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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 01.02.2000
Aktenzeichen: 16 UF 78/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361
Der getrennt lebende Ehegatte hat für seinen Unterhaltsbedarf auch solche Vermögenserträgnisse einzusetzen, die ihm aus der Anlage des kapitals einer kapitalisierten Schmerzensgeldrente zufließen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Familiensache

Beschluß

16 UF 78/98 36 F 163/97

Karlsruhe, 01. Februar 2000

wegen Ehegattenunterhalts hier: Prozeßkostenhilfe

Tenor:

Die Klägerin wird mit ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um die Höhe des Trennungsunterhalts, den die Klägerin in erster Instanz in Höhe von 1.170 DM monatlich geltend gemacht hatte, und die Frage, ob Trennungs- und Kindesunterhalt schon ab dem 01.12.1996 verlangt werden kann.

Das Familiengericht hat mit seinem Urteil der Klägerin ab 01.09.1997 monatlichen Trennungsunterhalt von 361,40 DM und Kindesunterhalt von 415,00 DM zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Einkünfte beider Parteien hätten die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmt. Vom Einkommen des Beklagten sei als Einsatzbetrag zur Berechnung des Unterhalts von DM 2.392,80 auszugehen. Die Klägerin müsse sich Erträgnisse aus Kapital anrechnen lassen, auch wenn diese Erträgnisse aus bezahlten Schmerzensgeldbeträgen resultierten. Sie müsse sich deshalb monatlich zum einen Zinseinkünfte von 583 DM aus einem Kapital von 140.000 DM und zum anderen für mietfreies Wohnen 1.237 DM zurechnen lassen. Allerdings dürfe das an sie gezahlte Pflegegeld von 1.300 DM nicht berücksichtigt werden. Insgesamt ergäben sich so Einkünfte der Klägerin von 1.820 DM, wovon noch 150 DM wegen der Zahlung an das Landratsamt für die Heimunterbringung des Sohnes H... abgezogen werden müßten. Somit verblieben 1.670 DM. 3/7 der Differenz zum Einkommen des Beklagten würden 361,40 DM ausmachen. Zur Zahlung dieses Betrags sei der Beklagte ausreichend leistungsfähig. Unterhalt vor dem 01.07.1997 sei der Klägerin weder für sich noch für das Kind C... zuzubilligen, weil die Verzugsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie Trennungsunterhalt ab dem 01.12.1996, beschränkt auf 875 DM im Monat, und Kindesunterhalt in Höhe von 415 DM für C... vom 01.12.1996 bis zum 30.08.1997 geltend macht. Sie ist der Meinung, daß Einkünfte aus ihrem Vermögen nur insoweit angerechnet werden könnten, als das Vermögen auf der kapitalisierten Verdienstausfallzahlung der Versicherung resultierte. Soweit dagegen ihr Vermögen darauf zurückzuführen sei, daß eine Schmerzensgeld- und Mehraufwendungsrente kapitalisiert worden sei, entspreche es nicht der Billigkeit, Einkünfte zu ihren Lasten anzusetzen. Dies gelte auch insoweit, als die Klägerin mit dem kapitalisierten Betrag eine Eigentumswohnung erworben habe, in der sie lebe. Im übrigen hebt die Klägerin darauf ab, daß sich der Beklagte bereits vertraglich ... zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet und sich mit der Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Verzug befunden habe.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten.

II.

Die Berufung der Klägerin dürfte unbegründet sein, weshalb ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat. Damit kann der Klägerin Prozeßkostenhilfe für den Berufungsrechtszug nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).

