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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.03.2008
Aktenzeichen: 19 W 4/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494 a Abs. 2
1. § 494a Abs. 2 ZPO knüpft die Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entscheidend daran an, ob der Antragsteller der Anordnung zur Klageerhebung bis zur erstmaligen Entscheidung über die Kosten nachgekommen ist. § 494a Abs. 2 ZPO spricht unter diesen Voraussetzungen eine für das Gericht bindende Rechtsfolge aus, die keinem Ermessen unterliegt.

2. Allein die Absicht, die im selbständigen Beweisverfahren erhobenen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, steht einer Kostenentscheidung aus § 494a Abs. 2 ZPO nicht entgegen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Beschluss

Geschäftsnummer: 19 W 4/08

07. März 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Beweissicherung

Tenor:

1) Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Antragstellerin hat die der Antragsgegnerin Ziff. 3 entstandenen Kosten zu tragen.

b) Der Antrag der Antragsgegnerin Ziff. 1, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

2) Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

3) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens

4) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5) Der Gegenstandswert wird auf 2.304,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegner Ziff. 1 bis 3 eingeleitet. Nach Abschluss der Beweiserhebung beantragte die Antragsgegnerin Ziff. 3 mit Schriftsatz vom 28. Mai 2003, der Antragstellerin gemäß § 494a ZPO eine Frist zur Klageerhebung zu setzen. Gleichzeitig beantragte sie, der Antragstellerin die Kosten der Antragsgegnerin Ziff. 3 aufzuerlegen, falls diese der Frist zur Klageerhebung nicht nachkommt. Mit Beschluss vom 30. Juni 2003 setzte das Landgericht der Antragstellerin Frist zur Klageerhebung gegenüber der Antragsgegnerin Ziff. 3 bis zum 1. Sept. 2003; das Landgericht verlängerte diese Frist bis zum 1. Dezember 2003. Eine Entscheidung über den Kostenantrag der Antragsgegnerin Ziff. 3 erging zunächst nicht.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2007 beantragte die Antragsgegnerin Ziff. 1, der Antragstellerin eine Frist zur Klageerhebung zu setzen. Das Landgericht setzte eine entsprechende Frist bis zum 15. August 2007, die auf Antrag der Antragstellerin bis zum 15. Oktober 2007 verlängert wurde. Einen weiteren Fristverlängerungsantrag wies das Landgericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2007 zurück. Mit Schriftsatz vom 9. November 2007 beantragte die Antragsgegnerin Ziff. 1, eine Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO zu treffen. Mit Schreiben vom 22. November 2007 erinnerte die Antragsgegnerin Ziff. 3 an ihren Antrag vom 28. Mai 2003. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 entschied das Landgericht, dass die Antragstellerin die den Antragsgegnerinnen Ziff. 1 und 3 entstandenen Kosten zu tragen habe. Der Beschluss hat das Landgericht ausweislich des Abgangsvermerks der Geschäftsstelle am 3. Januar 2008 verlassen.

Die Antragstellerin reichte am 28. Dezember 2007 einen Mahnbescheidsantrag gegen die Antragsgegnerin Ziff. 1 ein, mit dem sie Schadensersatzansprüche infolge fehlender Bedenkenanmeldung verfolgte. Der Mahnbescheid wurde der Antragsgegnerin Ziff. 1 am 16. Januar 2008 zugestellt und nach Widerspruch der Antragsgegnerin an das Landgericht Freiburg abgegeben; die Antragstellerin hat ihre Ansprüche mit Schriftsatz vom 5. März 2008 begründet.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen ihre Kostentragungspflicht. Es komme nicht darauf an, ob die Klage erst nach Ablauf der gemäß § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist erhoben worden sei. Es genüge, dass die Klage erhoben werde, bevor der Beschluss über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens rechtskräftig geworden sei. Im Verhältnis zur Antragsgegnerin Ziff. 1 seien die im selbständigen Beweisverfahren erhobenen Ansprüche inzwischen aufgrund des Mahnbescheids und der Anspruchsbegründung rechtshängig. Die Antragsgegnerin Ziff. 3 habe ihre Ansprüche auf Restwerklohn mit Mahnbescheid vom 27. April 2007 geltend gemacht. Hiergegen habe sie innerhalb der laufenden Klageerwiderungsfrist ihre Gegenansprüche eingewendet und hilfsweise zur Aufrechnung gestellt. Dies stehe einer Klageerhebung gleich. Im übrigen habe das Landgericht gegen die Antragsgegnerin Ziff. 3 keine Frist zur Klageerhebung gesetzt.

