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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 19 Wx 35/07
Rechtsgebiete: FGG, GG


Vorschriften:

FGG § 20
FGG § 57
FGG § 69 g Abs. 1
GG Art. 2
GG Art. 3
GG Art. 6 Abs. 1
Der Lebensgefährtin eines Betroffenen steht kein eigenes Beschwerderecht zu. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen nicht.
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Beschluss

Geschäftsnummer: 19 Wx 35/07

04. September 2007

Tenor:

1) Die weitere Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse des Landgerichts Konstanz vom 29. Mai 2007 (62 T 76/07 und 62 T 78/07) werden zurückgewiesen.

2) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen zwei durch das Landgericht Konstanz bestätigte Beschlüsse des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen mit der Behauptung, ihr stehe ein Beschwerderecht als Lebensgefährtin des Betroffenen zu. Mit Beschluss vom 23.03.2007 ordnete das Amtsgericht Villingen-Schwenningen - Vormundschaftsgericht - eine vorläufige Betreuung für den Betroffenen für die Aufgabenkreise Besorgung aller Vermögensangelegenheiten (einschließlich Wohnungsangelegenheiten), Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge an und bestellte eine Betreuerin (AS 13 ff.). Mit Beschluss vom 30.04.2007 wurde - gleichfalls im Wege der einstweiligen Anordnung auf Antrag der Betreuerin - ein vorläufiger Einwilligungsvorbehalt angeordnet (AS 47 f.).

Unter dem 14.05.2007 (AS 101 f.) erhob die Beschwerdeführerin als Lebensgefährtin des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuungsanordnung und sofortige Beschwerde gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts. Diese verwarf das Landgericht Konstanz mit Beschlüssen vom 29. Mai 2007 (62 T 78/07 B - einstweilige Betreuung, AS 161 ff, und 62 T 76/07 - vorläufiger Einwilligungsvorbehalt, AS 155 ff.) als unzulässig, da der der Beschwerdeführerin ein Beschwerderecht nach § 20 oder § 69 g Abs. 1 S. 1 FGG nicht zustehe. Die Beschlüsse wurden der Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 05.06.2007 zugestellt.

Die Beschwerdeführerin hat hiergegen unter dem 14.06.2007 (AS II,1) weitere Beschwerde und sofortige weitere Beschwerde erhoben. Sie macht geltend (AS II,31 ff.), sie lebe mit dem Betroffenen seit dem Jahre 2000 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wohne in dessen Haus, habe ihn versorgt. Mit der Betreuerin habe es von Beginn an Missstimmigkeiten gegeben. Das Verhältnis zu dieser habe sich weiter verschlechtert und letztlich u. a. zu einer vorläufigen Untersagung des Umgangs mit dem - wie die Beschwerdeführerin meint - zu Unrecht seit 15.05.2007 in Kurzzeitpflege untergebrachten Betroffenen durch die Betreuerin sowie einem von dieser gegen die Beschwerdeführerin erwirkten erstinstanzlichen Räumungstitel (AS II, 99 ff.) geführt.

Die Beschwerdeführerin meint, hieraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführerin ein Beschwerderecht aus § 20 FGG zustehe, da ihre Rechte als Partnerin einer eheähnlichen Gemeinschaft durch die Verfügungen des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen beeinträchtigt seien. Sollte das Gericht dem nicht folgen und auch keine Beschwerdebefugnis aus § 69 g Abs. 1 S. 1 FGG bejahen, werde hilfsweise die Aussetzung und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes von "§ 69 g Abs. 1 S.1 FGG gegen Artikel 2, 3 hier auch Art. 13 GG" beantragt.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig, aber unbegründet.

1. Die Rechtsmittel sind gemäß §§ 27 Abs.1 , 29, 20 FGG zulässig. Zur Prüfung der Frage, ob die Erstbeschwerde zu Recht mangels Beschwerdeberechtigung ohne Erfolg geblieben ist, wird dem Beschwerdeführer allgemein die Befugnis zur Einlegung der weiteren Beschwerde eingeräumt (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2003, 870 m.w.N.; BGH NJW 1999, 3718 m.w.N.). Der Misserfolg der Erstbeschwerde wird dabei ungeachtet der Tatsache, dass es sich nur um eine formale Entscheidung über das Vorliegen der (Erst-) Beschwerdeberechtigung handelt, als Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG angesehen. Das so eröffnete Verfahren führt allerdings ebenso wenig wie das Erstbeschwerdeverfahren zur Überprüfung der eigentlichen Sachfrage, die durch eine Verfügung des Amtsgerichts - hier: vorläufige Anordnung der Betreuung sowie eines Einwilligungsvorbehalts - entschieden worden ist (vgl. BayObLG NJW 1998, 1567 m.w.N.; OLG Zweibrücken a.a.O.).

