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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 19 U 89/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 87 b
BGB § 315
1. § 87 b HGB stellt auf die zum Zeitpunkt des jeweiligen Geschäfts übliche Provision ab. Ist nur die übliche Provision nach § 87 b Abs. 1 HGB geschuldet, kann der Provisionssatz je nach dem Zeitpunkt des vermittelten Geschäfts schwanken.

2. Nach dem IATA-Mustervertrag steht den Fluggesellschaften zur Provisionshöhe gegenüber den Reisebüros ein Bestimmungsrecht zu.


Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 89/07

Verkündet am 21. Februar 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Lauven Richterin am Oberlandesgericht Wahle Richter am Oberlandesgericht Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 11. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

2. Soweit die Klägerin die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 11. Juli 2007 zurückgenommen hat, wird sie des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Auszahlung von Provisionen.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 11. Juli 2007 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Gegen dieses Urteil hat die Klägerin (ein Reisebüro) Berufung eingelegt, mit der sie die von ihr behaupteten Provisionsansprüche gegen die ehemalige S. (eine Fluggesellschaft) weiterverfolgt.

Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe überraschend angenommen, dass eine Änderung der Provisionshöhe stillschweigend vereinbart worden sei. Dies treffe nicht zu, weil die Buchung ausschließlich über Computer erfolge. Auf die Programme habe die Klägerin keinen Einfluss. Insbesondere könne sie den in der Eingabemaske vorgegebenen Provisionssatz nicht verändern. Änderungen in einem Vertragsverhältnis bedürften einer Kündigung. Eine solche Erklärung habe die Beklagte nicht abgegeben.

Eine Provision von 9% sei für die Vermittlung von Flugreisen seit den achtziger Jahren üblich gewesen. Sämtliche Fluggesellschaften hätten diesen Provisionssatz gezahlt. Daher habe sich auch die Beklagte darauf berufen, die Provisionen durch Kündigungserklärung vom 1. Juli 2000 von 9% auf 7% bzw. 5% reduziert zu haben.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 11. Juli 2007 die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin 7.424,23 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten aus

aus 83,96 € seit 01.03.2001,

aus weiteren 67,16 € seit 01.03.2002,

aus weiteren 1.778,31 € seit 01.03.2003,

aus weiteren 4.348,56 € seit 01.03.2004 und

aus weiteren 1.207,68 € seit 01.03.2005

zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Es handele sich um keine Überraschungsentscheidung. Das Landgericht nehme zutreffend an, dass der Buchungsvorgang selbst jeweils die Annahmeerklärung durch die Klägerin enthalte, das Geschäft zu dem in der Maske angegebenen Provisionssatz zu vermitteln. Außerdem sei die Behauptung der Klägerin unglaubwürdig, die Absenkung der Provisionssätze nicht bemerkt zu haben. Eine Vereinbarung über die Höhe der Provisionssätze bestehe nicht. Im Jahr 2000 seien lediglich die üblichen Provisionssätze abgesenkt worden.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1) Ein Zahlungsanspruch besteht nicht.

a) Der Zahlungsantrag ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin gibt zwar nicht an, für welche einzelnen Geschäfte sie Provision verlangt, sondern stützt sich auf einen Jahresbetrag für die in einem jeweiligen Kalenderjahr vermittelten Geschäfte. Dies genügt im Streitfall aber für die Bestimmtheit des Klageantrags, weil die Klägerin behauptet, dies betreffe sämtliche von ihr vermittelten Geschäfte in den jeweiligen Kalenderjahren.

b) Die Zahlungsklage ist aber unbegründet.

aa) Es kann unterstellt werden, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Handelsvertretervertrag bestand. Dabei kann weiterhin unterstellt werden, dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Provisionszahlungen für von ihr vermittelte Flugreisen hat.

bb) Die Klägerin hat aber keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Provision in Höhe von 9% für sämtliche in den Jahren 2000 bis 2004 vermittelten Flugreisen der Beklagten.

(1) Eine (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung über die Provisionshöhe zwischen den Parteien besteht nicht.

Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass eine bestimmte Provisionshöhe zwischen den Parteien rechtsgeschäftlich vereinbart worden sei. Die in erster Instanz einmal aufgestellte Behauptung, es gebe eine schriftliche Provisionsvereinbarung zwischen den Parteien, hält die Klägerin nicht mehr aufrecht. Auf den Hinweis zur mündlichen Verhandlung, wonach eine Vereinbarung eines Provisionssatzes nicht schlüssig dargetan sei, hat die Klägerin keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die Provisionshöhe dargelegt.

