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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 19 U 221/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 141 a
ZPO § 87
ZPO § 520 Abs. 2
BGB § 168
BGB § 672
Wird die anwaltlich vertretene Klägerin - eine GmbH - während des Verfahrens erster Instanz von Amts wegen nach § 141 a FGG gelöscht, kann der bisherige Prozessbevollmächtigte gemäß § 517 ZPO wirksam Berufung einlegen. Legt dieser das Mandat anschließend nieder, so kann ein neuer Prozessvertreter nicht von der Klägerin sondern nur vom bisherigen Prozessbevollmächtigten wirksam mandatiert werden; erfolgt dies nicht vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, ist die vom neuen Prozessvertreter eingereichte Berufungsbegründung nicht geeignet, die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO zu wahren.
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Beschluss

Geschäftsnummer: 19 U 221/03

21. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.11.2003 - 2 O 241/00 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Berufungsstreitwert wird auf 6.135,50 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die erstinstanzlich wirksam anwaltlich vertretene Klägerin wurde am 20.03.2001 gemäß § 141 a FGG von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister (nach Klagerhebung) gelöscht (I, 363). Gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.11.2003, das der Klägerin am 24.11.2003 (I, 479) zugestellt wurde, legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erster Instanz am 23.12.2003 (II, 1) Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 10.01.2004 teilte der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass er diese nicht mehr vertrete (II, 15). Am 26.01.2004 zeigte Rechtsanwalt W. an, nunmehr die Klägerin zu vertreten, nachdem der bisherige Bevollmächtigte, Rechtsanwalt Dr. M., wegen Berufsaufgabe die Vertretung niedergelegt habe und beantragte, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.03.2004 zu verlängern (II, 17). Mit Verfügung vom 27.01.2004 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis 26.02.2004, mit weiterer Verfügung vom 11.02.2004 bis 27.03.2004 verlängert (II, 21,25). Mit Schriftsatz vom 29.03.2004, der am 29.03.2004 bei Gericht eingegangen ist (II, 35 ff.), begründete Rechtsanwalt W. die Berufung der Klägerin. Mit Berufungserwiderungsschriftsatz vom 21.05.2004 rügte die Beklagte u.a. die wirksame Bevollmächtigung von Rechtsanwalt W. durch die Klägerin (II, 79). Auf die Verfügung des Berichterstatters vom 26.05.2004 legte die Klägerin keine Vollmachtsurkunde vor, aus der sich eine wirksame Bevollmächtigung von Rechtsanwalt W. ergibt. Erst auf den Hinweis des Gerichts, dass die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig sein könnte, weil Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung von Rechtsanwalt W. bestehen, hat die Klägerin unter Vorlage entsprechender Urkunden vorgetragen, die Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, habe am 01.12.1998 Herrn F. W. umfassend bevollmächtigt, der wiederum am 15.01.2004 Rechtsanwalt W. Prozessvollmacht erteilt habe.

II.

Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb verlängerter Frist begründet wurde (§§ 522 Abs. 1, 520 Abs. 2 ZPO).

