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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 19 Wx 44/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1905 | |
BGB § 1906 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 19. Zivilsenat in Freiburg Beschluss
Geschäftsnummer: 19 Wx 44/07
07. Februar 2008
Tenor:
1) Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 1. August 2007 aufgehoben.
2) Der Antrag der Betreuerin, eine Fixierung der Betroffenen zum Zwecke der Verabreichung einer 3-Monatsspritze zu genehmigen, wird zurückgewiesen.
3) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
4) Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Betroffene steht unter Betreuung. Sie leidet an einer chronisch paranoiden, halluzinatorischen Psychose und einem Diabetes mellitus Typ I und ist - vermutlich aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens - intellektuell minderbegabt. Die Betreuung erstreckt sich auf die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Sorge für die Gesundheit und Aufenthaltsbestimmung. Zudem ist ein Einwilligungsvorbehalt für den Abschluss von Mietverträgen angeordnet.
Die Betroffene hat regelmäßig sexuellen Kontakt mit Männern. Sie hat mehrfach geäußert, sie wolle Kinder bekommen. Die Betreuerin regte mit Schreiben vom 10. Januar 2006 (AS 941) an, eine Sterilisationsbetreuung einzurichten. Sie machte geltend, die Betroffene habe regelmäßig Kontakt zu Männern und habe den erklärten Wunsch, unbedingt ein Kind zu bekommen. Die Betroffene lehne sämtliche Verhütungsmittel vehement ab. Eine Schwangerschaft wäre für die Betroffene lebensbedrohend. Zugleich legte die Betreuerin ein ärztliches Attest des Dr. med. R. vom 14. Dezember 2005 (AS 943) vor. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Schopfheim wies die Betreuerin darauf hin, dass eine Sterilisation gegen den Willen der Betroffenen nicht möglich sei (AS 943 verso). Daraufhin hielt die Betreuerin ihren Antrag, eine Sterilisationsbetreuung einzurichten, nicht mehr aufrecht. Mit Schreiben vom 24. Januar 2006 (AS 945) beantragte sie statt dessen, eine freiheitsentziehende Maßnahme gemäß § 1906 Abs. 4 BGB zu genehmigen. Der Betroffenen solle eine 3-Monatsspritze zur Verhütung einer Schwangerschaft mittels körperlichen Zwangs durch Festhalten verabreicht werden. Nach Anhörung der Betroffenen genehmigte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Schopfheim am 24. April 2006 (AS 967) "die Fixierung der Betroffenen zum Zwecke der Verabreichung einer 3-Monatsspritze" bis zum 24. April 2007.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2007 (AS 1021) beantragte die Betreuerin, den Beschluss über die Fixierung zu verlängern. Die Betroffene habe nach wie vor keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer zuverlässigen Empfängnisverhütung. Sie akzeptiere die zu verabreichende 3-Monatsspritze nur ohne große Gegenwehr, da man ihr jedes Mal den Beschluss zeige und ihr klar mache, dass sie es zu akzeptieren habe. Die Betreuerin legte ein ärztliches Attest des Dr. med. R. vom 29. Mai 2007 (AS 1027) vor. Darin heißt es:
"Die o.g. Patientin leidet an einer Psychose und einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Es hat ein erheblicher cerebraler Abbau stattgefunden. Da sie in einem konzeptionsfähigen Alter ist, bedarf es dringend der 3-Monats-Antikonzeptionsspritze. Da sie diese nicht zulassen will, ist sie zum Eigenschutz der Patientin auch unter Zwang zu applizieren."
