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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 19 U 14/01
Rechtsgebiete: BGB, AMG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 21 Abs. 1 S. 1
AMG § 73 Abs. 1
Ein Kaufvertrag über die Lieferung von nicht zugelassenen, jedoch zulassungspflichtigen Arzneimitteln aus dem Ausland ins Inland ist nach § 134 BGB nichtig.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

wegen Kaufpreisforderung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2001 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des LG Freiburg - 1. Kammer für Handelssachen - vom 18.Dezember 2000 abgeändert.

Die Klage wird in Höhe von DM 44 000 nebst 10% Zinsen hieraus seit dem 15.November 1999 (Lieferung von 440 Flaschen Rowland Formule am 12.Oktober 1999) abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60 000 nicht.

Tatbestand:

Die Klägerin, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, vertreibt Präparate zur Prophylaxe und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Durchblutungsstörungen. Mit den Beklagten steht sie seit mehreren Jahren in Geschäftsbeziehung.

Streitgegenständlich sind Ansprüche wegen Lieferungen des Mittels "Rowland Formule" aus dem Jahre 1999, die die Klägerin mit Rechnungen vom 15.6.1999 über DM 79 600 und vom 15.10.1999 über DM 78 300 zusammengefasst hat.

Die Klägerin hat beantragt:

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 157.900,-- nebst 10 % Zinsen aus DM 79.600,-- seit dem 15.07.1999 und aus DM 78.300,-- seit dem 15.11.1999 zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, sie hätten die den beiden Rechnungen zugrundeliegenden Sendungen nicht erhalten. Außerdem haben sie eingewandt, das Mittel sei nach deutschem Recht als Arzneimittel zu bewerten und deshalb unter Verstoß gegen § 73 Abs.1 Nr.1 AMG nach Deutschland verbracht worden. Die Lieferverträge seien nach § 134 BGB nichtig.

Schließlich haben sie behauptet, das Mittel habe nicht die zugesicherte Wirkung und sei deshalb fehlerhaft. Insoweit hat sich die Klägerin auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Teilurteil hinsichtlich einer Lieferung von 440 Flaschen "Rowland Formule" zum Preis von insgesamt DM 44.000, die auf einem einheitlichen und selbständigen Vertrag beruht und am 12.10.1999 erfolgt ist, stattgegeben. Es hat die Entgegennahme der Leistung durch die Beklagten für erwiesen erachtet. Es hat unterstellt, daß es um Arzneimittel im Sinne des AMG gehe, jedoch einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen die Vorschriften des genannten Gesetzes verneint. Normadressat des Einfuhrverbots nach § 73 AMG sei lediglich die Klägerin. Daß die Beklagten die Ware rechtswidrig weiterveräußern wollten, sei nicht Gegenstand des Vertrages, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleite. Mängelgewährleistungsansprüche könnten wegen Verjährung nach § 477 BGB nicht mehr geltend gemacht werden.

Mit der Berufung wiederholen und vertiefen die Beklagten ihre bereits erstinstanzlich erhobenen Einwendungen.

Sie beantragen:

Unter Aufhebung des Teilurteils 10 O 32/00 des Landgerichts Freiburg vom 18.12.2000, die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Ein Anspruch auf den Kaufpreis besteht nicht, da der Kaufvertrag nach § 134 BGB nichtig ist.

1. Die Rechte und Pflichten der Parteien bestimmen sich in erster Linie nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (Art. 1 Abs.1 Buchst. a CISG). Allerdings enthält das Übereinkommen keine Bestimmungen über die Gültigkeit von Verträgen (Art. 4 S.2 Buchst. a CISG). Insoweit ist das maßgebliche Recht nach den internationalprivatrechtlichen Vorschriften des Forumsstaates zu ermitteln (vgl. Schlechtriem/Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht 3.A. Art. 4 Rdnr.6). Die Parteien haben sich in erster Instanz übereinstimmend auf die Geltung deutscher Rechtsvorschriften berufen und damit konkludent deutsches Recht vereinbart (BGH, NJW 1999,950,951). Danach verstößt der Vertrag gegen das gesetzliche Verbot, Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, ohne dartige Zulassung in den Geltungsbereich des AMG zu verbringen (§ 73 Abs.1 Nr.1 AMG), und ist damit nichtig (§ 134 BGB).

