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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: 19 U 58/97
Rechtsgebiete: KO, VVG
Vorschriften:
KO § 82 (§ 60 Abs. 1 InsO) | |
VVG § 166 |
§ 82 KO ( § 60 Abs.1 InsO ), § 166 VVG
1. Im Nachlasskonkurs hat der Konkursverwalter auch zu prüfen, ob gegen den Begünstigten aus einer Lebensversicherung ein Anspruch des Nachlasses aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht.
2. Ein derartiger Anspruch besteht, wenn zwischen dem begünstigten Ehegatten des Versicherungsnehmers und dem Versicherungsnehmer vereinbart war, dass die Versicherungsleistung zur Tilgung eines vom Versicherungsnehmers aufgenommenen Darlehens bestimmt ist, der begünstigte Ehegatte sie gleichwohl an sich auszahlen lässt, weil der Widerruf seiner Bezugsberechtigung zugunsten des Darlehensgebers unwirksam ist.
3. Zum Direktanspruch des durch die Masseverkürzung Geschädigten gegen den Konkursverwalter.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 19. Zivilsenat in Freiburg
19 U 58/97 6 O 459/96
Verkündet am: 16. Juli 1998
Im Namen des Volkes Urteil
In Sachen
Wabnitz, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
wegen Schadensersatzes
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 02.07.1998 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eith
Richter am Oberlandesgericht Lauven
Richter am Oberlandesgericht Bauer
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 29.01.1997 im Zinsausspruch dahingehend abgeändert, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 79.516,95 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 30.09.1996 zu zahlen, und die weitergehende Klage auch insoweit abgewiesen wird.
II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 103.000,- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch unbefristete und unbedingte, selbstschuldnerische Bürgschaften von in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassene Kreditinstituten erbracht werden.
V. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,- DM, diejenige der Klägerin übersteigt diesen Betrag nicht.
Tatbestand
Der Beklagte war Konkursverwalter im Konkursverfahren über den Nachlaß des am 10.02.1995 verstorbenen M. M. (im folg.: Erblasser). Die Klägerin, Stiefmutter des Erblassers und Konkursgläubigerin, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblicher Verletzung ihm obliegender Verwalterpflichten in Anspruch.
Der Erblasser war Alleineigentümer einer Eigentumswohnung (Erbbaurecht) in einem seinen Schwiegereltern gehörenden Anwesen, die er mit seiner Ehefrau T. S. bewohnte. Zur Finanzierung des Kaufpreises für die Wohnung haben die Eheleute bei der Volksbank Freiburg einen Kredit i.H.v. 200.000 DM aufgenommen (Darlehensvertrag v. 16.03.93 -I,39), der neben einer bestellten Grundschuld sowie einer von der Klägerin gestellten Bürgschaft durch eine vom Erblasser abzuschließenden Kapitallebensversicherung besichert werden sollte. Der Erblasser schloß in der Folgezeit eine entsprechende Lebensversicherung ab, die zudem zur Ablösung des Darlehens gedacht war, mit einer Versicherungssumme von 200.000 DM. Begünstigte im Todesfall war lt. Versicherungsschein (I,31) der "verwitwete Ehegatte". Mit Erklärung vom 26.10.1993 (I,35) trat der Erblasser seine Ansprüche aus der Versicherung an die kreditgebende Volksbank unter gleichzeitigem Widerruf der bestehenden Bezugsberechtigung ab. Eine Anzeige der Abtretung an den Versicherer unterblieb allerdings.
Die Versicherungssumme zahlte die Versicherungsgesellschaft nach Ableben des Erblassers an dessen Witwe T. S. aus, die im übrigen die Erbschaft ausgeschlagen hat. Mit not. Kaufvertrag vom 25.07.1995 (I,47) erwarb sie vom Beklagten als Konkursverwalter die Wohnung zum Preis von 205.000 DM, wobei der Beklagte in § 4 des Vertrages auf jegliche Ansprüche insbes. in Bezug auf die Lebensversicherung gegenüber der Käuferin verzichtete. Den erzielten Erlös verwendete der Beklagte zur Tilgung der Darlehensforderung der Volksbank. Nach Vorlage seines Schlußberichts (I,173) wurde das Konkursverfahren sodann mangels Masse eingestellt.
