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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.02.2003
Aktenzeichen: 2 UF 107/02
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 17 Abs. 3
BGB § 1587 e Abs. 4
1. Die Feststellung, ob neben dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich vorzubehalten ist, ist als Annex zum Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich entsprechend § 1587 e Abs. 4 BGB unabhängig vom Tod des Verpflichteten zu treffen.

2. Hat der Berechtigte während des Zusammenlebens der Eheleute mit seinem Einkommen nicht zum Unterhalt der Familie beigetragen, ist die Durchführung des Versorgungsausgleiches nur dann unbillig, wenn der Berechtigte seine Einkünfte gegen den Willen seines Ehegatten anderweitig verwendet hat.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 107/02

Karlsruhe, 21. Februar 2003

wegen Versorgungsausgleich

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 5.7.2002, Az. 3 F ... unter Ziffer 2 dahingehend abgeändert, dass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibt.

2. Die Antragstellerin trägt die Hälfte, die Antragsgegner tragen jeweils 1/6 der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

3. Der Beschwerdewert wird auf 500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat am 7. Juli 1983 mit T. P. die Ehe geschlossen. Diese Ehe ist mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe, Az. : 3 F ...., das am 20.5.1997 rechtskräftig wurde, nach griechischem Recht geschieden worden. Der Versorgungsausgleich wurde nicht durchgeführt.

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren die Durchführung des Versorgungsausgleichs gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB beantragt. Nachdem der Ehemann am 27.1.1999 gestorben ist, ist das Verfahren auf Seiten des Ehemannes von seinen Erben fortgeführt worden. Gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs wird eingewandt, dass dieser gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz EGBGB unbillig sei, da die Antragstellerin von 1984 bis 1992 eine Näherei betrieben habe, ohne für eine Altersversorgung zu sorgen. Mit dieser Näherei habe sie Bruttoeinkünfte in Höhe von 2.000 DM bis 3.000 DM monatlich erwirtschaftet.

Während der Ehe hat die Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Baden- Württemberg Versorgungsanwartschaften in Höhe von 224,05 DM, der Ehemann bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Anwartschaften in Höhe von DM 1.104,69 monatlich erworben. Der Ehemann hat zusätzlich eine betriebliche Altersversorgung bei der Fa. Siemens erworben, aus der er ab dem 1.10.1996 monatliche Leistungen in Höhe von DM 1.322 brutto erhielt.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Karlsruhe hat mit Beschluss vom 5.7.2002 den Versorgungsausgleich durchgeführt und auf das Versicherungskonto der Antragstellerin monatliche Anwartschaften in Höhe von insgesamt 267,87 Euro übertragen. Im übrigen hat es den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, soweit er dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hätte vorbehalten bleiben müssen. Da die Ehefrau bei einer Ehe von 14 Jahren nur 4 Jahre versicherungspflichtig gearbeitet habe und den Ehemann, was die Haushaltskasse betreffe, nicht an ihren Einkünften aus der Näherei habe partizipieren lassen, sei die spätere Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich grob unbillig.

Der Beschluss ist der Antragstellerin am 8.8.2002 zugestellt worden (I 235). Sie hat hiergegen am 9.9.2002 Beschwerde erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass ein weitergehender Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin stattfindet. Entgegen der Feststellung des Amtsgerichts habe der verstorbene Ehemann während der Ehe sehr wohl an ihren Einkünften aus der Näherei partizipiert. Hiervon sei der gemeinsame Haushalt mit den Kindern aus erster Ehe des verstorbenen Antragsgegners mitfinanziert worden. Ihr Ehemann habe eine eigene Altersicherung der Antragsstellerin verhindert, da er diese nicht für nötig erachtete (II 17). Zwar habe sie eine Lebensversicherung abschließen wollen, dies habe aber der verstorbene Antragsgegner, der sich um alle Steuer- und Versicherungsangelegenheiten gekümmert habe, nicht durchgeführt.

Die Erben des verstorbenen Antragsgegners, die jetzigen Antragsgegner, wenden ein, für den Haushalt und den Unterhalt der Kinder aus erster Ehe des verstorbenen Antragsgegners seien die Mutter der Kinder und der Antragsgegner aufgekommen, während die Antragstellerin ihre Einkünfte für sich, ihre in Griechenland lebende Mutter sowie die aus einer früheren Ehe stammende Tochter G. aufgewandt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 517 ZPO) ist begründet.

Zu Recht stellt das Amtsgericht fest, dass durch den Tod des ausgleichspflichtigen Ehemannes der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleichsanspruch der Antragstellerin nicht erlischt (§ 1587 e Abs. 4 BGB; Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1587 e Rn. 10, 11). Entsprechend ist auch der Anspruch der Antragstellerin auf Feststellung, dass der schuldrechtliche Versorgungsanspruch vorbehalten bleiben soll, durch den Tod des Ehemannes während des Verfahrens über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht erloschen. Zwar ist dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die Frage, ob neben dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich eventuell Raum für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bleibt, ist aber als Annex zum Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu regeln, denn mit der Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs ist festzustellen, ob z.B. wegen der Grenzen des § 1587 b Abs. 3 S. 1 oder Abs. 5 BGB oder bestehender noch verfallbarer betrieblichen Altersversorgung ein Teil des Versorgungsausgleichs schuldrechtlich durchzuführen ist.

