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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 05.06.2008
Aktenzeichen: 19 U 76/07
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3 a.F.
ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 167
Gegenüber einer verfristet zugestellten Klage kann sich der Versicherungsnehmer nicht darauf berufen, dass er statt Prozesskostenhilfe zu beantragen, zunächst versucht hat Deckungsschutz in einer Rechtsschutzversicherung zu bekommen.
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 76/07

Verkündet am 05. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Berufsunfähigkeitsrente

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Lauven Richter am Oberlandesgericht Dr. Schoppmeyer Richterin am Oberlandesgericht Wahle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 29. Juni 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 29. Juni 2007 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Beklagte meint, der Kläger habe die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG versäumt. Er müsse sich das Verhalten seiner Rechtsschutzversicherer zurechnen lassen. Der vertragliche Leistungsausschluss erfasse die Erkrankung des Klägers, weil sie sich zumindest mittelbar auf eine Erkrankung und Funktionsstörung der Wirbelsäule zurückführen lasse. Das Landgericht habe schließlich gegen § 407a ZPO verstoßen. Eine persönliche Untersuchung des Klägers durch den gerichtlich bestellten Gutachter sei nicht erfolgt.

Die Anschlussberufung sei auch deshalb unbegründet, weil kein Anspruch auf eine Bonusrente bestehe, sondern bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit die Leistungen sich in der Befreiung von der Beitragszahlung erschöpften.

Die Beklagte beantragt,

1) das Urteil des Landgerichts Freiburg abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen;

2) die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1) die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2) auf die Anschlussberufung das Urteil des Landgerichts Freiburg abzuändern und weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger wegen der bei ihm infolge einer psychischen Erkrankung eingetretenen Berufsunfähigkeit eine Bonusrente in der hierfür vereinbarten Höhe aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen Nr. 24-582121-01 und -02 seit 30.03.2003 zu gewähren, fürsorglich festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen der bei ihm infolge einer psychischen Erkrankung eingetreten Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen Nr. 24-582121-01 und -02 zu gewähren.

Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG sei gewahrt, weil der Kläger versucht habe, die Staatskasse zu schonen. Der Kläger habe auch nicht gleich Prozesskostenhilfe beantragen können, weil eine Rechtsschutzdeckung in Aussicht stand. Der Kläger habe alles veranlasst, um eine möglichst zügige Deckungszusage zu erhalten. Die Beklagte habe die Kausalität zwischen der Vorerkrankung und dem Versicherungsfall nicht bewiesen. Das Gutachten könne ohne weiteres verwertet werden. Die Versicherungsbedingungen könnten nach dem objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass die Beklagte eine zusätzliche Bonusrente für die Zeit der Leistung schulde.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet, die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

1) Der Kläger kann keinen Versicherungsanspruch geltend machen, weil die Beklagte von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Der Kläger hat die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG versäumt.

a) § 12 Abs. 3 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung ist im Streitfall weiterhin anzuwenden. Es handelt sich um einen Altvertrag im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EGVVG, so dass auf den Versicherungsfall nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG das bisherige Recht anzuwenden ist.

b) Die Beklagte hat die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG mit Schreiben vom 8. März 2005 in Gang gesetzt (AH Bekl. 1). Das Schreiben ging dem Kläger unstreitig am 12. März 2005 zu (vgl. auch AH Bekl. 3). Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG endete damit am 12. September 2005. Die Klageschrift ging zwar am 8. September 2005 beim Landgericht ein. Die Zustellung an die Beklagte erfolgte aber erst am 14. Dezember 2005 zusammen mit der Ladung zum frühen ersten Termin (AS I, 49).

Diese Zustellung erfolgte nicht demnächst im Sinne des § 167 ZPO. Vielmehr ist die Verzögerung auf Versäumnisse zurückzuführen, die dem Kläger zuzurechnen sind. Der Kläger reichte seine Klage ohne Prozesskostenhilfegesuch und ohne Gerichtskostenvorschuss ein. Das Landgericht forderte mit Verfügung vom 15. September 2005 einen entsprechenden Kostenvorschuss an. Die Verfügung ging dem Klägervertreter nach seinen Angaben (AS I, 297) am 19. September 2005 zu. Der Kläger zahlte den angeforderten Kostenvorschuss nicht. Mit Schriftsatz vom 4. November 2005 beantragte der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren; der Schriftsatz ging am gleichen Tag beim Gericht ein (AS I, 13). Die Erklärung über die persönlichen Verhältnisse reichte der Kläger am 11. Nov. 2005 nach (AS I, 21). Zwischen der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses und dem Prozesskostenhilfegesuch des Klägers liegen damit über sechs Wochen, bezogen auf das vollständige Prozesskostenhilfegesuch gar über sieben Wochen. Diese Verzögerung geht nicht auf ein Verhalten des Gerichts zurück und überschreitet den Zeitrahmen erheblich, der dem Kläger üblicherweise für die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses nach entsprechender Aufforderung zuzubilligen ist (vgl. Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 12 Rn. 60 m.w.N.). Damit ist die Zustellung der Klage am 14. Dezember 2005 nicht mehr demnächst erfolgt.

