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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 22.04.2003
Aktenzeichen: 16 WF 190/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB §§ 1601 ff.
Verletzt der Unterhaltsgläubiger eine Pflicht, den Unterhaltsschuldner unaufgefordert über eine Verbesserung seiner Verhältnisse zu unterrichten, erwächst dem Unterhaltsschuldner, soweit er wegen § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO daran gehindert ist, eine Abänderungsklage mit Wirkung in die Vergangenheit zu erheben, ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Betrages des überzahlten Unterhalts.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

16 WF 190/02

Karlsruhe, 22. April 2003

wegen Kindesunterhalt

hier: Prozesskostenhilfe

Beschluss

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 10. Dezember 2002 - 5E F 183/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Kläger nimmt den Beklagten, seinen Sohn, auf Rückforderung von Unterhalt in Anspruch. Der Kläger hat sich am 23. Juli 1999 vor dem Oberlandesgericht durch Vergleich verpflichtet, dem Beklagten ab Juli 1999 einen Monatsunterhalt von 564 DM zu zahlen. Diesen Betrag hat er auch im Zeitraum September 2000 bis Dezember 2000 bezahlt und, nach entsprechender Erhöhung des Kindergeldes, einen Betrag von monatlich 554 DM für den Zeitraum Januar 2001 bis Oktober 2001.

Seit September 2000 ist der Beklagte in Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel und erhält eine Ausbildungsvergütung von brutto 1.140 DM, netto einschließlich Sonderzuwendungen monatlich 901 DM. Der Kläger rechnet hiervon 450 DM monatlich an und verlangt deshalb für September 2000 bis Oktober 2001 insgesamt 14 x 450 DM = 6.300 DM = 3.221 € zurück. Eine Anspruchsgrundlage sieht er in § 826 BGB.

Der Beklagte hat eingewendet, sein Verhältnis zu dem Kläger, seinem Vater sei sehr schlecht gewesen. Er habe auf erstes Anfragen vollständig Auskunft über sein Einkommen erteilt und, am 26. Oktober 2001 erst volljährig geworden, bis dahin darauf vertraut, dass seine Mutter für ihn handele. ...

Das Amtsgericht hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Kläger kann den eingeklagten Betrag von dem Beklagten auch nach den Grundsätzen der Positiven Forderungsverletzung, jetzt § 280 BGB, verlangen. Was der Beklagte hiergegen einwendet, ist ohne Belang, so dass seine Rechtsverteidigung als aussichtslos anzusehen ist.

1. Der Beklagte war verpflichtet, dem Kläger unaufgefordert mitzuteilen, dass er eine Ausbildungsvergütung von 901 € bezieht. Grundsätzlich ist ein Unterhaltsgläubiger zwar nur verpflichtet, auf Verlangen Auskunft über Umstände zu erteilen, welche seinen Unterhaltsanspruch berühren können. Geht es, wie hier, um den Bestand eines Unterhaltsvergleichs, sind wesentliche Änderungen der Einkommensverhältnisse jedenfalls dann unaufgefordert zu offenbaren, wenn das Schweigen über eine günstige, für den Unterhaltsanspruch ersichtlich grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse evident unredlich erscheint (vgl. etwa - für den Unterhaltsschuldner und wie hier für den Unterhaltsvergleich - BGH Urteil vom 25. November 1987 - IV b ZR 96/86 - FamRZ 1988, 271 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die eigenen Einkünfte des Beklagten überstiegen den von dem Kläger laufend gezahlten Unterhalt um nahezu das doppelte (vgl. zu einem Missverhältnis ähnlicher Art - dort § 826 BGB - BGH Urteil vom 19. Februar 1986 - IV b ZR 71/84 - FamRZ 1986, 450).

2. Diese als Nebenpflicht aus dem Unterhaltsrechtschuldverhältnis zu begreifende Auskunftspflicht hat der Beklagte auch schuldhaft verletzt. Er muss sich ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (§ 278 S. 1 BGB). Das Missverhältnis zwischen laufend gezahltem Unterhalt und eigenem Einkommen des Beklagten war so groß, dass sich die Pflicht, dieses Einkommen zu offenbaren, ... aufdrängen musste, ...

3. Die Pflichtverletzung führte dazu, dass dem Kläger mit der Überzahlung ein Schaden entstanden ist, den er nunmehr von dem Beklagten in Höhe der Überzahlung erstattet verlangen kann. Dass die Verletzung der als Hauptpflicht begriffenen Auskunftspflicht durch Verzögerung derselben oder durch unrichtige Auskunftserteilung zum Schadensersatz, insbesondere des Verzögerungsschadens verpflichten kann, ist anerkannt; bis in § 323 Abs. 3 ZPO durch das Kindesunterhaltsgesetz im Jahre 1998 ein Satz 2 eingefügt wurde, hat man die Nachteile verzögert erhobener Abänderungsklagen durch einen Schadensersatzanspruch ausgeglichen, wenn der Auskunftsschuldner mit der geforderten Auskunft in Verzug kam, oder sie schuldhaft unrichtig erteilte und der Gläubiger des Auskunftsanspruchs aus diesem Grund nicht oder verspätet Abänderungsklage erhob (vgl. bereits BGH, Urteil vom 30. November 1993 - IV b ZR 31/82 - FamRZ 1984, 163, 164; Göppinger/Strohal, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rn. 706). Begreift man die Pflicht zur ungefragten Offenbarung veränderter Einkommensverhältnisse als Nebenpflicht des Unterhaltsrechtsschuldverhältnisses, folgt aus deren Verletzung zwangsläufig ein Schadensersatzanspruch aus Positiver Forderungsverletzung, jetzt § 280 BGB (so wohl auch Strohal a.a.O. unter Hinweis auf § 280 BGB n.F. bzw. auf Positive Vertragsverletzung). Soweit dagegen die Ursächlichkeit eines eingetretenen Schadens zur Pflichtverletzung in Frage gestellt wird (vgl. etwa OLG Köln, FamRZ 1996, 50; Strohal a.a.O.), wird übersehen, dass allenfalls ein Mitverschulden angenommen werden kann, wenn der Unterhaltsschuldner eine Abänderungsstufenklage versäumt hat. Von Mitverschulden kann aber auch nur dann gesprochen werden, wenn der Unterhaltsschuldner Anlass zu einer solchen Klage hatte. Diesen hätte der Schadensersatzschuldner vorzutragen und zu beweisen. Er ist indessen nicht vorgetragen, noch ersichtlich.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt gem. § 127 Abs. 2 ZPO. Die für die unbegründete Beschwerde gemäß Nr. 1956 Kostenverzeichnis zum GKG anfallende Gebühr von 25 € verhängt der Kostenbeamte von Amts wegen.

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