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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 24.03.2003
Aktenzeichen: 19 AR 5/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 35
ZPO § 767
ZPO § 796 Abs. 3
Hat der Gläubiger eines Mahnbescheids die Wahl zwischen verschiedenen Gerichtsständen im Mahnbescheidsverfahren getroffen, so bindet diese Wahl den Schuldner für die Vollstreckungsgegenklage gegen den Vollstreckungsbescheid nicht.

Hat der Schuldner die Vollstreckungsgegenklage gegen einen Vollstreckungsbescheid in einem von mehreren Gerichtsständen erhoben, so ist er an diese Wahl gebunden und kann das Wahlrecht durch einen Verweisungsantrag nicht erneut ausüben.


Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Beschluss vom 24.03.2003

19 AR 5/03

wegen Forderung

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO

Tenor:

Zuständiges Gericht ist das Landgericht Konstanz.

Gründe:

I.

Der im Bezirk des Landgerichts Konstanz wohnhafte Kläger erhob beim Landgericht Konstanz eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen vom Beklagten erwirkten Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart. Im Mahnverfahren hatte der Beklagte das Landgericht Konstanz als das für das streitige Verfahren zuständige Gericht bezeichnet. In der Klageerwiderung rügte der Beklagte die Zuständigkeit des LG Konstanz und wies darauf hin, dass der Erfüllungsort sich im Bezirk des LG Hechingen befinde. Der Einzelrichter des LG Konstanz wies ohne Begründung den Kläger darauf hin, dass eine örtliche Zuständigkeit des LG Konstanz tatsächlich nicht ersichtlich sei, woraufhin der Kläger Verweisungsantrag an das LG Hechingen stellte. Das LG Konstanz erklärte sich durch nicht begründeten Beschluss für örtlich unzuständig und verwies die Sache an das LG Hechingen. Der Einzelrichter des LG Hechingen vertrat die Auffassung, das Wahlrecht des Klägers gemäß § 35 ZPO sei durch die Zuständigkeitswahl im Mahnverfahren erloschen. Daher sei der Gerichtsstand in Konstanz bindend. Die Verweisung sei daher objektiv willkürlich und nicht bindend. Eine angekündigte Gerichtsstandsvereinbarung für Hechingen wurde nicht vorgelegt. Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien verwies der Einzelrichter den Rechtsstreit an das LG Konstanz zurück, dessen Einzelrichter seinerseits die Sache wieder an das LG Hechingen zurückverwies, weil der Verweisungsbeschluss bindend gewesen sei. Das LG Hechingen legte die Sache nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Karlsruhe vor.

II.

1. Das OLG Karlsruhe ist nach § 36 Abs. 2 ZPO für die Bestimmung des zuständigen Gerichts zuständig.

2. Das LG Konstanz war als zuständiges Gericht zu bestimmen, da der Verweisungsbeschluss des Einzelrichters des LG Konstanz objektiv willkürlich erscheint und deshalb trotz § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht bindend ist.

a) Nach § 796 Abs. 3 ZPO war für die Vollstreckungsgegenklage das Gericht zuständig, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre. Für eine Entscheidung im Streitverfahren wäre entweder das LG Hechingen nach § 29 ZPO oder das LG Konstanz nach §§ 12, 13 ZPO zuständig gewesen. Die Entscheidung des Gläubigers für den Gerichtsstand der §§ 12, 13 ZPO im Mahnbescheidsantrag bedeutet nicht in jedem Fall, dass das Streitverfahren dort durchgeführt worden wäre. Nach § 696 Abs.1 Satz 1 ZPO wird der Rechtsstreit bei übereinstimmendem Antrag der Parteien auch an ein anderes Gericht abgegeben. Das Gericht, an das abgegeben wird, ist durch die Abgabe nicht gebunden (§ 696 Abs. 5 ZPO) und prüft seine Zuständigkeit von Amts wegen. Die mit der Gerichtsstandswahl verbundene Bindung trifft auch nur den Antragsteller im Mahnverfahren und dortigen späteren Kläger. Somit ergibt sich aus der Angabe im Mahnverfahren noch nicht das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständige Gericht mit Bindungswirkung für den Kläger der Vollstreckungsgegenklage.

b) Der Kläger hat jedoch sein Wahlrecht zwischen den beiden ausschließlichen (vgl. § 802 ZPO) Gerichtsständen für die Vollstreckungsgegenklage in der Klage ausgeübt, so dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erloschen ist und nicht erneut durch einen Verweisungsantrag ausgeübt werden konnte.

c) Der Verweisungsbeschluss des LG Konstanz kann aus rechtsstaatlichen Gründen nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn er auf Willkür beruht, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 1993, 1273). Der Einzelrichter beim LG Konstanz führt keinen Grund dafür an, warum das LG Konstanz für die Klage unzuständig gewesen sein sollte. Er beruft sich nur noch auf den übereinstimmenden Verweisungsantrag der Parteien. Der Kläger konnte jedoch - wie ausgeführt - keinen Verweisungsantrag mehr stellen. Der Verweisungsantrag des Klägers nach Hechingen beruht zudem auf dem unzutreffenden Hinweis des Richters auf die fehlende Zuständigkeit. Überdies führt nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Prorogation nach Rechtshängigkeit nicht mehr zur Unzuständigkeit eines einmal zuständigen Gerichts (vgl. z.B. BGH NJW 1963, 585 und MDR 1976, 378; Musielak-Smid, ZPO, 3. Aufl., § 38 Rdn. 8; Zöller ZPO, 23. Aufl., § 38 Rdn. 12). Somit war das LG Konstanz als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Ende der Entscheidung

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