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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.02.1999
Aktenzeichen: 19 U 66/98
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 138 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Karlsruhe - Urteil vom 18. Februar 1999 - 19 U 66/98 -. - rechtskräftig -
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 19. Zivilsenat in Freiburg
19 U 66/98 6 O 531/97
Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 18. Februar 1999
Wabnitz, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
wegen Abgabe einer Willenserklärung
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 04.02.1999 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eith
Richter am Oberlandesgericht Lauven
Richter am Oberlandesgericht Bauer
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 27. Februar 1998 wie folgt abgeändert:
a. Es wird festgestellt, daß der zwischen den Parteien am 25.11.1994 vor dem Notariat IX in Freiburg i.Br. geschlossene Übergabevertrag (9 UR 293/94) sowohl im schuldrechtlichen wie im dinglichen Teil nichtig ist.
b. Der Beklagte wird verurteilt, die im Eigentum der Klägerin stehende Wohnung in der H.straße 30 in F. im Erdgeschoß, bestehend aus vier Zimmern, Flur, Küche, Bad und einer Wohnfläche von 128 qm nebst zugehörigem Speicherabteil, Kellerraum, Garten sowie der Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
c. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 76.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
4. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin macht die Nichtigkeit eines Grundstücksübertragungsvertrages geltend und begehrt ferner Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Beklagte verlangt widerklagend die Auflassung eines Hausgrundstücks.
Die Klägerin ist im Jahre 1921 geboren. Zusammen mit ihrer etwa 10 Jahre älteren Schwester war sie Miteigentümerin zu je 1/2 an einem Hausgrundstück in F., H.straße, sowie einem Hausgrundstück in H. Der Beklagte ist Arzt und war seit Ende 1985 Hausarzt der beiden Schwestern. Es entwickelte sich eine große Sympathie. Der Beklagte nahm zahlreiche Hausbesuche vor. Im Rahmen der Behandlungen verabreichte er auch zahlreiche Spritzen. Zwischen den beiden Schwestern und dem Beklagten entwickelte sich ein starkes Vertrauensverhältnis.
Ende 1993 bezog er im Haus H.straße 30 die im Untergeschoß gelegene Wohnung als Zweitwohnung, nachdem das zuvor bestehende Mietverhältnis mit Dritten beendet war. Er zahlte hierfür 1.600,00 DM im Monat.
Die Schwester der Klägerin erkrankte zunehmend schwer und wurde vom Beklagten ausschließlich in der Wohnung der Schwestern im 1. Obergeschoß des Hauses in der H.straße behandelt. Die Schwester verstarb am 05.08.1994.
Beide Schwestern hatten mehrere Testamente aufgesetzt. Zunächst hatten beide Schwestern sich in voneinander getrennten Testamenten der Jahre 1971 bzw. 1974 jeweils zu Alleinerben eingesetzt (AS. I 165/169). Am 15.10.1987 verfasste die Schwester der Klägerin ein Testament, in dem sie ihr schlechtes Verhältnis zu ihrem Neffen Peter Kleine, dem einzigen näherstehenden Verwandten, festhielt, ihre Schwester zur Alleinerbin und den Beklagten zum Nacherben nach dem Tod ihrer Schwester einsetzte (AS. I 167). Am 20.07.1992 erstellte die Klägerin selbst "auf Wunsch" ihrer Schwester ebenfalls ein Testament, in welchem sie wie bisher die Schwester zur Alleinerbin einsetzte, den Beklagten zum Nacherben (AS I 171).
Nach dem Tod der Schwester kam es zwischen den Parteien zu mehreren Gesprächen, deren Ablauf, Inhalt und Motive zwischen den Parteien streitig ist. Jedenfalls ging es dabei darum, dem Beklagten als künftigem Erben im Hinblick auf die Erbschaftssteuer steuerliche Vorteile zu verschaffen. In diese Gespräche wurde - in ebenfalls streitiger Weise - ein Rechtsanwalt, Rechtsanwalt H., einbezogen. Dieser suchte die Klägerin in ihrer Wohnung am 13.09. und 11.10.1994 auf, wobei der Beklagte jeweils zugegen war. Zwischen diesen beiden Terminen, am 05.10.1994, setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Alleinerben ein (AS. I 173).
Am 25.11.1994 kam es (nachdem der Beklagte der Klägerin zuvor noch eine Injektion verabreicht hatte) zu dem streitgegenständlichen notariellen Übergabevertrag (AS. I 53). Bei Abschluß des Vertrages war Rechtsanwalt H. zugegen. In diesem Übergabevertrag wurden die Hausgrundstücke H.straße und H. auf den Beklagten übertragen.
