Die durch den National Insurance Act 1959 eingeführte graduated pension wird für je eine "Verdiensteinheit" zwischen April 1961 und April 1975 gezahlt. Eine "Verdiensteinheit" betrug £ 7,50 für Männer und £ 9 für Frauen. Ursprünglich wurden für jede Verdiensteinheit 2 1/2 p wöchentlich gewährt. Seit 1986 wurden die Leistungen erhöht und betrugen z.B. im Steuerjahr 1993-4 7,48p pro Einheit.

b) Die basic pension ist in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, auch wenn sich ihre Leistungen nicht am Arbeitsverdienst orientieren. Sie sind nämlich abhängig von der Beschäftigungszeit, sodass der Versicherte beim gänzlichen oder teilweisen Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit, etwa wegen Übernahme familiärer Pflichten, Nachteile erleiden kann. Damit sind - so auch der Sachverständige - die Merkmale eines ausgleichspflichtigen Systems im Sinne des § 1587 BGB im wesentlichen erfüllt.

c) Den Ehezeitanteil der basic pension hat der Sachverständige nachvollziehbar, insbesondere auch unter Beachtung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 a BGB mit - bei richtiger Umrechnung mit dem Wechselkurs zum Ende der Ehezeit - 87,84 DM ermittelt. Die additional pension hat er unter Heranziehung geeigneter Maßstäbe nachvollziehbar mit 8,10 DM geschätzt. Jedoch ist diese additional pension nicht zu berücksichtigen, da nicht festgestellt werden kann, dass die Antragsgegnerin die Anspruchsvoraussetzung hierfür, die in der Entrichtung von Beiträgen der Klasse 1 besteht, erfüllt hat (vgl. S. 7 des Gutachtens). Die graduate pension lässt der Senat ebenfalls außer Betracht, da der Ehezeitanteil nur geringe Pfennigbeträge betrüge und der Ermittlungsaufwand dazu in einem nicht mehr erträglichen Verhältnis stünde. Auch die Parteien und Beteiligten haben zu diesem Vorschlag des Sachverständigen keine Einwände erhoben.

d) Bei den Betrag von 87,84 DM handelt es sich nicht um einen dynamischen im Sinne des § 1587a Abs. 3 BGB.

Die Leistungen aus dem britischen Rentensystem werden, wie der Sachverständige ausführt, infolge von Sparmaßnahmen der konservativen Regierung (vgl. auch Devetzi, Großbritannien in: Rentenversicherung im internationalen Vergleich. DRV-Schriften Band 15, 1999, Kap. 9: seit den 80er Jahren) nur an die Inflationsrate und nicht an die Einkommensentwicklung gekoppelt. Weil die Löhne in Großbritannien seit 1955 jährlich um zwei Prozent mehr gestiegen sind als die Preise (vgl. Devetzi a.a.O.), die Entwicklung der Renten also hinter derjenigen der Erwerbseinkommen zurückgeblieben ist, sind die Renten als in der Leistungsphase statisch anzusehen (vgl. bereits BGH FamRZ 1983, 40, 42; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 3. Aufl. § 1587 a Rn 34 ). Daran ändert nichts, dass - wie der Sachverständige erwägt - die prozentualen Erhöhungen der Renten des britischen Systems wegen der im Vergleich zu Deutschland höheren Inflationsrate weit über denen der Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung lagen. Da das Anrecht auf eine ausländische Altersversorgung zusammen mit inländischen Anrechten in eine Versorgungsausgleichsbilanz eingestellt werden soll, muss eine Währungsumrechnung durchgeführt werden. Dies macht es bei der Beurteilung der Dynamik erforderlich, dass auch ein unterschiedlicher Geldwertschwund berücksichtigt wird, der sich regelmäßig in einer entsprechenden Verschiebung der Währungsparität ausdrückt. Der Vergleich der Erhöhungen der ausländischen Versorgungsleistungen ist deshalb erst nach Umrechnung in die inländische Währung möglich. Dabei heben sich die im Ausland höhere Leistungsanpassung und eine sich gegenläufig ändernde Währungsparität gegeneinander auf. Damit ist nicht gewährleistet, dass bei den britischen Anwartschaftsrechten der Antragsgegnerin eine mit den volldynamischen Versorgungen vergleichbare Steigerung auf lange Sicht zu erwarten ist (vgl. BGH FamRZ 1983, 40, 42).

e) Da die in Großbritannien erworbenen Rentenanwartschaften in der Leistungsphase nicht als volldynamisch anzusehen sind, ist eine Umrechnung nach der BarwertVO vorzunehmen. Nach der von Senat geprüften Berechnung des Sachverständigen ergibt sich damit für die basic pension ein Monatsbetrag in Höhe von 38,87 DM.

3. Damit sind folgende Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzustellen:

Beim Antragsteller:

Bei der BfA VersNr. ... 1.916,83 DM

Bei der Antragsgegnerin:

Bei der BfA VersNr. ... 96,32 DM Graduated pension 38,87 DM Differenz 1.781,64 DM

Gemäß § 1587a Abs. 1 S. 2 BGB ist die Hälfte des Unterschiedsbetrages zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen, mithin 890,82 DM

Einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz bedurfte es nicht, da allen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde und der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93a ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 14 Abs. 1 S. 1, 17a Nr. 1 GKG (Mindeststreitwert).

Für die Zulassung der weiteren Beschwerde besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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