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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.08.2009
Aktenzeichen: 16 UF 99/09
Rechtsgebiete: EGBGB, Brüssel II a VO


Vorschriften:

EGBGB Art. 17 Abs. 3
Brüssel II a VO Art. 3
Zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei isolierten Versorgungsausgleichsverfahren.
Oberlandesgericht Karlsruhe 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Geschäftsnummer: 16 UF 99/09

17. August 2009

In der Familiensache

wegen Versorgungsausgleich

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 08.05.2009 aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten beider Instanzen.

3. Beschwerdewert: 1.000 €.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB.

Die am ... 1964 vor dem Standesamt L. (Portugal) geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Antragstellerin am 07.11.2005 zugestellten Scheidungsantrag des Antragsgegners durch Urteil des Familien- und Jugendgerichts B. (Portugal) vom 08.11.2007, rechtskräftig seit 29.11.2007, geschieden.

Beide Parteien sind - nach ihrem eigenen Vorbringen - ausschließlich portugiesischer Staatsangehörigkeit. Jedenfalls bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens und seither haben beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal. Der Antragsgegner hat auch einen Wohnsitz in N..

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 08.05.2009 auf Antrag der Antragstellerin den Versorgungsausgleich nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB nachträglich dahingehend geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern auf das Versicherungskonto der Antragstellerin gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 347,45 € übertragen werden. Dabei ist das Amtsgericht nach den Auskünften der Beteiligten zu 1 und 2 von ehezeitlichen (01.03.1964 - 31.10.2005; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung des Antragsgegners in Höhe von 694,90 € und der Antragstellerin in Höhe 0 €, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit, ausgegangen.

Der Beschluss vom 08.05.2009 wurde am 14.05.2009 zum Zwecke der Zustellung an den Antragsgegner zur Post aufgegeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.05.2009, beim Amtsgericht eingegangen am 28.05.2009 und an das Oberlandesgericht weitergeleitet am 04.06.2009, legte der Antragsgegner Beschwerde ein. Zur Begründung führt er aus, dass das Amtsgericht unzuständig sei, da beide Parteien ihren Wohnsitz in Portugal haben. Im Übrigen habe das Familiengericht B. bei der Scheidung Unterhaltspflichten des Antragsgegners verneint.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie trägt vor, dass der Antragsgegner auch in Deutschland einen Wohnsitz habe. Die deutschen Familiengerichte seien für den Versorgungsausgleich zuständig, da das portugiesische Recht keinen Versorgungsausgleich kenne. Der Antragsgegner verwechsle Unterhalt und Versorgungsausgleich.

Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 23.07.2009, auf den Bezug genommen wird, auf die mangelnde internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht hingewiesen.

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen dahingehend ergänzt, der Versorgungsausgleich nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB habe innerstaatlichen Charakter. Die Geltungskraft der Brüssel II a Verordnung sei abgeschlossen, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden sei. In der Kommentierung werde die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Entscheidungen nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB als selbstredend behandelt. Es wäre zu prüfen, ob die Frage der internationalen Zuständigkeit in erster Instanz hinreichend bestritten worden wäre. Über die Beschwerde solle mündlich verhandelt werden. Die Frage, ob eine internationale Zuständigkeit in Ansehung der Brüssel II a Verordnung gegeben sei, solle dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden. Schließlich solle die Rechtsbeschwerde zugelassen werden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die nach § 621 e ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Verwerfung des Antrags auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH FamRZ 2006, 321), ist auch nach dem ergänzten Vorbringen der Antragstellerin nicht ersichtlich. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht darauf an, ob die Frage der internationalen Zuständigkeit in erster Instanz bestritten wurde, denn die Frage der internationalen Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGH aaO).

Eine internationale Zuständigkeit besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorbehaltlich abweichender internationaler Vorschriften immer dann, wenn nach den autonomen Gerichtsstandsbestimmungen ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist (BGH aaO; BGH FamRZ 2005, 1987). Für Verfahren über den Versorgungsausgleich folgt die internationale Zuständigkeit der Zuständigkeit für die Scheidung, auch wenn das Versorgungsausgleichsverfahren nicht nach § 623 Abs. 2 und 3 ZPO im Verbund mit der Scheidungssache, sondern selbständig durchgeführt wird (BGH FamRZ 2006, 321; BGH FamRZ 1993, 176; BGH NJW 1991, 3087; Weinreich/Klein, Fachanwaltskommentar Familienrecht, 3. Aufl. 2008, Art. 17 EGBGB Rdn. 20). Danach bestimmt sich die internationale Zuständigkeit vorliegend in entsprechender Anwendung des Art. 3 Brüssel II a VO.