Das Attest ist nicht unterschrieben. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Schopfheim hörte die Betroffene am 4. Juni 2007 an (AS 1023). Die Betroffene erklärte, sie brauche keine 3-Monatsspritze. Sie lehnte eine Empfängnisverhütung kategorisch ab. Mit Beschluss vom 6. Juni 2007 (AS 1029) genehmigte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Schopfheim "die Fixierung der Betroffenen zum Zwecke der Verabreichung einer 3-Monatsspritze" bis zum 5. Juni 2008. Die Betroffene sei an einem schweren Diabetes erkrankt, der insulinpflichtig sei. Hinzu komme eine Hyperlipämie. Sie leide seit Jahrzehnten an einer Psychose und sei daher nicht in der Lage, ihre Situation selbst einzuschätzen. Es bestehe die Gefahr, dass die Betroffene schwanger werde. Eine Schwangerschaft wäre für die Betroffene und das Kind eine lebensbedrohliche Situation, die auf keinen Fall eintreten dürfe. Die 3-Monatsspritze sei das mildeste Mittel. Die Betroffene sei krankheitsuneinsichtig und unfähig zu erkennen, dass eine Schwangerschaft für sie und das Kind lebensbedrohlich wäre.
Dagegen hat die Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt. Sie brauche die 3-Monatsspritze nicht. Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat die Beschwerde mit Beschluss vom 1. August 2007 zurückgewiesen. Das Vormundschaftsgericht habe zu Recht eine regelmäßige Fixierung der Betroffenen genehmigt. Die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BGB seien aufgrund der ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen vom 13. Oktober 2006, vom 14. Dezember 2005 und vom 29. Mai 2007 zu bejahen. Die Betroffene sei in einem konzeptionsfähigen Alter und habe regelmäßig sexuellen Kontakt zu Männern. Im Falle einer Empfängnis seien Gesundheit und Leben der Betroffenen wie auch des werdenden Kindes akut bedroht. Die geistige Behinderung und die psychische Erkrankung der Betroffenen hinderten sie an der Einsicht, welche Gefahren der geschlechtliche Verkehr ohne sichere Empfängnisverhütung für sie mit sich brächte. Ein milderes Mittel stehe nicht zu Wahl.
Dagegen legte die Betroffene zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts - Schopfheim am 7. August 2007 sofortige weitere Beschwerde ein (AS 1067). Der Senat hat der Betreuerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen hat Erfolg. Der Antrag der Betreuerin, die Fixierung zu genehmigen, ist zurückzuweisen.
A) Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Eine Begründung ist nicht erforderlich.
B) Die Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts leidet an erheblichen Rechts- und Verfahrensfehlern (unter 1). Der Senat kann aber selbst entscheiden, weil die vom Landgericht ausgesprochene Genehmigung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus unzulässig ist (unter 2).
1) Die Entscheidung des Landgerichts leidet an einem erheblichen Verfahrensfehler. Zudem hat das Landgericht eine unzutreffende Ermächtigungsgrundlage herangezogen und deren Voraussetzungen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Das Landgericht hat der Betroffenen keinen Verfahrenspfleger bestellt. Dies wäre jedoch zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich gewesen (§ 70b Abs. 1 Satz 1 FGG). Im vorliegenden Fall geht es um einen in seinen Auswirkungen erheblichen Eingriff, der zudem wiederholt genehmigt werden soll. Es ist aber erforderlich einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn die freiheitsentziehenden Maßnahmen in besonders grundrechtsrelevanten Bereichen vorgenommen werden sollen und die Maßnahme in ihrer Gesamtbewertung als erheblicher Eingriff zu werten ist, wobei auch Art und Ausmaß der Erkrankung der Betroffenen zu berücksichtigen sind (vgl. Jansen/Sonnenfeld, FGG 3. Aufl., § 70b Rn. 6). Dies gilt auch für Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB (Jansen aaO.). Zudem hat das Landgericht seine Entscheidung insofern nicht begründet, obwohl dies gemäß § 70b Abs. 2 FGG notwendig gewesen wäre, weil das Landgericht eine Unterbringungsmaßnahme (§ 70 Abs. 1 Satz 2 FGG) getroffen hat. Schon dieses Versäumnis führt dazu, dass der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben kann (vgl. auch OLG Schleswig, FamRZ 1994, 781).
