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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: 19 U 52/99
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 32
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 546 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
GVG § 17 Abs. 2 Satz 1
BGB § 249
1. Zur Haftung des Anlagevermittlers für eine 1996 ausgesprochene Empfehlung, bei der Hanseatischen AG in Hamburg eine Beteiligung als stiller Gesellschafter zu erwerben.

2. Das Berufungsgericht kann bei einer Klage, die in 1.Instanz im Gerichtsstand des § 32 ZPO erhoben wurde, jedenfalls dann über den konkurrierenden vertraglichen Anspruch entscheiden, wenn seine örtliche Zuständigkeit für den vertraglichen Anspruch gegeben ist und die Voraussetzungen einer Klagänderung vorliegen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

19 U 52/99 2 O 360/98

Verkündet am: 5. Oktober 2000

Wabnitz, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Schadensersatzes

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 31. August 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eith

Richter am Oberlandesgericht Lauven

Richter am Oberlandesgericht Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17.02.1999 abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 42.000 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 01.05.1996 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche des Klägers gegen die H.

II. Die Beklagten haben die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Beklagten übersteigt jeweils 60.000 DM nicht.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Haftung des Beklagten Ziff. 2 wegen schuldhafter Verletzung der ihm gegenüber dem Kläger im Rahmen der Anlagevermittlung obliegenden Aufklärungspflichten begründet. Aus dem gleichen Rechtsgrund ist auch die Haftung des Beklagten Ziff. 1 begründet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger den Beklagten Ziff. 1 vor dem Landgericht Konstanz zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit lediglich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) in Anspruch genommen hat. Dem Kläger ist es jedenfalls im Berufungsrechtszug nicht verwehrt, seine Klage auch auf einen konkurierenden vertraglichen Anspruch zu stützen. Zum einen entspricht es einer im Zusammenhang mit der Neufassung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG im Vordringen befindlichen Ansicht, dass bei Vorliegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts die Zuständigkeit des Gerichts der unerlaubten Handlung sich Kraft Sachzusammenhangs auch auf nichtdeliktische Ansprüche erstreckt (vgl. etwa BayObLG NJW-RR 1996, 508; OLG Hamburg, MDR 1997, 884; OLG Köln NJW-RR 1999, 1081 und MDR 2000, 170; OLG Hamm, NJW-RR 2000, 727; KG MDR 2000, 413; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 32 Rdn. 20). Zum anderen liegt der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten Ziff. 1 im Bezirk des OLG Karlsruhe, dessen örtliche Zuständigkeit mithin in jedem Falle gegeben ist, so dass auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie und ohne Benachteiligung schutzwürdiger Interessen des Beklagten Ziff. 1 es als zulässig anzusehen ist, dass der Kläger seinen Anspruch nunmehr in der Berufungsinstanz auch auf Vertrag stützt, wenn sich dies im übrigen, was vorliegend der Fall ist, als sachdienlich erweist (§§ 523, 263 ZPO entsprechend).

Mit dem Landgericht ist, was von Seiten der Beklagten auch nicht in Frage gestellt wird, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (siehe etwa BGH NJW-RR 1993, 1114; 2000, 998) davon auszugehen, dass zwischen ihnen und dem Kläger im Rahmen der Vermittlung der Anlage bei der H. zumindest stillschweigend ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist. Soweit der Kläger der Ansicht ist, dass entgegen dem Landgericht ein Beratervertrag zustande gekommen sei, fehlt es auf Bestreiten der Beklagten hin am Nachweis der vom Kläger behaupteten tatsächlichen Voraussetzungen für einen solchen Vertrag. Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf es - jedenfalls grundsätzlich - vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem anderen Teil zumindest offen legen (siehe BGH a.a.O.).

Die Beklagten haben dem Kläger unstreitig zur gewählten Anlage zugeraten, weil sie sie selbst für sicher hielten. Allein dies wie auch die Tatsache, dass sie sich selbst an der H. beteiligt hatten, vermag die Beklagten nicht etwa von vornherein zu entlasten. Dies jedenfalls solange nicht, als sie selbst über keine zuverlässige Beurteilungsgrundlage verfügten, wobei es für ihre Einstandspflicht nicht darauf ankommt, ob ihnen die eigene unzulängliche Beurteilungsgrundlage etwa nicht bewusst war (vgl. OLG Karlsruhe OLGR 2000, 17 S. 18).

