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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 2 UF 104/00
Rechtsgebiete: HausrVO


Vorschriften:

HausrVO § 17
1. Wurde die Erstentscheidung nicht darauf gestützt, dass ein Ehegatte die ihm zugewiesenen Räume ständig benötigt bzw. selbst nutzen möchte, kann dies nicht allein deshalb abgeändert werden, weil der Ehegatte den ihm zugewiesenen Teil des Hauses seiner Mutter zum Wohnen zur Verfügung stellt.

2. Dass das Verhältnis der Mutter zu dem anderen Ehegatten, der den übrigen Teil des Hauses nutzt, sehr gespannt ist, diese den gemeinsamen Sohn durch Klopfen an dessen Zimmer stört, reicht zu einer Alleinzuweisung an diesen Ehegatten führenden Abänderungsentscheidung wegen sich nachträglich herausstellender grober Unbilligkeit nicht aus.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 104/00

Karlsruhe, 27. September 2000

Familiensache

wegen Zuweisung der Ehewohnung

Beschluss

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesloch vom 02.06.2000 (1 F .....) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.000,00 DM festgesetzt.

4. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung ab 20.09.2000 Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und ihm Rechtsanwalt P. beigeordnet. Der Antragsgegner hat keine Raten auf die Prozeßkosten zu zahlen.

Gründe:

(zu 1. - 3.):

I.

Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Sie haben einen am 13.10.1987 geborenen Sohn, der von der Ehefrau (Antragstellerin) betreut und versorgt wird. Die Parteien sind jeweils Miteigentümer zu 1/2 des Anwesens G. - str. in St. L. - R.. Der Ehemann (Antragsgegner) hält sich seit Juli 1999 überwiegend in F. auf und wohnt dort zusammen mit seiner Freundin in deren 38 m² großen Wohnung.

Am 30.11.1999 hatte die Ehefrau beantragt, ihr die Ehewohnung in der G. - str. in St. L. - R. zuzuweisen. Der Ehemann war dem Antrag auf Alleinzuweisung entgegengetreten. Mit Beschluss vom 25.02.2000 hat das Familiengericht eine Nutzungsregelung getroffen, nach der dem Ehemann die Nutzung der im Obergeschoss befindlichen beiden Zimmer sowie des dort gelegenen Bades gestattet ist.

Gegen den der Ehefrau am 01.03.2000 zugestellten Beschluss hat diese kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit am 20.04.2000 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz hat die Ehefrau beantragt, den Beschluss vom 25.02.2000 aufzuheben.

Der Ehemann benötige die ihm zugewiesenen Räume nicht. Zwischenzeitlich sei dort seine Mutter I. D. eingezogen, angeblich aufgrund einer Notsituation. Tatsächlich habe diese sowohl ihr als auch Dritten gegenüber erklärt, sie werde aus den Zimmern nicht mehr ausziehen. Damit sei offensichtlich, dass die Räumlichkeiten von dem Ehemann nicht mehr benötigt würden.

Der Ehemann hat beantragt, den Beschluss vom 25.02.2000 zu bestätigen.

Der von der Ehefrau gestellte Antrag sei unbestimmt. Es lasse sich jedoch unschwer vermuten, dass sie die Alleinzuweisung der Wohnung anstrebe. Die für die Wohnungsaufteilung durch das Familiengericht maßgebenden Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Er habe in F. keinerlei gesicherte berufliche Existenz und müsse eventuell in den Rhein-Neckar-Raum zurückkehren, um sich dort Arbeit zu suchen. Es sei nicht zwingend davon auszugehen, dass ein Zusammenwohnen mit seiner Freundin in F. in einer Wohnung von ca. 38 m² unbefristet möglich sei. Er werde sich wesentlich öfter in den streitbefangenen Räumen aufhalten, um seine Mutter zu besuchen und um sich um sie zu kümmern und insbesondere, das Umgangsrecht mit seinem Sohn dort wahrzunehmen.

Mit Beschluss vom 02.06.2000 hat das Familiengericht seine Entscheidung vom 25.02.2000 aufrechterhalten und den Antrag der Ehefrau auf Abänderung zurückgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 02.06.2000 verwiesen.

Gegen den Beschluss richtet sich die form- u. fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Ehefrau.

Das Familiengericht habe zu Unrecht die Belange der Mutter des Ehemanns berücksichtigt. Schutzwürdig seien jedoch nur die Interessen von Angehörigen, die dem gemeinsamen Haushalt der Eheleute angehörten, was bei der Mutter des Ehemanns nicht der Fall sei. Nachdem der Ehemann seine Mutter in die ihm zugewiesenen Räume habe einziehen lassen, stehe fest, dass er sie nicht mehr benötige.

