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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 17 W 21/05
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 9
GKG § 12
1. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Darlehensvertrag unwirksam ist, bestimmt sich nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluta.

2. Die aufgrund des Darlehensvertrags geschuldeten Zinsen erhöhen den Streitwert nicht; § 9 ZPO gilt nur für die Bewertung eines Stammrechts.

3. Ansprüche auf Rückgabe von Sicherheiten erhöhen den Streitwert nicht.

4. Bei Gegenansprüchen, die auf die Auszahlung der Darlehensvaluta gestützt werden, handelt es sich um mit dem Darlehensanspruch wirtschaftlich identische Ansprüche.


Oberlandesgericht Karlsruhe 17. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 17 W 21/05

11. April 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Rückabwicklung Darlehensvertrag

Tenor:

1) Der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 2. März 2005 - 9 O 556/03 wird dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für die erste Instanz auf 17.319,85 € festgesetzt wird.

2) Die Beschwerde der Rechtsanwälte Dr. D. gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 2. März 2005 - 9 O 556/03 - wird zurückgewiesen.

3) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet; der Streitwert für die erste Instanz war von Amts wegen auf 17.319,85 € festzusetzen.

Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem Wert des Zahlungsantrags (Klageantrag Ziff. 1; hier 7.094,01 €) und dem Wert des Feststellungsantrags (Klageantrag Ziff. 2; hier 10.225,84 €). Die übrigen Anträge und Gegenansprüche erhöhen den Streitwert nicht. Es gilt das GKG a. F., weil die Klage vor dem 1. Juli 2004 bei Gericht einging (§ 72 Nr. 1 GKG n. F.).

1) Der Zahlungsantrag ist entsprechend der Bezifferung zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO). Der Feststellungsantrag ist nach dem vollen Wert der noch offenen Darlehensvaluta zu bemessen, weil es sich um eine negative Feststellungsklage handelt. Hier haben die Kläger bislang nichts getilgt, so dass der volle Betrag der Darlehensvaluta in Höhe von 10.225,84 € einzusetzen ist. Die nach dem Darlehensvertrag zu zahlenden Zinsen erhöhen den Streitwert der negativen Feststellungsklage nicht. Sie werden bei einer negativen Feststellungsklage, die das Stammrecht betrifft, nur als Nebenforderungen geltend gemacht, die gemäß §§ 12 Abs. 1, 22 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO bei der Wertberechnung außer Betracht bleiben (vgl. auch BGH, NJW 1960, 2336 zum Fall der Schuldbefreiung). Die Rechtsschutzform, in der die Nebenforderung erhoben wird, ist unerheblich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Leistungs- oder eine Feststellungsklage handelt (Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl., § 4 Rn. 31). Dies entspricht auch dem Gesetzeszweck des § 4 Abs. 1 ZPO, der eine praktische, einfache und klare Wertermittlung ohne umständliche und zeitraubende Untersuchungen ermöglichen will. Dies wäre - wenn nicht lediglich auf die Darlehensvaluta abgestellt würde - gefährdet, weil die Zinsberechnung insbesondere bei einem Tilgungsdarlehen nicht ganz einfache Rechenoperationen erfordert.