2. Dass es sich vorliegend um Arzneimittel handelt, kann der Senat - im übrigen in Übereinstimmung mit dem bestandskräftigen Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 6.11.2000 (25-5482.9), mit dem das Inverkehrbringen der Ware untersagt worden ist - selbst feststellen, ohne daß es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfte.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Stoff Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs.1 AMG ist, kommt es auf dessen objektive Zweckbestimmung an. Der Arzneimittelbegriff setzt demgegenüber nicht voraus, daß das Mittel für die in § 2 Abs.1 AMG genannten Zwecke auch geeignet ist. Die Zweckbestimmung eines Arzneimittels kann sich zum einen ergeben aus den Eigenschaften der Stoffe, aus denen es hergestellt wird. Zum anderen können jedoch auch die Angaben des Herstellers eines Mittels oder derjenigen, die es in den Verkehr bringen, bewirken, dass ein Präparat als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs.1 AMG anzusehen ist. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass selbst ein Mittel, das objektiv nicht als Arzneimittel verwendet wird, aufgrund einer vom Hersteller angegebenen solchen Zweckbestimmung ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs.1 AMG ist (BGH WRP 1995,386,389; NStZ 1998,258 f; vgl.a. Erbs/Kohlhaas/Pelchen, Strafrechtliche Nebengesetze A 188 (AMG) § 2 Rdnr.1; Rehmann, AMG § 2 Rdnr.2).

Die Parteien vertreiben das Produkt mit Hilfe einer Broschüre, die betitelt ist "Sage nein zur Herz- und Gefäßkrankheit; die Lösung: Arterienreinigung". Auf S.2 findet sich - durch eine Umrandung hervorgehoben - die Mitteilung, dass es gelungen sei, "die Todesursache Nr.1 - den Herzinfarkt - auf natürliche Weise zu beseitigen: Prophylaxe und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Durchblutungsstörungen; die erste klinische Dokumentation der natürlichen Beseitigung von Koronarsklerose". Das klägerische Produkt ist also dazu bestimmt, Krankheiten, Leiden und Körperschäden zu heilen und zu verhüten (§ 2 Abs.1 Nr.1 AMG) und ist damit ein Fertigarzneimittel (§ 4 Abs.1 AMG), das der Zulassungspflicht nach § 21 Abs.1 S.1 AMG unterliegt. Dementsprechend hat die Klägerin bereits in der Anspruchsbegründung die gelieferte Ware zu Recht als "Medikamente" bezeichnet.

3. Gegen das Verbringungsverbot nach § 73 AMG hat nicht nur die Klägerin, die die Medikamente durch eigenes Personal selbst nach Deutschland geliefert hat, verstoßen, sondern auch die Beklagten. Sie haben nämlich die einzuführende Ware bestellt und damit den Vorgang veranlasst. Das Verbot richtet sich nicht nur gegen eine Vertragspartei, sondern gegen jeden, der rechtswidrig am Import von Arzneimitteln mitwirkt.

Nach dem Vertrag sollte die Ware aus dem Ausland, nämlich den Niederlanden in das Bundesgebiet zum Weitervertrieb durch die Beklagten verbracht werden. Vertragsinhalt war somit die für beide Parteien verbotene Einfuhr von Arzneimitteln.

4. Das Verbringungsverbot nach § 73 AMG dient dazu, eine vorhergehende staatliche Prüfung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikamentes zu ermöglichen (§ 1 AMG). Mit Hilfe dieser Vorschrift sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Arzneimittel, die den arzneimittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen, bereits an der Grenze abgefangen und deren Einfuhr verhindert werden (Auszug aus der Amtlichen Begründung bei Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz, Loseblatt Stand 1.9.2000 § 73 AMG).

