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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 2 Ss 96/06
Rechtsgebiete: BtMG, StPO


Vorschriften:

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 354 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 6. Februar 2006 aufgehoben.

Die Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die der Angeklagte entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteilhat das Landgericht Freiburgauf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 21.11.2005 aufgehoben und die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Berufung der Angeklagten wurde verworfen. Ihre Revision hat schon mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Der Schuldspruch entbehrt einer ausreichenden Tatsachengrundlage.

Nach den Feststellungen des Urteils hatten die Angeklagte und ihr Lebensgefährte am 1.6.2001 eine Vierzimmerwohnung von 59 m2 zum Preis von 342 EUR angemietet, wobei die Miete wie auch die Abschlagszahlung für Strom und Gas vom Konto der Angeklagten abgebucht wurden. Ab Ende des Jahres 2002 beschloss der Lebensgefährte der Angeklagten, zwei Zimmer der Wohnung zum Anbau von Cannabis zu nutzen. Ab Januar zog er eine unbekannt gebliebene Menge von Cannabispflanzen auf und veräußerte einen Teil der Ernte gewinnbringend, während er den anderen Teil selbst konsumierte. Die Angeklagte, die mit den Anpflanzungen nicht einverstanden war und selbst auch keine Betäubungsmittel konsumierte, forderte ihren Lebensgefährten erfolglos auf, diese einzustellen. Dieser intensivierte vielmehr in der zweiten Hälfte des Jahres 2003 den Anbau durch Anbringen eines Beleuchtungs- und Bewässerungssystems, was zu einem deutlichen Anstieg der Stromkosten insbesondere im Jahre 2004 führte. Hierauf wurde die Angeklagte, die alleinige Vertragspartnerin des Stromversorgers war, mit Schreiben vom 10.2.2005 hingewiesen, in dem sie auf eine anstehende Nachzahlung bis zum 28.2.2005 und eine Erhöhung der Abschlagszahlung aufmerksam gemacht wurde. Hierüber verärgert stellte sie ihren Freund zur Rede. Bei der Hausdurchsuchung am 3.3.2005 wurden größere Mengen Cannabispflanzen und ihrer Produkte sichergestellt. Der Lebensgefährte der Angeklagten, der nur einer Teilzeitbeschäftigung bei niederer Entlohnung nachging, hatte in der Vergangenheit gelegentlich die Versicherungsprämie für den gemeinsam erworbenen Pkw übernommen und der Angeklagten hin und wieder Bargeldbeträge ausgehändigt, um sich damit an den Mietkosten zu beteiligen. Dabei musste sich der Angeklagten aufdrängen, dass das Geld teilweise aus Betäubungsmittelgeschäften stammte.

Die Auffassung der Strafkammer, die Angeklagte habe sich nach diesen Feststellungen der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmittel schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Eine als Beihilfehandlung zu bewertende Tätigkeit kann ihnen nicht entnommen werden. Die Angeklagte hat die Wohnung ihrem Lebensgefährten nicht etwa zum Zweck des Anbaus von Betäubungsmitteln oder in der Erwartung, von diesem Anbau zu profitieren, zur Verfügung gestellt, sondern den Anbau - ohne damit einverstanden zu sein - in der aufgrund ihrer persönlichen Beziehung zu ihrem Lebensgefährten gemeinsam bewohnten Wohnung geduldet (BGH NJW 1993, 76; NStZ 1999, 451; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1, Handeltreiben 60). Auch dass sie ihn sonst beim Anbau oder gar der Abwicklung der Betäubungsmittelgeschäfte irgendwie aktiv unterstützt haben könnte (vgl. BGH NStZ 1994, 92; NStZ 1999, 451), ist nicht ersichtlich. Eine solche Hilfestellung kann insbesondere nicht zu der Duldung der Abbuchung der Miete und der Stromkosten gesehen werden, die mit dem gemeinsamen Wohnen und nicht mit dem Betäubungsmittelanbau in Zusammenhang stand. Dies gilt auch hinsichtlich der im Jahre 2004 durch den intensivierten Anbau deutlich gestiegenen Stromkosten, da die Angeklagte, die im übrigen erst wenige Wochen vor der Durchsuchung der Wohnung von dem hohen Strompreis erfahren und ihrem Lebensgefährten deshalb Vorhaltungen gemacht hatte, gegenüber dem die Wohnung beliefernden Stromversorger nur einheitlich leisten konnte. Ebensowenig stellt es eine Unterstützung des von ihrem Lebensgefährten betriebenen Betäubungsmittelhandels dar, dass die Angeklagte hin und wieder von diesem Geldbeträge in im übrigen unbekannt gebliebener Höhe annahm, die teilweise aus dem Betäubungsmittelhandel stammten und allein der Finanzierung der gemeinsamen Lebensführung dienten. Das Profitieren von den Betäubungsmittelgeschäften önnte nämlich nur im Zusammenhang mit aktiven Unterstützungshandlungen oder dann den Vorwurf der Teilnahme begründen, wenn die Angeklagte ihrem Lebensgefährten die Wohnung aus diesem Grund zur Verfügung gestellt hätte (vgl. BGH NStZ 1994, 92; NStZ 1999, 451).

Auch eine Strafbarkeit wegen Unterlassens durch Duldung des Anbaus in der gemeinsamen Wohnung und Abbuchung der Stromkosten scheidet aus, da eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten sich weder aus der persönlichen Beziehung der Angeklagten zu ihrem Lebensgefährten noch aus ihrer Wohnungsinhaberschaft ableiten lässt (BGH NJW 1993, 76; NStZ 1999, 451; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1, Handeltreiben 60; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 27; OLG Zweibrücken StV 1999, 212; OLG Celle StV 2000, 624).

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Angeklagte könnte die Straftaten ihres Lebensgefährten in Form psychischer Beihilfe unterstützt haben (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 27), zumal sie mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, mit dem Anbau nicht einverstanden zu sein und selbst auch keine Betäubungsmittel konsumierte. Aus diesem Grund scheidet auch eine Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln aus. Denn wenn auch diese sich mit ihrem Wissen in der gemeinsamen Wohnung befanden, so muss ein Besitzwille aufgrund der genannten Feststellungen ausgeschlossen werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 27).

Das Urteil war deshalb auf die Sachrüge hin aufzuheben, wobei der Senat die Angeklagte nach des § 354 Abs. 1 StPO freisprechen konnte, da aufgrund der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen eine Verurteilung nicht in Betracht kommt und weitere Feststellungen nicht möglich erscheinen, zumal die Angeklagte mit dem Haupttäter zwischenzeitlich verheiratet ist, so dass diesem ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Der geltendgemachte und nur auf die Verfahrensrüge zu berücksichtigende (vgl. BGHSt 18, 79, 83; 28, 191, 198; Senat Die Justiz 1999, 142; KK-Kuckein zu § 338 Rn 69; Eisenberg, JGG, zu § 33 Rn 37 f.; Brunner/Dölling, JGG, zu § 33 Rn 3) Verstoß gegen die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Jugend- und Erwachsenengerichten war deshalb nicht mehr zu prüfen.

Die Entscheidung ergeht nach § 349 Abs. 4 StPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StGB.

Ende der Entscheidung

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