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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 28.12.2001
Aktenzeichen: 2 Ss 283/00
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 71
OWiG § 72
Nach dem gesetzgeberischen Zweck der Ausnahmebestimmung des § 72 Abs. 1 Satz 1 OWiG, der allein der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dient, ist nach Durchführung einer Hauptverhandlung grundsätzlich durch Urteil und nicht im Beschlusswege zu entscheiden.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Senat für Bußgeldsachen

2 Ss 283/00

Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Beschluss vom 28. Dezember 2001

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts X. vom 02. November 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an das Amtsgericht X. zurückverwiesen.

Gründe:

Gegen den Betroffenen erging am 17.01.2000 ein Bußgeldbescheid der Stadt X., gegen den er rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Nach durchgeführter Hauptverhandlung vom 02.08.2000 hat das Amtsgericht nicht ein Urteil gefällt, sondern im schriftlichen Verfahren entschieden und den Betroffenen durch Beschluss vom 02.11.2000 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu der Geldbuße von 75 DM verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs und erhebt im übrigen die Sachrüge.

Die Rechtsbeschwerde ist jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG zulässig, da das Amtsgericht durch Beschluss entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen des § 72 OWiG nicht vorlagen. Der Betroffene beanstandet auch zu Recht, dass das Amtsgericht nach Durchführung der Hauptverhandlung vom 02.08.2000 nicht durch Urteil gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 1 StPO entschieden hat. Dass dies ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls mit seinem Einverständnis geschehen ist, ist ohne Belang. Wenn im Bußgeldverfahren die Hauptverhandlung soweit durchgeführt ist, dass nur noch die Entscheidung aussteht, ohne dass noch Beweise zu erheben sind oder sonst etwas zu veranlassen ist, steht es nicht mehr im Belieben der Verfahrensbeteiligten, auf das Beschlussverfahren des § 72 OWiG überzuwechseln. Nach dem gesetzgeberischen Zweck der Ausnahmebestimmung des § 72 Abs. 1 Satz 1 OWiG, der allein der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dient, ist es nämlich sinnwidrig, nach Durchführung der Hauptverhandlung im Beschlusswege zu entscheiden, wenn die Entscheidung aufgrund der Ergebnisse der Hauptverhandlung getroffen werden soll (OLG Hamm VRS 55, 288 f; DAR 1979, 343 f; OLG Karlsruhe VRS 58, 263 f = Die Justiz 1979, 447 f; Göhler, OWiG 12. Aufl. § 71 Rdn. 31). Der vorliegend nach § 72 OWiG gefasste Beschluss erging indessen ausweislich seiner Gründe, die ersichtlich die Einlassung des Betroffenen im Termin vom 02.08.2000 zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache referieren, aufgrund der Hauptverhandlung. Weitere Beweiserhebungen waren nicht beabsichtigt. Damit stand nicht mehr zur Disposition der Verfahrensbeteiligten, in das schriftliche Verfahren überzugehen. Bei dieser Verfahrenslage muss durch Urteil entschieden werden, denn ein Beschluss nach § 72 OWiG diente hier weder der Verfahrensbeschleunigung noch der Verfahrensvereinfachung und nähme zudem dem Betroffenen trotz einer bis zur Entscheidungsreife durchgeführten Hauptverhandlung die Möglichkeit, gegen die Entscheidung Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beantragen (Senge in KK-OWiG 2. Aufl. § 72 Rdn. 8; OLG Hamm VRS 47, 46 ff; die Entscheidungen OLG Koblenz VRS 61, 375 und VRS 54, 292 f betreffen die hier nicht vorliegende Konstellation, dass die Hauptverhandlung zum Zwecke der Erhebung weiterer Beweise vertagt worden war).

Da nach alledem die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlusswege vorliegend nicht gegeben waren, kann die angefochtene Entscheidung ungeachtet der Beruhensfrage keinen Bestand haben (vgl. auch BayObLG DAR 1975, 210 "Scheinurteil"). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht X. zurückzuverweisen. Die verjährungshemmende Wirkung nach § 32 Abs. 2 OWiG ist durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht berührt (vgl. Weller in KK-OWiG § 32 Rdnrn. 23 ff).

Ende der Entscheidung

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