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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 2 Ss 53/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 2
Wer einem Täter, der zur Fortsetzung seines illegalen Aufenthaltes unter allen Umständen entschlossen ist, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten gewährt, die ihm den Aufenthalt zwar erleichtern, von denen er sein ungesetzliches Verbleiben im Inland aber nicht abhängig macht, macht sich nicht wegen Beihilfe zu einer Straftat nach § 95 Abs.1 Nr. 2 AufenthG strafbar.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ss 53/08

Strafsache

wegen Einschleusens von Ausländern

Beschluss vom 14. Januar 2009

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts F. vom 23. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Strafkammer des Landgerichts F. zurückverwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht F. unter Aufhebung des freisprechenden Urteils des Amtsgerichts B. vom 6.9.2007 den Angeklagten wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge - vorläufigen - Erfolg.

Der Schuldspruch von Ausländern hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte im Zeitraum von Juni 2005 bis zum 22.6.2006 dem vietnamesischen Staatsangehörigen T., dem von der Stadt M. eine bis zum 18.4.2002 befristete Duldung erteilt und der danach untergetaucht war, "mit größeren Unterbrechungen" Unterkunft im Obergeschoss seines Anwesens gewährt, wo er dann gemeinsam mit seiner in der Gaststätte des Angeklagten arbeitenden Freundin ein Zimmer bewohnte. Außerdem ließ er ihn gegen einen geringen Lohn und die erwähnte Wohnmöglichkeit als Küchenhilfe arbeiten, ohne Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Der Angeklagte wusste, dass T. weder einen Aufenthaltstitel noch eine Arbeitserlaubnis besaß. Auch war er sich darüber im klaren, dass er "durch seine Initiative den illegalen Aufenthalt des T. in Deutschland unterstützte". Der rechtlichen Würdigung lassen sich zudem die Feststellungen entnehmen, dass T. sich nach Ablauf der Duldung durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden entzogen hatte, die Ausländerbehörde der Stadt M. ihn jedoch nicht ausgeschrieben hatte und er auch unabhängig von der Gewährung von Unterkunft und Beschäftigung durch den Angeklagten zur "Aufrechterhaltung des illegalen Zustandes" entschlossen war.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht.

Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stellt u.a. die gewinnbringende Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unter Strafe. Dabei kann es vorliegend dahinstehen, ob die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen die Annahme der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat (Hailbronner, AuslR, zu § 96 AufenthG Rn 8) eines unerlaubten Aufenthaltes rechtfertigen. Dies erscheint insbesondere hinsichtlich der tatbestandlich vorausgesetzten Nichtaussetzung der Abschiebung fraglich, da dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht schon dann erfüllt ist, wenn der Täter - wie hier wegen des Ablaufs einer Befristung - über keine Duldung (mehr) verfügt, sondern nur dann zur Strafbarkeit führt, wenn eine solche Duldung auch nicht nach § 60a AufenthG hätte erteilt werden müssen (BVerfG NStZ 2003, 488; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184; NStZ-RR 2006, 246). Zwar will der Bundesgerichtshof die letztgenannte Anforderung auf die Fälle beschränken, in denen der Aufenthalt des Ausländers bekannt und dieser insbesondere nicht untergetaucht ist (BGH StV 2005, 24; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184; a.A. noch OLG Schleswig NStZ 2005, 408). Doch erscheinen die Feststellungen des Urteils auch insoweit lückenhaft, als sie keine Überprüfung erlauben, ob der Verzicht der Ausländerbehörde auf eine Ausschreibung (§ 50 Abs. 7 AufenthG) nicht - etwa wegen der Unmöglichkeit der Abschiebung nach V. - ein bewusstes Unterlassen der Behörde darstellt, das im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Vorliegen der materiellen Duldungsvoraussetzungen nicht strafbegründend sein darf (vgl. Lam StV 2005, 464).

Der Senat braucht diese Frage allerdings nicht zu entscheiden, da jedenfalls eine Beihilfe des Angeklagten zu einer möglichen Straftat des T. nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von den Feststellungen nicht getragen wird.

