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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 19 U 208/04
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 16 Abs. 1 S. 1
VVG § 16 Abs. 2
VVG § 21
Der Versicherungsnehmer hat beim Antrag einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Frage nach Untersuchungen und Behandlungen nicht nur bereits überwundene Krankheiten und Beschwerden anzugeben sondern auch solche, deren Wirkungen noch andauern. Dies gilt auch für Behandlungen, die aufgrund einer aktuellen ärztlichen Überweisung anstehen.
Oberlandesgericht Karlsruhe

19. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 208/04

Verkündet am 11. Mai 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 04. Mai 2006 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht Lauven Richter am Landgericht Bellm Richterin am Oberlandesgericht Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts vom 13.10.2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Auszahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum April 2002 bis September 2003 und Feststellung des Fortbestehens der bei der Beklagten geschlossenen Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte mit Erklärung vom 14.8.2002 wirksam und leistungsbefreiend nach § 16 Abs. 2 VVG von der zwischen den Parteien abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zurückgetreten sei, weil der Kläger bei Antragstellung am 27.9.2001 unter Verstoß gegen seine Anzeigepflicht nach § 16 Abs. 1 S. 1 VVG verschwiegen habe, dass er zwei Tage vor Antragstellung von der Psychologin Dr. B. zum Ausschluss einer organischen Psychose zu Untersuchungen an die Psychiatrische Universitätspoliklinik B. überwiesen worden war. Die Behauptung des Klägers, er habe nicht gewusst, dass Frau Dr. B. Verdacht auf Vorliegen einer organischen Psychose hatte, könne als wahr unterstellt werden, denn auch in diesem Fall müsse dem Kläger angesichts der Überweisung zumindest klar gewesen sein, dass Frau Dr. B. den Verdacht auf irgendwelche physische oder psychische Gesundheitsstörungen hatte, die durch die weiteren Untersuchungen hätten abgeklärt werden sollen, weshalb er bereits nach § 16 Abs. 1 VVG verpflichtet gewesen sei, die erfolgte Überweisung und anstehende Untersuchung in B. mitzuteilen. Auch wenn die Gesundheitsfrage Nr. 2 grammatikalisch streng ausgelegt nur in der Vergangenheit durchgeführte Untersuchungen angesprochen habe, während die den Kläger betreffende Untersuchung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik B. erst bevorgestanden habe, habe doch auf der Hand gelegen, dass die Beklagte erst recht die Unterrichtung über aktuell laufende oder unmittelbar bevorstehende Untersuchungen und Behandlungen erwarte. Weil der Kläger die Frage verneint habe, obwohl er habe erkennen müssen, dass eine anstehende Untersuchung für die Entscheidung der Beklagten von erheblichem Interesse sein konnte, habe er nicht ohne Verschulden seine Anzeigepflicht verletzt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er trägt vor, dass eine Falschbeantwortung der Gesundheitsfrage Ziffer 2 nicht vorliege, weil nach dem Wortlaut der Frage, der die Grenze für jegliche Auslegung bilde, nur nach bereits vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen bei Ärzten oder Heilbehandlern gefragt worden sei, die Untersuchung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik B. zum Zeitpunkt der Antragstellung aber nicht bereits stattgefunden, sondern noch bevorgestanden habe. Die Beratungsgespräche bei Frau Dr. B. am 24. / 25.9.2001 habe er nicht anzeigen müssen, weil Frau Dr. B. als Psychologin weder Ärztin noch Heilbehandlerin sei und weil das mit ihr geführte Gespräch nicht als Heilbehandlung angesehen werden könne. In diesem Gespräch sei der Kläger lediglich gefragt worden, ob er sich wohl fühle und ob er Probleme in seiner Ehe sehe.

Jedenfalls liege eine verschuldete Anzeigepflichtverletzung nicht vor, da der Beklagte eine unklar gestellte Frage falsch verstanden habe. Außerdem habe das Landgericht verkannt, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung, ohne dass er selbst dies erkannt habe, objektiv an einer sowohl paranoid-halluzinatorischen als auch residuralen Form der Schizophrenie gelitten habe mit der Folge, dass er nicht in der Lage gewesen sei, den Sinngehalt einer an ihn gestellten Frage mit medizinischem Bezug zu erfassen. Aufgrund eines weiteren Schubs der Krankheit während der ambulanten Behandlung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik B. sei er noch weniger in der Lage gewesen, im Zeitraum zwischen Antragstellung und Policierung der Berufsunfähigkeitszusatzverscherung die in B. vorgenommene Untersuchung und deren Ergebnis der Beklagten anzuzeigen. Ein Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 16 VVG setze ein grobes Verschulden des Versicherungsnehmers voraus.

