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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.05.2008
Aktenzeichen: 16 WF 65/08
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a
SGB XII § 82 Abs. 2
Die Kosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz, welche das im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzende Einkommen mindern, ermittelt der Senat in Anlehnung an 10.2.2 der Süddeutschen Leitlinien.
Oberlandesgericht Karlsruhe

16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

Beschluss

Geschäftsnummer: 16 WF 65/08

07. Mai 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Ehescheidung, hier: Prozesskostenhilfe

Tenor:

Das Verfahren wird dem Senat vorgelegt.

Beschluss

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Tauberbischofsheim vom 16.04.2008, soweit die Zahlung von Raten auf die Prozesskosten angeordnet wurde, aufgehoben und der Antragsgegnerin ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

(gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur der Antragsgegnerin mitzuteilen)

Das Amtsgericht -Familiengericht- Tauberbischofsheim hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom ... 2008 Prozesskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren bewilligt und monatliche Raten von 45 € festgesetzt. Dabei ist das Amtsgericht von einem Einkommen der Antragsgegnerin von ... € ausgegangen, hat deren Freibeträge mit 174 € und 382 € abgesetzt, weiter ihre Unterkunftskosten mit ... € und besondere Belastungen mit ... €.

Der Beschluss wurde dem Antragsgegnervertreter am ... 2008 zugestellt. Mit am ... 2008 beim Amtsgericht Tauberbischofsheim eingegangenem Schriftsatz hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Anordnung einer Ratenzahlung wehrt. Sie müsse ... € für Gas und Strom zahlen und habe für Versicherungsleistungen ... € monatlich zu zahlen. Weiter zahle sie an ihren Prozessbevollmächtigten für die Vertretung in einer anderen Rechtssache ... € monatlich. Darüber hinaus seien die Fahrtkosten zur Arbeit von 528 € monatlich nicht berücksichtigt.

Mit Beschluss vom ... 2008 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat vorgelegt. Weitere Kosten seien nicht abzugsfähig; die Fahrtkosten seien mit einem monatlichen Pauschalbetrag von 5,20 € pro einfachem Kilometer berücksichtigt.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und begründet. Die Antragsgegnerin hat nach Abzug der gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigenden Positionen kein einzusetzendes Einkommen mehr, welches zur Anordnung von Raten führen könnte.

1. Die Antragsgegnerin verfügt über ein Einkommen von ... € netto.

a) Abzusetzen ist der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO in Höhe von 174 €, weiter der Freibetrag für die Partei gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO mit 382 €.

b) Darüber hinaus sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO die Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen, zu berücksichtigen. Nach dem vorgelegten Mietvertrag zahlt die Antragsgegnerin eine Kaltmiete von ... € monatlich, weiter eine Vorauszahlung auf die Nebenkosten von ... € monatlich. Diesen Betrag hat das Amtsgericht abgesetzt. Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragsgegnerin den unterlassenen Abzug der Kosten für die Gasheizung mit ... € monatlich und für Strom mit ... € monatlich. Die Kosten für die Heizung sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO abzusetzen. Die Stromkosten sind demgegenüber nicht abzugsfähig (BGH FamRZ 2008, 781). Insgesamt sind damit ... € für Unterkunftskosten zu berücksichtigen.

c) Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO hat das Amtsgericht die belegte Verbindlichkeit der Antragsgegnerin bei der Sparkasse ... mit ... € abgesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden. Soweit darüber hinaus weitere 100 € als besondere Belastung in der angefochtenen Entscheidung abgesetzt sind, betrifft dies wohl nach den Ausführungen des Amtsgerichts in der Entscheidung über die Nichtabhilfe die Fahrtkosten. Die Antragsgegnerin fährt von ihrem Wohnsitz in ... mit dem PKW zu ihrem Arbeitsplatz in ... . Dies sind -wie sich aus dem Routenplaner (www. Reiseplanung. de) ergibt, einfach 21 km. Das Amtsgericht hat für jeden einfachen Kilometer 5,20 € abgesetzt. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben abzusetzen. Wie sich diese bestimmen definiert § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII nicht. Gemäß § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 82 SGB XII ist bei notwendiger Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ein Betrag von 5,20 € pro einfachem Kilometer anzusetzen. Ob dies auch entsprechend im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu handhaben ist, ist streitig (bejahend: OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 644; OLG Zweibrücken, 6. Zivilsenat, FamRZ 2006, 799; OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 2008, 36 mit der Einschränkung, dass dies gelte, solange die Fahrtkosten steuerlich geltend gemacht werden können; verneinend: OLG Karlsruhe, 5. Zivilsenat, B. v. 30.07.2007, 5 WF 79/07; FamRZ 2008, 69; OLG Zweibrücken, 6. Zivilsenat, FamRZ 2006, 437; OLG Koblenz MDR 2002, 965; Musielak, ZPO. 5. Auflage, Rdn. 15 zu § 115 ZPO; offengelassen: Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, Rdn. 25 zu § 115 ZPO). Nach der Ansicht des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe sind zur Berechnung der Höhe der Fahrtkosten die Bestimmungen in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien heranzuziehen. Zur Begründung führt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 30.07.2007 aus, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO verweise ausdrücklich nur auf § 82 Abs. 2 SGB XII, nicht dagegen auf die Verordnungsermächtigung in § 96 Abs. 1 SGB XII. Im Übrigen sei der geringere Ansatz der Fahrtkosten entsprechend der DVO auch sachlich nicht gerechtfertigt, nachdem die Festsetzung des Betrages der Höhe nach seit 1976 unverändert geblieben sei.

Der Senat schließt sich dem an. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO sind dem Grunde nach die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte abzusetzen, sofern diese notwendig sind. Eine Verweisung auf die Berechnung der Höhe nach liegt nicht vor (ebenso Philippi, a.a.O., Rdn. 25 zu § 115 ZPO). Diese kann geschätzt werden, wobei Grundlage der Schätzung neben der DVO auch die Berücksichtigung der Fahrtkosten entsprechend den unterhaltsrechtlichen Leitlinien sein kann. Ein Betrag von 5,20 € steht in keinem Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Fahrtkosten; dies gilt auch dann, wenn daneben die Kosten für die Kraftfahrzeugversicherung berücksichtigt werden. Vielmehr bieten die in den Leitlinien aufgeführten Beträge einen realistischen Ansatz zur Ermittlung der Kosten, die nach den Vorgaben des Gesetzgebers abzusetzen sind. Gemäß Ziffer 10.2.2 der Süddeutschen Leitlinien, Stand 01.01.2008, sind damit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer abzusetzen. Damit sind alle im Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrzeugs entstandenen Kosten abgegolten (ebenso: OLG Koblenz a.a.O.).

Die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs für den Weg zum Arbeitsplatz ist der Antragsgegnerin vorliegend zuzubilligen, nachdem sie gerichtsbekannt im ländlichen Raum lebt und öffentliche Verkehrsmittel nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Bei einer einfachen Fahrtstrecke von 21 km ergeben sich damit abzusetzende Fahrtkosten von 231 € ([220 x 0,30 x 42] : 12).

d) Ob darüber noch wie von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde geltend gemacht Versicherungsprämien und Ratenzahlungen an ihren Prozessbevollmächtigten abzusetzen sind, kann dahin gestellt bleiben, nachdem die Antragsgegnerin auch ohne Abzug gemäß der nachfolgenden Berechnung kein einzusetzendes Einkommen mehr hat:

 Einkommen ... €
./. 
Erwerbstätigenfreibetrag174 €
Einkommensfreibetrag... €
Darlehen... €
Fahrtkosten231 €
Rest... € [negativ]

2. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.



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