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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: 2 Ss 188/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 100 a | |
StPO § 100 b Abs. 5 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat Im Namen des Volkes Urteil
wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln
Das Oberlandesgericht Karlsruhe - 2. Strafsenat - hat in der Sitzung vom 03. Juni 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender
Richterin am Oberlandesgericht Richterin am Landgericht Staatsanwältin als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft
Rechtsanwalt als Verteidiger
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts F. vom 14.05.2003 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht F. erließ am 12.11.2002 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen über eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagesätzen zu je 20,-- €. Auf ihren Einspruch wurde sie durch das Urteil vom 30.01.2003 aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil wurde vom Landgericht F. am 14.05.2003 als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die auf die Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Die Revision begehrt die Aufhebung des freisprechenden Urteils und die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts F..
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
II.
Das Landgericht hat keinen strafrechtlich relevanten Sachverhalt feststellen können.
Hierzu wird im Urteil ausgeführt:
Die Angeklagte ließ sich in der Berufungshauptverhandlung wie in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nicht zur Sache ein. Der mutmaßliche Lieferant der Angeklagten, der Zeuge F., berief sich berechtigter Weise auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO und machte keine Angaben zur Sache. Die Angaben der Angeklagten bei ihrer polizeilichen Vernehmung vom 11.09.2002 gegenüber dem Zeugen KK M. sah das Landgericht als nicht verwertbar an, auch nicht ihre Einführung in die Hauptverhandlung durch die Vernehmung des damaligen Vernehmungsbeamten KK M.. Denn dieser Vernehmung war eine gegenüber dem Zeugen F. wegen des Verdachts des Handels mit Betäubungsmitteln gemäß § 100a Nr. 4 StPO angeordnete Telefonüberwachung vorausgegangen, bei der die Ermittlungsbehörden zufällig die Kenntnis erlangten, dass die Angeklagte bei F. unerlaubt Betäubungsmittel erworben haben sollte. Der Zeuge KK M. hatte die damalige Vernehmung der Angeklagten mit den Worten eingeleitet "ich weiß, dass Sie Kokain von Peter F. gekauft haben". Im weiteren Verlauf der Vernehmung hatte die Angeklagte dann Angaben zur Sache gemacht. Das Landgericht nahm hinsichtlich dieser Angaben, die es als auf einem allein aus der Telefonüberwachung abgeleiteten Vorhalt beruhend und nicht als Ergebnis unabhängiger, selbständiger Ermittlungen ansah, ein Beweisverwertungsverbot gemäß § 100b Abs. 5 StPO an, da es sich bei den der Angeklagten vorgeworfenen Taten weder um Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO gehandelt noch ein direkter Zusammenhang zwischen den Taten des F. und denjenigen der Angeklagten bestanden habe.
III.
1.
Die Beschwerdeführerin beanstandet mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und der umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 StPO) verstoßen, weil es sich gehindert gesehen habe, das Geständnis der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 11.09.2002 seinen Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde zu legen, und insoweit von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen sei. Sie ist der Auffassung, es handele sich bei diesem Geständnis um ein von der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung unabhängiges und deshalb verwertbares Ermittlungsergebnis.
Die Rüge erweist sich als unbegründet.
Das Landgericht ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Angaben der Angeklagten bei ihrer polizeilichen Vernehmung vom 11.09.2002 unverwertbar sind. Sie beruhen auf einem unzulässigen Vorhalt der Erkenntnisse aus der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung und durften daher nicht über die Vernehmung des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Die Aufnahmen aus der gegen F. gerichteten Telefonüberwachung konnten wegen des Beweisverwertungsverbots des § 100b Abs. 5 StPO in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagte nicht selbst als Beweismittel benutzt werden (BGH NStZ 1998, 426), da die ihr vorgeworfenen Straftaten nicht zu den sogenannten Katalogtaten des § 100a StPO gehören und auch nicht in einem engen Bezug zu einer Katalogtat stehen. Dass sie eine Abnehmerin des F. gewesen sein soll, bei dem die Voraussetzungen des § 100a Nr. 4 StPO vorgelegen hatten, reicht für die Annahme eines derartigen engen Bezuges nicht aus (BGH StV 1991, 208). Über die Unzulässigkeit der unmittelbaren Verwertung der Aufnahmen hinaus erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot solcher Zufallserkenntnisse auch darauf, dass eine solche Aufnahme bei einer Vernehmung eines Beschuldigten nicht vorgehalten und eine durch den Vorhalt gewonnene Aussage nicht verwertet werden darf (BGHSt 27, 355; BGHSt 30, 317). Dies gilt auch dann, wenn der Beschuldigte vor der Vernehmung über sein Recht, nicht aussagen zu müssen, gemäß §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO belehrt worden ist (BGHSt 27, 355). Nur dann, wenn der Beschuldigte bei einer solchen Vernehmung Umstände und Tatsachen erwähnt, die sich nicht aus dem Tonband ergeben und die deshalb aus diesem Grund auch nicht vorgehalten werden können, dürfen diese Aussagen im weiteren Verfahren benutzt werden (BGHSt 27, 355), denn in einem solchen Falle enthalten sie einen eigenen Erkenntnisvorgang und beruhen nicht auf einer Verletzung des Fernmeldegeheimnisses.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, der Beamte habe der Angeklagten ja gerade nicht mitgeteilt, woher er sein Wissen hatte, so dass die Angeklagte nicht "unter dem Einfluss des Vorhalts aus einem Tonband" ausgesagt habe, wobei die Telefonerkenntnisse nur äußerer Anlass für die einen selbständigen Erkenntnisvorgang enthaltende Vernehmung gewesen seien, geht fehl. Dass der Vernehmungsbeamte der Angeklagten die Quelle seines Wissens nicht offenbart hatte, ändert nichts daran, dass sie auf den Vorhalt von Erkenntnissen, die ausschließlich aus der Telefonüberwachung stammten, Angaben gemacht hat, die über den vorgehaltenen Tatvorwurf nicht hinausgingen, sondern diesen nur durch die Schilderung von Details konkretisierten. Das vorgehaltene Wissen des Beamten und die darauf erfolgten Angaben der Angeklagten beruhten somit ausschließlich auf einem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis - Art 10 GG -, der hinsichtlich der Angeklagten nicht durch § 100a StPO gedeckt war. Es würde dem Rang des grundgesetzlich geschützten Anspruchs auf Achtung des Fernmeldegeheimnisses und des diesen Anspruch gewährleistenden Verwertungsverbots des § 100b Abs. 5 StPO nicht gerecht, wenn das Verwertungsverbot bereits dadurch entfiele, dass ein Vernehmungsbeamter dem Beschuldigten nicht offenbart, dass seine Vorhalte auf Zufallserkenntnissen aus einer Telefonüberwachungsmaßnahme beruhen. Das Verwertungsverbot könnte sonst in praktisch jedem Falle leicht umgangen werden und würde weitgehend entwertet. Seine Existenz und der mit ihm bezweckte Grundrechtsschutz wären in vielen Fällen nur noch von der mehr oder weniger listigen Formulierung der Fragen und Vorhalte des jeweiligen Vernehmungsbeamten abhängig.
2.
Die Sachrüge bleibt ebenfalls erfolglos. Das Landgericht hat die Angeklagte zu Recht aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte zu den der Angeklagten gemachten Tatvorwürfen keine Sachverhaltsfeststellungen treffen, nachdem weder ein verwertbares Geständnis der Angeklagten noch irgendwelche Beweise für die Begehung der Taten vorlagen.
IV.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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