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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 16 WF 107/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 | |
BRAGO § 32 Abs. 1 |
2. Reicht dieser einen Schriftsatz mit dem Antrag ein, die Berufung zurückzuweisen, verdient er gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO eine 13/10 Gebühr.
Wird die Berufung zurückgenommen, ist dem Berufungsbeklagten aber nur eine 13/20 Gebühr zu erstatten.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Karlsruhe, 14. Oktober 2002
Beschluss
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 11. Juli 2002 - 37 F 48/00 - dahin abgeändert, dass der von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattende Betrag auf 438,06 € festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Beschwerdeinstanz tragen die Antragsgegnerin 3/4, der Antragsteller 1/4.
Beschwerdewert: bis zu 600 €
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 23. Februar 2001 die Ehe der Parteien geschieden (Teilstreitwert 12.138 DM) und den Versorgungsausgleich geregelt (Teilstreitwert: 1.000 DM). Die Kosten hat es zu 4/5 der Antragsgegnerin auferlegt. Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift lautet auszugsweise:
" ... legen wir gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 23.02.2001 Berufung zur Fristwahrung ein. Antragstellung und Begründung bleibt gegebenenfalls einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten, sofern die Berufung durchgeführt wird."
Am 19. Juli 2001 hat der Antragsteller einen Schriftsatz mit dem Antrag einreichen lassen, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - Verfügung des Vorsitzenden vom 20. Juli 2001 - bis 27. August 2001 hat die Antragsgegnerin die Berufung am 27. August 2001 zurück genommen. Mit Beschluss vom 13. September 2001 hat der Senat die Antragsgegnerin ihres Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihr die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 590,43 € festgesetzt. Dies sind 13/10 Prozessgebühr aus einem Gegenstandswert von 13.138 DM nebst 40 DM Auslagenpauschale und 159,28 DM MwSt.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen: Die Berufung sei fristwahrend eingelegt worden, wie sich aus dem Berufungsschriftsatz selbst ergebe. Es seien von ihr über die Berufungseinlegung hinaus keine Anträge gestellt worden. Die Bestellung der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers sei mangels gestellter Anträge oder Berufungsbegründung nicht notwendig gewesen. Deren Vertretungsanzeige sei zwar zivilprozessual möglicherweise zulässig gewesen, in gleichem Maße jedoch unnötig, da ihr vom Gericht keine Frist gesetzt worden sei, innerhalb derer sie sich hätte erklären müssen. Die Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin könne sich nur auf notwendigerweise entstandene Kosten beziehen; die Kosten des Antragstellers seien in diesem Stadium des Berufungsverfahrens nicht zwingend angefallen. ...
Die sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Dem Antragsteller sind nur 13/20 Gebühren aus dem Berufungsstreitwert 13.138 DM nebst 13/10 Gebühr aus dem Kostenstreitwert zu erstatten, nicht, wie festgesetzt, 13/10 Gebühr aus dem Berufungsstreitwert 13.138 DM.
Der Antragsteller durfte bereits unmittelbar nach der Zustellung der Berufungsschrift einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung im Berufungsrechtszug beauftragen, unabhängig davon, ob die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt war. Eine andere Sicht wäre mit § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese Vorschrift erfordert, insoweit in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der die Erstattung nur bezüglich notwendiger Kosten begründet, weder die sachliche Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts noch einen bestimmten Verfahrensstand. Sie ist so zu interpretieren, dass die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes für den Prozess grundsätzlich keiner Prüfung bedarf. Denn die in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO normierte Erstattungspflicht beruht auf dem Gedanken, dass sich eine Partei im Prozess grundsätzlich eines Rechtsanwalts bedienen darf. Die zu § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO entwickelten Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall der Bestellung eines Berufungsanwalts durch den berufungsbeklagten Antragsteller unmittelbar nach Einlegung der Berufung durch die Antragsgegnerin als Berufungsklägerin (vgl. insoweit grundlegend - teilweise wörtlich - OLG Köln - Beschluss vom 15. September 1997 - 17 W 243/97 - FamRZ 1998, 841, 842 mit vielen weiteren Nachweisen, auch auf OLG Karlsruhe - JurBüro 1995, 88; ebenso OLG Karlsruhe - 2. ZS. - Senat für Familiensachen - Beschluss vom 05. Mai 1993 - 2 WF 60/92 - JurBüro 1994, 159).