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 22.12.1994 focht die Klägerin die dem Übergabevertrag zugrundeliegende Willenserklärung wegen Erklärungsirrtums an, weil sie sich nicht bewußt darüber gewesen sei, Eigentum zu übertragen (AS. I 69). Nachdem der Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 03.01.1994 (AS. I 93) zur Rückabwicklung nur gegen Abschluß eines entsprechenden Erbvertrags bereit gewesen wäre, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.01.1995 Klage, in welcher sie auch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärte und Sittenwidrigkeit des Vertrages geltend machte.
Aufgrund einer Strafanzeige wurde gegen den Beklagten bei der Staatsanwaltschaft Freiburg ein Vorermittlungsverfahren wegen Mordes an der Schwester bzw. versuchten Mordes an der Klägerin, ferner ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Betruges, Wuchers und der Körperverletzung eingeleitet, gegen Rechtsanwalt H. ein Verfahren wegen Verdachts des Parteiverrats. Im Hinblick auf dieses Ermittlungsverfahren wurde das vorliegende Verfahren nach § 149 ZPO am 25.09.1995 ausgesetzt (AS. I 317).
Danach hatte die Klägerin mit Klagschrift vom 20.03.1996 beim Amtsgericht Freiburg Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Erdgeschoß des Hauses H.straße und der Beklagte dort Widerklage auf Auflassung erhoben. Das Verfahren wurde mit Beschluß des Amtsgerichts Freiburg vom 09.04.1996 an das Landgericht verwiesen. Auch dieses Verfahren wurde mit Beschluß vom 27.11.1996 nach § 149 ZPO ausgesetzt (AS. I/320). Die Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten und Rechtsanwalt H. wurden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24.09.1997 gem. § 170 Abs. 2 ZPO eingestellt (AS. I 337).
Die beiden ursprünglich getrennten Verfahren wurden mit Beschluß vom 18.02.1997 miteinander verbunden.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Übergabevertrag verstoße gegen die guten Sitten. Der Beklagte habe die Vertrauensposition als Hausarzt in schamloser Weise ausgenutzt. Er habe die Testamentseinsetzung offensichtlich initiiert. Er habe ihr vorgegaukelt, es drohe eine Änderung der Erbschaftsbesteuerung. Vor der ruinösen Erbschaftssteuer könne der Beklagte geschützt werden durch einen Vertrag, welcher an den gegenwärtigen Eigentumsverhältnissen für die Klägerin keinerlei Änderung zur Folge haben würde. Den Vorwurf, ob der Beklagte die Schwester der Klägerin "mittels einer verabreichten Spritze in einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand versetzt hat" und die Möglichkeit, daß es sich bei dem Ergänzungstestament um eine Fälschung handeln könne (AS. I 9), ließ die Klägerin zunächst ausdrücklich offen, hielt mit Schriftsatz vom 20.04.1995 (AS. 239) dahingehende strafrechtliche Verdachtsmomente nicht aufrecht.
Rechtsanwalt H. sei nicht von der Klägerin mandatiert worden, sondern vom Beklagten. Die Erklärungen von Rechtsanwalt H., daß seinerzeit eine höhere Besteuerung durch Zugrundelegung des Verkehrswertes anstatt des Einheitswertes gedroht habe, sei eine absolute Desinformation. Den Vorwurf an Rechtsanwalt H., es sei (auch) seine Intention gewesen zu verhindern, ".... daß der Klägerin womöglich im Notartermin noch klar werden würde, um was es hier in Wahrheit geht" (AS. I 37 unten/39 oben) relativierte die Klägerin an anderer Stelle dahin, daß ihm ein subjektiv verwerfliches Verhalten nicht vorgeworfen werden solle (AS. I 49). Die Klägerin habe jedenfalls nicht gewußt, daß sie mit dem Vertrag sich verpflichtet habe, ihr Eigentum zu übertragen. Auch die Belehrung im Beurkundungstermin habe sie nicht verstanden. Die Sittenwidrigkeit folge auch daraus, daß ein krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Schließlich habe der Beklagte sie auch arglistig getäuscht über die drohende Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Rechtsanwalt H. sei in diesem Zusammenhang nicht als Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB anzusehen. Die Beratung des Rechtsanwalts in steuerlicher Hinsicht stelle eine Täuschung im Rechtssinne dar, er habe sich nicht ausreichend kundig gemacht und deshalb falsche Angaben "ins Blaue hinein" gemacht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei der Vertrag rückabzuwickeln.
