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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.11.1999
Aktenzeichen: 19 U 107/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 | |
ZPO § 301 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
2. Zur Abwägung der Verursachungsbeiträge zwischen dem genannten Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht und der Sorgfaltspflichtverletzung desjenigen, der per Kopfsprung vom Beckenrand gegen die beleuchtete Mauer springt (hier. 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Geschädigten).
3. Ein Teilurteil, das dem Kläger auf den materiellen Schaden einen "erstrangigen" Teilbetrag von DM 100000 zuspricht, ist unzulässig, wenn keine Zuordnung zu bestimmten Schadenspositionen erfolgt.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil
19 U 107/98 1 O 499/95
Verkündet am: 4. November 1999
Wabnitz, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
wegen Schadensersatzes u.a.
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1999 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eith
Richter am Oberlandesgericht Bauer
Richter am Landgericht Walter
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23.04.1998 in Ziff. 2 aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird das Urteil wie folgt abgeändert:
1. Die Klage ist dem Grunde nach in Höhe von 1/3 begründet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von DM 100.000,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.11.1993 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden in Höhe von 1/3 zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 28.10.1992 im Thermalbad F., noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
II. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Das Urteil ist zu I. 2. vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 150.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch schriftliche, uneingeschränkte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.
IV. Die Beschwer der Parteien übersteigt DM 60.000,00.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt Schadensersatz bzw. Feststellung der Schadensersatzpflicht und Schmerzensgeld nach einem Schwimmbadunfall.
Die Beklagte betreibt das E.-K.-Bad, ein Mineral-Thermalbad, in F. Die Klägerin, die seinerzeit noch in München wohnte, besuchte dieses Bad am 28.10.1992 gegen 17.15 Uhr erstmals in Begleitung ihres jetzigen Ehemanns.
Nach 17.30 Uhr suchte sie ein im Mai 1992 eröffnetes Außenbecken auf, das mit 28 bis 30 Grad Wassertemperatur eher dem sportlichen Schwimmen dienen soll, während ein anderes kleineres Außenbecken mit höherer Wassertemperatur für therapeutische Zwecke vorgesehen ist. An dem größeren Becken befinden sich keine Startblöcke oder andere Sprungeinrichtungen. Sämtliche Becken des Bades haben eine Wassertiefe von maximal 1,35 m.
Im Becken befindet sich in dem Bereich rechts der Treppe ein Boden-Luft-Sprudler ("Whirl-Pool"), der mittels Luftdüsen betrieben wird, die in den Beckenboden eingelassen sind, am Unfalltag aber aus technischen Gründen nicht in Betrieb waren. Auf Höhe des Boden-Luft-Sprudlers war damals in Richtung Beckenmitte eine 2 bis 3 m lange, ca. 30 cm breite Mauer errichtet, die etwa bis zur Wasseroberfläche reichte und oben mit einem Handlauf versehen war. Sie diente dazu, den Effekt des Boden-Luft-Sprudlers zu erhöhen und Badegästen eine Stütze zu bieten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die Skizze (Anlage B 2) und die Lichtbilder (Anlagen B 7-9, B 13) verwiesen. Absperrungen oder Hinweisschilder unmittelbar in diesem Bereich waren nicht vorhanden.
Die Klägerin lief in Dauerlauf-Tempo auf das Außenbecken zu. Ob sie rechts vom Eingang des Beckens, der aus einer breiten Treppe mit vier Geländern besteht, mit einem Kopfsprung in das Becken sprang, ist umstritten. Sie ist Brillenträgerin (seinerzeit links minus 2,0, rechts minus 0,5 Dioptrien) und trug die Brille beim Baden nicht.
Die Klägerin wurde kurz darauf mit schweren Verletzungen zwischen der erwähnten Mauer und dem Beckenrand im Wasser treibend aufgefunden. Sie erlitt ein Schädel-Hirntrauma mit suduralem Hämatom rechts, eine Fraktur des 7. Halswirbelkörpers sowie des Dornfortsatzes des 6. Halswirbelkörpers mit inkompl. Tetraplegie und sensiblen Ausfällen sowie eine neurogene Blasen-Mastdarmstörung, posttraumatische Syringomyelie in Höhe HWK 7, Recurrensparese rechts.