Die Beklagten haben die Anlage als sicher hingestellt, indem sie etwa das Insolvenzrisiko der H. mit derjenigen einer Bank gleichstellten. Dies entspricht denn auch den Risiken, auf welche der Anleger bei der H. in deren Prospekt hingewiesen worden ist, welches die Beklagten dem Kläger überlassen haben. Diese Risikohinweise erschöpfen sich in allgemeinen Hinweisen auf Risiken bei unternehmerischen Beteiligungen. Dass die H. seit ihrer Gründung im sogenannten operativen Bereich keinerlei Gewinne erzielt hat, ein positives Geschäftsergebnis, aus welchem die zugesagten Zinsen auf die Einlagen zu erbringen waren, allein durch Verlustzuweisungen, die als betriebliche Erträge verbucht wurden, erzielt worden sind, darüber findet sich weder etwas in dem Emissionsprospekt der H., noch haben die Beklagten auf das darin liegende Risiko einer Unterkapitalisierung bzw. einer Insolvenz aufgeklärt. Sie haben sich vielmehr auf die Richtigkeit des Prospekts und dessen Vollständigkeit verlassen, ohne den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie selbst weder die Richtigkeit des Prospekts, sei es auch nur auf die Plausibilität des Anlagekonzepts, selbst überprüft haben oder aber über entsprechende zuverlässige Informationen verfügten. Zwar wird von Seiten der Beklagten geltend gemacht, dass man die Anlage von unabhängigen Stellen habe überprüfen lassen, allerdings fehlt es an einem substantiierten Vortrag dazu, von weichen unabhängigen und sachkundigen Institutionen oder aber Personen die Prüfungen durchgeführt worden sind und mit welchen konkreten Ergebnissen. Der Hinweis auf eine Überprüfung der Interessenvereinigung der Versicherten, Sparer und Kapitalleger e.V., bei der es sich nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers um eine Hilfsorganisation der Betreuungsgesellschaft Deutscher Finanzkaufleute und Finanzmakler mbH (BDF) handelt, dem die Beklagten angehören und der die hier in Rede stehende Anlage vertrieben hat, ist ersichtlich nicht geeignet, die Einholung erforderlicher Informationen für eine Anlagevermittlung zu belegen. Dass die Beklagten aber dem Kläger offenbart hätten, dass sie über die Angaben im Emissionsprospekt hinausgehende eigene verifizierte Informationen nicht verfügen, haben sie nicht behauptet.

Den Beklagten ist überdies anzulasten, dass sie sich als Anlagevermittler über die Bonität und Sicherheit der von ihnen vermittelten Anlage auch nicht in einschlägigen Presseveröffentlichungen informiert und dort vorgebrachte, nicht unerhebliche Bedenken dem Kläger offenbart haben. Von einem sich als sachkundig darstellenden Anlagevermittler darf der Anlageinteressent, wenn er nicht selbst über entsprechende hinreichende Sachkunde verfügt, erwarten, dass dieser sich vor allem auch in einschlägigen Brancheninformationsdiensten informiert und dort geäußerte Bedenken gegen die Seriosität des Kapitalsuchenden dem Anlageinteressenten nicht verschweigt. Wie der Kläger hinreichend belegt hat, war in der Zeit bis zu der hier getätigten Anlage durch den Kläger wiederholt im "Gerlach-Report" sowie in der Zeitschrift "Kapitalmarkt intern" negativ über die H. berichtet, insbesondere der Verdacht eines Schneeballsystems geäußert worden. Diese Berichte, welche sich sowohl mit der Akquisition der Anlagen befassten wie auch mit maßgeblicher Persönlichkeiten bei der H. zu anderen auf dem Kapitalanlagemarkt tätigen Unternehmen, bei denen es auch zu völligen Verlusten der Anlagen gekommen ist, hätten dem Kläger, dem die Anlage als sicher dargestellt wurde, nicht verheimlicht werden dürfen. Die Beklagten haben sich aber entweder um solche negativen Presseveröffentlichungen in einschlägigen Branchendiensten nicht gekümmert oder aber aus solchen Veröffentlichungen erlangte Kenntnisse dem Beklagten vorenthalten. In beiden Fällen haben sie dann aber den ihnen obliegenden Aufklärungspflichten nicht Genüge getan (vgl. Senat Urteil vom 20.05.1999 - 19 U 215/97).

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger bei entsprechender Aufklärung davon abgesehen hätte, die Anlage zu tätigen. Für das Gegenteil obliegt den Beklagten die Beweislast (herrschende Meinung; siehe etwa Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 282 Rdn. 15). Nach § 249 BGB haben die Beklagten den Kläger mithin so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er das Anlagegeschäft nicht getätigt hätte. Hätte der Kläger die Anlage nicht getätigt, hätte er sich der für die Anlage aufgewendeten 42.000 DM nicht begeben. Dass derzeit noch nicht feststeht, ob auf die Einlage des Klägers eine Konkursquote anfällt, ändert entgegen der Ansicht der Beklagten nichts an der Begründetheit der mit der Klage geltend gemachten Forderung, da der Kläger insoweit die Abtretung seiner Ansprüche gegen die H. Zug um Zug angeboten hat.

Die Zinsen wurden entsprechend dem Antrag in der Klageschrift geschätzt.

Gemäß § 91 ZPO haben die Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu tragen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 546 Abs. 1 und Abs. 2, 708 Nr. 10. 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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