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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 28.08.2009
Aktenzeichen: 16 WF 133/09
Rechtsgebiete: RVG VV, BGB
Vorschriften:
RVG VV Nr. 1000 | |
BGB § 1587 o |
Oberlandesgericht Karlsruhe 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss
Geschäftsnummer: 16 WF 133/09
28. August 2009
In der Familiensache
wegen Ehescheidung; hier: Prozesskostenhilfevergütung
Beschluss
Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- M......... vom 01.07.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung einer Einigungsgebühr für die Protokollierung eines Verzichts auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs in einem Scheidungsverfahren.
Die Parteien sind durch Urteil des Amtsgerichts M........ vom 29.01.2009 geschiedene Eheleute. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.01.2009 haben die Parteien, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs protokolliert. Der Verzicht wurde familiengerichtlich genehmigt. Zum damaligen Zeitpunkt waren schon Auskünfte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eingeholt. Beim Antragsteller war der Erwerb ausländischer Anwartschaften noch ungeklärt, weiter die Höhe einer von ihm in der Ehezeit erworbenen Riesterrente. Zum damaligen Verfahrensstand war die Antragsgegnerin in Höhe von 2,66 € ausgleichspflichtig.
Für das Scheidungsverfahren war beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Die Prozessbevollmächtigten haben die Festsetzung einer Einigungsgebühr in Höhe von 85 € aus einem gerichtlich festgesetzten Streitwert von 1.000 € für den Versorgungsausgleich beantragt. Das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, dass eine Einigungsgebühr im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 20.11.2006 (16 WF 108/06) nicht verlangt werden könne. Mit Beschluss vom 20.03.2009 wurde die an Rechtsanwalt P. aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung ....... festgesetzt. Eine Einigungsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer könne nicht zugesprochen werden. Der gegenseitige Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs löse diese Gebühr nicht aus.
Mit am 02.04.2009 beim Amtsgericht M....... eingegangenen Schriftsatz hat Rechtsanwalt P. Erinnerung eingelegt, die er mit am 08.05.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Entgegen der Ansicht des Senats löse auch der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Einigungsgebühr aus. Gemäß Nr. 1000 RVG VV entstehe die Gebühr als zusätzliche Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werde, es sei denn der Vertrag beschränke sich ausdrücklich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Damit habe die frühere Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO ersetzt und gleichzeitig inhaltlich erweitert werden sollen. Ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB sei für das Entstehen der Gebühr nicht mehr Voraussetzung. Gemäß dem Regierungsentwurf habe der Streit darüber vermieden werden sollen, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten sei. Der Senat gehe daher im Beschluss vom 20.11.2006 zu Unrecht davon aus, dass ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich sei. Jedenfalls dann, wenn die Merkmale eines Vergleichs erfüllt seien, sei schon nach der früheren Rechtslage eine Einigungsgebühr zuzusprechen.
Der Bezirksrevisor ist der Erinnerung mit Schriftsatz vom 25.05.2009 entgegen getreten. Eine Ungewissheit über den Ausgleich der gesetzlichen Rentenanwartschaften habe nicht vorgelegen. Hinsichtlich der noch nicht geklärten Ansprüche aus der Riesterrente habe nur eine der Parteien verzichtet, so dass entsprechend der Rechtsprechung des Senats kein gegenseitiges Nachgeben vorliege.
Mit Beschluss vom 01.07.2009 hat das Amtsgericht M....... der Erinnerung von Rechtsanwalt P. stattgegeben und eine Einigungsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer festgesetzt. Die Entscheidung des Senats vom 20.11.2006 greife vorliegend nicht ein, da anders als im dort entschiedenen Fall nicht klar gewesen sei, wer ausgleichspflichtig sei. Ein klarer einseitiger Verzicht sei damit nicht gegeben gewesen. Das Amtsgericht hat die Beschwerde zugelassen.
Mit am 29.07.2009 beim Amtsgericht M....... eingegangenen Schriftsatz hat der Bezirksrevisor sofortige Beschwerde eingelegt. Eine inhaltliche Regelung liege nicht vor; es sei nur ein Verzicht vereinbart worden, mit dem nur eine Partei nachgegeben habe.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.08.2009 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist unbegründet. Das Amtsgericht hat auf die Erinnerung von Rechtsanwalt P. zu Recht eine Einigungsgebühr festgesetzt.