Ebensowenig hat die Klägerin die Voraussetzungen für eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien dargetan, dass für die vermittelten Flugreisen auf Dauer eine Provision von 9% gezahlt werde. Die Klägerin hat lediglich behauptet, dass sämtliche Fluggesellschaften ursprünglich Provisionen in Höhe von 9% gezahlt haben. Auf den Hinweis zur mündlichen Verhandlung, wonach eine Vereinbarung eines Provisionssatzes nicht schlüssig dargetan sei, hat die Klägerin sich darauf berufen, dass der Provisionssatz von 9% in der Vergangenheit der üblichen Provisionshöhe entsprochen habe und demgemäß als vereinbart anzusehen sei (§ 87b Abs. 1 HGB). Dass in der Vergangenheit bis zum Jahr 2000 von allen Fluggesellschaften ein Provisionssatz von 9% bezahlt worden ist, ist zwischen den Parteien - wie die Klägerin richtig aufzeigt - unstreitig. Dies allein genügt aber nicht, um eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien zu begründen, dass die Beklagte der Klägerin immer eine Provision in Höhe von 9% für sämtliche vermittelten Flugreisen schulde. Dagegen spricht zum einen, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einem direkten Kontakt zwischen den Parteien gekommen ist. Die Abrechnungen erfolgten ausschließlich über die IATA, die dabei die von der Beklagten gewährten Provisionssätze zugrunde legte. Die Klägerin hatte nach ihrem eigenen Vortrag keinerlei Einfluss auf die Höhe der Provisionen. Es war insbesondere nicht möglich, die in den Buchungsmasken ausgewiesenen Provisionssätze zu ändern. Zum anderen genügt die Tatsache allein, dass über längere Zeit die allgemein übliche Provision gezahlt wird, nicht für eine konkludente Vereinbarung. Vielmehr muss in einem solchen Fall auch hinzukommen, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont aufgrund eines über die bloße Zahlung hinausgehenden, konkreten Verhaltens der Parteien in der Vergangenheit davon auszugehen ist, dass diese Provisionshöhe für solche Geschäfte auch in der Zukunft beibehalten werden soll (v. Hoyningen-Huene, in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 87b Rn. 4). Solche Umstände zeigt die Klägerin nicht auf. Hierzu genügt es nicht, dass die Beklagte eine Änderungskündigung versandt haben will, wonach zum 1. Juli 2000 die Provision von 9% auf 5% reduziert würde, zumal hierzu von den Parteien nichts näher vorgetragen wird.

(2) Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf § 87b Abs. 1 HGB stützen. Dass in den Jahren 2000 bis 2004 eine Provision in Höhe von 9% für die Vermittlung von Flugreisen üblich war, hat die Klägerin nicht dargetan.

§ 87b Abs. 1 HGB gewährt einen Anspruch auf Zahlung der für das jeweilige Geschäft zum jeweiligen Zeitpunkt üblichen Provision. Maßgebend ist der Satz, der an dem Ort gilt, wo der Handelsvertreter sein Gewerbe betreibt (Brüggemann, in: Staub, HGB 4. Aufl., § 87b Rn. 4; Löwisch, in: Ebenroth/Boujong, HGB 2. Aufl., § 87b Rn. 13). Ausschlaggebend ist dabei aber nicht die bei Abschluss des Handelsvertretervertrags übliche Provision. § 87b Abs. 1 HGB stellt vielmehr auf die zum Zeitpunkt des jeweiligen Geschäfts übliche Provision ab. Ist nur die übliche Provision nach § 87b Abs. 1 HGB geschuldet, kann der Provisionssatz daher je nach dem Zeitpunkt des vermittelten Geschäfts schwanken.