b) Das Landgericht hat die Genehmigung rechtsfehlerhaft auf § 1906 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt. Weder erfasst § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB den vorliegenden Fall noch hat das Landgericht die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtsfehlerfrei festgestellt.
aa) Das Landgericht hat die für § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderliche konkrete Gefahr, dass die Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen wird, bislang nicht ausreichend festgestellt. Das Landgericht hat sich mit einem simplen ärztlichen Zeugnis zufrieden gegeben und ist damit im vorliegenden Fall seiner Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) nicht nachgekommen (vgl. auch Staudinger/Bienwald, BGB, 13. Bearb. 2006, § 1906 Rn. 89).
Die vorliegenden ärztlichen Atteste genügen weder inhaltlich noch hinsichtlich der Qualifikation des Arztes den Anforderungen, die angesichts der Schwere des Eingriffs zu stellen sind. Beide ärztliche Atteste enthalten lediglich stereotyp die Angabe, eine Schwangerschaft würde eine lebensbedrohliche Situation für die Betroffene und das Kind bedeuten. Dies wird weder näher begründet noch erschließt es sich zwingend aus dem Krankheitsbild der Betroffenen. Die Atteste sind von der Betreuerin eingeholt worden; das Attest vom 29. Mai 2007 ist zudem nicht unterschrieben. Dr. med. R. ist fachärztlicher Internist; ob und inwiefern er über ausreichende Sachkunde verfügt, die möglichen Auswirkungen einer Schwangerschaft bei der Betroffenen hinreichend sicher zu beurteilen, erscheint fraglich. Auch dies wäre von Amts wegen (§ 12 FGG) zu ermitteln (vgl. Jansen/Sonnenfeld, aaO., § 70e Rn. 17). Die Stellungnahmen der Betreuerin und der im Heim zuständigen Wohngruppen- und Bezugsbetreuerin sind erst recht nicht geeignet, eine solche Gefahr festzustellen, nachdem es sich dabei in erster Linie um medizinische Fragen handelt.
Darüber hinaus hätte das Landgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus - erwägen müssen, ob nicht ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre. Zwar genügt für eine Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB grundsätzlich ein ärztliches Zeugnis (§ 70e Abs. 1 Satz 2 FGG). Jedoch muss dieses hinreichend aussagekräftig sein und die entscheidenden Anknüpfungstatsachen in nachvollziehbarer Weise angeben. Im Einzelfall kann das Gericht insbesondere bei entsprechendem Gewicht der Maßnahme dazu verpflichtet sein, auch bei einer Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. Bumiller/Winkler, FGG 8. Aufl., § 70e Rn. 1; Staudinger/Bienwald, aaO.).
bb) Unabhängig davon kommt eine Genehmigung der Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB schon deshalb nicht in Betracht, weil die Fixierung der Betroffenen nicht dazu dient, eine Lebensgefahr oder erhebliche gesundheitliche Schäden von der Betroffenen abzuwenden, die ihre Ursachen in einer psychischen Krankheit haben.
Die Fixierung der Betroffenen dient im vorliegenden Fall nicht dazu, erheblichen gesundheitlichen Schaden von der Betroffenen abzuwenden. Sie soll die Betroffene vielmehr (nur) daran hindern, sich einem ärztlichen Eingriff zu entziehen, der sich auf die Verabreichung einer Spritze beschränkt. Sofern Zwangsmaßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB darauf gestützt werden, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt ist, müssen auch dessen Voraussetzungen gegeben sein (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB 67. Aufl., § 1906 Rn. 40). Entzieht sich die Betroffene aber der Spritze, so führt dies unmittelbar weder zu einer Lebensgefahr noch zu erheblichen gesundheitlichen Schäden. Damit dient die Fixierung schon nicht dazu, einer entsprechenden Gefahr zu begegnen.