Die Lufttemperatur betrug am 28.10.1992 um 17.45 Uhr an der Station F. des Deutschen Wetterdienstes 8,0 Grad Celsius. Es regnete von früh bis 17.20 Uhr und ab 19.10 Uhr (Auskunft des Deutschen Wetterdienstes; II, 151).
Die Klägerin wurde notfallmäßig am 28.10.1992 wegen des Suduralhämatoms in der Chirurgischen Universitätsklinik operiert und versorgt. Sie befand sich bis 14.11.1992 auf der Intensivtherapiestation mit maschineller Beatmung über 11 Tage, anschließend in der Chirurgischen und Neurologischen Universitätsklinik. Der Bereich zwischen dem 6. Halswirbelkörper und dem 1. Brustwirbelkörper wurde am 07.11.1992 operativ durch Einbringen eines Knochenspanes und einer Titanplatte stabilisiert. Auf den Bericht der Chirurgischen Universitätsklinik vom 09.02.1994 wird im übrigen verwiesen (I, 31-35).
Nach dieser stationären Behandlung befand sich die Klägerin von 04.12.1992 bis 03.08.1993 in der BG-Unfallklinik M. (Zwischenbericht vom 11.06.1993, I, 37-41; Abschlußbericht vom 03.08.1993, I, 43-51).
Die Klägerin ist am 22.03.1960 geboren und war zum Unfallzeitpunkt als Diplom-Informatikerin und Industrieberaterin beschäftigt. Sie ist seit 03.12.1994 verheiratet, kinderlos und Hausfrau. Sie ist seit dem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen, in der Haushaltsführung eingeschränkt und bedarf regelmäßiger krankengymnastischer Behandlung.
Die Mauer wurde nach dem Unfall von der Beklagten entfernt. An dem zweiten Außenbecken wurden zwei Schilder mit dem Hinweis "Beckentiefe 1,30 Meter, Springen vom Beckenrand verboten" angebracht.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren die "Sicherheitsregeln für Bäder", GUV 18.14, Ausgabe Oktober 1984, die von den zuständigen Unfallversicherungsträgern herausgegeben werden. Sie enthalten unter anderem:
"4.2.1.4: Einbauten oder Einrichtungen unter der Wasseroberfläche müssen so angeordnet und gekennzeichnet sein, daß Verletzungen weitgehend vermieden sind.
Solche Einbauten sind z.B.
- Stützkonstruktionen von Wasserrutschen
- Haltegriffe
- Sitzstufen
- vorgehängte Beckenleitern.
Für Sitzstufen, Liegemulden und ähnliche Einrichtungen ist dies z.B. erfüllt, wenn sie
- deutlich gekennzeichnet sind,
- keine scharfen Kanten aufweisen.
Siehe auch Abschnitt 4.2.4.8 ...
4.2.4.8: Beckenseiten, von denen aus ein Sprung ins Wasser eine erhöhte Gefahr darstellt, müssen abgesichert sein.
Eine erhöhte Gefahr kann z.B. gegeben sein, bei
- Sitzstufen im Wasser
- Wellenbecken, wenn an der erhöhten Stirnwand die Wassertiefe zu gering ist.
Die Absicherung kann z.B. durch Seilabsperrung oder Bepflanzung vorgenommen werden."
Die Klägerin hat vorgebracht,
sie habe gegen 17.45 Uhr den Innenbereich durch die Tür zum Außenbereich verlassen. Es sei außen bereits dunkel gewesen und habe leicht geregnet, die Sicht sei durch Dampfschwaden aus dem Becken beeinträchtigt gewesen. Sie sei nach dem Dauerlauf mit einem flachen Kopfsprung in das Sportbecken gesprungen und wahrscheinlich mit dem Kopf zuerst gegen die Mauer der Whirl-Pool-Anlage gestoßen (dazu Schadensmeldung der Beklagten vom 30.10.1992; I, 281-285). Dieses Hindernis im Wasser sei für sie nicht erkennbar gewesen. Im Außenbereich habe nur eine Lampe gebrannt.
Sie bleibe durch den Unfall auf Dauer an den Rollstuhl gefesselt und berufsunfähig.