Hinsichtlich des Räumungsanspruchs bestehe mangels schriftlichen Vertrages, welcher nach dem Willen beider Parteien hätte abgeschlossen werden sollen, gar kein Mietverhältnis. Ein solches sei im übrigen wirksam fristlos gekündigt worden wegen des Verdachts der strafbaren Handlungen, die Grundlage der Ermittlungsverfahren waren.
Die Klägerin hat folgende Anträge gestellt:
1. Es wird festgestellt, daß der zwischen den Parteien am 25.11.1994 vor dem Notariat IX in Freiburg i.Br. geschlossene Übergabevertrag (9 UR 293/94) sowohl im schuldrechtlichen wie im dinglichen Teil nichtig ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die im Eigentum der Klägerin stehende Wohnung in der H.straße 30 in F. im Erdgeschoß, bestehend aus vier Zimmern, Flur, Küche, Bad und einer Wohnfläche von 128 qm nebst zugehörigem Speicherabteil, Kellerraum, Garten sowie der Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
3. Hilfsweise:
Der Beklagte wird verurteilt, folgende Willenserklärung abzugeben:
"Das Eigentum an dem Grundstück im Grundbuch von Freiburg i.Br. Blatt 5270, Flst.-Nr. 8048/8, Hof- und Gebäudefläche H.straße 30 mit 7,71 ar, sowie das Eigentum an dem Grundstück im Grundbuch von H. Blatt 537, Flst.-Nr. 72/5, Gebäude- und Freifläche Windeck 7 mit 4,85 ar, übertrage ich auf Frau H. U. I. D., geboren am ....... in B., wohnhaft H.straße 30 in F.".
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seine testamentarische Einsetzung sei allein auf den freien Willen der beiden Schwestern zurückzuführen. Von der drohenden Änderung der Besteuerungsgrundlage habe er aus den Medien erfahren und habe seine Befürchtung durch einen Steuerberater bestätigt gefunden. Es sei der Wunsch der Klägerin gewesen, dem Beklagten steuerliche Vorteile zu sichern. Der Steuerberater habe ihm empfohlen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Erst als die Klägerin selbst keinen Rechtsanwalt kannte, habe er sich bereit erklärt, Kontakt zu Rechtsanwalt H. aufzunehmen, der dann von der Klägerin das Mandat erteilt bekommen habe. Auch sei der Klägerin immer klar gewesen, daß es um eine Eigentumsübertragung ging. Dies sei auch von Rechtsanwalt H. mehrfach und eindeutig der Klägerin erklärt worden; auch der beurkundende Notar E. habe entsprechend nachdrücklich belehrt und die Klägerin habe die Belehrung verstanden. Darüber hinaus sei die erklärte Anfechtung wegen Irrtums auch verfristet. Gegenüber dem Räumungsanspruch hat er eingewandt, er könne aufgrund des Übergabevertrages die Auflassung verlangen und habe daraus ein Recht zum Besitz.
Widerklagend hat er beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, den Übergang des Eigentums an dem Hausgrundstück, eingetragen im Grundbuch von F. Blatt 5270, Flst.-Nr. 8048/8, Hof- und Gebäudefläche, H.straße 30 in F. mit 7,71 ar, gemäß Übergabevertrag des Notariats Freiburg vom 25.11.1994, Urkundenrolle 9 UR 293/1994 auf den Beklagten zu erklären und den Vollzug im Grundbuch zu bewilligen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Rechtsanwalt H. als Zeuge die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Insbesondere wird das angefochtene Urteil insoweit angegriffen, als das Landgericht die Zeugen nicht vernommen hat, die bekunden sollten, daß die Kläger am 11.12.1994 und in der Besprechung in der Kanzlei ihrer jetzigen Prozeßbevollmächtigen davon ausgegangen sei, eine Eigentumsübertragung sei vor dem Notar nicht beurkundet worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und nach den erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt seinerseits sein Vorbringen aus der ersten Instanz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 1.7.1998 (II 17); 20.8.1998 (II 135) und 3.2.1999 (II 179) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin sich bei Abschluß des Übergabevertrages am 25.11.1994 in einem Irrtum über die Reichweite ihrer Willenserklärung befunden hat und damit den Vertrag gem. § 119 BGB anfechten könnte, so daß eine Beweisaufnahme insoweit nicht zu erfolgen hatte. Auch konnte dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin bei Abschluß des Übergabevertrages vor dem Notar geschäftsunfähig gewesen ist, was auch nicht hinreichend unter Beweis gestellt ist - dafür hat sie sich neben der Verwertung des Gutachtens des Freiburger Instituts für Rechtsmedizin vom 7.8.1997, das in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten erstellt wurde - auf ein Sachverständigengutachten berufen und dazu als - bestrittene - Anknüpfungstatsachen angeführt, daß sie ab Sommer 1994 unter eklatanten Ausfallerscheinungen gelitten habe und mit glasigem Blick durch ihr bekannte Personen "hindurchgesehen" und sie nicht erkannt habe. Dies aber wären keine genügenden Anhaltspunkte für die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
1. Dem Kläger stehen aus dem Übergabevertrag deshalb keine Rechte zu, weil dieser wegen Verstoßes gegen § 138 I BGB nichtig ist.