2) Der Senat kann aber in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind. Selbst wenn die Betroffene durch eine Schwangerschaft tatsächlich in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde, wäre die beantragte Fixierung nicht genehmigungsfähig.
a) Die Maßnahme kann schon deshalb nicht auf § 1906 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt werden, weil die Fixierung selbst nicht dazu dient, die Lebensgefahr abzuwenden (oben 2) b) aa).
b) Ebensowenig wäre die Fixierung nach § 1906 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig. Die kurzfristige Freiheitsentziehung allein zu dem Zweck, der Betroffenen zwangsweise eine Depotspritze zu verabreichen, ist nicht genehmigungsfähig (BGHZ 145, 297ff.; OLG Bremen, NJW-RR 2006, 75ff.). Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Insbesondere kann eine ambulante Zwangsbehandlung nicht auf § 1906 BGB gestützt werden (BGHZ 145, 297ff.; Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. 2006, § 1906 Rn. 32a).
aa) Im vorliegenden Fall käme eine Genehmigung allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines "ärztlichen Eingriffs" bei der Betroffenen in Betracht, der ohne die freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht durchgeführt werden kann (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1906 Abs. 4 BGB). Ärztlicher Eingriff ist jede Maßnahme, die nicht Heilbehandlung ist, aber doch in den Körper der Betroffenen eingreift (Soergel/Zimmermann, BGB 13. Bearb., § 1905 Rn. 25). Um eine Heilbehandlung handelt es sich im vorliegenden Fall nicht, weil die Empfängnisverhütung nicht dazu dient, den Gesundheitszustand der Betroffenen zu verbessern (vgl. Erman/Roth, BGB 11. Aufl., § 1905 Rn. 9). Verhütungsmittel sollen nicht heilen.
bb) Ob es sich beim Setzen einer Spritze bzw. dem Verabreichen eines Verhütungsmittels tatsächlich um einen ärztlichen Eingriff handelt, kann letztlich dahin stehen. Es fehlt jedenfalls an einer Rechtsgrundlage, die eine zwangsweise Vorführung allein zu einem solchen ärztlichen Eingriff ermöglichen würde.
§ 1906 Abs. 1 BGB ermöglicht lediglich die Unterbringung der Betroffenen, also eine nicht nur kurzfristige Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten Lebensraum (BGHZ 145, 297ff. m.w.N.). Der Zwang, sich eine Depotspritze verabreichen zu lassen, ist demgegenüber bereits zeitlich vorübergehend. Zudem fehlt es an einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten räumlichen Bereich. Solche nur kurzfristigen und nicht die gesamte Lebensführung erfassenden Zwangsmaßnahmen werden von § 1906 Abs. 1 BGB nicht erlaubt (BGHZ 145, 297ff.).
Dies entspricht den gesetzgeberischen Wertungen. Der im 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz vorgesehene § 1906a BGB, der eine zwangsweise Vorführung zur ambulanten Heilbehandlung ermöglichen sollte (BT-Drs. 15/2494, S. 7, 30), ist nicht Gesetz geworden. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Stellungnahme dagegen ausgesprochen (BT-Drs. 15/2494, S. 47); der Rechtsausschuss des Bundestags hat empfohlen, § 1906a BGB zu streichen (BT-Drs. 15/4874 S. 27). Dem ist der Bundestag gefolgt.
cc) § 1906 Abs. 4 BGB erweitert die Befugnisse zu einer zwangsweisen Behandlung gegen den Willen der Betroffenen nicht deshalb, weil sich die Betroffene in einer Anstalt, einem Heim oder eine sonstigen Einrichtung aufhält. Die Norm zielt vielmehr auf den Schutz solcher Betroffener, die sich an bestimmten Orten aufhalten (vgl. BT-Drs. 11/4528, S. 82 und 148f.). Entscheidend ist auch insoweit, ob die Maßnahme in ihren Auswirkungen der Unterbringung vergleichbar ist (BGHZ 145, 297ff.; BT-Drs. 11/6949, S. 76). Daran fehlt es, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Betroffene lediglich gegen ihren Willen für kurze Zeit gezwungen wird, sich für einen ärztlichen Eingriff an einem bestimmten Ort aufzuhalten (vgl. BGHZ 145, 297ff.). Der ärztliche Eingriff selbst - nämlich die Verabreichung der Spritze - erfolgt ohne körperlichen Zwang und setzt einen solchen auch nicht voraus.