Der Kläger beantragt,

Das Urteil des Landgerichts (2 O 493/03) vom 13.10.2004 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 26.650,00 zu zahlen, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus

€ 1.425,00 vom 01.05.2002 bis 31.05.2002,

€ 2.850,00 vom 01.06.2002 bis 30.06.2002,

€ 4.275,00 vom 01.07.2002 bis 31.07.2002,

€ 5.700,00 vom 01.08.2002 bis 31.08.2002,

€ 7.125,00 vom 01.09.2002 bis 30.09.2002,

€ 8.550,00 vom 01.10.2002 bis 31.10.2002,

€ 9.975,00 vom 01.11.2002 bis 30.11.2002,

€ 11.400,00 vom 01.05.2002 bis 31.05.2002,

€ 14.250,00 vom 01.02.2003 bis 28.02.2003,

€ 15.675,00 vom 01.03.2003 bis 31.03.2003,

€ 17.100,00 vom 01.04.2003 bis 30.04.2003,

€ 18.525,00 vom 01.05.2003 bis 31.05.2003,

€ 19.950,00 vom 01.06.2003 bis 30.06.2003,

€ 21.375,00 vom 01.07.2003 bis 31.07.2003,

€ 22.800,00 vom 01.08.2003 bis 31.08.2003,

€ 24.255,00 vom 01.09.2003 bis 30.09.2003,

€ 25.650,00 ab 01.10.2003.

Es wird festgestellt, dass die vom Kläger unter der Versicherungsnummer 1 LV-4418082 bei der Beklagten unterhaltene aufgeschobene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch den Rücktritt der Beklagten vom 10.04.2003 nicht aufgelöst ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil und bestreitet, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Ich-Störungen und affektiven Störungen gelitten habe mit der Folge, dass er nicht in der Lage gewesen sei, den Sinngehalt der Gesundheitsfragen zu erfassen. Bei Zugrundelegung der Behauptungen des Klägers zu seinem Gesundheitszustand bei Antragstellung sei dieser außerdem bereits zu diesem Zeitpunkt berufsunfähig gewesen, mit der Folge, dass für die Beklagte keine Leistungspflicht bestehe.

Bezüglich des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 31.1.2005 (Band II AS 31 ff) und die Berufungserwiderung vom 29.3.2005 (Band II AS 59) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte ist mit Erklärung vom 14.8.2002 wirksam gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 VVG vom Vertrag zurückgetreten mit der Folge, dass Leistungsfreiheit eingetreten ist, § 21 VVG.

Der Versicherer kann nach § 16 Abs. 2 VVG vom Vertrag zurücktreten, wenn entgegen § 16 Abs. 1 VVG die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben ist. Nach § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (§ 16 As. 1 S. 3 VVG). Der Rücktritt ist nach § 16 Abs. 3 VVG u.a. dann ausgeschlossen, wenn den Versicherungsnehmer an der fehlenden Anzeige des Gefahrumstandes kein Verschulden trifft (§ 116 Abs. 3 VVG), wobei einfache Fahrlässigkeit zur Begründung des Verschuldensvorwufs genügt und darlegungs- und beweisbelastet für ein fehlendes Verschulden der Versicherungsnehmer ist (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, §§ 16,17 Rdnr. 34, 41)

1. Der Kläger hat bei der Antragstellung am 27.9.2001 - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - bei Beantwortung der an ihn gestellten Gesundheitsfragen einen Gefahrumstand nicht mitgeteilt, nach welchem die Beklagte ausdrücklich und schriftlich gefragt hat.

Ziffer 2 der Gesundheitsfragen der Beklagten lautete:

"Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 10 Jahren Gesundheitsstörungen, Krankheiten, Beschwerden, Schmerzen, Allergien, Lähmungen, Verletzungen, Vergiftungen wegen denen Sie durch Ärzte, Krankenhäuser oder andere Heilbehandler beraten, untersucht oder behandelt wurden?"

