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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: 19 U 195/99
Rechtsgebiete: SGB X


Vorschriften:

SGB X § 119
Der Schaden, den der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch erleidet, dass sein Pflichtmitglied als Verkehrsunfallopfer eine Erwerbsunfähigkeitsrente und kein (höheres) Arbeitsentgelt mehr bezieht, wodurch sich der Krankenkassenbeitrag verringert, ist als mittelbarer Schaden nicht erstattbar.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 16. November 2000

In Sachen

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 01.10.1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000 DM nicht.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat einen Beitragsregressanspruch der Klägerin mit zutreffender Begründung verneint. Die Berufungsangriffe führen zu keiner abweichenden Entscheidung.

Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein Schadensersatzanspruch eines Sozialversicherten, der der Versicherungspflicht unterliegt, auf den Leistungsträger über, soweit dieser Schadensersatzanspruch den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Sozialversicherung umfasst. Vorrangig ist allerdings nach § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Anspruchsübergang auf Ersatz von Beiträgen nach § 116 SGB X. Ein Beitragsübergang im letzteren Sinne steht im Streitfall nicht in Rede, der Anspruchsübergang insoweit auf die BfA als Rentenversicherungsträger steht außer Streit. Was die Regelung in § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X angeht, so gilt diese grundsätzlich auch für Krankenversicherungsbeiträge zugunsten des Krankenversicherers (siehe etwa Küppersbusch NZV 1992, 58 S. 62). Allerdings war bis zur Änderung des § 224 SGB V durch das Rentenreformgesetz zum 01.01.1992 keine Fallkonstellation denkbar, bei der ein Anspruch nach § 119 SGB X auf den Krankenversicherer hätte übergehen können (vgl. Küppersbusch a.a.O.). Hintergrund der Änderung des § 224 SGB V, mit welcher dieser Vorschrift der Abs. 2 mit dem Inhalt angefügt wurde: "Durch die Beitragsfreiheit wird ein Anspruch auf Schadensersatz nicht ausgeschlossen oder gemindert", war, dass Bezieher von Krankengeld beitragsfrei krankenversichert waren mit der Folge, dass während der Krankengeldzahlung ein Beitragsschaden beim Versicherten nicht eintreten und mithin kein Schadensersatzanspruch im Sinne des § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach der Rechtsprechung des BGH entstehen konnte (vgl. Küppersbusch a.a.O.; Hänlein NJW 1998, 105 S. 107). Die Neuregelung in § 224 SGB V und ähnlich die durch das Rentenreformgesetz zugleich eingefügte Vorschrift des § 62 SGB VI (vgl. hierzu auch von der Heide, VersR 1994, 274) fingierten trotz der gesetzlichen Beitragsfreiheit insoweit einen Schaden des Versicherten. Folge der Regelung in § 224 Abs. 2 SGB V ist, dass der Krankenkasse für die Dauer der Krankengeldzahlung insoweit ein Beitragsanspruch in Höhe des bei ihr üblichen Beitragssatzes zusteht, als den Verletzten unfallbedingt ein - insoweit fingierter - Erwerbsschaden entstanden ist.

Im Streitfall ist das Unfallopfer A. F. als Bezieherin einer Erwerbsunfähigkeitsrente gemäss § 5 Abs. 1 Ziff. 11 SGB V beitragspflichtig pflichtversichert, so dass hinsichtlich der Versicherungsbeiträge ein unfallbedingter Erwerbsschaden eingetreten ist. Ein gemäss § 119 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergeleiteter Schadensersatzanspruch wegen eines Beitragsschadens käme nur in Betracht, wenn ein Erwerbsschaden der Versicherten begründet durch die Differenz der Beitragssätze zur Krankenversicherung zu bejahen wäre, und zwar auf der Bemessungsgrundlage eines fiktiven Bruttogehalts einerseits und der tatsächlich bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente andererseits. Dies aber hätte zur Voraussetzung, dass entsprechend der Regelung in § 224 Abs. 2 SGB V ein Beitragsschaden zu fingieren wäre, weil der Versicherte tatsächlich wegen des geschuldeten geringeren Beitragssatzes keine Nachteile erleidet. Im Interesse der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten mag eine solche Schadensfiktion für den Fall der Erwerbsunfähigkeit als Unfallfolge eines Pflichtversicherten gerechtfertigt erscheinen, zumal es keinen Grund gibt, den Schädiger insoweit zu entlasten. Allerdings kann es nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, einen solchen Schaden aufgrund allgemeiner Erwägungen zu fingieren, dies auch nicht etwa in einer entsprechenden Anwendung des § 224 SGB V, der auf einen konkreten und sachlich beschränkten Bereich abstellt. Diese beschränkte Regelung durch den Gesetzgeber spricht vielmehr gegen eine erweiternde Auslegung, weshalb es Sache des Gesetzgebers bleiben muss, einen Beitragsschaden auch für Fälle unfallbedingter Verringerungen von Krankenversicherungsbeiträgen, wie im Streitfall, zu regeln. Bei der jetzigen Gesetzeslage stellt sich der Beitragsausfall der Klägerin als ein nicht erstattungsfähiger mittelbarer Schaden dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die weiteren Entscheidungen beruhen auf §§ 546 Abs. 1 und Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.



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