Zwar ist die Berufung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erster Instanz innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO wirksam eingelegt. Sie ist jedoch nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. Denn die mit Schriftsatz vom 29.03.2004 rechtzeitig eingegangene Berufungsbegründung ist eine unwirksame Prozesshandlung, die nicht geeignet ist, die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zu wahren. Rechtsanwalt W. war von der Klägerin nicht wirksam bevollmächtigt. Wegen des vor dem Oberlandesgericht herrschenden Anwaltszwangs (§ 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO) erfordert eine wirksame Berufungsbegründung, dass die Berufungsschrift durch einen wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt, der bei einem Oberlandesgericht zugelassen ist, gefertigt ist. Nach der Löschung der Klägerin im Handelsregister war der frühere Geschäftsführer der Klägerin nicht mehr in der Lage, Vollmacht zu erteilen, da er mit dem Erlöschen der Klägerin seine gesetzliche Vertretungsbefugnis verlor. Ebenso ist die zugunsten von Herrn F. W. am 01.12.1998 von der Klägerin erteilte Vollmacht mit deren Untergang erloschen (Leptien in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 168 Rdnr. 14; Palm in Erman, BGB, 10. Aufl., § 168 Rdnr, 9; Habermeier in Bamberger/Roth, BGB, § 168 Rdnr. 18; Schilken in Staudinger, BGB, 2004, § 168 Rdnr. 27; Schramm in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., §168 Rdnr. 39), so dass Herr W. am 15.01.2004 Rechtsanwalt W. ebenfalls nicht wirksam bevollmächtigen konnte. Zwar erlöschen gemäß den §§ 672, Satz 1; 168 BGB durch den Tod des Auftraggebers/Vollmachtgebers oder den Einritt deren Geschäftsunfähigkeit im Zweifel weder der Auftrag noch die Vollmacht. Da der behaupteten Vollmacht vom 01.12.1998 ersichtlich keine konkrete Geschäftsbesorgung, insbesondere nicht in Bezug auf den vorliegenden Rechtsstreit, der seine Grundlage in einem am 01.03.1999 begonnenen Untermietverhältnis hat, zugrunde liegt, die der Beauftragte auch noch nach dem Erlöschen der Klägerin in deren Interesse weiterverfolgen sollte, sie vielmehr allgemein einen Ausschnitt der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Klägerin gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG zum Gegenstand hatte, kann sie nur deren Schicksal teilen. Von der trotz Erlöschens der Klägerin fortbestehenden Prozessvollmacht des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten unterscheidet sie sich dadurch, dass dieser von der Klägerin wirksam zur gerichtlichen Durchsetzung einer von dieser ihr zustehend behaupteten Forderung beauftragt und bevollmächtigt wurde, so dass diese Vollmacht nicht während des Rechtsstreits durch das Erlöschen der Klägerin enden sollte. Dies folgt bereits aus der Wertung des § 246 Abs. 1 ZPO. Da auch keine Nachtragsliquidatoren für die Klägerin bestellt sind, konnte auch nicht durch diese eine wirksame Bevollmächtigung erfolgen. Dass der Bevollmächtigte erster Instanz, der bei dieser Sachlage allein hierzu in der Lage gewesen wäre, Vollmacht zugunsten von Rechtsanwalt W. vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erteilt hat, ist nicht vorgetragen.

Die Löschung der Klägerin im Handelsregister führt nicht zum Verlust deren Parteifähigkeit, da einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen werden kann, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen (BGH NJW-RR 1994, 542). Das Verfahren ist auch nicht wegen fehlender Prozessfähigkeit der Klägerin nach § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Zwar wurde die Klägerin durch die Löschung gemäß § 141 a Abs. 1 FGG prozessunfähig, da sie ohne gesetzlichen Vertreter ist. Die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens trat jedoch gemäß § 246 Abs. 1 ZPO deshalb nicht ein, weil die Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten noch vertreten ist (BGH NJW-RR a.a.O.; OLG Koblenz NZG 1998, 637 ff.; BAG NZA 2003, 59 ff.). Denn die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten erster Instanz ist nicht erloschen, da dessen Kündigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrages unwirksam ist. Die Wirksamkeit der Kündigung setzt voraus, dass diese dem Auftraggeber zugegangen ist. Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht mehr gesetzlich vertreten war, ist die empfangsbedürftige Kündigung der Klägerin nicht zugegangen und hat somit keine Wirksamkeit erlangt (FG Köln GmbH-R 1995, 747 ff.). Damit bleibt auch die Vollmacht bestehen (§ 168 BGB). Allein die Anzeige des angeblichen Erlöschens der Vollmacht und der Bestellung eines anderen Anwalts führt gemäß § 87 Abs. 1 ZPO bei unwirksamer Kündigung des zugrundeliegenden Kausalverhältnisses nicht zum Erlöschen der Vollmacht (Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 87 Rdn. 1 m.w.N.). Da die Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO zur Führung des ganzen Prozesses in allen Instanz ermächtigt (BGH NJW 94, 320), besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erster Instanz noch fortbesteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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