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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 16 WF 137/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
ZPO § 115 Abs. 2
1. Eine zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz gezahlte Abfindung wird grundsätzlich nicht Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO, sondern Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen die vorzeitige Tilgung von Schulden mittels des Abfindungsbetrages rechtsmissbräuchlich ist und deshalb prozesskostenhilfe rechtlich unbeachtlich sein kann.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

16 WF 137/01

Karlsruhe, 17. Dezember 2001

wegen Kindesunterhalt hier: Prozesskostenhilfe

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 13. August 2001 aufgehoben. Die erneute Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten unter Beachtung der Gründe dieses Beschlusses wird dem Amtsgericht übertragen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, der Beklagte habe im Laufe des Prozesses - Mitte 2000 - eine Abfindung zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes vom 25.000 DM erhalten, der kein Schonvermögen darstelle und der deshalb für die Prozesskosten einzusetzen sei.

Mit seiner Beschwerde weist der Beklagte darauf hin, dass er die Abfindung dazu verwendet habe, um Bankschulden von 37.434,16 DM, private Schulden von 15.000 DM und 2.000 DM abzutragen. Das Rechtsmittel hat zunächst Erfolg.

1. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach ordentlicher Kündigung gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz dienen zum teilweisen Ausgleich des laufenden Einkommens aus dem Arbeitsverhältnis. Sie sind daher nicht als Vermögen, sondern als Einkommen zu betrachten sie sind auf entsprechende monatliche Leistungen für die Zukunft umzurechnen, da sie der Aufrechterhaltung der bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse dienen sollen (vgl. Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl., Rn. 216 und Rn. 316; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen Rn. 43; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 115 Rn. 5). Es ist deshalb das bis zum Verlust des Arbeitsplatzes erzielte Einkommen zu ermitteln und zu prüfen, wie lange die Abfindung ausreicht, um Leistungen nach dem SGB III entsprechend aufzustocken. Für die ermittelte Dauer kann sodann das bislang erzielte Einkommen als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO angesetzt werden. Erst dann, wenn ein neuer Arbeitsplatz gefunden ist, bevor die Abfindung rechnerisch verbraucht ist, zählt der nicht verbrauchte Rest zum Vermögen (vgl. die zitierten Literaturstellen).

2. Der Beklagte hat die Abfindung bereits verbraucht, um Schulden zu tilgen. Dies hat dazu geführt, dass - vor Tilgung restlicher Schulden - sein Einkommen nur noch aus seinen Bezügen nach dem SGB III besteht. Die Prozesskostenhilfe gleichwohl nach höheren Bezügen, wie sie oben unter Ziffer 1 beschrieben sind, zu bemessen, ist nur dann möglich, wenn die Schuldentilgung missbräuchlich war. Schuldentilgung ist regelmäßig dann missbräuchlich, wenn bei Tilgung der Prozesskostenbedarf, wie hier, bekannt ist und die getilgte Schuld noch nicht fällig (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 02. September 1997 - 16 WF 8/97 - FamRZ 1998, 489), wie dies bei der mit 37.434,16 DM valutierenden ratenweise abzutragenden Bankschuld der Fall war. Aber auch eine so festgestellte Missbräuchlichkeit muss noch nicht dazu führen, dass als Einkommen des Beklagten dasjenige angesetzt wird, das er bis zu Verlust des Arbeitsplatzes hatte. Denn es ist möglich, dass die auf die Schulden ursprünglich zu zahlen gewesenen Monatsraten als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO angesehen werden können. Führte die vorzeitige Tilgung zu einer Herabsetzung der Monatsraten, beseitigte oder milderte die vorzeitige Tilgung auch die Hilfsbedürftigkeit, so dass missbräuchliches Verhalten wieder in Frage zu stellen ist. Entsprechendes gilt, wenn durch die vorzeitige Tilgung die Resttilgungsdauer auf weniger als 48 Monate herabsinkt. Sollte sich nämlich bei Berücksichtigung der Kreditraten nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO ergeben, dass dem Beklagten - bei Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung - ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre, führte die vorzeitige Tilgung und die Verkürzung der Resttilgungsdauer auf weniger als 48 Monate dazu, dass mit dem Auslaufen der verkürzten Tilgungszeit die in § 115 Abs. 1 S. 4 ZPO vorgesehenen 48 Monatsraten in vollem Umfang zu laufen beginnen, ohne dass darauf sogenannte Null-Monatsraten angerechnet werden können (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 25. April 1995 - FamRZ 1995, 1505; Senatsbeschluss vom 18. Juni 2001 - 16 WF 58/01 - nicht veröffentlicht).

3. Da das Amtsgericht in dieser Richtung bislang noch keine Feststellungen getroffen hat und solche auch nicht ohne weiteres aus den Akten zu treffen sind, insbesondere aber auch, weil das Amtsgericht die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten noch nicht geprüft hat, war die erneute Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten insgesamt gemäß § 575 ZPO dem Amtsgericht zu übertragen.

Ende der Entscheidung

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