Beihilfe ist nach § 27 StGB die vorsätzliche Hilfe zu einer vorsätzlich begangenen Straftat. Dabei kommt jede Handlung in Betracht, die die Haupttat fördert oder erleichtert. Eine Beihilfe zu einer Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt damit voraus, dass das Verhalten des Angeklagten die Fortdauer des unerlaubten Aufenthaltes - und sei es nur durch Bestärkung des Tatentschlusses des Haupttäters oder Vermittlung eines Sicherheitsgefühls - ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert. Dies ist nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig dann nicht der Fall, wenn der Täter der Haupttat zur Fortsetzung des illegalen Aufenthaltes unter allen Umständen entschlossen ist. Werden einem solchen in seinem Tatentschluss gefestigten Täter Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten geboten, die ihm den Aufenthalt zwar erleichtern, von denen er sein ungesetzliches Verbleiben im Inland aber nicht abhängig macht, vermag dies die durch den Täter verwirklichte Rechtsgutsverletzung, nämlich die Verbotswidrigkeit seines Aufenthaltes, nicht zu fördern (BGH NStZ 1990, 443; BayObLG NStZ 1999, 627; NJW 2002, 1663; KG (4) 1 Ss 263/00, bei JURIS; OLG Düsseldorf StV 2002, 312). So war es aber hier. Nach den Feststellungen war T. unabhängig von der Gewährung von Unterkunft und Beschäftigung durch den Angeklagten zur "Aufrechterhaltung des illegalen Zustandes" entschlossen. Die bloße Gewährung einer Wohnmöglichkeit konnte unter diesen Voraussetzungen einen unerlaubten Aufenthalt nicht fördern (BGH NStZ 1990, 443). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Feststellungen es nahe legen, dass T., der zum Verbleiben in Deutschland fest entschlossen war, die zum Anwesen des Angeklagten gehörende Wohnung nicht etwa deshalb aufgesucht hat, um einen Unterschlupf vor den Nachforschungen der Ausländerbehörde zu finden, sondern um mit seiner dort sonst allein lebenden Freundin zusammen zu sein, wobei die Feststellungen nicht erkennen lassen, ob und welche rechtliche Handhabe der Angeklagte überhaupt gehabt hätte, T. aus seinem Anwesen zu verweisen. Eine relevante Förderung des unerlaubten Aufenthaltes kann auch nicht in dem Umstand gesehen werden, dass der Angeklagte T. in nicht näher dargelegtem Umfang gegen eine geringfügige Entlohnung und die Wohnmöglichkeit als Küchenhilfe beschäftigt hat. Denn auch diese Arbeitsmöglichkeit war ersichtlich nicht darauf angelegt, den illegalen Aufenthalt des T. zu fördern, sondern wurde diesem nur gelegentlich des Aufenthaltes bei seiner Freundin und teilweise im Gegenzug zu den Wohnkosten angeboten, wobei auch nicht deutlich wird, ob die geringe, nicht näher bekannte Entlohnung überhaupt geeignet war, den illegalen Aufenthalt materiell zu unterstützen.

Der Senat sieht sich zu einer Abweichung von der erwähnten höchst- und obergerichtlich vertretenen herrschenden Meinung auch nicht durch die von der Strafkammer zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 25.2.2005 (NStZ-RR 2005, 184) veranlasst, das - wie bereits zuvor das Oberlandesgericht Köln am 25.3.2003 (NStZ-RR 2003, 184) - in einem obiter dictum und damit für seine Entscheidung nicht tragend die Auffassung vertreten hat, eine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt möglicherweise auch in Fällen eines tatentschlossenen Haupttäters annehmen zu wollen. Denn jedenfalls den festgestellten Umständen des vorliegenden Falles lassen sich Hinweise auf eine Förderung der - möglichen - konkreten Haupttat des T. nicht entnehmen.

Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts, da den festgestellten Umständen nicht hinreichend entnommen werden kann, ob möglicherweise eine Straftat nach § 266a Abs. 1 StGB oder eine Ordnungswidrigkeit § 404 Abs. 1 SGB III vorliegt.

Die Entscheidung ergeht nach § 349 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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