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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 11.01.2000
Aktenzeichen: 17 U 176/98
Rechtsgebiete: GOZ, BGB, ZPO
Vorschriften:
GOZ § 6 Abs. 2 | |
GOZ § 4 Abs. 3 Satz 1 | |
GOZ § 4 Abs. 3 | |
GOZ § 2 Abs. 2 Satz 3 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 814 | |
GOÄ § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 11.01.2000
In Sachen
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 07. Dezember 1999 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hundertmark Richter am Oberlandesgericht Hefermehl Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seidel
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. Juli 1998 - 5 O 154/96 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Beschwer des Beklagten beträgt DM 8.259,51.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Honorierung zahnärztlich-oralchirurgischer Leistungen, die der Beklagte in seiner Zahnarztpraxis für den Patienten Kurt G (= Versicherungsnehmer bei der klagenden Krankenversicherung) in der Zeit vom 16.05. bis 01.06.1994 erbracht hat. Die beiden vom Beklagten am 06.06.1994 erteilten Rechnungen über DM 10.319,19 (Honorar) und DM 15.038,40 (Materialkosten) wurden bezahlt.
Mit der durch Mahnbescheid vom 25.09.1995 eingeleiteten Klage hat die Klägerin aus abgetretenem Recht ihres Versicherungsnehmers die Rückerstattung zuviel bezahlter Behandlungskosten von zuletzt DM 8.635,13 nebst Zinsen aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangt. Der Beklagte hat eine Überzahlung bestritten und geltend gemacht, daß die von ihm in Rechnung gestellten Behandlungs- und Materialkosten gemäß der GOZ und GOÄ berechtigt seien.
Das Landgericht hat der Rückzahlungsklage wegen unrichtiger Abrechnung nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B in Höhe von (DM 1.280,11 Honorar + DM 6.979,40 Material =) DM 8.259,51 zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 02.09.1996 stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil vom 29.07.1998 Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin volle Klageabweisung begehrt, weil eine auf unrichtiger Abrechnung beruhende Überzahlung in Wirklichkeit nicht vorliege. Das Landgericht habe der Klage auf Rückzahlung daher zu Unrecht teilweise entsprochen und sich dabei auch über die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hinweggesetzt. Die noch streitigen Positionen seiner Honorarrechnung (zweimalige Gebühr GOÄ Nr. 2284 und zehnfacher Ansatz der GOZ Nr. 905) und in der Materialkostenrechnung (Abrechnung des verbrauchten Bohrmaterials nebst Lagerhaltungskostenaufschlag) seien in Übereinstimmung mit der zahnärztlichen Gebührenordnung berechnet worden.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und deren Anlagen in beiden Rechtszügen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat einen Rückforderungsanspruch der Klägerin wegen unrichtiger zahnärztlicher Abrechnung aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe bezahlter DM 8.259,51 (nebst Zinsen) zu Recht bejaht. Der Beklagte wendet vergeblich ein, daß er seine für den Versicherungsnehmer erbrachten zahnärztlichen - chirurgischen (implantologischen) Leistungen nach den Bestimmungen der Gebührenordnungen für Zahnärzte und Ärzte in Verbindung mit der Honorarvereinbarung vom 16.05.1994 rechtmäßig abgerechnet habe.
1. Honorarrechnung Nr. 4920/2850
Der Klägerin stehen Ansprüche auf Rückzahlung in Höhe von DM 188,91 und DM 1.091,20 zu.
a) Zweifacher Ansatz Gebühr GOÄ-Nr. 2284 gemäß § 6 Abs. 2 GOZ für die Zähne 22/23 (DM 188,91).
Die Gebühr GOÄ-Nr. 2284 ("Stabilisierende operative Maßnahme") kann gemäß § 6 Abs. 2 GOZ nur 1 x pro Operationsgebiet in Ansatz gebracht werden.
Wie der gerichtliche Sachverständige eindeutig festgestellt hat, handelt es sich bei dem betroffenen Zahnbereich 22/23 um ein und denselben Quadranten und somit (nur) um ein Operationsgebiet, wobei eine das Weichgewebe stabilisierende operative Maßnahme auf diesem engen Raum nicht getrennt durchführbar ist. Die Gebühr Nr. 2284 GOÄ kann daher für die Stabilisierung der Schleimhaut zur Verbesserung des Implantatlagers nur einmal in Rechnung gestellt werden.
Soweit der Beklagte nunmehr mit Rechnung vom 22.10.1998 anstelle der zuviel berechneten Gebühr-Nr. 2284 GOÄ = DM 188,91 - hilfsweise - für die Präparation der Kieferhöhlenschleimhaut die 2-fache Gebühr-Nr. 2386 GOÄ ("Schleimhauttransplantation") gemäß § 6 Abs. 2 GOZ mit DM 455,16 in Ansatz bringt, entspricht diese Berechnungsmöglichkeit zwar der vom Sachverständigen genannten Empfehlung des Bundesverbandes der niedergelassenen implantologisch tätigen Zahnärzte in Deutschland e.V. (BDIZ) vom März 1995. Diese spätere Empfehlung des BDIZ kann aber zur Bewertung der im Mai/Juni 1994 durchgeführten und abgerechneten Leistungen nicht rückwirkend herangezogen werden. Insoweit verbleibt es für die Abrechnung der vorgenommenen Schleimhaut-Stabilisierung bei der angesetzten Gebühr-Nr. 2284 GOÄ.