1. Höherer als der vom Familiengericht zuerkannte Trennungsunterhalt dürfte der Klägerin nicht zuzusprechen sein. Die Klägerin verkennt nicht, daß die ehelichen Lebensverhältnisse vor der Trennung der Parteien bereits dadurch gekennzeichnet waren, daß ein erheblicher Kapitalbetrag (788.544 DM), der aus der Kapitalisierung einer Schmerzensgeld- und Schadensersatzrente resultierte, teilweise dazu verwandt worden war, die ehebedingten Schulden der Parteien abzutragen und eine Eigentumswohnung anzuschaffen, in der die Parteien im Wesentlichen belastungsfrei wohnten. Ihr danach noch vorhandenes Geldvermögen hatte die Klägerin angelegt und - ebenfalls eheprägend - Zinsen hieraus erwirtschaftet. Geprägt waren die ehelichen Lebensverhältnisse schließlich auch dadurch, daß der Beklagte aus lohnabhängiger Beschäftigung monatliche Einnahmen - unstreitig netto 3.545 DM - hatte. Das Familiengericht hat der Klägerin Zinseinkünfte aus 140.000 DM mit monatlich 583 DM und wegen mietfreien Wohnens (im Endergebnis) 1.237 DM zugerechnet und - nach Abzug ihrer Zahlung für den ehegemeinschaftlichen Sohn in Höhe von monatlich 150 DM - die Differenz von 3/7 zwischen dem Einkommen des Beklagten und den ihr zuzurechnenden Einkünften zugesprochen. Diese Vorgehensweise ist - unabhängig von der Frage ob das gesamte Vermögen der Klägerin insoweit unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist - nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin im einzelnen auch nicht infrage gestellt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1988, 1031 f.) kann Unterhalt insoweit nicht verlangt werden, als sich der Unterhaltsberechtigte aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann. Zu den Einkünften rechnen auch Nutzungen einer Sache oder eines Rechts und damit auch Zinseinnahmen und die Gebrauchsvorteile des Wohnens im eigenen Hause. Sie verringern den ungedeckten Unterhaltsbedarf des Berechtigten, also seine Bedürftigkeit (vgl. auch BGH, FamRZ 1998, 87, 88). In einem Verfahren, in dem die Parteien um Trennungsunterhalt stritten, hat der BGH ausgeführt, daß tatsächlich erzielte Vermögenserträge ohne Rücksicht auf die Herkunft des Vermögens und auf Billigkeitsgründe des § 1577 Abs. 1 BGB die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten mindern (BGH, FamRZ 1986, 439, 440). Deshalb hat der BGH es auch abgelehnt, Erträge aus Vermögen anrechnungsfrei zu lassen, das aufgrund eines Abfindungsvergleichs über eine Schmerzensgeldforderung als Kapitalbetrag an den Unterhaltsberechtigten ausgezahlt und von jenem dazu verwendet worden war, ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnrecht an einer Wohnung zu erwerben (BGH, FamRZ 1988, 1031 f.). Allerdings dürfen Schmerzensgeldbeträge, die (über Unterhaltszwecke hinausgehend) bereits ausgegeben sind, trotz § 1579 Nr. 3 BGB zu Lasten des Unterhaltsberechtigten nicht angerechnet werden, weil Schmerzensgeld zur beliebigen Verfügung des Empfängers steht, um diesem nach seinen Wünschen und Interessen einen gewissen Ausgleich für den erlittenen immateriellen Schaden zu ermöglichen (BGH, a. a. O.).

Die Ausführungen des BGH sind auch vorliegend maßgebend. Zwar ist es richtig, daß hier die zur Verminderung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten an sich nicht heranzuziehende Schmerzensgeldrente durch - abgezinstes - Kapital ersetzt wurde. Hieraus folgt jedoch nicht, das letzteres nicht zur Verminderung der Bedürftigkeit insofern herangezogen werden dürfte, als es die Klägerin infolge der Kapitalisierung nunmehr instand setzt, Zinserträge zu erwirtschaften. Darin unterscheidet sich gerade die Kapitalabfindung von einer monatlichen Rentenzahlung: Erstere ermöglicht sofort erhebliche zusätzliche Einkünfte aus Vermögen, letztere erst dann, wenn monatliche Rentenzahlungen nicht vollständig aufgebraucht, sondern gespart werden. Die Anrechnung der Erträgnisse hindert den Unterhaltsberechtigten jedenfalls nicht, über den kapitalisierten Abfindungsbetrag nach seinen Wünschen und Interessen zu verfügen. Gleiches gilt für den der Klägerin zuzurechnenden Wohnwert. Durch die Anrechnung wird - entgegen der Ansicht der Klägerin ... - nicht das den Wohnwert begründende Kapital, sondern nur dessen Ertrag herangezogen.

Damit gehen die Angriffe der Klägerin gegen die Vorgehensweise des Familiengerichts, was die Anrechnung der Erträgnisse aus ihrem Vermögen anbelangt, ins Leere.

2. Auf die Unterhaltsvereinbarung vom 25.06.1996 (AS I, 35) kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sich hieraus ohne weiteres ein bestimmter Unterhaltsbetrag zu ihren Gunsten nicht ergeben dürfte.

3. Rückständigen Unterhalt dürfte die Klägerin weder für sich noch für die ehegemeinsame Tochter C... geltend machen können, weil die Verzugsvoraussetzungen auch in zweiter Instanz nicht dargetan sind. Die den Verzug begründende Mahnung ist dann unbestimmt und damit unwirksam, wenn mit ihr für mehrere Personen ein einheitlicher Betrag geltend gemacht wird, der die Unterhaltshöhe für den einzelnen Unterhaltsgläubiger im Dunkeln läßt (Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., 1997, § 6 Rn. 118 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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