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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 19 W 62/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4
Hat eine Partei das nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Vergleich Erworbene zur Bezahlung fälliger Schulden verbraucht, so hat die Zahlung der Prozesskosten nicht Vorrang vor der Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten.
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Beschluss

Geschäftsnummer: 19 W 62/05

13. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts vom 09.11.2005 aufgehoben.

Gründe:

Das Landgericht hat dem Kläger für seine Werklohnklage über 9.844,47 € mit Beschluss vom 06.06.2005 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt. Im Vergleichswege haben sich die Parteien auf einen von der Beklagten zu zahlenden Betrag von 6.000 € geeinigt. Mit Verfügung vom 28.10.2005 hat die Rechtspflegerin den Kläger darauf hingewiesen, dass mit dem zu erwartenden Vergleichsbetrag die entstandenen Prozesskosten beglichen werden könnten, woraufhin der Kläger mitgeteilt hat, dass er den Betrag bereits erhalten und umgehend zur Schuldentilgung verwendet habe, um eine angedrohte Kreditkündigung und Insolvenzanmeldung zu verhindern. Mit Beschluss vom 09.11.2005 hat die Rechtspflegerin den Prozesskostenhilfebeschluss dahin abgeändert, dass die entstandenen Prozesskosten von 1.844,97 € vom Kläger in einem Betrag an die Staatskasse zu erstatten seien, weil der vergleichsbedingte Vermögenserwerb wesentlich i.S.d. § 120 Abs. ZPO sei. Der gegen diesen Beschluss gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen.

Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige (§§ 569 Abs. 1 u. 2; 127 Abs. 3 S. 3 ZPO) sofortige Beschwerde ist begründet.

Nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO kann das Gericht seine Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dies gilt insbesondere im Falle einer Verbesserung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der hilfsbedürftigen Partei, sei es durch Erhöhung ihres Einkommens, durch Vermögenserwerb oder aber vollständige oder teilweise Realisierung der streitgegenständlichen Forderung aufgrund Urteils oder Vergleichs (Bork in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 120 Rdn. 17 u. Fußn. 51). Wann eine Änderung der Verhältnisse als wesentlich anzusehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird vertreten, dass eine Verbesserung nur dann wesentlich ist, wenn sie den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert (so etwa Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl., § 120 Rdn. 21 mit RsprNachw.). Anderer Ansicht nach ist darauf abzustellen, ob sich die für die Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse nicht nur geringfügig und vorübergehend, sondern so nachhaltig geändert haben, dass sich die ursprüngliche Festsetzung als falsch und mit dem Sinn und Zweck einer Fürsorgeleistung unvereinbar erweist (so etwa Bork, a.a.O. Rdn. 19). Weiter wird vertreten, dass eine wesentliche Änderung zu bejahen sei, wenn sich die Einkommens- und Vermögenssituation um mindestens (so Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdn. 391) bzw. mehr (so Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe 2. Aufl., Rdn. 547) als 10% verändert hat. Nach Ansicht u.a. des OLG Celle (OLGR 2000, 335 = MDR 2001, 230, ihm folgend vorliegend das Landgericht, ebenso Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Rdn. 391) soll bei einem Vermögenserwerb die Wesentlichkeit jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn das erworbene Vermögen nennenswert bzw. deutlich über dem Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII liegt.

Bei dem vom Kläger durch den Vergleichsabschluss einmalig erzielten Betrag gelangt man nur im Anschluss an die zuletzt wiedergegebene Ansicht zum Ergebnis einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.d. § 120 Abs. 4 ZPO, dies aber auch nur, wenn unberücksichtigt bleibt, dass der Kläger nach seinem Vorbringen den Betrag gezwungenermaßen vollständig zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten verwendet hat, was in Anbetracht deren Höhe auch durchaus glaubhaft erscheint und vom Landgericht auch nicht angezweifelt worden ist. Hat aber eine Partei das nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erworbene zur Bezahlung fälliger Schulden verbraucht, so hat richtiger Ansicht nach die Zahlung der Prozesskosten nicht Vorrang vor der Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten (Zöller/Phlippi, a.a. § 120 Rdn. 25; KGR Berlin 2000, 251; OLG Bamberg FamRZ 95, 374; vgl. auch Karlsruhe FamRZ 2000, 1585); denn solange das Aktivvermögen einer Partei nicht höher ist als ihre fälligen Schulden, verbessern sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse trotz des Vermögenserwerbs nicht wesentlich (Zöller/Philippi, a.a.O.; KGR a.a.O.). Dies gilt vorliegend zweifellos für den Kläger, und das aufgrund des Vergleichs erlangte Vermögen zur Zahlung der Prozesskosten zu verwenden, erscheint unter den gegebenen Umständen dem Kläger auch nicht zumutbar.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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