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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 16 WF 106/07
Rechtsgebiete: ZPO, GKG KV
Vorschriften:
ZPO § 313 a Abs. 2 | |
GKG KV Nr. 1311 Nr. 2 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss
Geschäftsnummer: 16 WF 106/07
27. Juli 2007
In dem Verfahren
wegen Ehescheidung; hier: Kosten
Tenor:
1. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 11.05.2007 wird zurückgewiesen.
2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
In dem Scheidungsverbundverfahren (Ehescheidung, Versorgungsausgleich), Az. ..., hatte das Amtsgericht Mannheim Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 09.08.2006. In der mündlichen Verhandlung wurde das Scheidungsurteil verkündet. Zu Ziffer 1 wurde die Ehe der Parteien geschieden, zu Ziffer 2 wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Im Anschluss an die Verkündung erklärte die Antragstellervertreterin Rechtsmittelverzicht, Rechtsmittelanschlussverzicht, Verzicht auf das Antragsrecht gemäß § 629 a und c ZPO betreffend Ehescheidung und Kosten sowie Verzicht auf Begründung der Ehescheidung. Der Antragsgegner übergab einen Schriftsatz der Rechtsanwältin ... vom 08.08.2006. Darin wird "namens und im Auftrag des Antragsgegners folgender Verzicht erklärt: Verzicht auf Rechtsmittel und Rechtsmittelanschluss, Verzicht auf Antragsrecht gemäß § 629 a und c ZPO betreffend die Ehescheidung und Kosten, Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe zur Ehescheidung."
Das Scheidungsurteil vom 09.08.2006 enthält nur eine Begründung zu Ziffer 2 (Versorgungsausgleich).
Durch Verfügung vom 07.08.2006 setzte das Amtsgericht den Streitwert für die Ehescheidung auf EUR 11.502,00 fest, für den Versorgungsausgleich auf EUR 1.000,00. Durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2006 wurde der Streitwert für den Versorgungsausgleich in Abänderung der früheren Festsetzung nunmehr auf EUR 2.000,00 festgesetzt.
Mit Kostenrechnung vom 14.11.2006 setzte der Kostenbeamte aus dem Gesamtstreitwert von EUR 13.502,00 zwei Gerichtsgebühren fest gemäß Kostenverzeichnis (KV) Nr. 1310, somit EUR 484,00. Weiterhin wurde eine Dokumentenpauschale von EUR 9,50 festgesetzt gemäß Nr. 9000 KV, somit insgesamt EUR 493,50. Der hälftige Betrag hiervon, somit EUR 246,75, wurde beiden Eheleuten in Rechnung gestellt, abzüglich anzurechnender Vorschüsse.
Mit Schriftsatz vom 16.03.2007 legte die Antragstellerin hiergegen Erinnerung ein. Hinsichtlich der Ehescheidung müsse nach Nr. 1311 KV eine Gebührenermäßigung auf 0,5 Gebühren stattfinden.
Vom Kostenbeamten wurde der Erinnerung gemäß Verfügung vom 26.03.2007 nicht abgeholfen.
Auch nach der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 28.03.2007 wurde durch den Kostenbeamten gemäß Beschluss vom 16.04.2007 der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Akten wurden der Abteilungsrichterin zur Entscheidung vorgelegt.
Durch Beschluss vom 11.05.2007 hat das Amtsgericht die Gerichtskosten neu festgesetzt:
Für die Ehescheidung wurde gemäß Nr. 1311 KV eine Ermäßigung auf 0,5 Gebühren vorgenommen, während es für den Versorgungsausgleich nach Nr. 1310 KV bei 2,0 Gebühren verblieb. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Beschwerde gemäß § 66 II GKG zugelassen. Für den nicht begründeten Verfahrensgegenstand gelte die Gebührenermäßigung, für den begründeten Verfahrensgegenstand sei die ungekürzte Gebühr festzusetzen.
Diese Entscheidung wurde der Staatskasse am 16.05.2007 zugestellt.
Die Beschwerde der Staatskasse vom 28.03.2007 ging beim Amtsgericht am 18.05.2007 ein. Anhaltspunkte, die eine Umdeutung des eindeutigen Gesetzestextes rechtfertigen, würden sich weder aus der Systematik des Gesetzes noch der Begründung des Gesetzentwurfs ergeben.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 01.06.2007 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt. Eine Differenzierung der einzelnen Verfahrensgegenstände im Verbundverfahren erscheine betreffend die Gerichtskosten sachgerechet.
II.