c) Die Maßnahme wäre auch als milderes Mittel gegenüber einer andernfalls drohenden dauerhaften Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB nicht genehmigungsfähig.
aa) Zunächst genügen schon die Feststellungen des Landgerichts nicht, um einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der psychischen Krankheit der Betroffenen und der angenommenen zukünftigen Gefahr für die Betroffene zu begründen. Nur wenn die psychische Krankheit für den drohenden erheblichen, gesundheitlichen Schaden ursächlich ist, kommt eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Betracht (Palandt/Diederichsen, aaO. Rn. 12; Soergel/Zimmermann, 13. Bearb., § 1906 Rn. 34). Dies gilt gleichermaßen, wenn es sich um eine auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützte Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB handelt. Im vorliegenden Fall fehlen Feststellungen, ob die psychische Krankheit der Betroffenen für eine durch eine mögliche Schwangerschaft ausgelöste Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens der Betroffenen mitursächlich ist oder diese Gefährdung lediglich auf den Diabetes mellitus Typ I zurückzuführen ist, wofür die ärztlichen Atteste sprechen. Sofern letzteres zutreffen sollte, hätte das Landgericht aufklären müssen, ob die Betroffene aufgrund ihrer psychischen Krankheit nicht in der Lage ist, die mit einer Schwangerschaft verbundenen Risiken abzuschätzen und zu beurteilen.
Unabhängig davon bestehen Zweifel, ob eine Betroffene nach den gesetzgeberischen Wertungen dauerhaft untergebracht werden kann, um von vornherein zu verhindern, dass eine die Gesundheit der Betroffenen in erheblichem Maß gefährdende Schwangerschaft eintritt. Allerdings hat der Gesetzgeber beim Betreuungsrecht eine Unterbringung einer Betroffenen, deren Leben durch eine Schwangerschaft in Gefahr geriete, für möglich gehalten, wenn sich die Betroffene gegen eine Sterilisation ausspreche (vgl. BT-Drs. 11/4526, S. 76). Gleichwohl werden Freiheitsentzug oder schwere freiheitsentziehende Maßnahmen nicht als zumutbares, milderes Mittel betrachtet, um eine Sterilisation zu vermeiden (BT-Drs. 11/4528, S. 144; Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. 2006, § 1905 Rn. 45; MünchKomm-BGB/Schwab, 4. Aufl., § 1905 Rn. 18; Erman/Roth, BGB 11. Aufl., § 1905 Rn. 20). Ähnlich wird allgemein das Unterbinden sexueller Kontakte der Betreuten gegen ihren natürlichen Willen als unzumutbare Alternative zur Sterilisation angesehen (BayObLG NJW-RR 1997, 578, 580). Dies spricht dafür, eine dauerhafte Unterbringung in der Regel als unzumutbares Mittel anzusehen, um sexuelle Kontakte und die daraus folgenden Gefahren für eine Betreute zu verhindern (zweifelnd auch MünchKomm-BGB/Schwab, aaO. Rn. 18; ähnlich Erman/Roth, aaO. Rn. 12, der eine unmittelbar drohende Gefahr verlangt). Dies kann aber hier dahinstehen.
bb) Jedenfalls handelt es sich bei einer regelmäßig unter Zwang verabreichten 3-Monatsspritze nicht um ein milderes Mittel gegenüber der dauerhaften Unterbringung, sondern um eine andere Maßnahme.
