Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 16 WF 221/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 733
ZPO § 788
1. Hat sich eine Zwangsvollstreckungssache in der Hauptsache erledigt, kann der Schuldner den Erlass einer Kostengrundentscheidung betreiben; wird diese abgelehnt, steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu, an der er nicht durch § 99 Abs. 1 ZPO gehindert ist.

2. Die Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung des Titels fallen unter § 788 ZPO und sind grundsätzlich vom Schuldner zu tragen, wenn nicht die Erforderlichkeit der Erteilung vom Gläubiger zu vertreten ist.

3. Das Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO duldet keine Einwendungen, die sich gegen den vollstreckbaren Anspruch selbst richten.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

16 WF 221/03

Karlsruhe, 01. März 2004

wegen Kindesunterhalt

hier: Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung

Beschluss

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom 10. September 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis 600 €

Gründe:

Der Gläubiger war Gläubiger des am 19. Juni 2002 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe geschlossenen Vergleichs 16 UF 102/01, in dem sich die Schuldnerin unter anderem verpflichtet hatte, einen Unterhaltsrückstand von November 2000 bis Mai 2002 in Höhe von 4.562,44 € zu zahlen. Hierauf sollten die seit Oktober 2001 erfolgten Pfändungen, wohl aufgrund des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Mosbach vom 30. April 2001 - 2 F 517/00 -, angerechnet werden. Dem Gläubiger wurde am 04. Juli 2002 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Diese ließ er mit Schreiben vom 22. Juli 2002 an Rechtsanwalt P., S., von Anwalt zu Anwalt zustellen. Rechtsanwalt P. nahm die Zustellung nicht an, gab aber auch die vollstreckbare Ausfertigung erst mit Schreiben vom 22. November 2002 zurück. In der Zwischenzeit hatte der Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung beantragt, diesen Antrag jedoch mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2002 für erledigt erklärt. Der Rechtspfleger beschloss am 25. März 2003:

"Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Antrag vom 12.09.2002 auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung als erledigt betrachtet wird.

Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens gilt § 788 Abs. 1 S. 2 ZPO ...

Eine Anwendung von § 788 Abs. 4 ZPO kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die Aufzählung dort abschließend ist.

Ob entstandene Kosten auch notwendig waren, braucht - jedenfalls in diesem Verfahren - nicht entschieden zu werden.

Auf Erinnerung der Schuldnerin (als Beschwerde bezeichnet) beschloss der Familienrichter mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. September 2003 die als Erinnerung analog § 732 ZPO aufzufassende Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 25.03.2003 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

In den Gründen ist ausgeführt, dass vom Gläubiger zu tragende Zwangsvollstreckungskosten, die durch nicht notwendige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verursacht seien, nicht nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO beigetrieben werden könnten. Sie müssten im Festsetzungsverfahren gem. § 788 Abs. 2 ZPO oder in einem gesonderten Rechtsstreit geltend gemacht werden.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Zulässigkeit:

Hat sich eine Zwangsvollstreckungssache, hier der Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung, vor der Entscheidung erledigt, kann der Schuldner, der den Standpunkt vertreten will, der Gläubiger habe die Kosten dieser Zwangsvollstreckungssache zu tragen, beantragen, dass eine Kostengrundentscheidung nach § 91 ZPO ergeht. Anerkannt ist, dass eine Kostenentscheidung erforderlich ist, wenn ein einen Vollstreckungsantrag zurückweisender Beschluss ergeht. Ohne eine solche Kostenentscheidung bliebe der erfolgreiche Schuldner mit den eigenen Kosten belastet, weil er sich im Kostenfestsetzungsverfahren oder bei der Beitreibung der Zwangsvollstreckungskosten nur dagegen wenden konnte, dass etwaige Gläubigerkosten nicht notwendig gewesen seien. Hinsichtlich seiner eigenen durch die nicht notwendigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verursachten Kosten hätte er ohne Kostengrundentscheidung keine Handhabe zur Erstattung. Dasselbe gilt dann, wenn sich eine Zwangsvollstreckungssache in der Hauptsache erledigt, weil auch in diesem Fall der Schuldner einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gläubiger haben kann (vgl. zu allem OLG Koblenz, JurBüro 1982, 1897, teilweise wörtliches Zitat, m.w.N.). Das Amtsgericht hat eine Kostenentscheidung ausdrücklich abgelehnt. Die Schuldnerin muss deshalb die Möglichkeit haben, eine solche im Beschwerdeverfahren zu erstreiten und ist daran nicht durch § 99 Abs. 1 ZPO gehindert (vgl. Kammergericht, Rpfleger 1981, 318 m.w.N.).

