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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 31.07.2000
Aktenzeichen: 2 UF 10/99
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 18 Abs. 1 S. 1
ZPO a.F. § 642
ZPO a.F. § 643
BGB a.F. § 1615 a
BGB a.F. § 1615 f
Leitsatz

1. Auf die Unterhaltsansprüche des nichtehelichen Kindes findet nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht des Aufenthaltsortes Anwendung.

2. Auf vor dem 01.07.1998 anhängige Kindesunterhaltsverfahren ist das alte Verfahrensrecht anzuwenden, somit auch §§ 642, 643 ZPO a. F. Der Einwand der Leistungsunfähigkeit ist bei Anwendung deutschen materiellen Rechts nur zu berücksichtigen, wenn diese ständig gegeben ist. Dies ist bei einer 4-jährigen Freiheitsstrafe des unterhaltsverpflichteten Vaters mit der Möglichkeit vorzeitiger Entlassung und drohender Abschiebung nicht der Fall.

3. Nach kroatischem Recht findet die Leisungsunfähigkeit hingegen Berücksichtigung, da eine dem § 643 ZPO a. F. entsprechende Regelung fehlt.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

Im Namen des Volkes Urteil

2 UF 10/99 1 C 266/98

Verkündet am: 31.Juli 2000

Bergdolt als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Vaterschaftsfestst. / Regelunterhalt

hat der 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO, in dem bis zum 25.7.2000 Schriftsätze eingereicht werden konnten durch Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 524 Abs. 4 ZPO

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts K.-D. vom 8.12.1998 (1 C 266/98) unter Aufhebung im Kostenpunkt wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum von der Geburt am 23.2.1998 bis zum 20.2.1999 den Regelunterhalt zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte trägt von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen 3/4, der Kläger 1/4.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 23.2.1998 geborene Kläger ist das Kind der in B. L., Bosnien-Herzegowina geborenen Frau M. V.. Mit am 4.6.1998 eingegangenem Schriftsatz des Jugendamtes K. hat dieses als Beistand des Klägers die Feststellung beantragt, daß der Beklagte, bosnischer Staatsangehöriger, der Vater des Kindes ist und gleichzeitig beantragt, den Beklagten zur Zahlung des Regelunterhalts bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes zu verurteilen. Nach Vernehmung der Kindesmutter als Zeugin hat das Amtsgericht am 20.8.1998 die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet. Mit am 2.9.1998 eingegangenem Schreiben hat der Beklagte mitgeteilt, daß er nicht an seiner Vaterschaft zweifle. Am 20.10.1998 hat der Beklagte die Vaterschaft vor dem Jugendamt anerkannt, die Mutter des Kindes, die dem Rechtsstreit beigetreten war, hat der Vaterschaftsanerkennung am 11.11.1998 zugestimmt.

In der mündlichen Verhandlung am 8.12.1998 haben die Parteien hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Hinsichtlich der Verpflichtung der Zahlung zum Regelunterhalt vertrat der Beklagte die Auffassung, er sei aufgrund seiner Strafhaft, in der er sich seit 7.7.1998 befinde, nicht leistungsfähig. Er hat insoweit Klagabweisung beantragt.

Durch Urteil des Amtsgerichts K.-D. vom 8.12.1998 wurde der Beklagte zur Zahlung des Regelunterhalts bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers verurteilt. Die Unterhaltsverpflichtung richte sich nach deutschem Recht, Art. 18 EGBGB. Im Verfahren nach § 643 ZPO sei nicht zu prüfen, ob materiellrechtlich eine Unterhaltspflicht wegen ausreichender Leistungspflicht besteht. Da der Beklagte auch die Vaterschaft nicht sofort anerkannt hat, seien ihm die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzuerlegen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Der Beklagte trägt vor, das Kind und seine Mutter hätten bereits im Juni 1998 Deutschland verlassen, so daß deutsche Gerichte zur Vaterschaftsfeststellung nicht zuständig seien und das Jugendamt keine Vertretungsbefugnis habe. Art und Umfang des Unterhaltsanspruchs bestimmten sich nach kroatischem Recht, auch seien die kroatischen Gerichte ausschließlich für die Feststellung der Vaterschaft zuständig. Zudem sei hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung die Kostenregelung nicht angemessen. Später hat der Beklagte die kroatische Staatsangehörigkeit des Klägers und seiner Mutter bestritten und die Auffassung vertreten, es komme bosnisches Recht zur Anwendung.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts K.-D. vom 8.12.1998 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, er habe mit seiner Mutter am 20.2.1999 Deutschland verlassen und lebe jetzt in Kroatien. Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, daß es zumindest bis Februar 1999 nicht auf eine Leistungsfähigkeit des Beklagten ankomme, da deutsches Unterhaltsrecht Anwendung finde. Danach sei der Beklagte offenbar wieder aus der Haft entlassen und habe keine Bemühungen um eine Arbeitsstelle vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien der Kläger und seine Mutter kroatischer, nicht bosnischer Staatsangehörigkeit.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren durch die Einzelrichterin einverstanden erklärt, §§ 128 Abs. 2, 524 Abs. 4 ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Für den Zeitraum bis zum 20.2.1999 wurde der Beklagte zu Recht zur Zahlung des Regelunterhalts verurteilt, die darüberhinausgehende Berufung ist begründet.

1. Hinsichtlich der zuletzt streitigen Staatsangehörigkeit des Klägers und seiner Mutter steht aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunde des Kindes und des Personalausweises der Mutter fest, daß sowohl die Mutter als auch das Kind die kroatische Staatsangehörigkeit haben (II, 103 ff.).

2. Soweit streitig war, wann der Kläger mit seiner Mutter die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat, hat eine Nachfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt K. ergeben, daß der Kläger am 20.2.1999 von seiner Mutter nach Kroatien abgemeldet wurde. Dies deckt sich mit der Mitteilung des Jugendamtes, daß Mutter und Kind am 20.2.1999 nach Kroatien ausgereist seien. Anhaltspunkte für den Vortrag des Klägers, das Kind habe sich schon seit Juni 1998 in Kroatien befunden, haben sich nicht ergeben. Zwar wurde zu diesem Zeitpunkt eine Ausreiseverfügung des Ausländeramtes erlassen, der Mutter des Klägers jedoch eine 3-monatige Ausreisefrist gewährt. Am 7.9.1998 haben sich Mutter und Kind beim Sachverständigen zur Entnahme der Blutproben eingefunden, am 15.10.1998 hat der erstinstanzliche Richter dem Ausländeramt auf dessen Anfrage mitgeteilt, daß ein weiterer Verbleib des Kindes bis zum Abschluß des Verfahrens wünschenswert sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist davon auszugehen, daß das Kind bis zu seiner Abmeldung am 20.2.1999 seinen Aufenthaltsort in Deutschland hatte.

Ab der Ausreise ist die Beistandschaft des Jugendamtes erloschen, § 1717 BGB; das Kind wird nunmehr gesetzlich durch seine Mutter vertreten.

II.

1. Auf die Feststellung der Vaterschaft findet bei vor dem 1.7.1998 geborenen Kindern das bisherige Recht Anwendung, Art. 224 § 1 Abs.1 EGBGB. Nach § 640 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO a.F. sind deutsche Gerichte für die Feststellung der Vaterschaft international zuständig, wenn sich eine Partei in Deutschland aufhält. Dies war zumindest unstreitig der Beklagte und nach den Ausführungen unter I.2 bis zum 20.2.1999 auch das klagende Kind und seine Mutter.

Eine ausschließliche Zuständigkeit kroatischer Gerichte ergibt sich aus den vom Beklagten zitierten Vorschriften des kroatischen Rechts nicht. Art. 64 des Gesetzes Nr. 43 Pos. 525 vom 15.7.1982 über die Regelung der Kollision von Gesetzen mit den Vorschriften anderer Staaten in bestimmten Verhältnissen (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Länderteil Kroatien, S. 28 ff.) läßt zwar auch eine Vaterschaftsfeststellung durch die kroatischen Gerichte zu; es handelt sich jedoch nur im Falle des Absatzes 2 (Klage gegen das Kind, welches Staatsbürger der Republik Kroatien ist und den Wohnsitz dort hat) um eine ausschließliche. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da das Kind Kläger ist. Auch für die Unterhaltsansprüche ist keine ausschließliche Zuständigkeit kroatischer Gerichte gegeben (Art. 67 des Gesetzes Nr. 43 Pos. 525).

2. Das auf die Abstammung anwendbare Recht ergibt sich aus Art. 20 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a.F.. Danach ist kroatisches Recht anwendbar als das Recht des Staates, dem die Mutter bei der Geburt angehört hat. Nach Art. 100, 106 des Gesetzes Nr. 31 Pos. 1168 vom 27.10.1989 über die Ehe und über die Familienbeziehungen (abgedruckt aaO., S. 43) wird als Vater erachtet, wer das Kind als seines anerkannt hat oder dessen Vaterschaft durch Gerichtsurteil festgestellt wird. Das Verfahren kann sowohl vom Kind als auch vom Vormundschaftsorgan (nach Art. 172 des Gesetzes ist dies das Gemeindezentrum für Sozialarbeit, also dem Jugendamt vergleichbar) und der Mutter eingeleitet werden (Art. 118, 120 des Gesetzes). Hier hat der Beklagte die Vaterschaft anerkannt, danach wurde das gerichtliche Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

3. Auf die Unterhaltsansprüche des Klägers gegen seinen Vater findet Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB, nicht Art. 20 Abs. 2 EGBGB a.F. und damit das Recht des Aufenthaltsortes Anwendung (Klinkhardt in Münchner Kommentar, 3. Aufl., Art. 20 a.F., Rn. 56). Dem stehen das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956 und das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2.10.1973 nicht entgegen, da Kroatien jeweils kein Vertragsstaat ist (Palandt/Heldrich, 59. Aufl., Anhang zu Art. 18 EGBGB, Rn. 1 und 4) und die Regelungen im übrigen mit Art. 18 EGBGB im Einklang stehen. Aufenthaltsort des Kindes war bis zum 20.2.1999 Deutschland, danach Kroatien.

a) Bis zum 20.2.1999 ist somit deutsches Recht anwendbar. Das erstinstanzliche Gericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß nach Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 KindUG das Verfahrensrecht vor der Kindschaftsrechtsreform anzuwenden ist und damit auch die §§ 642, 643 ZPO a.F. in Verbindung mit §§ 1615 a, 1601, 1615 f BGB a.F. Insoweit wird auf die Urteilsgründe, S. 5 f. Bezug genommen. Das klagende Kind konnte noch nach altem Recht seinen Regelunterhalt festsetzen lassen (s. hierzu auch Musilak/Borth, ZPO, vor § 645, Rn. 7).

Im Verfahren nach § 643 ZPO a.F. war eine Leistungsfähigkeit des Vaters nicht zu prüfen, dem Kind sollte ein weiterer Rechtsstreit wegen des Unterhalts erspart bleiben (Baumbach/Albers, ZPO, 56. Aufl., § 643 a.F., Rn. 1). Etwaige Abweichungen vom Regelunterhalt konnten nur im Verfahren gem. § 643 a ZPO a.F. überprüft werden Eine Ausnahme beim Einwand der Leistungsunfähigkeit des Verpflichteten ist nur für den Fall diskutiert worden, daß diese unstreitig oder offensichtlich ständig gegeben ist (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 712, 713; OLG Stuttgart FamRZ 1995, 621, 622). Hier kommt eine Leistungsunfähigkeit allenfalls für den Zeitraum der Strafhaft in Betracht, wobei zu berücksichtigen ist, daß diese ggf. durch vorzeitige Entlassung oder Abschiebung in das Heimatland des Beklagten zu einem für den Kläger nicht ersichtlichen Zeitpunkt enden konnte. Mit dem Sinn des vereinfachten Verfahrens wäre es nicht vereinbar, dem Kläger bei absehbarer nur vorübergehender Leistungsfähigkeit eine ständige Oberprüfung der fortdauernden Haft zuzumuten. Unmittelbar nach der Haftentlassung wäre gem. § 1603 Abs. 2 BGB von einer gesteigerten Erwerbsverpflichtung des Beklagten auszugehen. Der Beklagte ist daher zu Recht zur Zahlung des Regelunterhalts verurteilt worden. Der Zeitraum war allerdings auf den Aufenthalt des Klägers in Deutschland zu beschränken.

b) Ab dem 21.2.1999 ist kroatisches Recht anwendbar. Nach Art. 237 des Gesetzes Nr. 31 Pos. 1168 besteht eine Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seinem minderjährigen Kind, wobei nach Art. 261 Abs. 3 des Gesetzes die Leistungsfähigkeit maßgebend ist. Nach Art. 263 kann auch das Vormundschaftsorgan die Klage erheben. Nachdem im kroatischen Recht keine dem § 643 ZPO a.F. bzw. § 653 ZPO n.F. entsprechende Regelung besteht, daß Regelunterhalt ohne Prüfung der Leistungsfähigkeit festgesetzt werden kann, ist die Berufung ab 21.2.1999 begründet. Der Beklagte befindet sich seit dem 7.7.1998 voraussichtlich für die Dauer von 4 Jahren in Strafhaft. In dieser Zeit kann er keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die ihn in die Lage versetzen würde, Unterhaltszahlungen an den Kläger zu erbringen. Da die Straftaten bereits vor der Geburt des Kindes begangen wurden, ist keine unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit erkennbar.

III.

Die vom Amtsgericht hinsichtlich der übereinstimmenden Erledigung bzgl. der Vaterschaftsfeststellung gem. § 91 a ZPO getroffene Kostenregelung zu Lasten des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Zwar hat der Beklagte vorgerichtlich seine Vaterschaft nicht in Frage gestellt, diese aber auch nicht förmlich anerkannt, so daß er Veranlassung zur Klage gegeben hat.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlaß, § 546 ZPO.

Ende der Entscheidung

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