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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: 19 U 153/99
Rechtsgebiete: BGB, SGB VII


Vorschriften:

BGB § 842
SGB VII § 56
Leitsatz:

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit des Geschädigten von 80 % ist die von der Berufsgenossenschaft gezahlte Verletztenrente in voller Höhe auf den Verdienstausfallschaden anzurechnen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg

19 U 153/99 2 O 492/98

Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 6. April 2000

Wabnitz, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eith

Richter am Oberlandesgericht Lauven

Richter am Oberlandesgericht Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 29. Juli 1999 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer übersteigt 60.000 DM nicht.

(Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten erweist sich als begründet; dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1.10.1997 bis 31.10.1998 kein Anspruch gegen die Beklagte wegen Verdienstausfalls aufgrund des am 29.6.1994 erlittenen Verkehrsunfalles über die bereits erhaltenen Zahlungen hinaus zu.

Mit der Berufung wird in zulässiger Weise das landgerichtliche Urteil lediglich insoweit angegriffen, als es um die Anrechnung der Verletztenrente des Klägers geht. Nur mit dieser Frage setzt sich die Berufungsbegründung auseinander; der Verweis auf die (erstinstanzlichen) Schriftsätze vom 22.2.1999 und vom 12.7.1999 ändert daran nichts. Der Schriftsatz vom 12.7.1999 enthält nur rechtliche Ausführungen zur Anrechnung der Verletztenrente, während im Schriftsatz vom 22.2.1999 (der Klageerwiderung) darüber hinaus die Höhe des Nettoverdienstes des Klägers, die Ersatzfähigkeit von entgangenen Nutzungsmöglichkeiten des betrieblich gestellten PKWS, die Höhe entgangener Spesen bestritten wurde sowie der geltend gemachte Anspruch auf Rechtsanwaltskosten. Auf all diese Punktei, die zum Teil in der ersten Instanz unstreitig gestellt wurden, geht die Berufungsbegründung nicht ein - auch nicht soweit im Urteil darüber entscheiden wurde. Damit genügt die Bezugnahme auf diesen Schriftsatz vom 22.2.1999 nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründung (vergl. BGH NJW 1999, 3126 = MDR 1999, 952 = LM H. 10 / 1999 § 519 ZPO Nr. 142 = FamRZ 1999, 1499).

In der Sache muss sich der Kläger im Wege der Vorteilsanrechnung die von der Berufsgenossenschaft gemäß § 56 SGB VII gezahlte Verletztenrente anrechnen lassen, weil diese Lohnersatzfunktion hat und somit auf die Berufsgenossenschaft der Anspruch nach § 116 SGB X übergangen ist; damit hat er durch die monatliche Rente der BfA und durch die Verletztenrente in dem Zeitraum, für den der Verdienstausfall geltend gemacht wurde, mehr als den Verdienst, den er nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne den Unfall erzielt hätte, bezahlt erhalten.

In der Entscheidung vom 4.12.1984 (NJW 1985, 735) hat der Bundesgerichtshof daran festgehalten, die Haushaltstätigkeit einer Hausfrau einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen und sodann ausgeführt, dass die Verletztenrente nach §§ 570 ff, 580 RVO (nunmehr § 56 SGB VII) eine laufende pauschale Entschädigung für Erwerbseinbußen darstellt - soweit sie nicht zum Ausgleich des unfallbedingten Mehrbedarfs des Geschädigten dient. Allerdings dient dieser Teil der Verletztenrente dem Ausgleich des (abstrakt berechneten) Erwerbsschadens, wobei sie wegen der Minderung der (abstrakten) Erwerbsfähigkeit unabhängig davon gezahlt wird, ob der Verletzte tatsächlich Erwerbseinbußen aus einer Berufsunfähigkeit hat. Gleichwohl muss sich der Geschädigte denjenigen Teil der Verletztenrente, der nicht dem Ausgleich vermehrter eigener Bedürfnisse dient, als Einkommen i.S.v. § 249 BGB anrechnen lassen. Diesen Anteil hat der Bundesgerichtshof im genannten Urteil nach § 287 ZPO geschätzt.

Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die Verletztenrente wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nach Ablauf von 26 Wochen nach dem Versicherungsfall und der Fortdauer der durch ihn bedingten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gezahlt, wenn diese um wenigstens 20 % gemindert ist. Da Nichtschwerverletzte (bis zu 50% MdE) in der Regel keinen ins Gewicht fallenden Ausfall beim Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) haben, muss die Verletztenrente auch einen Anteil für den immateriellen Schaden enthalten (Wannagat SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung § 56 Rdn. 16 m.w.N). Allerdings ist der Ausgleich immaterieller Schäden desto geringer, je schwerer die Verletzung ist (Wannagat aaO), so dass bei den Renten für Schwerverletzte der Ausgleich für die zusätzlichen körperlichen Anstrengungen und die Erschwernisse im täglichen Leben im Vergleich zu den Leichtverletzten zu kurz kommt. In diesen Fällen wird ganz überwiegend nur der materielle Schaden aufgrund der Folgen des Versicherungsfalles ausgeglichen (Wannagat aaO Rdn. 14).

Das führt dann dazu, dass im Falle der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Geschädigten von 80 % - wie hier - die von der Unfallversicherung gezahlte Verletztenrente in vollem Umfang auf den Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach § 842 BGB anzurechnen ist. Das führt im vorliegenden Fall dazu, daß dem Kläger kein Anspruch mehr zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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