Da zwischen den Parteien aber unstreitig ist, dass um die Jahreswende 1999/2000 und im Laufe des Jahres 2000 fast alle Fluggesellschaften dazu übergingen, die gezahlten Provisionssätze erheblich abzusenken, und hierzu im Regelfall sogar Kündigungserklärungen versandt haben, steht der Klägerin ab diesem Zeitraum nur noch der sodann übliche Provisionssatz zu (§ 87b Abs. 1 HGB, vgl. v. Hoyningen-Huene, in MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 87b Rn. 4, 9f.; Löwisch, aaO. Rn. 11, 13). Dass für die Zeit nach 2000 der übliche Provisionssatz weiterhin 9% betrug, hat die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet. Auf den Hinweis des Senats zur mündlichen Verhandlung hat sie ausgeführt "Vorsorglich trage ich nochmals vor, dass Provisionen von 9% für die Handelsvertreterverträge üblich waren, die nicht von den Fluggesellschaften mittels Änderungskündigung reduziert wurden" (Schriftsatz v. 31. Jan. 2008, S. 3, AS II, 141; Hervorhebung durch den Senat) und sich zum Beweis auf ein Sachverständigengutachten berufen. Es ist schon zweifelhaft, ob damit auch behauptet wird, dass nach den Gepflogenheiten des Geschäftszweigs am Ort der Niederlassung der Klägerin auch in den Jahren 2000 bis 2004 Provisionssätze in Höhe von 9% im Sinne des § 87b Abs. 1 HGB üblich waren. Jedenfalls setzt sich die Klägerin damit in Widerspruch zu den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, wonach ab der Jahreswende 1999/2000 fast alle Fluggesellschaften dazu übergegangen sind, die gezahlten Provisionen erheblich abzusenken. Im übrigen widerspricht dies auch dem bisherigen Vortrag der Klägerin. Sie hat mehrere Fluggesellschaften mit der gleichen Begründung für den entsprechenden Zeitraum in Anspruch genommen, die allesamt ihre Provisionssätze abgesenkt haben. In erster Instanz hat sie ursprünglich eine (schriftliche) Vereinbarung eines Provisionssatzes behauptet und sich dann darauf zurückgezogen, dass ihr eine Kündigung der Beklagten nicht zugegangen sei. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass sämtliche großen Fluggesellschaften im Jahr 2000 ihre Provisionssätze abgesenkt hätten. Die Beklagte hat weiterhin dezidiert behauptet, die üblichen Provisionssätze seien abgesenkt worden. Die von ihr ab 2000 gezahlten Provisionen hätten in Europa dem Marktstandard entsprochen. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

cc) Selbst wenn man der langjährigen Praxis zwischen den Parteien eine stillschweigende Abrede über eine Provision von 9% entnehmen sollte, bestünde im Streitfall jedenfalls ein einseitiges Bestimmungsrecht der Beklagten gemäß § 315 BGB über die Höhe der geschuldeten Provision.

Ein solches Bestimmungsrecht kann auch konkludent vereinbart werden (v. Hoyningen-Huene, in MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 87b Rn. 5). Dies ist hier der Fall. Es haben zu keinem Zeitpunkt Verhandlungen zwischen den Parteien über die Höhe der Provisionssätze stattgefunden. Nach der übereinstimmend wiedergegebenen Praxis wird der Provisionssatz von der Fluggesellschaft vorgegeben. Irgend einen Einfluss auf die Höhe der Provisionssätze hat das Reisebüro nicht. Dies ist nicht erst seit dem Jahr 2000 der Fall, sondern nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien schon immer so gewesen. Nicht zuletzt spricht für ein solches Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten der von der Klägerin vorgelegte IATA-Mustervertrag (AS II, 95ff.), der in Ziff. 9 für die Vergütung beim Verkauf von Flugtickets Zahlungen in Höhe des Betrags festsetzt, wie er von der Fluggesellschaft von Zeit zu Zeit festgelegt und dem Agenten mitgeteilt wird. Die Klägerin behauptet aber selbst, dass ihre Rechtsbeziehungen zur Beklagten "auf den Bestimmungen des IATA-Vertrags basieren" (Schriftsatz v. 12. Nov. 2007, S. 4, AS II, 89).

Das Leistungsbestimmungsrecht des § 315 BGB kann formlos ausgeübt werden. Auch der IATA-Mustervertrag sieht für Änderungen des Provisionssatzes keine Schriftform vor. Ziff. 16 des IATA-Mustervertrags ist auf eine Änderung der Provisionshöhe nicht anwendbar. Die Bestimmung erfasst nur solche Mitteilungen, die schriftlich erfolgen müssen. Dies wird von Ziff. 9 des IATA-Mustervertrags für Änderungen der Provisionshöhe aber nicht verlangt. Unter den Umständen des Streitfalles genügt es daher, wenn die Beklagte den von ihr gewährten Provisionssatz in der Bestellmaske wiedergibt.

Dass die Bestimmung der Höhe der Provision unbillig ist, hat die Klägerin nicht dargelegt.

c) Auf die Frage der Kündigung kommt es danach nicht mehr an.

2) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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