Ihr Schaden durch Verdienstausfall ab Ende der Lohnfortzahlung bis 28.01.1993, für eine Haushaltshilfe und unfallbedingte Aufwendungen betrage bis 30.09.1995 DM 308.502,53 (Einzelheiten Klagschrift S. 9-12, I 17-23, und Schriftsatz vom 15.12.1995, S. 3-5, I, 131-135). Für 1995 ergebe sich ein Verdienstausfallschaden von DM 120.304,00, die Kosten einer Haushaltshilfe betrügen monatlich DM 1.500,00.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 308.502,53 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab 01. Oktober 1995 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von DM 10.025,33, jeweils im voraus zum 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober eines Jahres, bis zum 22. März 2025 (65. Lebensjahr der Klägerin) zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab 01. Oktober 1995 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von DM 1.500,00, jeweils im voraus zum 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober eines Jahres, bis zum 22. März 2025 (65. Lebensjahr der Klägerin) zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch DM 200.000,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 17. November 1993 zu zahlen,
5. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 28. Oktober 1992 im Mineral-Thermalbad F., noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder anderen Dritten übergegangen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst vorgebracht, daß die Klägerin auch ausgerutscht und mit dem Nacken und Kopf auf den Beckenrand aufgeschlagen sein könnte. Jedenfalls könne sie mit einem steilen Kopfsprung auf den Beckengrund und nicht die Mauer geprallt sein.
Nach der offensichtlichen Zweckbestimmung des Mineral-Thermalbades als Heilbad hätte der Klägerin klar sein müssen, daß man dort entsprechend der Badeordnung nicht vom Beckenrand in das Außenbecken springen könne und dürfe. Die Klägerin sei von dem anderen Außenbecken gekommen und habe auf diesem Weg (dazu Anlage B 2) das beleuchtete Hinweisschild an der Tür zum Außenbereich (Lichtbilder B 3 und B 4) nicht gesehen.
Der Unfall habe sich bereits gegen 17.30 Uhr ereignet (Gedächtnisprotokoll M. S. vom 02.11.1992, Anlage B 5; Gedächtnisprotokoll H. H. vom 02.11.1992, Anlage B 6). Angesichts der Außenbeleuchtung und der vollständig eingeschalteten Unterwasserbeleuchtung des Sportaußenbeckens habe die Sichtweite mehr als 20 m betragen. Die Klägerin hätte die Mauer gut erkennen können, zumal der Luft-Boden-Sprudler (unstreitig) außer Betrieb war und deshalb keine Dampfschwaden aufgestiegen seien. Weitere Absperrungen oder Hindernisse hätten den Unfall nicht verhindert.
Dem Klaganspruch stünde im übrigen das überwiegende Eigenverschulden der Klägerin entgegen.
Auf die Streitverkündung der Beklagten ist der Streithelfer, seinerzeit planender Architekt des Sportaußenbeckens, dem Rechtsstreits auf Seiten der Beklagten beigetreten. Er schließt sich im wesentlichen dem Vortrag der Beklagten an.
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin W., Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens und Einnahme eines Augenscheins der Kopfverletzung der Klägerin die Klage dem Grund nach in Höhe von 2/3 für begründet erklärt und die Beklagte zur Zahlung erstrangiger Teilbeträge von jeweils DM 100.000,00 auf die Klaganträge zu 2. u 3. verurteilt sowie die mit dem Klagantrag zu 5. begehrte Feststellung hinsichtlich materieller Schäden in Höhe von 2/3 unter Abweisung dieses Antrags im übrigen getroffen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Grund- und Teilurteils wird verwiesen.
Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten und des Streithelfers. Sie rügen die Beweiswürdigung des Landgerichts und vertiefen ihren Vortrag erster Instanz.
Sie behalten Einwendungen zur Schadenshöhe dem Betragsverfahren vor.
Die Beklagte und der Streithelfer beantragen jeweils,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, daß sich die Mauer der Whirl-Pool-Anlage sich im mittleren Bereich 2,70 m, im südlichen Bereich 1,50 m vom Beckenrand entfernt befunden hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W. und B. sowie Einnahme eines Augenscheins des Unfallortes, an dem die seinerzeit vorhandene Mauer rekonstruiert worden war. Weiter wurden der Lageplan (Anlage B 2) und die vorgelegten Lichtbilder (B 3-4, 7-9) in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 30.09.1999 (II, 125-137) und vom 28.10.1999 (II, 155-159) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Beklagte haftet der Klägerin wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz, jedoch bemißt der Senat das Mitverschulden der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit 2/3. Das Teilurteil des Landgerichts war insoweit unzulässig, als der Klägerin einen Teilbetrag von DM 100.000,00 auf den materiellen Schadensersatzanspruch zugesprochen wurde.