Gemäß Nr. 1000 RVG VV entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das gemäß Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 05. Mai 2004 (BGBl I, 718) als dessen Art. 3 (BGBl. I, 788) zum 01. Juli 2004 in Kraft getreten ist, ersetzt mit Nr. 1000 RVG VV den bis dahin gültigen § 23 BRAGO. In diesem wurde die Vergleichsgebühr geregelt. Für die Festsetzung einer Vergleichsgebühr war ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wurde. Dies ist für die Festsetzung einer Einigungsgebühr nicht der Fall. Soweit der Senat bisher auch zu Nr. 1000 RVG VV für die Festsetzung einer Einigungsgebühr auf ein gegenseitiges Nachgeben abgestellt hat (OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 843), wird hieran nicht festgehalten. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird und sich die Streitbeilegung nicht in einem Anerkenntnis oder Verzicht erschöpft.
Vorliegend waren -ebenso wie in dem der Entscheidung des Senats vom 20.11.2006 zugrunde liegenden Verfahren- die Anwartschaften der Parteien noch nicht vollständig geklärt. Es stand weder die Ausgleichsrichtung noch die Ausgleichshöhe im Versorgungsausgleich fest. Mit dem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wurde damit vertraglich ein ungewisses Rechtsverhältnis geklärt.
Gleichwohl entsteht dann keine Einigungsgebühr, wenn sich die Regelung in einem bloßen Verzicht erschöpft. Dies hat der Senat auch für den Fall der fehlenden Klärung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften in der Entscheidung vom 20.11.2006 mit der Begründung angenommen, dass letztlich nur eine der Prozessparteien vollständig auf den ihr allein zustehenden Ausgleich verzichte, da der Versorgungsausgleich nur einem der Ehepartner zustehe (Senat, a.a.O., unter Bezugnahme auf OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 232; im dort zugrundeliegenden Verfahren lagen allerdings sämtliche Auskünfte vor). Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur folgt dem nicht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass dann, wenn wegen fehlender Aufklärung der Anrechte noch nicht einmal die Person des Ausgleichsberechtigten feststehe, der von jeder Partei erklärte Verzicht nur so verstanden werden könne, dass jede Partei für den Fall, dass sich ein Ausgleich zu ihren Gunsten ergebe würde, auf einen Ausgleich verzichte. Dann könne nicht von einem einseitigen Verzicht des letztlich Ausgleichsberechtigten ausgegangen werden (OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463; ebenso: OLG Köln NJW 2009, 237; OLG Naumburg FamRZ 2009, 1089; OLG Dresden NJW-Spezial 2009, 524; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage, Rdn. 189 zu Nr. 1000 VV; Bischof/Jungbauer, RVG, 3. Auflage, Rdn. 93 zu Nr. 1000 VV; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, Rdn. 26 zu Nr. 1000 VV). Anders sei es nur in den Fällen, in denen nach Einholung der Auskünfte bereits feststehe, wem und in welcher Höhe der Versorgungsausgleich zustehe; dann werde schon keine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt mit der Folge, dass keine Einigungsgebühr entstehe. Auch wenn die Person des Ausgleichsberechtigten, nicht aber die Höhe des durchzuführenden Versorgungsausgleichs feststehe, könne keine Einigungsgebühr zugesprochen werden, weil dann nur ein einseitiger Verzicht vorliege (OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 2142).
Der Senat schließt sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung an. Wenn -wie vorliegend der Fall- die Person des Ausgleichsberechtigten in einem Versorgungsausgleichsverfahren noch nicht feststeht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur eine Partei auf einen ihr zustehenden Anspruch verzichtet. Nach dem zweiten Halbsatz des Abs. 1 der Nr. 1000 VV RVG reicht nur die bloße Annahme eines einseitigen Verzichts oder ein Anerkenntnis für die Entstehung der Einigungsgebühr nicht aus (BGH MDR 2007, 492). Im Hinblick auf das ungeklärte Ausgleichsverhältnis kann zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, auf den abzustellen ist, sowohl der einen als auch der anderen Partei ein Ausgleichsanspruch zustehen. Damit liegt jedoch kein einseitiger Verzicht vor, der den Anfall einer Einigungsgebühr ausschließen würde.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 9 RVG).
Ende der Entscheidung
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