2. Für ihre Tätigkeit erhält die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers eine 13/10 Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO. Obwohl die Berufung der Antragsgegnerin nicht begründet, sondern zurückgenommen wurde, verringert sich diese Gebühr nicht auf eine halbe Prozessgebühr, da die Rechtsanwältin bereits einen Schriftsatz eingereicht hat, der den Antrag enthält, die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
3. Eine andere Frage ist jedoch, ob auch die verdiente 13/10 Gebühr zu erstatten ist, nachdem der Antrag auf Zurückweisung der Berufung überflüssigerweise schon gestellt wurde, bevor überhaupt mit den Berufungsanträgen der Umfang der Berufung feststand. Diese Frage wird von den Oberlandesgerichten überwiegend verneint (vgl. die umfassenden Nachweise bei OLG Köln, a.a.O. und bei Zöller/Herget ZPO 23. Aufl. § 91 Rn 13 "Berufung"; ; OLG Karlsruhe, 2. ZS. - Senat für Familiensachen -, Beschluss vom 22. Mai 1986 - 2 WF 62/86 - Die Justiz 1986, 488; Beschluss vom 05. Mai 1993 - 2 WF 60/92 - JurBüro 1994, 159; neuerdings erneut Beschluss vom 20. August 2002 - 2 WF 85/02 - nicht veröffentlicht; anderer Ansicht: OLG Karlsruhe 16. ZS. - Senat für Familiensachen - Beschluss vom 26. Januar 1996 - 16 WF 12/95 - FamRZ 1997, 220 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 22. August 1989 - 16 WF 111/89 - Die Justiz 1990, 396). Seine in den oben zitierten Beschlüssen vom 26. Januar 1996 und dem 22. August 1989 vertretene anderslautende Rechtsprechung gibt der Senat auf. Die Annahme, der Berufungsbeklagte müsse die Möglichkeit haben, sofort zu reagieren und seine Bereitschaft zu harter Auseinandersetzung in der Berufungsinstanz zu signalisieren, ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr ist auch in einer Phase vor Begründung der Berufung das durch die Sache gebotene Prozessverhalten des Berufungsbeklagten allein, die Berufungsbegründung abzuwarten. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO steht dem nicht entgegen. Diese Bestimmung erfasst nicht jedes beliebige Prozessverhalten eines Rechtsanwaltes, so überflüssig es auch sein mag. Allerdings ist einer Aushöhlung der Vorschrift vorzubeugen, die dann eintreten würde, wenn eine freie Prüfung von Sinn und Zweck anwaltlichen Vorgehens im Einzelfall möglich wäre. Hier handelt es sich um ein typisiertes in jedem Einzelfall als solches klar abgrenzbares Verhalten, das aus dem Anwendungsbereich des § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO herausgenommen werden kann, ohne dass dies zu einer Verwässerung der Bestimmung führt (vgl. 2. ZS. JurBüro 1994, 159).
4. Zu erstatten sind deshalb nur 13/20 Gebühren aus dem Streitwert von 13.138 DM. Kündigt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsgegners vor Einreichung der Berufungsbegründung schriftsätzlich den Sachantrag an, die Berufung zurückzuweisen, erwächst durch eine solche Antragsankündigung dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsgegners eine volle Prozessgebühr (13/10) gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO, auch wenn die Berufung danach - vor ihrer Begründung - zurückgenommen wird. Für eine zweckgerechte frühzeitige Beratung und Rechtsverteidigung des Berufungsbeklagten ist es aus erstattungsrechtlicher Sicht ausreichend, wenn sich dessen Prozessbevollmächtigter zunächst lediglich zu den Gerichtsakten bestellt, ohne einen Sachantrag anzukündigen. Wird alsdann die Berufung zurückgenommen, erwachsen ihm gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO eine halbe (13/20) Prozessgebühr aus dem Streitwert der Hauptsache und zusätzlich für die Stellung des Antrags nach § 515 Abs. 3 ZPO eine volle (13/10) Prozessgebühr zum Kostenwert, der Höhe nach gemäß § 13 Abs. 3 BRAGO, insgesamt beschränkt auf eine volle 13/10 Gebühr nach dem Hauptsachewert (OLG Köln, FamRZ 1998, 841 m.N.).
5. Zu erstatten sind danach 477,80 DM, zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer 600,42 DM.
Weiter zu erstatten ist eine 13/10 Gebühr aus dem Kostenstreitwert der zweiten Instanz, der Kostenstreitwert beträgt 19,5/10 Anwaltsgebühren nebst Pauschalen und Mehrwertsteuer sowie 1/2 Gerichtsgebühr, sonach bis zu 2.400 DM 13/10 Gebühr hieraus nebst Mehrwertsteuer 256,36 DM, insgesamt somit 856,78 DM = 438,06 €.
Ende der Entscheidung
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