Die Antragsgegnerinnen Ziff. 1 und 3 verteidigen den angefochtenen Beschluss des Landgerichts. Die Antragstellerin habe die ihr gesetzten Fristen zur Klageerhebung verstreichen lassen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nur gegenüber der Antragsgegnerin Ziff. 1 begründet.

1) Die Antragstellerin hat die der Antragsgegnerin Ziff. 3 im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten zu tragen, weil sie bis zur Entscheidung des Landgerichts trotz der ihr gesetzten Frist keine Klage erhoben hat (§ 494a Abs. 2 ZPO).

a) Eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO ist dann berechtigt, wenn zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zwischen den Parteien die Hauptsacheklage noch nicht rechtshängig ist (BGH, NJW 2007, 3357; NZBau 2007, 780; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 427). Eine Klageerhebung nach Erlass der Kostengrundentscheidung ändert daran nichts mehr. Entsprechendes gilt für andere, einer Klageerhebung gleichstehende Schritt zur Rechtsverfolgung. § 494a Abs. 2 ZPO knüpft die Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entscheidend daran an, ob der Antragsteller der Anordnung zur Klageerhebung bis zur erstmaligen Entscheidung über die Kosten nachgekommen ist. § 494a Abs. 2 ZPO spricht unter diesen Voraussetzungen eine für das Gericht bindende Rechtsfolge aus, die keinem Ermessen unterliegt. Mit der Beschwerde kann lediglich überprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 494a Abs. 2 ZPO zum Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vorgelegen haben.

Die von der Antragstellerin herangezogene Entscheidung BGH, NZBau 2007, 780 ist nicht einschlägig. Die Entscheidung betrifft eine Kostenentscheidung bei mehreren Antragstellern; im vorliegenden Fall gibt es jedoch nur eine einzige Antragstellerin. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Klageerhebung bezieht sich der BGH in dieser Entscheidung auf den Beschluss des BGH vom 28. Juni 2007 (VII ZB 118/06, NJW 2007, 3357) und bestätigt noch einmal, dass es darauf ankommt, ob die Klage erhoben wurde, bevor das Landgericht über den Kostenantrag gemäß § 494a Abs. 2 ZPO entschieden hat.

b) Das Landgericht hat der Antragstellerin schon mit Beschluss vom 30. Juni 2003 eine Frist zur Klageerhebung gegenüber der Antragsgegnerin Ziff. 3 bis zum 1. September 2003 gesetzt, die auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Abhilfebeschluss des Landgerichts vom 5. August 2003 bis zum 1. Dezember 2003 verlängert wurde. Hierauf hat das Landgericht die Antragstellerin im Nichtabhilfebeschluss vom 4. Februar 2008 nochmals hingewiesen.

Hinsichtlich der Antragsgegnerin Ziff. 3 hat die Antragstellerin ihre Ansprüche bislang nicht durch Klageerhebung geltend gemacht. Zwar kann es auch ausreichen, die Ansprüche durch Aufrechnung geltend zu machen (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1688). Dies sperrt eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO aber nur, wenn und solange im Werklohnprozess ein Gewährleistungsanspruch zur Aufrechnung gestellt ist (BGH, aaO.). Zum Zeitpunkt der Kostenentscheidung durch das Landgericht am 21. Dezember 2007 fehlte es aber an diesen Voraussetzungen. Wie das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 4. Februar 2008 zutreffend ausführt, lag eine Klageerwiderung im Prozess über den Restwerklohn auch zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Allein die Absicht, die im selbständigen Beweisverfahren erhobenen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, steht einer Kostenentscheidung aus § 494a Abs. 2 ZPO nicht entgegen.