Die Klägerin hat sich u.a. im Jahre 1994 für den Erblasser bei der Volksbank Freiburg mit 110.590 DM verbürgt und zudem gegen den Erblasser eine Forderung von 94.245,54 DM. In dieser Höhe von ihr zur Konkurstabelle angemeldete Forderungen sind vom Beklagten anerkannt worden.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Anspruchsverzicht des Beklagten gegenüber der Witwe masseschädlich und damit pflichtwidrig gewesen sei, weil zugunsten der Konkursmasse ein Ausgleichsanspruch wegen der getilgten Darlehensforderung bestanden habe, und zwar in Höhe der vollen Lebensversicherungsvaluta. Ihren Quotenschaden hat sie auf 109.279,47 DM beziffert und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 103.000 DM nebst 11,25 % Zins aus 50.000 DM sowie 7,25 % aus 53.000 DM seit dem 25.7.1995 zu zahlen.
Der Beklagte, der der Klage entgegengetreten war, hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten, eine Ausgleichspflichtigkeit der Witwe verneint und Einwände gegen die Höhe des geltend gemachten Schadens erhoben.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage überwiegend entsprochen, im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beklagte nach § 82 KO hafte, weil die Witwe mit Erlangung der Versicherungssumme zu Lasten der Konkursmasse ungerechtfertigt bereichert und mit dem Verzicht auf Ansprüche gegen sie - die Witwe - die Masse verkürzt worden sei.
Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen diese vom Landgericht vorgenommene Beurteilung. Ein Bereicherungsanspruch scheitere jedenfalls, so die Auffassung des Beklagten, an der absoluten Unwirksamkeit der Abtretung wie auch des Widerrufs der Bezugsberechtigung bzgl. der Lebensversicherung durch den Erblasser. Ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB komme nicht in Betracht, zudem sei die Klägerin entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht aktiv legitimiert. Schließlich bestreitet der Beklagte die geltend gemachten und zuerkannten Zinsen dem Grunde und der Höhe nach.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründungs- sowie Berufungserwiderungsschrift verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist lediglich wegen einer Zuvielforderung an Zinsen begründet im übrigen aber unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Haftung des Beklagten aus § 82 KO wegen schuldhafter Verkürzung der Masse bejaht und die Klägerin zur Geltendmachung des Haftungsanspruchs für befugt angesehen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
Die Ehefrau bzw. Witwe des Erblassers ist in dem von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag wirksam als Bezugsberechtigte bezeichnet worden mit der Folge, daß sie mit dem Tode des Versicherungsnehmers gem. § 331 Abs.1 BGB einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme gegen den Versicherer erworben hat. Zwar ist nach § 166 VVG davon auszugehen, daß dem Erblasser die Befugnis vorbehalten war, die Bezugsberechtigung seiner Ehefrau zu widerrufen. Unstreitig ist aber die empfangsbedürftige Widerrufserklärung des Erblassers, die er zusammen mit der Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die kreditierende Bank abgegeben hat, vor dessen Ableben dem Versicherer nicht zugegangen, so daß sie keine rechtliche Wirkung entfalten konnte (vgl. hierzu etwa BGH NJW-RR 1989,22; WM 1994 903). Der Anspruch der Witwe auf die Versicherungsleistung ist auch nicht etwa aufgrund der Abtretungsvereinbarung des Erblassers mit der Bank beeinträchtigt worden, da auch diese mangels Anzeige an den Versicherer, wie nach § 15 Abs.2 ALB erforderlich, nicht wirksam geworden ist.
Ob Rechtsgrundlage für die der Witwe zugewendete Bezugsberechtigung im Verhältnis zum Erblasser eine Schenkung war, wie das Landgericht meint, oder aber eine ehebedingte unbenannte Zuwendung, was wohl näher liegt, kann dahin stehen. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1987,3131 S.3132; NJW 1995,1082 S.1084 = BGHZ 128,125) hängt zwar das Bezugsrecht allein von den dafür im Versicherungsvertrag vereinbarten Bedingungen ab. Fehlt es aber dem Begünstigten in seinem Verhältnis zum Erblasser an einem Rechtsgrund für den Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungsleistung, so hat er das Erlangte den Erben als ungerechtfertigte Bereicherung nach § 812 Abs.1 S.1 BGB herauszugeben. In den zitierten Entscheidungen hat der BGH wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis eine Berechtigung des Begünstigten zum Behalt des Bezugsrechts bzw. der Versicherungsleistung verneint und den Erben einen Bereicherungsanspruch zuerkannt. Im Streitfall hat im Ergebnis nichts anderes zu gelten, weil es in Höhe der zur Auszahlung gelangten Versicherungssumme von vornherein im Verhältnis Erblasser / Witwe an einem Rechtsgrund dafür gefehlt hat, daß sie den erlangten Versicherungsanspruch bzw. das zu seiner Erfüllung Geleistete behalten darf.