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 11.05.2007 ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zulässig, weil das Amtsgericht sie in seinem Beschluss wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Zur Anwendung von Nr. 1311 Nr. 2 KV auf den hier vorliegenden Fall werden zwei Meinungen vertreten:
Die eine Auffassung beruft sich auf den Wortlaut der Bestimmung, wonach eine Gebührenermäßigung auf 0,5 Gebühren nur möglich ist, bei einer Beendigung des gesamten Verfahrens oder einer Folgesache durch Urteil, welches nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn im Termin zwar ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird und hinsichtlich der Ehescheidung ein Verzicht auf die Abfassung von Tatbestand und Entscheidungsgründe, mit der Folge, dass im Urteil die Scheidung selbst zwar nicht begründet werden muss, das Urteil aber eine Begründung enthält für die sonstigen Folgesachen, insbesondere für den Versorgungsausgleich. Somit seien zwei Gebühren festzusetzen, entsprechend Nr. 1310 KV (KG FamRZ 2007, S. 300; OLG Stuttgart FamRZ 2006, S. 719; OLG Zweibrücken, NJW 2006, S. 2564, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Entscheidung vom 07.12.2006, Az. 15 WF 355/06, OLGR Schleswig 2007, S. 159; Meyer, GKG, 8. Auflage, 2006, KV 1311, Rn. 93). Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Er könne nicht durch Billigkeitserwägungen unterlaufen werden. Nach den Gesetzesmaterialien sei kein Raum für die Annahme eines Redaktionsversehens. Der Gesetzgeber habe den gebührenrechtlichen Anreiz auf die weiteren Folgesachen beschränken wollen. Im Übrigen seien Verfahren in Ehesachen bereits dadurch gebührenrechtlich privilegiert, dass nur 2,0 Verfahrensgebühren erhoben werden, während nach Nr. 1210 KV in sonstigen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten 3,0 Gebühren anfallen. Die nunmehr eingeräumte Gebührenermäßigung sei weitaus höher als nach früherem Recht: Nach Nr. 1311 Nr. 2 KV findet eine Ermäßigung um 1,5 Gebühren statt. Nach Nr. 1517 KV alte Fassung (a. F.) war nur die Urteilsgebühr um 0,5 Gebühren ermäßigt worden. Schließlich sei die Gebührenermäßigung nach Nr. 1311 Nr. 2 KV ein Ausnahmetatbestand, daher grundsätzlich nicht analogiefähig.
Nach anderer Auffassung, welcher sich der Senat anschließt, handelt es sich bei der neuen Fassung des Nr. 1311 Nr. 2 KV um ein Redaktionsversehen. Denn der praktisch häufigste Fall, dass im Termin nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittel sowie Tatbestand und Entscheidungsgründe hinsichtlich der Ehescheidung verzichtet wird, andererseits aber im Urteil die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zu begründen ist, würde entgegen der bisherigen Praxis zu keiner Ermäßigung mehr führen. Dies entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers zum Kostenmodernisierungsgesetz. Der Gesetzgeber wollte die Kosten für das Ehescheidungsverfahren auf niedrigem Niveau halten. Ersichtlich wollte er für die Parteien einen gebührenrechtlichen Anreiz schaffen, für eine Verfahrensgestaltung, die den Gerichten Arbeit erspart. Das Scheidungsverfahren verteuert sich erheblich, wenn von der Gebührenermäßigung abgesehen wird. § 313 a Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO hätte dann auch keine prozessökonomische Bedeutung mehr. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut von Nr. 1311 Nr. 2 KV der Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe für eine Folgesache zur Gebührenermäßigung führt in dieser Folgesache. Dies muss erst Recht gelten für den Verzicht in der Hauptsache selbst, also die Scheidung betreffend. Auch nach dem Wortlaut von Nr. 1517 KV a. F. ("Urteil enthält keine Begründung") hätte man sich auf den Standpunkt stellen können, eine Ermäßigung der Urteilsgebühr sei nur gerechtfertigt, wenn das Urteil insgesamt nicht begründet wurde. Es hat aber ständiger Praxis entsprochen, diese Vorschrift so auszulegen, dass für Teile des Urteils, die nicht zu begründen sind (Scheidung bei Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 313 a Abs. 2 ZPO) die Gebührenermäßigung stattfindet, nicht aber hinsichtlich der Folgesachen, die zu begründen sind (z. B. Versorgungsausgleich). Hätte der Gesetzgeber von dieser ständigen Praxis abweichen wollen, dann wäre zu erwarten gewesen, dass dies in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck kommt, was ersichtlich nicht der Fall ist. Im Ergebnis ist daher Nr. 1311 Nr. 2 KV auch auf die Scheidungssache selbst anzuwenden und die Verfahrensgebühr bei Erfüllung des Ermäßigungstatbestands Nr. 1311 Nr. 2 KV für die Scheidung auch dann zu ermäßigen, wenn andere Folgesachen keinen Ermäßigungstatbestand erfüllen (OLG Frankfurt, FamRZ 2006, S. 1560; OLG Nürnberg, FamRZ 2006, S. 634; Gerhardt / Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Auflage, 2005, 17. Kapitel, Rn. 168; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, 2007, § 606 Rn. 42 - ohne Problematisierung -).
Die Beschwerde der Staatskasse war daher zurückzuweisen.
III.
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 66 Abs. 8 GKG. Danach ist das Verfahren gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Ende der Entscheidung
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