Anerkannt ist, daß ein Vertrag dann wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig sein kann, wenn der eine Vertragspartner eine Vertrauensstellung ausgenutzt hat (vergl. BGH FamRZ 1990, 1343). Allerdings ist im Fall, daß ein Arzt gegen die Verpflichtung zur ärztlichen Behandlung im Krankheitsfall und zur Zahlung einer lebenslänglichen Rente ein Grundstück erworben hat, eine solche Nichtigkeit verneint worden (BGH NJW 1965, 2005). Andererseits hat der Bundesgerichtshof einen Erbvertrag zwischen einem geistig beschränkten Erblasser und seiner älteren Schwester für sittenwidrig angesehen, weil diese die Pflege für das geistige und körperliche Wohl des Erblassers übernommen hatte und ihn unter Ausnutzung dieser Stellung im Bewußtsein, daß er die Tragweite des Vertrages nicht überblicke, veranlaßt hatte, sie in dem Erbvertrag als Erbin einzusetzen (BGH LM Nr. 1 zu § 138 <Bc> BGB).
Wenn danach grundsätzlich ein für den Arzt vorteilhafter Vertragsabschluß mit einem Patienten nicht sittenwidrig ist, so kommen hier doch in so erheblichem Maß weitere Umstände hinzu, daß eine Sittenwidrigkeit zu bejahen ist:
Der Beklagte hat über eine lange Zeit nicht nur die Schwester der Klägerin sondern auch diese ärztlich behandelt und ist bei ihnen mehrmals täglich erschienen; zwischen ihnen bestand ein besonderes Vertrauensverhältnis. Auch als die Schwester der Klägerin nach ihrem Krankheitsbild eigentlich in eine Krankenanstalt hätte eingewiesen werden müssen, verblieb sie, weil sie in der Klinik eine Bluttransfusion befürchtete und diese gegen ihre religiösen Anschauungen verstieß, in der Wohnung. Der Beklagte übernahm die Betreuung in der Wohnung der Klägerin und ihrer Schwester mit in der Regel mehrmaligen Besuchen am Tag und in der Nacht. Allerdings geschah dies nicht uneigennützig; vielmehr rechnete der Beklagte diese Leistungen für den Zeitraum von Mitte 1993 bis zum Tod der Schwester in Höhe von ca. 129.000 DM auch gegenüber der Krankenversicherung der Klägerin und ihrer Schwester ab, wobei er - wie sich unstreitig aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ergibt - auch fingierte Rezepte ausstellte, um bestimmte andere Leistungen bezahlt zu bekommen, für die sonst keine Erstattung durch die Krankenversicherung zu bekommen war.
Der Beklagte hatte zusätzlich - wie er angibt - auch zum Zwecke der besseren Betreuung der Klägerin und ihrer Schwester im Anwesen der Schwestern eine Wohnung angemietet. Auch dieser Umstand belegt das besonders ausgeprägte Vertrauensverhältnis der Parteien, das aufgrund des Arzt-Patienten-Verhältnisses entstand.