Nach Ziff. 8 des Darlehensvertrags des Erblassers und seiner Ehefrau sollte die Darlehensrückzahlung durch die später sodann abgeschlossene Kapitallebensversicherung erfolgen, dementsprechend enthält der Darlehensvertrag lediglich eine Zinszahlungsverpflichtung und keine der sonst üblichen Tilgungsregelungen. Mit Abschluß des Versicherungsvertrages verfolgten mithin die Ehegatten einen ganz bestimmten Zweck, d.h. nach beider Willen war die Versicherungsleistung zur Tilgung des Darlehens bestimmt, wovon denn auch das Landgericht ausgegangen ist und was mit der Berufung nicht in Frage gestellt wird. Diese Zweckbestimmung findet dann auch in der - wenn auch rechtlich fehgeschlagenen - Widerrufs- und Abtretungserklärung des Erblassers vom 26.10.1993 Ausdruck. Die mit der Einräumung der Bezugsberechtigung gewollte Begünstigung der Ehefrau bzw. Witwe war damit aber jedenfalls bis zur Tilgung des Darlehens auf eine den Darlehensbetrag etwa übersteigende Versicherungsleistung beschränkt mit der Folge, daß ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen im Verhältnis zum Erblasser und damit zum Nachlaß nur in diesem Umfang bestand. Da das Darlehen bei Eintritt des Versicherungsfalles voll valutierte, war die Witwe in Höhe der erlangten Versicherungssumme zu Lasten des Nachlasses und damit der Konkursmasse ungerechtfertigt bereichert und folglich nach § 812 Abs.1 S.1 BGB zur Herausgabe der an sie zur Auszahlung gelangten Versicherungssumme verpflichtet.
Nach § 82 KO haftet der Konkursverwalter den Konkursgläubigern für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten. Hierzu gehört insbesondere die Verhinderung von Masseverkürzungen. Eine solche ist dem Beklagten aber anzulasten, indem er den gegenüber der Witwe bestehenden Bereicherungsanspruch nicht realisiert, vielmehr im Kaufvertrag mit ihr insoweit auf jegliche Ansprüche verzichtet hat.
Zumal die Massezugehörigkeit der Versicherungsleistung bereits vor Abschluß des Kaufvertrages von der Klägerin reklamiert worden war, hätte der Beklagte ohne endgültige Klärung der streitigen Frage einen Forderungsverzicht zu Lasten der Masse nicht vereinbaren dürfen.
Im Anschluß an die Entscheidung des BGH in NJW 1973,1198, der auch der Senat folgt, hat das Landgericht die Klägerin zu Recht als berechtigt angesehen, den ihr durch die Masseverkürzung entstandenen Schaden selbst gegen den Beklagten als ehemaligen Konkursverwalter im Klageweg geltend zu machen (so auch Kuhn-Uhlenbruck, 10. Aufl., § 82 KO Rdn.1e). Nachdem ein Antrag der Klägerin im noch laufenden Konkursverfahren auf Bestellung eines Sonderkonkursverwalters zur Geltendmachung des Anspruchs wegen Masseschädigung bereits erfolglos geblieben und das Konkursverfahren mangels Masse eingestellt worden ist, erscheint es auch vom Ergebnis her wenig sinnvoll und zudem kaum zumutbar, den einzelnen Geschädigten auf ein erneut in Gang zu setzendes Verteilungsverfahren zu verweisen.
Die vom Landgericht vorgenommene Berechnung des erstattungsfähigen Schadens wird mit der Berufung nicht angegriffen und geht im übrigen auch in Ordnung. Auf das Bestreiten des Beklagten im Berufungsrechtszug war indessen der Zinsausspruch zu dessen Gunsten abzuändern und lediglich der gesetzliche Zinssatz von 4 % zuzuerkennen. Zwar hat die Klägerin Zinsbescheinigungen vorgelegt (II,89,90), die mit der Klage geltend gemachten Zinsen werden hierdurch jedoch nicht belegt. Ihnen sind weder die beanspruchten Zinssätze zu entnehmen noch die Höhe der Kreditinanspruchnahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs.1, 92 Abs.2 ZPO; die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 546, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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