Die Klageerwiderung vom 15. Februar 2008, mit der die Antragstellerin Ansprüche aufgrund der im selbständigen Beweisverfahren behaupteten Mängel lediglich hilfsweise zur Aufrechnung stellt, ist hingegen nicht mehr zu berücksichtigen. Die darin enthaltene Hilfsaufrechnung ist erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bereits getroffen war. Im übrigen genügt eine lediglich hilfsweise Aufrechnung nicht, um die Lücke zu schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens aufgrund der für ihn ungünstigen Ergebnisse der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Vielmehr ist unter diesen Umständen nach wie vor unklar, ob überhaupt eine Entscheidung über die im selbständigen Beweisverfahren erhobenen Mängel ergehen wird. Die Ratio der Entscheidung des BGH (NJW-RR 2005, 1680) trifft daher auf eine bloß hilfsweise Aufrechnung nicht zu.

2) Der Antrag der Antragsgegnerin Ziff. 1 ist hingegen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO unbegründet gewesen.

a) Entscheidend ist die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts. Hier hat das Landgericht am 21. Dezember 2007 entschieden, dass die Antragstellerin die Kosten der Antragsgegnerin zu tragen hat. Allerdings kommt es insoweit nicht auf das Datum an, unter dem der Beschluss des Landgerichts erlassen worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem der Beschluss das Landgericht verlassen hat (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 427). Dies war nach dem Abgangsvermerk der Geschäftsstelle des Landgerichts der 3. Januar 2008. Ob das Landgericht die objektive Sachlage zu diesem Zeitpunkt hätte berücksichtigen können, ist für die Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO ohne Belang.

b) Am 3. Januar 2008 hatte die Antragstellerin objektiv auch wegen der im selbständigen Beweisverfahren verfolgten Ansprüche Klage erhoben bzw. gleichgestellte Maßnahmen ergriffen. Zu diesem Zeitpunkt war der Mahnbescheidsantrag bereits bei Gericht eingegangen. Er ist unstreitig am 16. Januar 2008 der Antragsgegnerin Ziff. 1 zugestellt worden. Dies ist alsbald im Sinne des § 167 ZPO, so dass die Zustellung auf den 28. Dezember 2008 zurückwirkt (Eingang des Mahnbescheids beim AG Stuttgart). Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 6. März 2008 dargelegt, dass sie mit dem Mahnbescheid Ansprüche gegen die Antragsgegnerin Ziff. 1 verfolgt, die auch Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren. Dies folgt nicht zuletzt aus der Anspruchsbegründung vom 5. März 2008. Die Geltendmachung der Ansprüche durch Mahnbescheid steht der Klageerhebung im Sinne des § 494a Abs. 2 ZPO gleich (OLG Schleswig, Beschl. v. 9. März 2006, 116 W 25/06, IBR 2006, 308).

3) Die Kostenentscheidung gegenüber der Antragsgegnerin Ziff. 3 folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Im Verhältnis zur Antragsgegnerin Ziff. 1 folgt die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 2 ZPO, weil die Antragstellerin die ihr gesetzte Frist zur Klageerhebung hat verstreichen lassen und sie bei ordnungsgemäßem Vorgehen in der Lage gewesen wäre, die zur Abweisung des Antrags führenden Tatsachen so früh herbeizuführen, dass das Landgericht sie bei seiner Entscheidung noch hätte berücksichtigen können. Der Gegenstandswert richtet sich nach der Höhe der den Antragsgegnerinnen Ziff. 1 und 3 entstandenen Kosten. Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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