Der Ehemann tritt der Beschwerde entgegen.

Die Aufnahme seiner schwerkranken Mutter, die keine andere Bleibe habe, in die ihm zugewiesenen Räume sei gerechtfertigt. Sie entspreche einer sittlichen Anstandspflicht, zumal seine Mutter das ehegemeinschaftliche Haus früher ihm selbst und er dann den hälftigen Miteigentumsanteil der Ehefrau übertragen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Parteien wurden von dem vom Senat beauftragten Berichterstatter angehört (vgl. Protokoll vom 20.09.2000, II, 65 ff.).

II.

Die gemäß §§ 18 a HausratsVO, 621 e, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Das Familiengericht hat es im angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, seine Entscheidung vom 25.02.2000 nach § 1361 b BGB über die Zuweisung der im Anwesen G. - str. in St. L. - R. befindlichen, bisher ehegemeinschaftlichen Wohnung der Parteien für die Zeit des Getrenntlebens entsprechend dem Antrag der Ehefrau abzuändern. Im Beschluss vom 25.02.2000 hat das Familiengericht die im Erdgeschoß befindlichen Zimmer sowie das dort befindliche Bad in dem genannten Anwesen der Ehefrau, zwei Zimmer des Obergeschosses sowie ein dort gelegenes Bad dem Ehemann zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Hinsichtlich eines weiteren Zimmers im Obergeschoss ist angeordnet, es solle weiterhin dem gemeinsamen Sohn B. der Parteien zur Verfügung stehen.

Der Abänderungsantrag der Ehefrau, mit dem sie letztlich die schon mit Beschluss des Familiengerichts vom 25.02.2000 verweigerte Alleinzuweisung der bisherigen ehegemeinschaftlichen Wohnung im genannten Anwesen anstrebt, war zurückzuweisen.

1. Die Entscheidung des Familiengerichts vom 25.02.2000 gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ist, nachdem gegen sie keine befristete Beschwerde gemäß § 621 e Abs. 1, 3 ZPO eingelegt worden ist, in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen. Sie konnte nach Fristablauf durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr angegriffen werden und ist daher formell rechtskräftig (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 1 m. w. N.). Sie ist gemäß § 16 Abs. 1, 18 a HausratsVO auch materiell rechtskräftig, denn der Antrag der Ehefrau auf Zuweisung der Ehewohnung ist in der Sache beschieden worden. Die mit der formellen Rechtskraft wirksame Entscheidung bindet Gerichte und Verwaltungsbehörden (vgl. hierzu Keidel/Kahl, a. a. O., Rn. 18).

Gemäß § 17 HausratsVO besteht in erster Linie dann eine Abänderungsmöglichkeit, wenn sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben, soweit die Abänderung notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Die Ehefrau hat jedoch nicht dartun können, dass sich nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts vom 25.02.2000 die Umstände wesentlich geändert haben. Hierbei sind nur solche Umstände beachtlich, die Grundlage der Erstentscheidung waren. Eine Änderung ist dann wesentlich, wenn das Erstgericht bei Kenntnis der veränderten Umstände mit großer Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte, z. B., wenn sich der Raumbedarf eines Ehegatten erhöht, weil er wegen einer Änderung der Sorgerechtsregelung nunmehr gemeinsame Kinder zu betreuen hat oder er sich wieder verheiratet (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., Anh. zu §§ 1361 a, 1361 b, Rn. 1 zu § 17 HausratsVO; MünchKomm-Müller-Gindulis, BGB, 4. Aufl., Rn. 2 zu § 17 HausratsVO, jeweils m. w. N.). Eine solche Änderung der Verhältnisse ist hier nicht eingetreten. Grundlage der Erstentscheidung vom 25.02.2000 war, dass der Ehemann sich derzeit überwiegend in F. aufhält, jedoch noch nicht endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen ist und das Familiengericht vor allem wegen der Größe des gemeinsamen Hauses lediglich dessen Aufteilung unter die Eheleute für angemessen gehalten, eine Alleinzuweisung an die Ehefrau jedoch für unverhältnismäßig angesehen hat. An diesen Grundlagen hat sich nichts wesentliches geändert. Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin hat das Familiengericht seine Erstentscheidung nicht darauf gestützt, dass der Ehemann die ihm zugewiesenen Räume ständig benötigt bzw. selbst nutzen möchte. Danach kann die Ehefrau aus dem Umstand, dass der Ehemann den ihm zugewiesenen Teil des Hauses seiner Mutter zur Verfügung gestellt hat, nichts zu ihren Gunsten herleiten. Auch dadurch hat das bisher ehegemeinschaftliche Haus nicht seinen Charakter als Ehewohnung verloren. Dies wäre erst dann der Fall, wenn der Ehemann die Wohnung endgültig aufgegeben hätte (vgl. Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 3. Aufl., § 1361 b Rn. 8). Hiervon kann jedoch, insbesondere auch nach der Anhörung des Ehemanns im Beschwerdeverfahren, nicht ausgegangen werden. Aus dieser ergibt sich, dass sich der Ehemann nach wie vor nur vorübergehend in F., in der Wohnung seiner Freundin, aufhält. Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch deren eidesstattliche Versicherung vom 11.02.2000 bestätigt. Dort ist ausgeführt, sie glaube nicht, dass sie diese Wohnsituation in ihrer ca. 38 m² großen Wohnung unbefristet hinnehme. Fehlt es nach allem schon an einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, kann dahinstehen, ob das Familiengericht in Kenntnis der nach Rechtskraft des Beschlusses vom 25.02.2000 eingetretenen neuen Sachlage - Einzug der Mutter des Ehemanns in die ihm zugewiesenen Räume - mit großer Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte. Ebensowenig kommt es darauf an, ob den Billigkeitserwägungen des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss, nämlich, dass die Aufnahme seiner nach der Darstellung des Ehemanns schwer kranken, fast 70jährigen Mutter (geb. am 02.10.1930) einer sittlichen und moralischen Verpflichtung entsprach, zu folgen ist. Grundsätzlich können im Rahmen der Benutzungsregelung der Ehewohnung die Interessen Dritter keine Berücksichtigung finden. Nur ausnahmsweise, etwa dann, wenn die Ehegatten aufgrund gemeinsamer Absprache nahe Verwandte (insbesondere Eltern) wegen Pflege- o. Betreuungsbedürftigkeit in die Ehewohnung aufgenommen haben, können auch die Interessen letzterer an der Beibehaltung der räumlichen Bedingungen zu berücksichtigen sein, wenn sie durch den Verlust der Wohnung selbst eine schwere Härte erleiden würden (FamK-Rolland-Brudermüller, § 1361 b Rn. 27).

2. Nach einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht ist die Vorschrift des § 17 HausratsVO entsprechend anzuwenden, wenn sich die Erstentscheidung nachträglich als grob unbillig herausstellt, ohne dass sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, insbesondere wenn die Entscheidung im ersten Verfahren arglistig herbeigeführt worden ist (vgl. Brudermüller in Johannsen/Henrich, a. a. O., § 17 HausratsVO Rn. 1; MünchKomm-Müller-Gindulis, a. a. O., Rn. 4, jeweils m. w. N.; weitere Nachweise in der Entscheidung des OLG Köln, FamRZ 1997, 892, 893). Auch solche Umstände sind von der Beschwerdeführerin nicht dargetan. Vielmehr hat sie ihr Rechtsmittel darauf gestützt, dass der Ehemann die ihm zugewiesenen Räume nicht mehr benötige bzw. darauf abgestellt, dass die Belange der Mutter des Ehemanns nicht zu berücksichtigen seien. Zwar hat die Ehefrau bei ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren am 20.09.2000 bekundet, ihr Verhältnis zur Mutter des Ehemanns sei sehr gespannt, diese störe auch nachts den gemeinsamen Sohn, indem sie an sein Zimmer klopfe. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer schweren Härte, die ggf. zu der von der Ehefrau erstrebten Alleinzuweisung führen könnte. Nach allgemeiner in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. Nachweise bei Brudermüller, in FamK, a. a. O., Rn. 26), der auch der Senat folgt, müssen die Verhältnisse in der Ehewohnung ein Ausmaß erreicht haben, dass eine Gesundheitsgefährdung des Kindes zu befürchten ist. Solches kann jedenfalls bisher nicht konkret festgestellt werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 HausratsVO. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Interesse der Beteiligten an der begehrten Benutzungsregelung, die dem halbjährigen Mietwert entspricht (ständige Praxis des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 22.03.2000, 2 UF 24/00). Der Senat hält einen monatlichen Mietwert von 1.500,00 DM für angemessen.

Ende der Entscheidung

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