2. Die Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung hat jedenfalls nicht der Gläubiger zu tragen. Es kann deshalb bei dem angefochtenen Beschluss, der eine Kostenentscheidung ablehnt, sein Bewenden haben.

Die Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung des Titels fallen unter § 788 ZPO. Danach hat sie grundsätzlich der Schuldner zu tragen, wenn nicht die Erforderlichkeit der Erteilung vom Gläubiger zu vertreten ist (OLG Zweibrücken, JurBüro 1999, 160; ähnlich OLG München, JurBüro 1992, 431).

a) Der Gläubiger hatte dem Bevollmächtigten der Schuldnerin die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Zustellung von Anwalt zu Anwalt übersenden lassen. Rechtsanwalt P. gab die ihm zum Zwecke der Zustellung übersandte vollstreckbare Ausfertigung nicht zurück, weil

aa) er nicht sich, sondern den Rechtsanwalt L., K., als Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin bezeichnete;

bb) der bislang von seinem Vater gesetzlich vertretene Gläubiger volljährig geworden sei und der noch für den Gläubiger auftretende Anwalt H., M., keine Vollmacht des Gläubigers selbst vorgelegt habe;

cc) die nach dem Vergleich vom 19. Juni 2002 anzurechnenden Pfändungen im Zeitraum Oktober 2001 bis August 2002 bereits den Betrag von 4.538,75 € erreicht hätten, so dass lediglich noch eine Restforderung von 23,69 € ausstehe.

b) Sämtliche Einwendungen hätten die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nicht hindern können.

aa) Bezeichnet sich ein Rechtsanwalt, aus welchen Gründen auch immer, als nicht bereit, ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung entgegenzunehmen, kann von ihm erwartet werden, dass er dieses zurückgibt. Tut er dies nicht, bleibt dem Gegner keine andere Wahl, als eine weitere vollstreckbare Ausfertigung zu beantragen. Die bereits erteilte erste Ausfertigung war unstreitig in Händen des Rechtsanwaltes, der die Schuldnerin im Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung vertrat, Rechtsanwalt P. nämlich. Deswegen bestand auch nicht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme der Schuldnerin, so dass die weitere vollstreckbare Ausfertigung auch hätte erteilt werden können.

bb) Rechtsanwalt H. war vom Vater des Gläubigers als dem gesetzlichen Vertreter Vollmacht erteilt worden. Die Vollmacht erlosch nicht mit Volljährigkeit des Gläubigers. Sie konnte allenfalls von dem Gläubiger widerrufen werden. Ein Widerruf konnte der Schuldnerin gegenüber nur wirksam werden, wenn ihr das Erlöschen der Vollmacht angezeigt war. Dass der Gläubiger dies getan habe, behauptete sie nicht.

cc) Das Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO duldet keine Einwendungen, die sich gegen den vollstreckbaren Anspruch selbst richten. Hierfür ist nur das Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO vorgesehen. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass - insbesondere nach Aushändigung des Titels - ein Rechtsschutzinteresse des Gläubigers an einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung verneint werden könnte (so Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 733 Rn. 12; anders MK/Wolfsteiner, ZPO, 2. Aufl., § 733 Rn. 19) folgt dem der Senat nicht. Die Voraussetzungen, unter denen das Vollstreckungsorgan die Befriedigung des Gläubigers zur Kenntnis nehmen darf, sind in § 775 Nr. 4 und Nr. 5 ZPO geregelt und lagen ersichtlich nicht vor. Zwar sollten nach dem Vollstreckungstitel selbst aufgrund anderweitiger Zwangsvollstreckung beigetriebene Leistungen anzurechnen sein. Dies hätte den Rechtspfleger allenfalls befugt, die weitere vollstreckbare Ausfertigung auf den nach Begleichung der Zwangsvollstreckungskosten noch offenen Restbetrag, soweit er im Verfahren auf Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung unstreitig wurde, zu beschränken. Unstreitig wurde, dass der Drittschuldner 4.538,75 € an den Gläubiger abgeführt hatte. Streitig war die Verrechnung, da die Kosten, deretwegen sich der Gläubiger vorab für befriedigt erklären durfte, und die er mit 175,49 € bezifferte, streitig blieben.

3. Da nach allem nicht in Frage gekommen wäre, den Gläubiger mit den Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung zu belasten, ist die Schuldnerin nicht beschwert, wenn eine entsprechende Kostenentscheidung abgelehnt wurde. Ihre sofortige Beschwerde, mit der sie eine solche Kostenentscheidung weiterverfolgte, ist deshalb auf ihre Kosten (§ 97 ZPO) zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück