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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 19 U 2/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 86
ZPO § 87
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt die dem Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht. Eine ohne erneute Erteilung einer Vollmacht eingelegte Berufung ist unzulässig.
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 2/04

Verkündet am 30. September 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Lauven Richter am Landgericht Lorenz Richter am Oberlandesgericht Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die namens des Klägers Ziff. 3 durch Rechtsanwalt K. eingelegte Berufung gegen das Schluss-Urteil des Landgerichts vom 27.11.2003 - 8 O 342/03 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt Rechtsanwalt K.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger Ziff. 3 bzw. der Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten oder der jeweilige Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger Ziff. 1 bis 3 nehmen die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch aus einem zwischen den Parteien beendeten Gewerberaummietverhältnis. Dem Verfahren sind die Streithelferinnen Ziff. 1 bis 6 auf Seiten der Beklagten beigetreten. Durch Teil-Urteil des Landgerichts vom 30.08.2002 ist die Klage der Kläger Ziff. 1 und 2 abgewiesen, deren Berufung durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17.07.2003 zurückgewiesen worden.

Durch Beschluss des Amtsgerichts ist über das Vermögen des Klägers Ziff. 3 am 17.05.2002 - 9 IK 197/01 - das Insolvenzverfahren eröffnet worden, das nach Ankündigung gem. § 291 InsO am 11.08.2003 wieder aufgehoben wurde. Im daraufhin wieder aufgenommenen Verfahren hat das Landgericht mit Schluss-Urteil vom 27.11.2003 die Klage des Klägers Ziff. 3 abgewiesen. Dagegen hat der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers Ziff. 3 für diesen aufgetretene Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt K., fristgerecht Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat die Streithelferin Ziff. 2 ausdrücklich das Bestehen einer Prozessvollmacht von Rechtsanwalt K. durch den Kläger Ziff. 3 gerügt. Trotz Aufforderung hierzu hat dieser keine Prozessvollmacht vorgelegt. Zum Senatstermin vom 15.09.2004 sind weder der Berufungskläger - ordnungsgemäß vertreten - noch Rechtsanwalt K., der mit Schreiben vom 12.08.2004, ihm zugegangen am 20.08.2004, geladen wurde, erschienen.

Die Beklagten, wie auch die Streithelferinnen Ziff. 1 bis 3 sowie 5 und 6 haben beantragt, durch Versäumnis-Urteil die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung war durch unechtes Versäumnis-Urteil als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).

Die durch Rechtsanwalt K. eingelegte Berufung ist unzulässig, da der Kläger Ziff. 3 zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung durch diesen nicht ordnungsgemäß vertreten war. Trotz Aufforderung hat Rechtsanwalt K. das Bestehen einer Prozessvollmacht nicht nachgewiesen. Selbst wenn eine solche im erstinstanzlichen Verfahren bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers Ziff. 3 wirksam bestanden haben sollte, ist diese und der ihr zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen (§§ 115, 116, 117 InsO; BGH ZIP 1988, 1584). Da mit dem Aufschub der Geschäftsbesorgung durch Rechtsanwalt K. keine Gefahr verbunden war (§ 115 Abs. 2 InsO), war die Prozessvollmacht auch nicht aus diesem Grunde als fortbestehend zu behandeln (§ 117 Abs. 2 InsO). Dieser Tatbestand entfällt bereits deshalb, weil das Verfahren ein Jahr lang seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht betrieben worden war. Die möglicherweise vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegende Prozessvollmacht bestand auch nicht nach den §§ 86, 87 ZPO fort (BGH a.a.O., m.w.N.).

Nachdem die Prozessvollmacht zugunsten von Rechtsanwalt K. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers Ziff. 3 erloschen war, hätte sie, damit Rechtsanwalt K. für den Kläger Ziff. 3 wirksam Prozesshandlungen vornehmen kann, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Kläger Ziff. 3 erneut erteilt werden müssen. Dass dies erfolgt ist, ist nicht nachgewiesen. Vielmehr hat der Kläger Ziff. 3 - allerdings nach Schluss der mündlichen Verhandlung - mitgeteilt, dass er keinen Auftrag zur Durchführung des Berufungsverfahrens und keine entsprechende Prozessvollmacht erteilt habe (II, 203, 205). Liegt eine Prozessvollmacht bei Einlegung eines Rechtsmittels nicht vor, ist dieses als unzulässig zu verwerfen (BGHZ 111, 219; BGHZ 40, 197).

Trotz Säumnis des Berufungsklägers war nicht durch Versäumnis-Urteil gem. § 330 ZPO, sondern durch kontradiktorisches Prozessurteil (unechtes Versäumnis-Urteil) zu entscheiden (BGH NJW 1963, 829). Denn die Verwerfung der unzulässigen Berufung erfolgte nicht aufgrund der Säumnis des im Verhandlungstermin unvertreten gebliebenen Berufungsklägers, sondern ohne Rücksicht auf die Säumnis aufgrund der nach § 522 Abs. 1 ZPO von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Berufung. Ein ebenso möglicher Verwerfungsbeschluss gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO würde das Berufungsverfahren zum endgültigen Abschluss bringen. Die gleiche Rechtsfolge muss dann eintreten, wenn die Verwerfung durch Endurteil erfolgt, was bei einem die Berufung verwerfenden Versäumnis-Urteil gem. § 330 ZPO nicht der Fall wäre, da hiergegen der Rechtsbehelf des Einspruchs statthaft wäre mit der Folge, dem unzulässigen Rechtsmittelverfahren Fortgang zu gewähren.

Die Kosten des unzulässigen Berufungsverfahrens waren dem vollmachtlosen Vertreter, Rechtsanwalt K., aufzuerlegen. Im Falle des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung sind grundsätzlich demjenigen die Prozesskosten aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat (sog. Veranlasserprinzip; BGHZ 121, 397 m.w.N.). Dies kann der vollmachtlose Vertreter selbst oder ein anderer Verfahrensbeteiligter, aber auch die Partei sein. Der vollmachtlose Vertreter kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt. Anders ist dies nur dann, wenn er gutgläubig im Besitz einer tatsächlich erteilten Vollmacht ist. Im vorliegenden Falle wusste Rechtsanwalt K., dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers Ziff. 3, den er erstinstanzlich vertreten hatte, eröffnet worden war. Als Rechtskundigem waren ihm daher auch die Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den §§ 115 bis 117 InsO, die zum Erlöschen der Vollmacht führten, bekannt. Daher hat er als vollmachtloser Vertreter den nutzlosen Verfahrensaufwand im Berufungsrechtszug veranlasst und haftet damit auch für die entstandenen Kosten. Dies steht in Einklang mit § 117 Abs. 3 InsO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen war die Revision nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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