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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 17.02.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 201/99
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 59
StGB § 59 Abs. 1 Nr. 2
StPO § 354 Abs. 2

Entscheidung wurde am 28.06.2004 korrigiert: Orientierungssatz in die richtige Reihenfolge gesetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
2 Ss 201/99 IX AK 52/99 Ns 43 Js 31032/98

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Im Namen des Volkes Urteil

Strafsache gegen

wegen Betruges

Das Oberlandesgericht Karlsruhe - 2. Strafsenat- hat in der Sitzung vom 17. Februar 2000, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

als Vorsitzender

Richterin am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

als beisitzende Richter

Oberstaatsanwältin

als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft

Rechtsanwalt

als Verteidiger für Angekl. 1

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts vom 08. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens -, an eine andere Strafkammer des Landgerichts verwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagten am 11.06.1999 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt, wobei der Tagessatz für die Angeklagte auf 50 DM und für ihren Ehemann auf 25 DM festgesetzt wurde. Auf die Berufungen der Angeklagten, die ihr Rechtsmittel in zweiter Instanz jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatten, änderte das Landgericht mit Urteil vom 08.09.1999 die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß die Angeklagten wegen Betrugs verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen vorbehalten wurde, wobei die Höhe des jeweiligen Tagessatzes entsprechend dem amtsgerichtlichen Straferkenntnis festgesetzt wurde; die weitergehende Berufung wurde jeweils verworfen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Anwendung des § 59 StGB richtet, hat Erfolg.

II.

Nach den infolge der wirksamen Berufungsbeschränkungen durch die Angeklagten in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Amtsgerichts ließen diese sich von einem guten Bekannten anläßlich der Geburt ihres Kindes Mi bereden, unzutreffende und zu niedrige Angaben über ihr Einkommen zu machen, um ein höheres Bundeserziehungsgeld zu erreichen. Im Falle einer Nachprüfung erwarteten sie im wesentlichen nur, zur Rückzahlung verpflichtet zu werden. Diesen Gedanken verfolgten die Angeklagten auch noch bei Stellung des am 08.08.1996 ausgefüllten Folgeantrags vom 09.08.1996 gegenüber der Landeskreditbank Baden-Württemberg mit dem sie Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr des Kindes begehrten. Beide Eheleute gaben an, daß die Angeklagte keine Erwerbstätigkeit ausübe, während sie tatsächlich eine Straußenwirtschaft betrieb. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen zahlte die Landeskreditbank mit Bescheid vom 14.08.1996, wie von den Angeklagten beabsichtigt, Bundeserziehungsgeld in Höhe von 4.308 DM aus. Tatsächlich war ein Anspruch nicht gegeben, was den ergänzenden Feststellungen des Landgerichts zufolge aufgrund der Angaben der Angeklagten in einem 1998 gestellten Antrag auf Bundeserziehungsgeld für das Kind Ma festgestellt wurde. Auf den Rückforderungsbescheid vom 14.09.1998 zahlten die Angeklagten am 07.10.1998 den Erstattungsbetrag zurück.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht beiden Angeklagten eine günstige Prognose gestellt und die Annahme des § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB insbesondere darauf gestützt, daß sie nicht vorbestraft sind, die Tat unumwunden eingeräumt und nach ihrer Entdeckung Schadenswiedergutmachung geleistet haben. Ferner hat es den Angeklagten zugute gehalten, daß die Tatzeit schon drei Jahre zurückliege und die Angeklagten mit ihren Angaben bei Stellung des Antrages auf Bundeserziehungsgeld für das zweite Kind selbst Anlaß zu den Ermittlungen gegeben hätten. Eine Gefährdung der Rechtstreue der Bevölkerung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB) hielt die Strafkammer im Hinblick auf die Gesamtheit der positiven Umstände und die jeweils gegen die Angeklagten zusätzlich verhängten Geldbußen von 500 DM für ausgeschlossen. Die Erwägungen der Strafkammer halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

III.

