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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: 17 Verg 8/07
Rechtsgebiete: VgV


Vorschriften:

VgV § 13 Satz 1
1. Als Normadressat des § 13 Satz 1 VgV kommt nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung nur ein Bieter in Betracht, der gegenüber der Vergabestelle ein Angebot abgegeben hat.

2. Ein bloßer Auftragsbewerber eines Teilnahmewettbewerbs kann aus dieser Vorschrift keine Rechte für sich herleiten. Ihm steht lediglich ein verhaltener Anspruch gemäß § 27a VOB/A bzw. § 27b VOL/A zu, dessen Verletzung jedoch nicht zu des Sanktion des § 13 S. 6 VgV führt.


Oberlandesgericht Karlsruhe 17. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 17 Verg 8/07

18. März 2008

In dem Verfahren

wegen Vergabenachprüfung

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 17.9.2007 - 1 VK 36/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sowie die notwendigen Auslagen der Beigeladenen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin, eine Kapitalgesellschaft privaten Rechts, die ein kommunales Verkehrsunternehmen in der Landeshauptstadt betreibt, schrieb am 12.1.2007 den beabsichtigten Auftrag für die Lieferung von ca. 346 elektronischen Fahrscheindruckern ihrer Omnibusse mit einem Netto-Auftragsvolumen von ca. 1 Mio. € im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb europaweit zur Vergabe aus. Als Teilnahmebedingungen für den beschränkten Wettbewerb waren u. a. Nachweise und Erklärungen zur Eignung der Bewerber durch Vorlage von Bilanzen, Geschäftsberichte, Umsatz und entsprechenden Referenzen von Auftraggebern aus den letzten drei Geschäftsjahren gefordert. Der Antragsteller stellte fristgerecht am 7.2.2007 einen Teilnahmeantrag bei der Antragsgegnerin, in dem er darauf aufmerksam machte, dass er erst seit Oktober 2006 sein kaufmännisches Einzelunternehmen aufgenommen habe und daher die geforderten Unterlagen nicht vorlegen könne. Stattdessen verwies er auf die Umsatzzahlen der insolventen A. AG, deren Vorstand er war und ist, und legte eine Erklärung der Firma T. GmbH vom 6.2.2007 vor, die zwar nicht als Nachunternehmerin auftreten, ihm aber gleichwohl "finanzielle und logistische Begleitung sowie personelle Unterstützung" bei der Abwicklung des begehrten Auftrages leisten werde.

Nachdem eine Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeblieben war, forderte der Antragsteller mit Schreiben vom 2.6.2007 die Ausschreibungsunterlagen bei der Antragsgegnerin an. Mit weiterem Schreiben vom 16.7.2007 beanstandete er seine Nichtzulassung zum Verhandlungsverfahren gem. Nachricht der Antragsgegnerin vom 14.7.2007 und rügte die Verletzung der Informationspflicht durch die Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 17.7.2007 an den Antragsteller machte die Antragsgegnerin die Unvollständigkeit des Teilnahmeantrags geltend. Die Antragsgegnerin informierte den Antragsteller jedoch über die beabsichtigte Auftragsvergabe an die Beigeladene weder in diesem Schreiben noch in der nachfolgenden Korrespondenz (Schreiben vom 27.7.2007). Sie erteilte der Beigeladenen unter dem 31.7.2007 den Auftrag.

Mit Schreiben vom 11.8.2007 hat der Antragsteller die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer mit dem Ziel beantragt, das Vergabeverfahren zu unterbrechen, auf den Stand vor dem 9.2.2007 zurückzusetzen und ihn zum Verhandlungsverfahren zuzulassen sowie festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorliege, die Zuschlagserteilung unwirksam sei und die Teilnahmeanträge der Beigeladenen und der übrigen zugelassenen Teilnehmer unvollständig seien.

Mit dem angefochtenen Beschluss, per Fax an den Beschwerdeführer am 18.9.2007 übermittelt, hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Zwar fehle es nicht an der Zulässigkeit des Antrag, weil der erteilte Zuschlag wegen Verletzung der Pflicht zur Vorabinformationen gem. § 13 VgV unwirksam sei. Jedoch erweise sich die Entscheidung der Vergabestelle, den Antragsteller nicht als Bieter auszuwählen, nicht als objektiv vergaberechtswidrig.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der am 2.10.2007 beim Oberlandesgericht eingereichten sofortigen Beschwerde. Den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung und auf vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung hat der Senat mit Beschluss vom 15.10.2007 zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie macht Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags geltend. Der Antragsteller sei zu Recht wegen Nichterfüllung der Teilnahmebedingungen ausgeschlossen worden. Der erteilte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen sei außerdem rechtswirksam erfolgt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Vergabekammer ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Es fehlt an einem zulässigen Antrag auf Nachprüfung des Vergabeentscheidung. Mit rechtswirksamer Erteilung des Zuschlags ist das Vergabeverfahren beendet.

1. Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers ist unzulässig, weil er erst nach dem wirksamen Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen bei der Vergabekammer und damit nach Beendigung des Vergabeverfahrens eingereicht worden ist, § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB. Zu Unrecht hat die Vergabekammer den beanstandeten Zuschlag der Antragsgegnerin gem. § 13 S. 6 VgV als nichtig angesehen. Die Antragsgegnerin war nach § 13 S. 1 VgV nicht verpflichtet, den Antragsteller vor Erteilung des Zuschlags zu informieren. Daher greifen weder das gesetzliche Zuschlagsverbot noch die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 und 6 VgV ein.

a) Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung des § 13 S. 1 VgV konnte der Antragsteller im Streitfall eine Benachrichtigung der Vergabestelle nicht beanspruchen. Nach dieser Bestimmung hat der Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung des Angebots zu informieren. Als Normadressat kommt auf der Seite der Berechtigten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur derjenige in Betracht, der auch ein "Angebot" gegenüber dem Auftraggeber abgegeben hat. Die Vorschrift gilt daher jedenfalls nicht unmittelbar für bloße Auftragsbewerber, die - wie der Antragsteller - an einem Teilnahmewettbewerb teilgenommen haben und nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Solche Bewerber müssen vor Zuschlagserteilung nicht nach § 13 VgV benachrichtigt werden (Dippel, in: jurisPK-VergR, § 13 VgV Rdnr. 8; vgl. ebenso Lausen, jurisPK-VergR, § 27 a VOB/A Rdnr. 5; Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 13 VgV Rdnr. 19). Insoweit besteht lediglich eine Informationspflicht im Rahmen eines verhaltenen Anspruchs des Bewerbers nach § 27 a VOB/A bzw. § 27 b VOL/A , deren Verletzung jedoch nicht zu der Sanktion des § 13 S. 6 VgV führt.

Der Sinn der Vorabinformation nach § 13 VgV besteht darin, die außenstehenden Dritten, die neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen als Bieter aufgetreten sind, davor zu schützen, dass der Auftraggeber ihnen mit einer überraschenden Vergabeentscheidung zuvor kommt und durch die damit bewirkte Verfahrensbeendigung eventuell beabsichtigte Beanstandungen abschneidet. Die Verpflichtung des Auftraggebers, die erfolglosen Bieter vor der endgültigen Auftragsvergabe nach Maßgabe des § 13 VgV zu informieren, und das an den Auftraggeber gerichtete Zuschlagsverbot, den beabsichtigten Vertrag innerhalb der Schutzfrist von 14 Tagen abzuschließen, dienen einem effizienten Rechtsschutz, indem sie den Bietern Gelegenheit verschaffen, bis zum Fristablauf Vergaberechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Einen solchen Rechtsschutz kann nicht schon der bloße Bewerber beanspruchen, der ein konkretes Interesse an der Teilnahme am Verhandlungsverfahren bekundet (Senat, OLGR 2007, 202 = VergabeR 2007, 365 juris Tz. 83) oder der im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs Bieterstellung nicht erlangt hat. Eine erweiternde Auslegung des Normbereiches findet im Wortlaut des § 13 S. 1 VgV ihre Grenze. Die bloße Behauptung eines Vergaberechtsverstoßes durch Nichtbeteiligung im Vergabeverfahren macht den Bewerber nicht zum Adressaten der Informationspflicht. Für eine extensive Interpretation des Tatbestandsmerkmals "Bieter" besteht kein Grund, da die nicht berücksichtigten Bewerber eines Verhandlungsverfahrens nach öffentlicher Vergabebekanntmachung nicht rechtlos sind, sondern sich mit einem schriftlichen Antrag an die Vergabestelle wenden und die Verletzung der allgemeinen Informationspflicht vor Zuschlagserteilung rügen sowie schließlich wegen ihrer Nichtberücksichtigung ein Nachprüfungsverfahren anstreben können (Dippel, a. a. O. Rdnr. 8). Das berücksichtigt die Gegenansicht nicht (OLG Dresden, VergabeR 2002, 142, 145; Weyand, Vergaberecht, 2. Aufl. 2007, § 13 VgV Rdnr. 3354; Kühnen, in: Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 13 VgV Rdnr. 1567). Die von dieser Rechtsauffassung vorgenommene Ausweitung der Vorabinformationspflicht des Auftraggebers ist auch schon deshalb bedenklich, weil sie die absolute Nichtigkeitsfolge gem. § 13 S. 6 VgV nach sich zieht und damit eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Bestandes des abgeschlossenen Beschaffungsvertrages zur Folge hat.

b) Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 162, 116 unter C I 4). Die vom Bundesgerichtshof für den Fall einer Vergabe außerhalb eines förmlichen Verfahrens (sog. de facto-Vergaben) in analoger Anwendung des § 13 S. 1 VgV bejahte Vorabinformationspflicht der Vergabestelle setzt nämlich stets einen Beschaffungsvorgang voraus, bei dem mehrere Unternehmen als Bieter mit eigenen Angeboten auftreten, die schließlich zu einer Auswahl durch den öffentlichen Auftraggeber führen. Auch in den Entscheidungen OLG Dresden (VergabeR 2002, 142) und OLG Düsseldorf (VergabeR 2003, 435) lagen jeweils Angebote der nicht berücksichtigten Interessenten vor, die damit möglicherweise den Status als "Bieter" erreicht hatten. Die vom Beschwerdeführer im Senatstermin für seine Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen OLG Naumburg (VergabeR 2007, 255) und OLG Schleswig (VergabeR 2006, 258) sind nicht einschlägig. Der Beschluss des OLG Schleswig betrifft die Vorabinformation über die Auftragsvergabe an einen anderen Bieter nach Abbruch von Vertragsverhandlungen. Das OLG Naumburg stellt zwar den Rechtssatz auf, dass eine Informationspflicht nach § 13 VgV auch im Verhandlungsverfahren gegenüber einem Bewerber bestehe, die Entscheidung beruht jedoch nicht darauf. In letzter Hinsicht soll danach das Bestehen einer solchen Pflichtenlage nämlich davon abhängen, ob sich die Entschließung der Vergabestelle, diesen Bewerber nicht als Bieter auszuwählen, als objektiv vergaberechtswidrig erweise. Das ist jedoch eine Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung in dem gewählten Verhandlungsverfahren. Diese Frage hat die Vergabekammer jedenfalls zutreffend verneint. Dabei kann letztlich offen bleiben, inwieweit die von der Antragsgegnerin erhobene Forderung, qualifizierte Unterlagen zum Nachweis der Eignung der Bewerber einzureichen, vergaberechtskonform war. Es liegt auf der Hand, dass die geforderten Nachweise insbesondere für solche Bewerber einen erschwerten Zugang zum Verfügungsverfahren bedeuteten, die noch nicht drei Jahre lang auf dem Markt tätig waren. Inwieweit diese Zugangserschwerung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig war, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil die Auswahl der geforderten Eignungsnachweise und Erklärungen von dem Antragsteller jedenfalls nicht innerhalb des ersten Verfahrensabschnitts gerügt worden sind, sodass er nunmehr mit entsprechenden Rügen jedenfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert ist. Daher ist die Vergabekammer auch zutreffend von dem ausgeschriebenen Anforderungsprofil ausgegangen.

c) In dem hier streitigen Beschaffungsvorgang fehlt es nach alledem an einem subjektiven Recht des Antragstellers auf ordnungsgemäße Vorabinformation gem. § 13 VgV. Der Antragsteller kann sich daher nicht auf die Verletzung eines subjektiven Rechts i. S. des § 97 Abs. 7 GWB berufen. Auf Grund wirksamer Auftragserteilung an die Beigeladene kann er im Nachprüfungsverfahren auch nicht mehr überprüfen lassen, ob seine Nichtauswahl als Bieter vergaberechtswidrig war.

2. Soweit der Antragsteller im Beschwerderechtszug erstmals rügt, die Antragsgegnerin hätte als Auftraggeberin gem. § 98 Nr. 2 GWB in Verb. mit § 7 VgV die Leistung nach den Bestimmungen des dritten Abschnitts der VOL/A ausschreiben müssen, wird er damit nicht mehr gehört, § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB.

Im Übrigen hält der angefochtene Beschluss der Vergabekammer jedenfalls aus den dort B. angeführten Gründen einer rechtlichen Nachprüfung stand. Der Antragsteller hat, wie er selbst nicht verkennt, die verlangten Unterlagen in Bezug auf sein Unternehmen nicht vorgelegt, sondern sich insoweit mit einem Surrogat begnügt. Ob die geforderten Nachweise und Referenzen vergaberechtlich bedenklich wären, spielt für die Entscheidung keine Rolle, weil der Antragsteller gegen den damit erschwerten Zugang zum Verhandlungsverfahren eine Rüge im Teilnahmewettbewerb nicht erhoben hat. Mit einer entsprechenden Rüge wäre er nach § 107 Abs. 3 Satz 1 präkludiert.

3. Dem erneuerten Antrag des Beschwerdeführers auf Einsicht in die Akten der Vergabestelle kann aus den vorgenannten Gründen nicht entsprochen werden.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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