I.
Die Beklagte hat durch die Gestaltung des Außenbeckens, in dem der Unfall der Klägerin stattfand, ihre Verkehrssicherungspflicht aus dem Benutzungsvertrag mit der Klägerin und § 823 Abs. 1 BGB verletzt. Danach muß sie Badegäste vor den Gefahren schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1980, 1159, 1160; NJW 1978, 1629). Die Verkehrssicherungspflicht kann auch gegenüber Erwachsenen die Vorbeugung gegenüber unbefugtem und mißbräuchlichem Verhalten umfassen, nicht aber Vorkehrungen gegen jede denkbare, nur entfernt liegende Möglichkeit (BGH NJW 1978, 1629).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, daß die schweren Verletzungen der Klägerin bei dem Unfall am 28.10.1992 durch die fehlerhafte Gestaltung im Bereich neben der Eingangstreppe des größeren, im Mai 1992 eröffneten Außenbeckens (mit-) verursacht wurden. Die Klägerin stieß beim Sprung in das Schwimmbecken mit dem Kopf gegen die Mauer im Bereich des Boden-Luft-Sprudlers, deren Gestaltung gegen bestehende Sicherheitsregeln verstieß.
Entsprechend dem insoweit überzeugenden Ergebnis des Gutachtens des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P., das das Landgericht eingeholt hat, stellt die Beklagte nicht mehr in Zweifel, daß als Unfallursache nur in Betracht kommt, daß die Klägerin beim Kopfsprung in das Schwimmbecken auf ein Hindernis traf. Es kann dagegen ausgeschlossen werden, daß die Klägerin im Bereich des Beckenrandes zu Fall kam und sich dabei durch einen Aufprall auf den Hinterkopf verletzte. Hiergegen spricht insbesondere die Art der Verletzung durch Stauchung der Halswirbelsäule.
Die Errichtung der Mauer im Bereich des Boden-Luft-Sprudlers verstieß gegen die Pflicht der Beklagten zu möglichst sicherer Gestaltung des Schwimmbads, die ihren Ausdruck in den Sicherheitsregeln der Unfallversicherer gefunden hat. Nach dem Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins der rekonstruierten Mauer, gegen deren Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Zustand von den Parteien keine Einwendungen erhoben wurden, lagen die Mauer und der an ihr angebrachte Handlauf wenige Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche und wiesen entgegen Nr. 4.2.1.4 der Sicherheitsregeln keine Kennzeichnung oder Gestaltung auf, die geeignet gewesen wären, Verletzungen zu vermeiden. Entgegen Nr. 4.2.4.8 der Sicherheitsregeln war im Bereich dieser Mauer auch keine Absicherung am Beckenrand durch (Seil-) Absperrung oder eine bauliche Gestaltung wie eine Bepflanzung vorhanden. Im Bereich des Außenbeckens befand sich zudem seinerzeit nur ein Schild mit einem Hinweis auf die Wassertiefe, das bei der Annäherung an das Außenbecken auf dem Weg, den die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nahm, nicht im Blickfeld lag.
Insbesondere bei Vorhandensein einer Absperrung im Bereich der Mauer hätte sich der Unfall der Klägerin nicht ereignet. Das Gleiche gilt für eine Kennzeichnung der Mauer, die den besonderen Umständen, insbesondere den Sichtverhältnissen in einem Außenbecken beim Betrieb in kälterer Jahreszeit, gerecht geworden wäre. Allein in der Beleuchtung der Mauer durch einen der insgesamt elf Unterwasserscheinwerfer, deren Funktion der Zeuge B beschrieben und deren Betrieb er bestätigt hat, genügte hierfür nicht.
Dem steht auch nicht entgegen, daß nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Betreiber eines Freizeitbades nicht damit zu rechnen braucht, daß ein Benutzer beim erstmaligen Besuch mit einem Kopfsprung blindlings anläuft und vom Beckenrand in das Wasser springt, ohne sich zuvor mit den Gegebenheiten wenigstens ungefähr vertraut zu machen (BGH NJW 1980, 1159, 1160). Denn die Verkehrssicherungspflicht umfaßt auch gegenüber Erwachsenen die Vorbeugung gegenüber unbefugtem und mißbräuchlichem Verhalten (BGH NJW 1978, 1629), zu dem erfahrungsgemäß aber gehört, daß Benutzer, insbesondere Jugendliche trotz Verbotsschildern vom Beckenrand in das Wasser springen und sich und andere gefährden (vgl. BGH NJW 1980, 1159, 1160). Auch bei Anlegung dieser Maßstäbe gebot die besondere Gefährlichkeit der unter der Wasseroberfläche befindlichen Mauer die Einhaltung der angeführten Sicherheitsregeln.
