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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 16 WF 160/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
1. Die auf Beseitigung der Rechtsfolgen des § 93 ZPO gerichtete Aufforderung, eine vollstreckbare Urkunde zu errichten, verliert nach 6 Monaten ihre Wirkung.

2. Ein Anerkenntnis des Unterhaltsbeklagten ist auch dann noch ein sofortiges, wenn es von der Vorlage eines erforderlichen Beleges, etwa einer Schulbescheinigung, abhängig gemacht wird und erst nach Vorlage des Beleges sofort erklärt wird.


16 WF 160/02

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Karlsruhe, 29. Januar 2003

wegen Kindesunterhalt

hier: Kosten

Beschluss

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom 14. Oktober 2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerderechtszugs.

Bis zu 1.200 €

3. Die Rechtsbeschwerde des Klägers wird zugelassen.

Gründe:

Der am 30. Mai 1985 geborene Kläger, der bei seiner Mutter wohnt, ist der Sohn des Beklagten. Nach längerer Korrespondenz ließ der Beklagte am 11. Dezember 2001 die Urkunde des Stadtjugendamts L. errichten, in der sich verpflichtete, für den Zeitraum Dezember 2001 bis Juli 2002 135 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe abzüglich Kindergeldanteil zu bezahlen. Mit am 27. Juli 2002 zugestellter Klage vom 18. Juni 2002 nahm der Kläger den Beklagten auf Zahlung seines Monatsunterhaltes von 287 € (i.e.: 135 % des Regelbetrages der dritten Altersstufe abzüglich Kindergeldanteil für ein erstes Kind) in Anspruch. In der ersten mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2002 anerkannte der Beklagte den Klaganspruch. In dem antragsgemäß verkündeten Anerkenntnisurteil werden dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die gegen diese Kostenentscheidung eingelegte zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat Erfolg.

1. Der Beklagte hat nicht im Sinne des § 93 ZPO durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben.

Allerdings hatte der Beklagte ein früheres Begehren des Klägers, einen Unterhaltstitel zu errichten, nur teilweise erfüllt. Denn dem Beklagten stand nicht zu, die in der Urkunde vom 11. Dezember 2001 beurkundete Unterhaltsverpflichtung bis zum 31. Juli 2002 zu befristen. Nach dem nach der Lebenserfahrung zu erwartenden Ablauf der Dinge war auch für die Zeit ab August 2002 noch damit zu rechnen, dass der Kläger unterhaltsbedürftig sein würde. Allein die Höhe des Anspruches mag unsicher gewesen sein, wenn man - was sich im Übrigen als unzutreffend herausgestellt hat - davon ausgehen wollte, dass der Kläger möglicherweise ab August 2002 eine Ausbildungsvergütung beziehen würde. Dies rechtfertigte nicht, die Verpflichtungsurkunde bis 31. Juli 2002 zu befristen. Der Beklagte hätte sich mit der Möglichkeit der Abänderungsklage gem. § 323 Abs. 4 ZPO zufrieden geben müssen.

Mit seinem Verhalten hätte der Beklagte jedoch allenfalls Anlass für eine alsbald nach dem 11. Dezember 2001 erhobene Zusatzklage gegeben. So durfte er jedoch davon ausgehen, dass es mit der Befristung bis zum 31. Juli 2002 sein Bewenden haben könne. Die auf Beseitigung der Rechtsfolgen des § 93 ZPO gerichtete Aufforderung, eine unbefristete Urkunde hereinzugeben, die in der Korrespondenz vor dem 11. Dezember 2001 enthalten war, verlor nach sechs Monaten ihre Wirkung. Wenn schon nach Treu und Glauben und in Einzelfällen über das Institut der Verwirkung des Anspruchs auf rückständigen Unterhalt die Aufforderung (Mahnung), überhaupt Unterhalt zu zahlen, ihre Wirkung verlieren kann (vgl. BGH, FamRZ 1995, 725 Nr. 437 und FamRZ 1983, 352), muss dies erst recht für die Aufforderung, einen Unterhaltstitel zu errichten, gelten, deren Wirkung sich auf die Anwendbarkeit des § 93 ZPO beschränkt und die jederzeit wiederholt werden kann, ohne dass bei dem Unterhaltsgläubiger in der Zwischenzeit Rechtsverlust eintreten würde. Im hier vorliegenden Fall kann sich der Kläger deshalb nicht mehr darauf berufen, er habe den Beklagten aufgefordert, einen Unterhaltstitel zu errichten, weil der Beklagte dieser Aufforderung teilweise nachgekommen ist und aus diesem Grund nach 6-monatiger Untätigkeit des Klägers davon ausgehen durfte, es könne mit dem zeitlich beschränkten Unterhaltstitel sein Bewenden haben und er werde, falls weiterer Unterhalt verlangt werde, nochmals aufgefordert werden.

2. Der Beklagte hat auch den Klaganspruch sofort anerkannt. Sofort heißt zu Beginn der ersten mündlichen Verhandlung. Im Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2002 ist das Anerkenntnis des Beklagten unmittelbar nach der Verlesung des Klagantrages beurkundet. Der Beklagte hat sich auch nicht vor der Beurkundung des Anerkenntnisses durch Ankündigung von Anträgen in vorbereitenden Schriftsätzen in Widerspruch zu dem Anerkenntnis gesetzt. Er hat sich darauf beschränkt, sich für verteidigungsbereit zu erklären und zu rügen, dass der Kläger seine Behauptung, er gehe noch zur Schule, nicht belegt habe. Eine Schulbescheinigung vom 23. Juli 2002 wurde dann mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2002 vorgelegt. Der Beklagte durfte sein Anerkenntnis von der Vorlage einer Schulbescheinigung abhängig machen. Anerkannt ist, dass der Beklagte, dem nicht vorgerichtlich die erforderlichen Belege für die dann anerkannte Forderung vorgelegt werden, keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben hat und dass der Beklagte, der mit seinem Anerkenntnis bis zur Vorlage der erforderlichen Belege zuwartet, noch sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkennen kann (vgl. etwa aus neuerer Zeit OLG Dresden, ZIP 1997, 327; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 790; OLGR Düsseldorf 1999, 410; aus der älteren Literatur Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., 1977 § 93 Rn. 9 f; aus der neueren Literatur Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., 2002 § 93 Rn. 27: unschlüssige Klage).

Das Anerkenntnis des Beklagten war deshalb auch ein sofortiges.

3. Da nach allem § 93 ZPO zugunsten des Beklagten anzuwenden ist, ist die Kostenentscheidung des angefochtenen Anerkenntnisurteils entsprechend zu ändern.

4. Die Rechtsbeschwerde ist deshalb zuzulassen, weil die Frage von allgemeiner Bedeutung ist, ob die Wirkungen einer Aufforderung, einen Vollstreckungstitel vorzulegen, für Zwecke des § 93 ZPO durch Zeitablauf entfallen können. Eine ohnedies unzulässige Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf diese Rechtsfrage ist damit nicht verbunden.

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