Mit dem am 1.Januar 1978 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.August 1976 (BGBl I 2445) wurde das bis dahin gültige System einer bloßen Registrierung ohne vorangehende Prüfung (vgl. Rehmann aaO Einführung Rdnr.2,4) abgelöst und eine Zulassungspflicht eingeführt. Das materielle Zulassungsverfahren wurde gewählt, weil die mit dem bisherigen Verfahren gewonnen Erfahrungen gezeigt hatten, dass die Registrierung neuer Arzneimittel unter den bisherigen Bedingungen nicht genügte, um Gesundheitsschäden, die durch ihre Anwendung entstehen können, zu verhüten. Man erkannte, dass nunmehr in einem staatlichen Zulassungsverfahren unter Beteiligung von Sachverständigen die relative Unschädlichkeit (Unbedenklichkeit) der Arzneimittel geprüft werden musste. Zum Schutz des behandlungsbedürftigen Menschen wurde eine gründlichere Prüfung der Wirksamkeit von Arzneimitteln für erforderlich erachtet, weil der Erwerb eines unwirksamen Arzneimittels nicht nur einen Vermögensschaden des Verbrauchers, sondern auch seine Gesundheit dadurch gefährdet, dass er die rechtzeitige Anwendung eines wirksamen Medikamentes unterlässt (Kloesel, NJW 1976,1769).

Die rechtliche Situation ist also nicht mehr vergleichbar mit derjenigen, die der BGH in der Entscheidung vom 23.April 1968 (VI ZR 217/65 - NJW 1968,2286,2287) zu beurteilen hatte. Damals hatte der BGH die Vorschriften über die Apotheken- und Rezeptpflicht als gesundheitspolizeiliche Ordnungsvorschriften bezeichnet. Sie würden nicht ausnahmslos das wirtschaftliche Ergebnis missbilligen, wenn ein Arzneimittel ohne Rezept eines Arztes und ohne Einschaltung eines Apothekers in die Hand des Verbrauchers gekommen sei. Sie würden sich nur, um mögliche Gefahren zu verhüten, gegen die Art und Weise wenden, wie der Verbraucher das Arzneimittel erhalte.

Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 73 Abs.1 AMG kann demgegenüber nach heutiger Rechtslage nicht mehr nur als typisches Verwaltungsunrecht qualifiziert werden, welches die Nichtigkeitssanktion des § 134 BGB nicht rechtfertigen würde. Die Bestimmung hat nunmehr einen über eine bloße Ordnungsfunktion hinausgehenden Zweck. Mit dem materiellen Zulassungsverfahren soll verhindert werden, dass Arzneimittel nicht mehr ohne gründliche vorherige Prüfung anhand der Vorschriften des reformierten AMG zum Verbraucher gelangen. Dieser Zweck ist unter anderem nur dadurch zu erreichen, dass Rechtsgeschäfte, mit denen diesen Vorschriften zuwidergehandelt wird, unwirksam sind und keine der Parteien binden.

Mit dem Verbringungsverbot des § 73 Abs.2 Nr.1 AMG soll somit auch im wirtschaftlichen Ergebnis verhindert werden, dass nicht zugelassene Medikamente nach Deutschland verbracht werden, weil sie sonst, wie zu befürchten ist, dem inländischen Verbraucher angeboten würden. § 73 AMG schützt also den Verbraucher bereits im Vorfeld vor gesundheitlichen Gefahren.

Dass die Vorschrift nur bußgeldbewehrt ist (§ 97 Abs.2 Nr.8 AMG) und ein Verstoß keine strafrechtlichen Sanktionen nach sich zieht, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, ob Sinn und Zweck der Verbotsnorm im Einzelfall die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordern (BGH, NJW 1983,2873). Dies ist aus den dargelegten Gründen der Fall.

Der streitgegenständliche Kaufvertrag ist somit nach § 134 BGB nichtig, weil das Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und sich aus dem Gesetz ein anderes nicht ergibt (vgl.a. MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster, 4.A. § 134 Rdnr.90; Staudinger/Sack, Stand Januar 1996 § 134 Rdnr.208; Palandt/Heinrichs, 60.A. § 134 Rdnr.16).

5. Das Teilurteil des Landgerichts war deshalb abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 91, 708 Nr.10, 713, 546 Abs.1 und 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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