2. In der Sache sind die Rechtsmittel unbegründet. Die angefochtenen Beschlüsse des Landgerichts beruhen nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 FGG, § 546 ZPO). Die Zivilkammer hat vielmehr zu Recht die Erstbeschwerden als unzulässig verworfen.

a) Die erforderliche Beschwerdebefugnis ergibt sich nicht aus § 20 FGG. Danach steht eine Beschwerde nur demjenigen zu, dessen Recht durch eine gerichtliche Entscheidung beeinträchtigt wird. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines subjektiven Rechts; wirtschaftliche, rechtliche oder berechtigte Interessen genügen ebenso wenig wie eine moralische Berechtigung oder eine sittliche Pflicht (Kahl in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., Rnr. 7 m.w.N.). Dieses subjektive Recht muss durch den Entscheidungssatz der angefochtenen Verfügung unmittelbar beeinträchtigt sein (Kahn a.a.O., RNr. 12 m.w.N.).

Vorliegend werden eigene subjektive Rechte der Beschwerdeführerin durch die angegriffenen Verfügungen des Vormundschaftsgerichts nicht beeinträchtigt: Weder hat sie einen Anspruch darauf, dass die Betreuungsanordnung unterbleibt noch auf eine bestimmte Betreuerauswahl oder gar, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden. (s.n. BayObLG a.a.O. m.w.N.). Gleiches gilt für die Anordnung des vorläufigen Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB, zumal die Beschwerdeführerin nicht darlegt, durch diesen unmittelbar und nicht durch konkrete Maßnahmen der Betreuerin beeinträchtigt zu werden.

b) Eine Beschwerdeberechtigung der Lebensgefährtin des Betroffenen lässt sich auch nicht aus § 57 FGG herleiten. Diese Norm ist im Betreuungsverfahren nicht, auch nicht entsprechend anwendbar (Kayser in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 69 g RNr. 8; BayObLGZ 1995, 705 m.w.N.). Die Beschwerdebefugnis aus § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG wird zudem nicht zur Wahrnehmung von Eigeninteressen verliehen (BayObLG 1998, 1567 m.w.N.).

c) Eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin folgt insbesondere auch nicht aus § 69 g Abs. 1 FGG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung, die keine allgemeine Beschreibung der Voraussetzungen der Beschwerdebefugnis enthält, sondern die in Betracht kommenden Beschwerdeführer durch eine ins einzelne gehende Aufzählung konkret bezeichnet, gehört die Lebensgefährtin eines Betroffenen nicht zum Kreis der Beschwerdeberechtigten (vgl. OLG Schleswig FPR 2002, 277; BayObLG a.a.O., OLG Oldenburg, NJW-RR 1997, 451; Kayser, a.a.O., § 69 g Rnr. 10 m.w.N.; Bienwald, 4. Aufl., § 69 g RNr. 15; Dammrau/Zimmermann, 3. Aufl., § 69 g FGG, Rnr. 24). Dieser Kreis ist mit Ausnahme der "zuständigen Behörde" vielmehr durch eine familienrechtliche Beziehung zum jeweiligen Betroffenen gekennzeichnet, die im Verhältnis zu einem Lebensgefährten gerade nicht besteht. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber den Kreis der Beschwerdeberechtigten durch Aufzählung benannt hat, ist zu schließen, dass diese Aufzählung abschließend sein sollte (BayObLG a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.; Kayser a.a.O. § 69 g Rdnr. 9). Die ausschließlich durch einen familienrechtlichen Bezug gekennzeichnete Beschwerdebefugnis macht deutlich, dass der Gesetzgeber dieses Recht dem jeweiligen Lebensgefährten eines Betroffenen bewusst nicht zuerkannt hat. Die Vorschrift ist vielmehr bewusst enger gefasst worden als der für Vormundschaften geltende § 57 FGG, der ein rechtliches Interesse an der Änderung der gerichtlichen Entscheidung für eine Beschwerde gegen die Anordnung der Vormundschaft ausreichen lässt (BT-Dr. 11/4528, S. 179, 217, 232; BT-Dr 11/6949, S. 82). Dies, obgleich dem Gesetzgeber die zunehmende Bedeutung eheähnlicher Lebensgemeinschaften und die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Teile der Rechtsprechung und der Gesetzgebung in den Bereichen des Miet- und Wohnungsrechts, des Bundessozialhilfe- und des Arbeitsförderungsgesetzes bekannt war (s.n. OLG Schleswig a.a.O.; BayObLG a.a.O., OLG Oldenburg a.a.O.). Vor dieser bewussten gesetzgeberischen Entscheidung bei der Neuregelung des die Betreuungssachen betreffenden Verfahrens im FGG hat das Landgericht es zutreffend abgelehnt, den Gesetzeswortlaut dahin auszulegen, dass neben dem Ehegatten auch ein Lebensgefährte ein eigenes Beschwerderecht hat. Eine analogiefähige Lücke liegt insoweit nicht vor, die Rechtsprechung ist daher nicht befugt, diese Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren.