Aufgrund dieser Feststellungen teilt der Senat im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, daß die Errichtung der Mauer gegen die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verstieß und dieser Verstoß unfallursächlich war.
II.
Das Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB) bemißt der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme doppelt so hoch wie das Verschulden der Beklagten durch die dargestellte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Dafür sind bei Abwägung aller Umstände vor allem folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
Das Verhalten der Klägerin, die unstreitig zum ersten Mal das Schwimmbad der Beklagten aufsuchte, stellte nicht nur einen Verstoß gegen allgemein übliche Verhaltensregeln in Schwimmbädern dar, denen zufolge das Springen in das Becken nur an besonders hier zugelassenen Stellen, etwa von Startblöcken aus, erlaubt ist. Es mußte sich der Klägerin weiter deshalb als gefährlich aufdrängen, weil es sich bei dem Schwimmbad nach seiner gesamten Ausgestaltung nicht um ein Sportbad handelt, wenngleich das größere Becken für "sportliches" Schwimmen eingerichtet worden war. In unmittelbarer Nähe des größeren Außenbeckens befindet sich ein nur für kurähnliche Benutzung, nicht zum Schwimmen geeignetes kleineres Außenbecken, das wie das Innenbecken mit etwa 1,35 m nicht die Tiefe eines normalen Schwimmbeckens hat.
Hinzu tritt, daß nach den glaubhaften Angaben der Zeugin W. am Unfalltag wegen niedrigerer Lufttemperaturen als beim Augenschein die Sichtverhältnisse durch Dampfschwaden über dem Außenbecken eingeschränkt waren, und die Klägerin bei ihrem Sprung in das Wasser deshalb schon die Gefährdung anderer Badegäste im Becken nicht sicher ausschließen konnte. Die Klägerin kannte die bauliche Gestaltung des Außenbeckens nicht, da sie es zum ersten Mal aufsuchte. Nach dem Ergebnis des Augenscheins mußte sie bei der Annäherung an das Außenbecken - anders als die Zeugin W., die das Becken über die Treppe betrat - die Mauer auch bei eingeschränkter Sicht erkennen, die der Zeugin W. immerhin erlaubte, die Klägerin beim Sprung in das Becken aus größerer Entfernung zu beobachten. Die Klägerin konnte weiter, wie der Augenschein zeigte, keinen zuverlässigen Eindruck über die Wassertiefe des Beckens gewinnen. Vielmehr wirkt die Mauer - bei der klaren Sicht am Tag des Ortstermins des Senats - so niedrig, daß ein Kopfsprung in das Wasser riskant erscheinen muß. Wenn man in Rechnung stellt, daß am Unfalltag die Sicht wesentlich schlechter war, ist dies nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten.
Das Verschulden der Beklagten liegt demgegenüber in einem Verstoß gegen Sicherheitsregeln, der mit geringem baulichem Mehraufwand vermeidbar war. Auf einen längere Zeit unfallfreien Betrieb kann sich die Beklagte nicht berufen, nachdem sich der streitgegenständliche Vorfall bereits ein halbes Jahr nach Eröffnung des zweiten Außenbeckens ereignete.
III.
1. Wegen der Änderung der Haftungsquote der Beklagten auf 1/3 ist das landgerichtliche Urteil zum Grund und hinsichtlich der Feststellung der materiellen Schadensersatzpflicht abzuändern.
2. Der Erlaß eines Teilurteil des Landgerichts war dagegen wegen Verstosses gegen § 301 Abs. 1 ZPO unzulässig, soweit der Klägerin ein erstrangiger Teilbetrag von DM 100.000,00 auf den mit dem Klagantrag Ziff. 1 geltend gemachten materiellen Schadensersatz zugesprochen wurde. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Hinsichtlich Ziff. 2 ist das Urteil daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§§ 539, 540 ZPO).