Nach einhelliger Meinung hat die Vorschrift des § 59 StGB Ausnahmecharakter. Dieser ergibt sich aus dem Erfordernis der besonderen Umstände gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es müssen danach Merkmale vorliegen, die die Tat aus dem Kreis vergleichbarer, gewöhnlich vorkommender Durchschnittsfälle so deutlich herausheben, daß eine Verschonung von Strafe angezeigt ist (OLG Hamm JMBINW 1976, 44; BayObLG NStE Nr. 2 zu § 59 StGB; OLG Düsseldorf NStE Nr. 3 zu § 59 StGB; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 59 Rdnr. 4; LK-Gribbohm StGB 11. Aufl. § 59 Rdnrn. 9 ff). Solche besonderen Umstände können in ungewöhnlich geringem Gewicht des Unrechts und Schuldgehalts der Tat, in ungewöhnlich schweren Folgen der Tat für den Täter oder in sonstigen Umständen liegen, die der Tat gegenüber Durchschnittsfällen das besondere Gepräge einer Ausnahme vom gewöhnlichen Erscheinungsbild geben (Gribbohm a.a.O.; OLG Celle NdsRpfl 1977, 89).

Die Entscheidung über die Prognose und über die Fragen, ob die Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach den es angezeigt ist, ihn von der Strafe zu verschonen, und ob nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Verurteilung zur Strafe gebietet, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Er hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidungen kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob ihnen unrichtige Argumente zugrunde liegen und ob sie sich auch sonst im Rahmen dessen bewegen, was nach den zugrundeliegenden Feststellungen vertretbar ist; in Zweifelsfällen hat es die Bewertungen des Tatrichters zu respektieren (BGH NJW 1977, 639; BayObLG NJW 1990, 58 f; Gribbohm a.a.O. Rdnr. 22).

Die Strafkammer hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) rechtsfehlerhaft verneint. Sie hat insbesondere den von ihr gewürdigten Strafzumessungstatsachen - der Unbestraftheit, der Geständigkeit und dem Umstand der raschen Schadenswiedergutmachung - im Rahmen einer Gesamtwürdigung in nicht mehr vertretbarer Weise Besonderheit i.S.d. § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB beigemessen. Demgegenüber kann den Ausführungen im Urteil nicht entnommen werden, ob die Strafkammer sich bewußt war, daß es sich, wie sich aus den amtsgerichtlichen Feststellungen, die auf dem Geständnis der Angeklagten beruhen, ergibt, bei den beiden Angeklagten um Wiederholungstäter handelt, die sich bereits im vorausgegangenen Jahr Leistungen auf Bundeserziehungsgeld erschwindelt hatten. Diesem Umstand kommt aber bei der Prüfung der besonderen Würdigkeit für die mildeste strafrechtliche Sanktion nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB in hohem Maße negative Bedeutung zu. Der Tatrichter entscheidet rechtsfehlerhaft, wenn er ihn bei seiner Würdigung außer Acht läßt. Daß insoweit keine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist, steht nicht entgegen, da die beiden Angeklagten auch diese Tat eingestanden haben. Darüber hinaus kann der ausgesprochen hohe Stellenwert, den das Landgericht dem Geständnis der Angeklagten beigemessen hat, nicht nachvollzogen werden. Die Strafkammer verkennt hier, daß die Tat nicht durch deren freiwillige Offenbarung herauskam, sondern, nachdem bei der Landeskreditbank Widersprüche mit ihren Angaben in einem weiteren Antragsverfahren aufgefallen waren. Das Geständnis war daher für die Aufklärung der Tat in vorliegendem Verfahren nicht kausal und reichte demnach über einen gewöhnlichen Strafmilderungsgrund nicht hinaus. Aufgrund der divergierenden Angaben der Angeklagten in zwei verschiedenen Antragsverfahren folgte bereits zwingend, daß einer der Anträge falsche Angaben über die persönlichen Einkünfte der Beschwerdeführer enthielt. Hingegen hat die Strafkammer bei ihrer Gesamtbewertung dem Umstand, daß die Angeklagten sich staatliche Beihilfen erschwindelt haben, nicht hinreichend Rechnung getragen. Es ist zu sehen, daß die zuständigen Stellen in besonderem Maße auf die Richtigkeit der Erklärungen der Antragsteller angewiesen sind. Der verursachte Schaden war hoch und wurde auch erst, nachdem ein Rückforderungsbescheid ergangen war, wieder gutgemacht. Bei dieser Sachlage können besondere Umstände in der Tat und der Persönlichkeit beider Angeklagten nicht mehr bejaht werden.

Sonach war das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen, die durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, aufzuheben (§ 353 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Da der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden konnte (Gribbohm a.a.O. § 59 Rdnr. 22), war diese nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Sie wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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