(1) Die zwangsweise Empfängnisverhütung ist weder eine Heilbehandlung noch soll damit auf die psychische Erkrankung der Betroffenen eingewirkt werden. Vielmehr wird die Betroffene in einem Kernbereich ihrer Persönlichkeit und ihres Lebensentwurfs zwangsweise in regelmäßig wiederkehrenden Abständen der Entscheidung anderer Personen unterworfen. Die unter Zwang verabreichte 3-Monatsspritze führt zu faktisch über lange Zeit andauernden, äußerlich stigmatisierenden Eingriffen, für die jedesmal erneut der entgegenstehende Wille der Betroffenen überwunden werden muss. Damit unterscheidet sie sich in Art und Weise sowie Zielrichtung grundlegend von einer dauerhaften Unterbringung und führt zu einer besonderen psychischen Belastung. Nicht zuletzt gehen auch mit einer 3-Monatsspritze Nachteile und erhebliche Nebenwirkungen einher. So kann es u.a. zu Zyklusstörungen mit Zwischen- und Schmierblutungen, einer Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Depressionen kommen. Zum Teil wird bei 3-Monatsspritzen sogar die Gefahr hervorgehoben, dass es sich um ein persönlichkeitsveränderndes Medikament handele (Dodegge/Roth, Betreuungsrecht 2003, Abschnitt E Rn. 29).
(2) Eine gegen den Willen der Betroffenen verabreichte 3-Monatsspritze ist umso weniger ein milderes Mittel als eine dauerhafte Unterbringung, als auch im Verhältnis zu einer Sterilisation Maßnahmen unter Zwang, körperliche Eingriffe gegen den Willen der Betroffenen oder eine 3-Monatsspritze regelmäßig kein milderes Mittel darstellen dürften. Gegenüber einer Sterilisation werden empfängnisverhütende Maßnahmen dann als unzumutbar angesehen, wenn dies wegen des Widerstandes der Betroffenen zu regelmäßig wiederkehrenden ärztlichen Zwangsmaßnahmen führen würde (vgl. OLG Hamm, NJW 2001, 1800 Rz. 22). Auch die freiwillig akzeptierte 3-Monatsspritze wird nicht per se als milderes Mittel gegenüber einer Sterilisation eingeordnet (vgl. Dodegge/Roth, aaO., Abschnitt E Rn. 29). Vor diesem Hintergrund stellen regelmäßig unter Zwang verabreichte Empfängnisverhütungsmittel, insbesondere eine 3-Monatsspritze, im Verhältnis zu einer auch dauerhaften Unterbringung eine völlig andere Maßnahme dar. Das Gesetz enthält jedoch keine Regelungen, die eine zwangsweise Empfängnisverhütung ermöglichen.
cc) Die Entscheidung des Landgerichts steht schließlich nicht in Einklang mit § 1905 BGB und den sich aus dieser Vorschrift ergebenden gesetzgeberischen Wertungen.
(1) In der Sache geht es im vorliegenden Fall um Maßnahmen, die eine Schwangerschaft der Betroffenen auf Dauer verhindern sollen.
Zwar hat das Amtsgericht die Genehmigung jeweils auf ein Jahr befristet (§ 70f Abs. 1 Nr. 3 FGG). Jedoch folgt aus dem tatsächlichen Ablauf, der von der Betreuerin für ihren Antrag gegebenen Begründung und den von Amtsgericht und Landgericht herangezogenen Umständen, dass die 3-Monatsspritze der Betroffenen solange verabreicht werden soll, wie die Gefahr einer Schwangerschaft besteht. Die Betreuerin hatte ursprünglich sogar angeregt, eine Sterilisationsbetreuung einzurichten. Das hierzu vorgelegte ärztliche Attest hebt hervor, dass eine Schwangerschaft eine lebensbedrohliche Situation bedeute, die unter keinen Umständen eintreten dürfe. Die notwendige dauerhafte Verhütung sei angesichts des Widerstandes der Betroffenen gegen die 3-Monatsspritze nicht mehr gesichert. Auch aus den übrigen Stellungnahmen und Anträgen ergibt sich zweifelsfrei, dass eine Schwangerschaft der Betroffenen auf jeden Fall verhindert werden soll. Dementsprechend ist von vornherein beabsichtigt gewesen, die Maßnahme nach Ablauf der Genehmigung zu verlängern. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Amtsgericht selbst bei Ablauf der Genehmigungsfrist bei der Betreuerin nachgefragt hat, ob eine Verlängerung der Genehmigung erfolgen solle.