Der Kläger hat diese Frage mit "nein" und damit falsch beantwortet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der Gesundheitsfrage Ziffer 2 der Beklagten hätte mitteilen müssen, dass er drei bzw. zwei Tage vor der Antragstellung zwei Beratungsgespräche bei Dr. B. hatte und diese ihn zur Abklärung einer möglichen physischen oder psychischen Gesundheitsstörung an die Universitätspoliklinik B. überwiesen hatte.

a. Selbst wenn der Kläger das erste Gespräch bei Frau Dr. B. - wie er behauptet hat - als bloßes Eheberatungsgespräch verstanden haben sollte, so stand doch spätestens mit der erfolgten Überweisung fest, dass Frau Dr. B. eine weitere Abklärung möglicher physischer oder psychischer Gesundheitsstörungen in einer Psychiatrischen Universitätsklinik für erforderlich erachtete. Damit handelte es sich - unabhängig von der Frage, was Anlass für die Untersuchung war - objektiv um eine Untersuchung und Beratung durch eine Ärztin oder Heilbehandlerin wegen Gesundheitsstörungen oder Beschwerden im Sinne der unter Ziffer 2 der Gesundheitsfragen gestellten Frage. Denn die Überweisung an eine Psychiatrische Universitätsklinik zur Abklärung einer möglichen physischen oder psychischen Gesundheitsstörung setzt eine Untersuchung und Beratung hinsichtlich möglicher Gesundheitsstörungen und / oder Beschwerden voraus.

Dass die Überweisung an die Psychiatrische Universitätspoliklinik B. nicht zum Zwecke einer weiteren Eheberatung erfolgte, konnte dem Kläger nicht verborgen bleiben.

Vom Begriff der Heilbehandlung ist auch die Psychotherapiebehandlung umfasst (vgl. §§ 1 Abs. 1 a , 3 Abs. 3 MBKK 94 für den Bereich der Krankenversicherung; BVerwG NJW 84, 1414) mit der Folge, dass es entgegen der Berufungsbegründung nicht darauf ankommt, ob Frau Dr. B. Ärztin oder Psychologin ist.

b. Der Kläger war aufgrund der Gesundheitsfrage Ziffer 2 auch und insbesondere verpflichtet, die erfolgte Überweisung an die Psychiatrische Universitätsklinik B. und die dort anstehende - zunächst - ambulante Untersuchung anzuzeigen.

Er war insbesondere nicht berechtigt, diesen Umstand deshalb der Beklagten nicht mitzuteilen, weil die Überweisung durch Frau Dr. B. zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar bereits erfolgt war, die Untersuchung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel für den 2.10.2001 aber noch bevorstand und sich die Gesundheitsfrage Ziffer 2 ihrem reinen Wortlaut nach im ersten Halbsatz zwar auf sowohl gegenwärtige als auch bereits überwundene Beschwerden bezog, im zweiten Halbsatz hingegen auf bereits stattgefundene Beratungen, nicht derzeit anstehende Untersuchungen und Behandlungen.

Denn bei der Ermittlung des objektiven Sinns einer Gesundheitsfrage und Beurteilung, ob diese einen bestimmten Umstand mit erfassen soll, ist nicht nur vom bloßen Wortlaut der Frage auszugehen. Vielmehr ist die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen, umsichtigen Versicherungsnehmers zugrunde zu legen, was zum Ergebnis führen kann, dass ausnahmsweise ein Umstand als von einer Frage mit umfasst anzusehen ist, obwohl deren Wortlaut streng genommen nicht auf ihn zutrifft (OLG Düsseldorf NZVersR 99, 217; Prölss/Martin a.a.O. §§ 16,17 Rdnr. 21).