Hierzu besteht im übrigen auch aus Gründen der Rechtssicherheit kein Anlass. Das Verfahrensrecht verlangt im Interesse der notwendigen Klarheit und Überschaubarkeit gerade auch bei der Frage der Beschwerdeberechtigung die Benennung objektiv feststehender - nicht vom jeweiligen Willen oder von der persönlichen Anschauung am Verfahren interessierter Personen abhängiger - Anknüpfungstatsachen. Die Eheschließung ist im Gegensatz zu der Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine solche ohne weiteres feststellbare und überprüfbare Tatsache.

Es kann nicht übersehen werden, dass das Verhältnis zwischen Ehegatten durch vielfache Verknüpfung von Rechten und Pflichten als zudem in Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützte Gemeinschaftsform geregelt ist. Diese umfassende Rechtsverbindlichkeit (vgl. nur Brudermüller in Palandt, 66. Aufl., vor § 1297 1, 10 ff.) haben Lebenspartner ohne Eheschließung gerade nicht eingehen wollen oder sich zumindest dazu nicht entschließen können.

3. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht veranlasst, da es an einer hierfür erforderlichen Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit von § 69 g FGG fehlt. Der Senat hält § 69 g FGG vielmehr für verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Beschwerdeführerin, die sich darauf beschränkt hat, einen Verfassungsverstoß darin zu sehen, dass der nichteheliche Lebenspartner - etwa in § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II - dem Ehepartner "im Falle der Versorgungsnot gleichgestellt" wird, ohne dass ihm für den Betreuungsfall ein Beschwerderecht - korrelierend - gewährt wird, zeigt schon die spezifisch durch die angegriffene Norm behaupteten Grundrechtsverletzungen nicht auf.

Sie verkennt schon, dass das Grundrecht aus Art. 2 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit bereits nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung, zu denen zweifellos das materielle und formelle Betreuungsrecht gehört, gewährt wird.

Keinen Anhalt gibt es für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG. Eine Verletzung des Art 3 Abs. 1 GG folgt nämlich aus der Ungleichbehandlung nichtehelicher Lebenspartner mit Ehegatten nur, wenn keine sachlichen Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (sog. "neue Formel": BVerfGE 102, 68; Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Kommentar Bd. 1, 4. Aufl., Art. 3 RNr. 23 m.w.N.). Unbeschadet der hier vorliegenden sachlichen Gründe von Rechtssicherheit und Klarheit für den Kreis der Beschwerdeberechtigten (s.o. 2.c) , sind die umfassenden rechtlichen Bindungen einer Ehe, die auf Lebenszeit angelegt (§ 1353 Abs. 1 BGB) und nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 1313 ff BGB oder §§ 1564 ff. BGB wieder auflösbar ist, einer auf Freiwilligkeit gegründeten, jederzeit auflösbaren nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht vergleichbar. Dem Gesetzgeber ist es schon wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. nur BVerfG E 6, 55, 76; NJW 2002, 2543, 2548; s.a. BayObLG NJW 1998, 1567).

Soweit die Beschwerdeführerin auf Art. 13 GG, die Unverletzlichkeit der Wohnung rekurriert, verkennt sie schon den Schutzbereich dieses Abwehrrechtes gegen den Staat, und vermag nicht in Ansätzen darzutun, weshalb die Betreuungsentscheidungen des Landgerichts oder das Betreuungsrecht einen unmittelbaren Eingriff in ihre Grundrechtsposition darzustellen vermögen. 4. Die Entscheidung ergeht gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet (§ 13a Abs. 2 FGG).

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