(2) Es ist aber vor dem Hintergrund der § 1905 BGB zugrunde liegenden gesetzlichen Wertungen rechtlich nicht zulässig, einer Betroffenen auf Dauer schwangerschaftsverhütende Mittel gegen ihren Willen zu verabreichen.
Zwar ist die Gabe hormoneller Empfängnisverhütungsmittel keine Sterilisation (Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. 2006, § 1905 Rn. 13; Erman/Roth, aaO. Rn. 9). Sie bedarf daher keiner Genehmigung. Dies setzt aber voraus, dass die Betroffene bereit ist, die empfängnisverhütenden Mittel freiwillig einzunehmen. Fehlt es daran und werden die empfängnisverhütenden Mittel der Betroffenen gegen deren natürlichen Willen verabreicht, können die engen Voraussetzungen des § 1905 BGB leicht umgangen werden. Nachdem eine Sterilisation nur genehmigungsfähig ist, wenn die in § 1905 BGB genannten fünf Voraussetzungen sämtlich vorliegen (Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. 2006, § 1905 Rn. 36), könnte faktisch das gleiche Ergebnis dadurch herbeigeführt werden, dass der Betroffenen gestützt auf § 1906 BGB ihr Leben lang zwangsweise empfängnisverhütende Mittel verabreicht werden. Damit könnte angesichts der Wirksamkeit heutiger empfängnisverhütender Mittel die Fortpflanzungsfähigkeit einer Betroffenen auf Dauer aufgehoben werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 1905 BGB vorliegen. Gerade den Eingriff in die Fortpflanzungsfähigkeit wollte der Gesetzgeber aber regeln (vgl. insb. BT-Drs. 11/4528, S. 74). Das Verbot der Sterilisation gegen den natürlichen Willen der Betroffenen lässt es dabei nicht zu, dass physische Gewalt angewendet oder angedroht wird (vgl. Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. § 1905 Rn. 42). Dann ist dies auch nicht bei Maßnahmen möglich, die eingesetzt werden, um das gleiche Ergebnis - dauerhafte Empfängnisverhütung - auf anderem Wege zu erzielen.
d) Der Senat ist angesichts der aufgezeigten gesetzlichen Wertungen der Auffassung, dass eine Verabreichung von empfängnisverhütenden Mitteln gegen den natürlichen Willen der Betroffenen einer entsprechenden, klaren gesetzlichen Grundlage bedarf. Die bestehenden Vorschriften geben dies nicht her. Eine Schwangerschaftsverhütung gegen den Willen der Betroffenen greift in erheblicher Weise in deren Grundrechte ein. Diese Grundrechtsrelevanz erfordert für den von Staats wegen durchgesetzten Eingriff eine entsprechende, klare gesetzliche Regelung. Dies ist umso mehr erforderlich, als mit einem solchen Eingriff die Schranken des § 1905 BGB andernfalls faktisch leicht zu umgehen wären. An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehlt es.
Es ist daher Sache der Betreuerin und des Umfeldes der Betroffenen, auf diese mit den zulässigen Mitteln einzuwirken und für ein entsprechendes Bewusstsein einer Gefährdung zu sorgen.
C) Die Festsetzung des Geschäftswerts der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 und 2 KostO; die Kostenentscheidung auf § 13a Abs.2 Satz 1 FGG.
Ende der Entscheidung
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