Allerdings gibt ein Versicherer mit den branchenüblich im Antragsformular gestellten Fragen an den Antragsteller grundsätzlich zu erkennen, was er für seine Entscheidung als wesentlich ansieht und was er deshalb wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet sehen will. Daher kann der Antragsteller grundsätzlich davon ausgehen, dass der branchenerfahrene Versicherer bei der Fragestellung seine Interessen umfassend zu wahren weiß und ihm einen daran ausgerichteten vollständigen Fragenkatalog vorlegt. Der Versicherer kann deshalb regelmäßig nicht erwarten, dass der künftige Versicherungsnehmer ihm weitere Umstände ungefragt mitteilt, mögen sie - objektiv gesehen - auch als gefahrerheblich gewertet werden können ( BGH VersR 1986, 1089). Anderes gilt jedoch für solche nicht ausdrücklich erfragten Umstände, auf die sich eine Frage konkludent auch bezieht oder deren Mitteilung bei der gestellten Frage als selbstverständlich erscheint (BGH a.a.0.; OLG Hamm VersR 1994, 293; Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rdnr. 10).

Ein solcher Fall ist vorliegend, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, gegeben. Denn durch den ersten Halbsatz der Gesundheitsfrage hat die Beklagte - was bei vernünftiger Betrachtung ohnehin außer Zweifel steht - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbar deutlich gemacht, dass für sie nicht nur bereits überwundene Krankheiten, Beschwerden etc. von Bedeutung sind, sondern auch und gerade solche, deren Wirkungen noch andauern. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer musste sich dann aber auch als Laien im medizinischen wie versicherungsrechtlichen Bereich ohne weiteres aufdrängen, dass Behandlungen, Beratungen und Untersuchungen wegen solcher noch andauernder Beschwerden für die Beklagte von hohem Interesse und daher von der gestellten Frage auch und gerade dann mit umfasst waren, wenn die betreffenden Behandlung, Beratung oder Untersuchung nicht bereits in der Vergangenheit stattgefunden hatte, sondern aufgrund einer aktuellen Überweisung in den nächsten Tagen anstand. Der Kläger durfte deshalb nicht über das Beratungsgespräch bei Dr. B. und die hierbei vorgenommene Überweisung an die Universitätsklinik Basel wie über eine Bagatellgesundheitsstörung stillschweigend hinweggehen. Vielmehr musste er sich zur Erfüllung seiner Anzeigeobliegenheit aufgerufen fühlen und der Beklagten die Gewichtung dieses Umstandes überlassen. Dass ihm zu diesem Zeitpunkt die ärztliche Diagnose der Gesundheitsstörung oder die Verdachtsdiagnose von Frau Dr. B. nicht bekannt war, berührt seine Anzeigepflicht nicht (vgl. OLG Hamm VersR 1999, 467; VersR 2001, 1503).

2. Zu Recht ist das Landgericht hinsichtlich der Frage der Gefahrerheblichkeit von der Vermutung des § 16 Abs. 1 S. 3 VVG ausgegangen, denn diese greift jedenfalls dann ein, wenn die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände auf der Hand liegt (BGH RuS 1993, 393). Dass die Tatsache einer von einem Psychologen für notwendig erachteten und aktuell anstehenden Untersuchung in einer Psychiatrischen Universitätsklinik für den Entschluss eines Versicherers, einen Versicherungsvertrag für den Fall der Berufsunfähigkeit überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen zu schließen, von hohem Interesse ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

3. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger, der hierfür beweispflichtig ist, nicht nachgewiesen hat, dass die Nichtanzeige der erfragten Umstände ohne sein Verschulden unterblieben ist.

a. Wie vorstehend unter Ziffer 1. ausgeführt, war für einen durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmer, auf den aufgrund des objektiven Sorgfaltsmaßstabes des § 16 Abs. 3 VVG abzustellen ist, bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar, dass die bei Frau Dr. B. geführten Beratungsgespräche und die erfolgte Überweisung an die Psychiatrische Universitätspoliklinik B. anzuzeigen waren. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass er eine unklar gestellte Frage schuldlos falsch verstanden habe.

Dass ihm selbst die Gefahrerheblichkeit der erfragten Umstände möglicherweise verborgen geblieben ist, begründet kein fehlendes Verschulden. Denn der Versicherungsnehmer muss auch Gefahrumstände angeben, die er selbst für unerheblich hält, nach denen er aber - wie hier - gefragt worden ist. Eine medizinische Wertung oder eigene Diagnose wird ihm nicht abverlangt, vielmehr kann und muss er die Bewertung der anzuzeigenden Umstände allein dem Versicherer überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, RuS 1997, 126; OLGR Saarbrücken 2005, 341; OLG Hamburg NZVersR 99, 467).

b. Der Kläger kann sich im Berufungsverfahren auch nicht mehr darauf berufen, dass er bereits bei Antragstellung am 27.9.2001 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, den Sinngehalt einer an ihn gestellten Frage mit medizinischem Bezug zu erfassen und richtig zu beantworten.