b) 10-mal abgerechnete Gebühr GOZ-Nr. 905 (DM 1.091,20)
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, durfte der Beklagte das Entfernen der angeschraubten (Titan-)Einbringpfosten und deren Ersetzen durch sog. Einheilschrauben nur im Rahmen der GOZ-Nr. 903 ("Einbringen eines enossalen Implantats") liquidieren, so daß die nach GOZ-Nr. 905 ("Auswechseln eines Sekundärteils bei einem zusammengesetzten Implantat") je Zahnimplantat zusätzlich in Rechnung gestellten Beträge von (10 x DM 109,12 =) DM 1.091,20 ohne Rechtsgrund bezahlt worden sind und deshalb von der Klägerin zurückgefordert werden können. Zwar sollen nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B bei zusammengesetzten Implantatsystemen - wie hier vom Typ FRIALIT - 2-Stufenschrauben - jedes Auswechseln von sekundären Implantatteilen - also auch während der Implantationssitzung selbst - den gesonderten Ansatz der Gebührennummer 905 rechtfertigen, weil nur so der Mehraufwand für das Auswechseln von Implantatteilen angemessen vergütet werde. Diese nur am Wortlaut der Leistungsbeschreibung in der Gebührenziffer 905 orientierte Auslegung berücksichtigt aber nicht hinreichend deren systematische Stellung innerhalb der berechnungsfähigen (implantologischen) Leistungen nach Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses. Da mit der Gebühr GOZ-Nr. 903 das Einbringen eines Zahnimplantats vergütet werden soll, sind mit dieser Gebühr alle in der Implantationsphase (Implantationssitzung) notwendigerweise anfallenden Leistungen erfaßt und abgegolten. Dementsprechend sind nach einer Empfehlung des BDIZ vom März 1995 Leistungen nach der Gebühren-Nr. 905 erst in der rekonstruktiven Phase pro Implantat berechnungsfähig. Auch die neuere Rechtsprechung zur Grundlage der in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorgesehenen Honorare steht auf dem Standpunkt, daß durch die besondere Gebühr nach GOZ-Nr. 905 nicht ein bloßer Teilakt des Einbringens eines Implantats zusätzlich vergütet werden soll (vgl. zuletzt Urteil des OLG Karlsruhe - 12 U 36/98 - vom 15.10.1998). Schließlich bestätigt das kieferfachärztliche Privatgutachten von Prof. Dr. Dr. S vom 13.09.1994, daß ein gesondertes Abrechnen der GOZ 905 in der Implantationsphase weder der allgemeinen Abrechnungspraxis noch dem (Standard-)Kommentar zur GOZ von Maurer entspricht, wonach eine zeitlich unterschiedliche Erbringung dieser Leistung im Hinblick auf die Implantation selbst erfolgen muß.
Im Anschluß an die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist unstreitig, daß es bei dem hier verwendeten Implantationstyp zwingend erforderlich ist, den sog. Einbringpfosten nach dem Einschrauben des Implantatkörpers in den Kieferknochen zu entfernen und durch eine gesonderte steril verpackte Einheilschraube zu ersetzen. Da diese aus Gründen der Hygiene notwendige Maßnahme somit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ordnungsgemäßen Einbringen des zusammengesetzten Implantats selbst erfolgt, ist sie nach dem geltenden Gebührenrecht schon durch die Gebühr 903 (mit-)abgegolten. In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist deshalb die Zusatzvergütung für das Ausdrehen der Einbringpfosten und das Eindrehen der Abdeckschrauben nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückzuzahlen.
2. Materialkosten-Rechnung Nr. 4920/2851
Das Landgericht hat auch den Rückzahlungsanspruch in Höhe von weiteren DM 6.979,40 zu Recht bejaht.
a) Materialkosten für Instrumente (10 x DM 260,66 = DM 2.606,60)
Die Materialkosten bezüglich der im Rahmen der Implantatbehandlung eingesetzten Bohrer (einschließlich Bohreraufsatz) und Fräsen sind nicht gesondert erstattungsfähig, da nach der abschließenden Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ die Kosten für die Anwendung solcher "Instrumente" zugleich mit den Gebühren für die im Gebührenverzeichnis genannten zahnärztlichen Leistungen abgegolten sind. Der Senat folgt auch insoweit den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts. Die Auslegung des § 4 Abs. 3 GOZ durch das Landgericht ist inzwischen durch die o.g. Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 15.10.1998 (S. 10/11) bestätigt worden, wonach auch die Voraussetzungen für einen Auslagenersatz in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GOÄ nicht gegeben sind.
b) Lagerhaltungskosten (10 x DM 437,29 = DM 4.372,80)
Der vom Beklagten in Rechnung gestellte Zuschlag von pauschal 41 % als zusätzliche Vergütung für "Lagerhaltung u.a." findet in der Gebührenordnung für Zahnärzte keine Grundlage. Der berechnete Aufwand zählt vielmehr nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu den allgemeinen "Praxiskosten", die nach § 4 Abs. 3 GOZ bereits mit den Zahnarztgebühren abgegolten sind (ebenso Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.10.1998 - S. 11).
Die vom Versicherungsnehmer am 16.05.1994 unterzeichnete vorformulierte Einverständniserklärung (K 12) steht einer Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entgegen. Denn diese "Honorarvereinbarung" ist in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landgerichts nach § 2 Abs. 2 Satz 3 GOZ insgesamt unwirksam, da sie zahlreiche "weitere Erklärungen" enthält, die zum Schutz des Patienten vor einer unüberlegten Verpflichtung zur Zahlung einer von den normalen Gebührensätzen abweichenden Honorarhöhe unzulässig sind (vgl. zuletzt BGH JZ 1999, 150 ff. mit Anmerkung von Kern/Schumann). Auch § 814 BGB schließt die Kondiktion nicht aus, weil der Versicherungsnehmer (Zedent) nicht wußte, daß er das zuviel gezahlte Honorar nach der Rechtslage nicht schuldete.
II.
Die Berufung war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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