Art. 3 Brüssel II a VO lautet:

Allgemeine Zuständigkeit

(1) Für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig,

a) in dessen Hoheitsgebiet

- beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder

- die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

- der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

- im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

- der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder

- der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein "domicile" hat;

b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames "domicile" haben.

(2) Der Begriff "domicile" im Sinne dieser Verordnung bestimmt sich nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands.

Dass irgendeine dieser Voraussetzungen vorliegend erfüllt wäre, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist danach nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht für Entscheidungen über die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB selbstredend gegeben ist. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für isolierte Verfahren über den Versorgungsausgleich der internationalen Zuständigkeit für die Scheidung folgt (BGH aaO).

Diese vom BGH vorgenommene Anknüpfung beruht aber nicht auf einer Auslegung der Brüssel II a Verordnung, so dass eine Vorlage an der EuGH nach Art. 234 EG insoweit ausscheidet. Dass die Regelungen der Brüssel II a Verordnung vorliegend direkt Anwendung fänden, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Auch insoweit kommt eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 Abs. 1 Ziff. b) EG daher nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin geht es vorliegend auch nicht um die Direktwirkung oder Anerkennung von Urteilen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten.

Sinn und Zweck des Art. 17 Abs. 3 EGBGB liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht darin, jede in Deutschland erworbene Rentenanwartschaft unabhängig von der Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Falle einer Scheidung dem Versorgungsausgleich zu unterwerfen. Vielmehr kommt eine Entscheidung nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB - wie jede andere Entscheidung eines deutschen Gerichts - nur im Falle der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Betracht. Dass der BGH die Frage der internationalen Zuständigkeit hier - über die entsprechende Anwendung an Art. 3 der Brüssel II a Verordnung - an die Staatsangehörigkeit und den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien knüpft, mag der Antragstellerin kurios erscheinen, widerspricht aber nicht Art. 17 Abs. 3 EGBGB und ist auch kein Zufallsergebnis, sondern eine bewusste Entscheidung des BGH.

Der Senat vermag auch nicht die Auffassung der Antragstellerin zu teilen, die Regelung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für isolierte Versorgungsausgleichsverfahren verstoße gegen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Konsolidierte Fassung - ABl. Nr. L 28 vom 30.01.1997, S. 1). Denn diese Verordnung betrifft ausschließlich die Frage der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und Selbständigen (nebst Familienangehörigen) durch die Versorgungsträger der Mitgliedsstaaten, nicht aber das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Ehepartner im Falle der Scheidung. Der sachliche Geltungsbereich nach Art. 4 der genannten Verordnungen umfasst daher auch nicht die Regelungen über den Versorgungsausgleich.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Zwar bestimmt § 53 b Abs. 1 FGG, dass in Verfahren nach § 1587 b und § 1587 f BGB das Gericht mit den Beteiligten mündlich verhandeln soll. Dies gilt grundsätzlich bei einem Antrag auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB entsprechend. Nach der Praxis der Oberlandesgerichte, die vom BGH gebilligt wurde (BGH FamRZ 1983, 267), hat sich indessen die Auffassung durchgesetzt, dass eine mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz dann nicht geboten ist, wenn den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt, der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und eine Vereinbarung der Parteien nicht zu erwarten sei. So liegt es aber hier. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt - Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien - ist umfassend aufgeklärt. Den Beteiligten wurde rechtliches Gehör gewährt; der Senat hat durch den Beschluss vom 23.07.2009 ausdrücklich auf die mangelnde internationale Zuständigkeit hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Anhaltspunkte für eine eventuelle Einigung der Parteien sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; der BGH hat über die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gericht für isolierte Verfahren über den Versorgungsausgleich - wie oben ausgeführt - bereits mehrfach entschieden (vgl. zuletzt BGH FamRZ 2006, 321). Die Entscheidung beschränkt sich auf die Anwendung dieser gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung auf den Einzelfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 49 Ziff. 1 b) GKG.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.08.09

Ende der Entscheidung

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