Denn Entsprechendes hat der Kläger erstinstanzlich nicht behauptet. Vor dem Landgericht hat er lediglich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er während der Behandlung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel aufgrund einer Sedierung durch die verordneten Medikamente nicht in der Lage gewesen sei, die ihm dort eröffnete Diagnose zur Kenntnis zu nehmen (I, 99, Schriftsatz vom 1.10.2004 Blatt 2 ) bzw. dass er auf Grund seiner Schizophrenieerkrankung nicht die ihm mitgeteilte Diagnose als gegenüber dem Versicherer offenbarungspflichtigen Umstand habe einzuordnen können (I, 69, Schriftsatz vom 28.10.04 Blatt 2). Damit hat der Beklagte lediglich eine schuldlose Verletzung der Verpflichtung, die ihm noch vor Schließung des Vertrages am 9.11.2001 im Kantonspital Basel eröffnete Diagnose nachzumelden (vgl. hierzu OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 115), behauptet, nicht hingegen ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der bei Antragstellung am 27.9.2005 begangenen Anzeigepflichtverletzung.

Dass er bereits seit 1997 und insbesondere zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.9.2001 an Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Ich-Störungen und affektiven Störungen gelitten habe, die es ihm unmöglich gemacht hätten, die ihm gestellten Gesundheitsfragen zu verstehen, hat der Kläger erstmals in der Berufungsbegründungsschrift behauptet. Ob diese Behauptung vor dem Hintergrund der ärztlichen Stellungnahme des Kantonsspitals vom 19.9.2002, wonach der Kläger bei seiner Aufnahme in der Klinik lediglich über diffuse Kopfschmerzen und Antriebslosigkeit verbunden mit zunehmendem sozialen Rückzug geklagt habe und es ihm vor der differentialdiagnostischen Abklärungen in der stationären Behandlung sicherlich nicht möglich gewesen sei, seine Beschwerden als erste Anzeichen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis einzuordnen, sowie dem eigenen erstinstanzlichen Vortrag des Klägers, vor dem 22.11.2001 habe eine Schizophrenie bei ihm nicht vorgelegen (I, 71, Schriftsatz vom 28.1.2004 Blatt 3), plausibel ist, kann offen bleiben. Denn der Vortrag ist jedenfalls verspätet i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger hat nicht behauptet, dass einer der Tatbestände des § 531 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO vorliegt, aufgrund derer der neue Vortrag im Berufungsrechtzug ausnahmsweise noch zu berücksichtigen wäre. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger kann daher mit seinem neuen Vortrag im Berufungsrechtszug nicht mehr gehört werden.

Es kann daher offen bleiben, ob dann, wenn dieser Vortrag des Klägers zutreffend wäre, eine Leistungspflicht der Beklagten unabhängig von der Frage eines wirksamen Rücktritts vom Versicherungsvertrag bereits deshalb nicht begründet wäre, weil der Kläger dann bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages berufsunfähig gewesen ist (vgl. BGH NJW-RR 93, 671).

4. Das Landgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte aus den dargelegten Gründen berechtigt war, mit Erklärung vom 14.8.2002 gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 VVG vom Versicherungsvertrag zurückgetreten. Darauf, ob ihr ein Kündigungsrecht auch wegen der von der Beklagten behaupteten Verletzung der Anzeigepflicht hinsichtlich eines beim Beklagten besehenden lumbovertebralen Reizsyndroms, wegen der nicht angezeigten Arbeitsunfähigkeit mit einer Dauer von über 4 Wochen oder wegen einer schuldhaften Verletzung der Nachmeldepflicht bezüglich der ihm im Kantonspital Basel eröffneten Diagnose der Schizophrenieerkrankung zustand, kommt es nicht mehr an.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen aus §§, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO



Ende der Entscheidung

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