§ 9 ZPO ändert daran nichts. Die Vorschrift regelt den Wert einer Klage, bei der das Recht auf die wiederkehrenden Leistungen selbst, also das Stammrecht im Streit ist (allg. Meinung, vgl. nur Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 9 Rn. 1; Stein/Jonas/Roth, a. a. O. § 9 Rn. 11). Es geht also bei § 9 ZPO darum, einen Streitwert für das Stammrecht selbst festzulegen, nicht etwa die aus dem Stammrecht fließenden Nebenleistungen zu bewerten. Damit handelt es sich in der Sache um eine den § 3 ZPO konkretisierende Vorschrift, die die Fälle erfassen soll, in denen das Stammrecht selbst keinen eigenen, bezifferbaren Wert hat (so auch OLG Köln, OLGR Köln 1999, 404; MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger 2. Aufl. § 9 Rn. 6). Die Vorschrift bezieht sich mithin auf Fallgestaltungen, bei denen ein Stammrecht sich darin erschöpft, Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen zu gewähren (insb. Leibrenten, Reallasten, Altenteil, Rentenansprüche, Überbau- und Notwegrenten, Dienst- oder Versorgungsbezüge, vgl. nur Zöller/Herget, ZPO § 9 Rn. 4) und regelt, wie ein solches Stammrecht wertmäßig zu bestimmen ist. Damit erlaubt § 9 ZPO nicht, den isoliert festgestellten Wert des Stammrechts und den nach den wiederkehrenden Leistungen bemessenen Wert des Stammrechts zu addieren.

2) Die übrigen Anträge und Gegenansprüche erhöhen den Streitwert nicht.

a) Die Rückabtretung der Lebensversicherung (hier Klageantrag Ziff. 3) erhöht den Streitwert nicht, weil die Lebensversicherung eine vom Bestand des Darlehensvertrages abhängige Sicherheit ist (Zöller/Herget, ZPO § 5 Rn. 8; vgl. auch § 3 Rn. 16 Stichwort "Bürgschaft"). Da die Darlehensforderung selbst Streitgegenstand ist, ist allein auf ihren Wert abzustellen (§ 6 ZPO; vgl. Zöller/Herget, ZPO § 6 Rn. 8, 10).

b) Die von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche beeinflussen den Streitwert nicht. Unabhängig von der Frage, inwieweit im vorliegenden Fall der Streitgegenstand von Darlehens- und Kondiktionsanspruch identisch ist und ob der von der Beklagten behauptete Anspruch aus § 128 HGB einen anderen Streitgegenstand hat, erhöht die Aufrechnung den Streitwert jedenfalls deshalb nicht, weil es sich um wirtschaftlich identische Ansprüche handelt. Werden unterschiedliche Ansprüche im Prozess geltend gemacht, können wirtschaftlich identische Forderungen bei der Streitwertbemessung nur einmal berücksichtigt werden (vgl. Schneider, Streitwertkommentar 11. Aufl., Rn. 2881f.). § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG ist Ausdruck dieses allgemeinen Gedankens und gilt insofern auch für die Hilfsaufrechnung nach § 19 Abs. 3 GKG.

Hier handelt es sich jedenfalls um wirtschaftlich identische Forderungen. Der Streit der Parteien geht auf den gleichen Lebensvorgang zurück. Es geht um die Frage, welche Ansprüche die Beklagte daraus herleiten kann, dass sie die Darlehensvaluta ausgezahlt hat. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kläger - gleich welche rechtlichen Überlegungen man zugrunde legt - die Darlehensvaluta höchstens einmal zu erbringen haben. Jede Zahlung wäre als Erfüllung einer - gleich auf welchen Rechtsgrund gestützten - Forderung wegen derselben Darlehensvaluta anzusehen. Es ist ausgeschlossen, dass die Beklagte - auch wenn man ihre Rechtsansicht zugrunde legt - die Darlehensvaluta mehr als einmal von den Klägern verlangen kann. Daher ist hinsichtlich der Ansprüche wegen der gleichen Darlehensvaluta jedenfalls davon auszugehen, dass sie sämtlich wirtschaftlich identisch sind.

3) Der Senat war nicht gehindert, den vom Landgericht festgesetzten Streitwert zu Ungunsten des Beschwerdeführers abzuändern. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F. kann die Streitwertfestsetzung vom Rechtsmittelgericht geändert werden, wenn - wie hier - die Entscheidung über den Streitwert in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Ein Verbot der reformatio in peius gibt es bei der Streitwertbeschwerde nicht (allg. Meinung, vgl. nur Hartmann, Kostengesetze 34. Aufl. § 68 Rn. 19). Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG n. F.

Ende der Entscheidung

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