Eine Zuordnung des zugesprochenen Teilbetrages von DM 100.000,00 auf die geltend gemachten Positionen (Verdienstausfall 1993, 1994 und 1995 bis 30.09.1995, Kosten einer Haushaltshilfe bis 30.09.1995 und unfallbedingte Aufwendungen), die die Klägerin bis zum 30.09.1995 mit zusammen DM 308.502,53 beziffert hat, wird in dem Teilurteil nicht vorgenommen, obwohl eine ziffernmäßige Aufteilung der Klagforderung oder sonstige Individualisierung, etwa durch Bestimmung der Reihenfolge der Verrechnung, erforderlich wäre (vgl. BGH NJW 1992, 1769, 1770).
Darüber hinaus besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in diesem Punkt des Teilurteils. Denn die Schadenspositionen, so der Verdienstausfallschaden mit zusammen DM 252.943,19, werden von der Beklagten bis auf die mit DM 16.559,34 geltend gemachten unfallbedingten Aufwendungen bestritten, die Beklagte hat dieses Bestreiten für das Betragsverfahren ausdrücklich aufrechterhalten. Da die Berechtigung dieser Schadenspositionen im Betragsverfahren abschließend zu prüfen ist, kann - zudem angesichts der Haftungsquote - das Ergehen widersprüchlicher Entscheidungen nicht ausgeschlossen werden.
Eines gerichtlichen Hinweises (vgl. BGH NJW-RR 1997, 441) bedurfte es vorliegend nicht, da eine nachträgliche Erklärung der Klägerin über die Rangfolge der geltend gemachten Forderungen am Inhalt des landgerichtlichen Urteils nichts geändert hätte und eine eigene Sachentscheidung des Senats (§ 540 ZPO; dazu BGH NJW 1960, 339, 340) nicht sachgerecht erscheint, nachdem ein Teil des Rechtsstreits ohnehin noch beim Landgericht anhängig ist.
3. Keine Bedenken bestehen indessen gegen den Erlaß eines Teilurteils hinsichtlich des Schmerzensgeldes in Höhe von DM 100.000,00, da zugleich ein Grundurteil über die Klage insgesamt erging (vgl. BGH NJW 1992, 511).
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des mitwirkenden Verschuldens der Klägerin von 2/3 ein Schmerzensgeld von DM 100.000,00 für gerechtfertigt (§ 847 Abs. 1 BGB). Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der überwiegenden neueren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Höhe des Schmerzensgeldes bei Querschnittslähmungen (vgl. OLG Schleswig NZV 1996, 68: DM 210.000,00 bei einer Haftungsquote von 70%; OLG Frankfurt NVZ 1994, 363: DM 400.000,00; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 113: knapp DM 600.000,00 in einem besonders schweren Fall; niedriger OLG Hamm VersR 1995, 1062: DM 250.000,00 trotz schwerster Dauerfolgen).
Die zum Unfallzeitpunkt 32 Jahre alte Klägerin hat nach den von der Beklagten nicht bestrittenen Berichten der Chirurgischen Universitätsklinik F. und der Berufsgenossenschaftlichen Klinik M. unter anderem schwere Kopfverletzungen, nämlich ein akutes traumatisches Subduralhämatoms rechts und eine ausgedehnte Kopfplatzwunde, sowie einer Fraktur des 7. Halswirbelkörpers und des Dornfortsatzes des 6. Wirbelkörpers mit inkompletter Tetraplegie und disoziiertem, sensiblem Querschnitt unterhalb C 8 sowie eine neurogene Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung erlitten. Sie befand sich deswegen nach dem Unfall von 28.10.1992 bis 03.08.1993 in stationärer Behandlung, bis 14.11.1992 auf der Intensivstation, und wurde am 28.10.1992 notfallmäßig sowie am 07.11.1992 operiert. Die Klägerin ist bis heute im wesentlichen auf die Benutzung eines Rollstuhls mit Unterstützung ihres Mannes angewiesen, wie sich bei der mündlichen Verhandlung gezeigt hat. Auch wenn die Einzelheiten der Fortdauer ihrer Beeinträchtigung zwischen den Parteien im übrigen umstritten sind, steht fest, daß das Leben der Klägerin durch den Unfall am 28.10.1992 einschneidend verändert wurde und eine Lebensführung ohne Hilfe anderer bis heute nicht möglich ist.
IV.
Die Zinsentscheidung des Landgerichts haben die Beklagte und der Streithelfer nicht angegriffen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist dem Schlußurteil vorzubehalten. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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