c) Die Fristversäumnis ist nicht entschuldigt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er zunächst bei zwei Rechtsschutzversicherungen um Versicherungsschutz nachgesucht hat und Prozesskostenhilfe erst beantragt hat, nachdem beide Rechtsschutzversicherungen die Deckung verweigert haben.

aa) Der Kläger kann sich schon grundsätzlich nicht darauf berufen, dass er zunächst bei seinen Rechtsschutzversicherungen Versicherungsschutz erbeten hat. Der Kläger hat alles ihm Zumutbare zu tun, um eine alsbaldige Zustellung der Klage zu ermöglichen.

Diese Anforderungen hängen nicht davon ab, ob der Kläger einen Rechtsschutzversicherer einschaltet oder nicht (BGH, VersR 1968, 1062; OLG Hamm, RuS 2004, 445; OLG München, VersR 2000, 1530; OLG Frankfurt/M., VersR 2002, 599). Den Kläger entlastet daher weder das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung noch deren Verhalten. Erst recht kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz versagt haben.

bb) Der Kläger hat sich aber auch weder rechtzeitig bei seinen Rechtsschutzversicherungen erkundigt noch im übrigen dafür Sorge getragen, dass die Klage demnächst zugestellt wird.

Obwohl dem Kläger die Klagefrist seit März 2005 bekannt war, hat er erst mit Schreiben vom 25. August 2005 Rechtsschutz bei der Roland-Versicherung beantragt. Nachdem die Roland-Versicherung mit Schreiben vom 7. Oktober 2005 - dem Kläger zugegangen am 11. Oktober 2005 - Rechtsschutz für das streitgegenständliche Verfahren versagte (AH Kl. 79), beantragte der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 Rechtsschutz bei der DEVK. Diese lehnte den Antrag mit Schreiben vom 28. Okt. 2005 (AH Kl. 77) ab. Das Schreiben ging dem Klägervertreter am 2. Nov. 2005 zu (AS I, 299). Dabei war insbesondere die Ablehnung des Rechtsschutzes durch die DEVK vorhersehbar, weil die Versicherung zum 1. Januar 2001 bereits beendet worden und Versicherungsschutz daher nach § 4 Abs. 3 b) ARB 94 offensichtlich ausgeschlossen war.

Danach hätte der Kläger die Gerichtskosten notfalls selbst einzahlen müssen. Sofern er dazu nicht in der Lage war, hätte er von Anfang an Prozesskostenhilfe beantragen und dabei darauf hinweisen müssen, dass er rechtsschutzversichert sei, der Versicherungsschutz aber noch nicht geklärt sei, insbesondere die Versicherungen bislang keine Deckung zugesagt hätten (vgl. zu einer entsprechenden Konstellation BGH, VersR 2006, 1356). Eine Partei, die die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im übrigen erfüllt, ist solange bedürftig, bis eine Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage erteilt (BGH, NJW 1991, 109). Ein solcher Prozesskostenhilfeantrag hätte jedenfalls die Klagefrist gewahrt. Zumindest hätte der Kläger gemäß § 14 Nr. 3 GKG eine sofortige Zustellung der Klage ohne Zahlung des Kostenvorschusses beantragen müssen.

d) Das Schreiben des Klägervertreters vom 26. August 2005 (AH Kl. 105) ist nicht geeignet, eine erneute Klagefrist in Gang zu setzen. Der Kläger bittet darin "höflichst um Nachuntersuchung der Angelegenheit, da sich eine psychologische Komponente mit eingestellt hat". Die Beklagte hat in ihrem Antwortschreiben vom 5. September 2005 (AH Bekl.) eine solche Untersuchung abgelehnt und hierzu auf ihr Schreiben vom 8. März 2005 verwiesen, mit welchen sie Ansprüche endgültig abgelehnt habe. Abschließend hat die Beklagte ausdrücklich mitgeteilt, dass sie eine Verlängerung der Klagefrist ablehne.

2) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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