Auf diesem Hintergrund gewinnen die Folgen des vom Beklagten aus erbschaftssteuerlichen Gründen der Klägerin nahegebrachten Übertragung des Eigentums am Anwesen auf ihn ein besonderes Gewicht; sie sind in ihrer Gesamtheit für die Klägerin von so nachteiliger Wirkung, daß ein unerträgliches Mißverhältnis zwischen dem vom Beklagten verfolgten Zweck, sich sicher und endgültig das volle Eigentum an den Grundstücken unter Vermeidung höherer Steuern zu verschaffen, und den wirtschaftlich negativen Folgen für die Klägerin vorliegt. Hier fällt zu Lasten des Beklagten erheblich ins Gewicht, daß er aus den Besprechungen mit der Klägerin und Rechtsanwalt H. wußte, daß die Klägerin darauf Wert legte, daß sich nicht nur an ihrem räumlichen Umfeld nichts änderte, sondern daß sie auch weiterhin eine gleichbleibende finanzielle Sicherheit haben wollte, wie sich aus dem Schreiben von Rechtsanwalt H. vom 29.12.1994 (I 77) ergibt. Der Übergabevertrag stellte im Gegensatz zum Testament der Klägerin zugunsten des Beklagten eine endgültige Vermögensverschiebung auf den Beklagten dar; der Aussage des Zeugen H. läßt sich nicht entnehmen, daß sie über diese für sie wesentlichen nachteiligen Folgen belehrt worden ist.
Die Klägerin verliert durch den Übergabevertrag ihre gesamte Miteigentumshälfte am Grundstück in F. und in H. bereits zu Lebzeiten, eine finanzielle Sicherheit aus diesen Vermögenswerten hat sie damit nicht mehr. Die Gegenleistung des Beklagten besteht eigentlich nur in der Übernahme anfallender Reparaturen, und auch diese "Gegenleistung" wird in ihrem Wert dadaurch erheblich vermindert, daß die Reparaturen von ihm auch ohne Übergabevertrag hätten getragen werden müssen, wenn sie nicht vor dem Erbfall durchgeführt worden wären. Die weiteren Verpflichtungen sind im wesentlichen für die Klägerin wertlos. Soweit sich der Beklagte zur honorarfreien ärztlichen Versorgung als Privatarzt verpflichtet hat, kommt dieser Leistung insoweit keine Bedeutung zu, als er weiterhin gegenüber der Krankenversicherung abrechnen wollte, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst eingeräumt hat, und die Beklagte über ihre Krankenversicherung die ärztlichen Leistungen zu vergüten hatte. Damit kommt dieser Erklärung im Übergabevertrag sogar eine irreführende Wirkung zu. Die Zahlung der monatlichen Rente von 2.000 DM ist dadurch nicht einmal "kostenneutral", da die Klägerin nicht mehr die monatliche Miete aus der an den Beklagten vermieteten Wohnung von 1.600 DM und außerdem auch nicht mehr die Miete für die Dachgeschoßwohnung von 1.000 DM pro Monat erhält.
Gegenüber diesen insgesamt für die Klägerin so erheblich nachteiligen Folgen kann das Bestreben des Beklagten, einen Steuervorteil von - wie er annahm - ca. 600.000 DM bei einer steuerlichen Neubewertung des Grundbesitzes zu erzielen, keine Rechtfertigung sein. Ganz erheblich fällt hier auch ins Gewicht, daß sich das Vertrauensverhältnis der Parteien im wesentlichen auf die langjährige Arzt-Patienten-Beziehung begründete, wie der Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat. Insoweit begegnet die Verknüpfung von ärztlicher Tätigkeit mit dem Bestreben, sich endgültig in den Genuß von erheblichen Vermögensvorteilen zu bringen, durchgreifenden Bedenken. Auch wenn weder im ärztlichen Standesrecht noch sonst eine § 14 Abs. 5 HeimG vergleichbare Bestimmung besteht, bedürfen alte und kranke Menschen eines besonderen Schutzes vor der Ausnutzung eines sich aus der Arzt-Patienten-Beziehung entwickelnden Vertrauensverhältnisses.
2. Die Klägerin kann vom Beklagten auch die Räumung und Herausgabe der Wohnung im Erdgeschoß ihres Anwesens (nebst Nebenräumen und Garten) verlangen; dabei kann wiederum dahin gestellt bleiben, ob zwischen den Parteien ein formlos abgeschlossener Mietvertrag besteht - was angesichts des Umstandes, daß der Beklagte die Räume mit Einverständnis der Klägerin und ihrer Schwester auch nach seiner Weigerung, den schriftlichen Mietvertragsentwurf zu unterzeichnen, bewohnt und eine Miete von 1.600 DM monatlich bezahlt hat, naheliegt. Der Klägerin ist angesichts des Umstandes, daß der Beklagte sie unter sittenwidrigen Umständen zum Abschluß des Übergabevertrages gebracht hat und nach der vorliegenden rechtlichen Auseinandersetzung eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht mehr zumutbar; §§ 554 a, 564 b Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Nachdem damit die Berufung der Klägerin vollumfänglich begründet ist, war die Widerklage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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