Zwar ist allgemein anerkannt, dass beim Tod des Verpflichteten der Anspruch auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erlischt (vgl. nur BGH, NJW 1989, S. 950 (951); Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1587 k Rn. 4; Borth, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Kap. 6, Rn. 690). Um den Berechtigten in dieser Leistungsphase des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1587 f Rn. 1) durch den Tod des Verpflichteten nicht zu benachteiligen, regelt § 3 a VAHRG den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, der dem Berechtigten einen direkten Anspruch gegen den Versorgungsträger einräumt (vgl. Borth, a.a.O., Kap. 6 Rn. 690). Voraussetzung dieser Regelung ist aber auch, dass grundsätzlich ein Fall des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorliegt (§ 3 a Abs. 1 1.Halbsatz VAHRG). Wollte man die oben zitierte Rechtsprechung auch auf den Fall anwenden, dass der Verpflichtete während des Verfahrens über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich stirbt, dann wäre der Berechtigte in Bezug auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich rechtlos gestellt, da die Voraussetzung des § 3 a VAHRG, nämlich ein Fall des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, nicht gegeben wäre. Deshalb ist die oben genannte Rechtsprechung nur auf die beabsichtigte konkrete Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in seiner Leistungsstufe nach den §§ 1587 f ff. BGB zu beziehen.

Die Feststellung, ob überhaupt ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich neben dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten ist, ist dagegen als Annexregelung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs entsprechend § 1587 e Abs. 4 BGB unabhängig vom Tod des Verpflichteten zu treffen ( so auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2000, S. 263 (264)), da andernfalls der Berechtigte durch den Tod des Verpflichteten in diesem Punkt rechtlos gestellt wäre. Der Feststellungsanspruch, dass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts vorzubehalten ist, ist deshalb durch den Tod des Ehemannes der Antragstellerin nicht erloschen. Ob ihr tatsächlich ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleichsanspruch zusteht, braucht dagegen hier nicht entschieden zu werden.

Gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz EGBGB findet der Versorgungsausgleich statt, soweit seine Durchführung im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit der Billigkeit nicht widerspricht. Da die Eheleute 1983 geheiratet haben und die Antragstellerin jedenfalls ab 1984 ihre Näherei in Deutschland geführt hat, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien ihre Ehe im Ausland geführt haben. Es ist deshalb nur auf die Verhältnisse im Inland abzustellen.

Aus der Formulierung von Art. 17 Abs. 3 EGBGB ergibt sich, dass grundsätzlich der Versorgungsausgleich durchzuführen ist, es sei denn, dies wäre ausnahmsweise wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles unbillig (Palandt/Heldrich, a.a.O., EGBGB 17 Rn. 23 m.w.N.). Insbesondere wirtschaftliche Belange können einen Ausschluss oder eine Reduzierung des Versorgungsausgleichs rechtfertigen, z.B. wenn ein Ehegatte inländische Versorgungsanrechte erworben hat, während der andere Ehegatte Vermögen im Ausland erworben hat, das nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist (Palandt/Heldrich, a.a.O., EGBGB 17 Rn. 23). Hierfür liegen aber keine Anhaltspunkte vor.

Auch dass die Antragstellerin in der Zeit, in der sie selbständig tätig war, keine Alterversicherung erworben hat, begründet keine grobe Unbilligkeit. So rechtfertigt die von einem Selbständigen unterlassene Begründung einer Alterversorgung nur dann den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wenn dies als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist (OLG Bremen, FamRZ 2002, S. 466). Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn der andere Ehegatte die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse mitzuverantworten hat und an der Erhöhung des Lebensstandards partizipiert hat (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1587 c Rn. 23). Selbst wenn die Antragstellerin während des Zusammenlebens der Eheleute mit ihrem Einkommen nicht zum Haushalt beigetragen hat, wie dies die Erben des verstorbenen Antragsgegners behaupten, so könnte dies allenfalls dann als grob unbillig anzusehen sein, wenn sie damit gegen den Willen des Ehemannes über ihr Einkommen verfügt hat. Sollte sie ihr Einkommen allein für sich oder zum Aufbau eines Vermögens für sich ohne Absprache mit ihrem Ehemann oder gegen seinen Willen verwandt haben, so wäre das eventuell zu berücksichtigen. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Antragstellein mit Zustimmung des Ehemannes selbständig tätig war, wofür im übrigen spricht, dass die Antragstellerin ihre Näherei im Haus des Ehemannes betrieben hat, nachdem er es entsprechend umgebaut hatte (II 41). Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Altersicherung in dieser Zeit nicht auf einer gemeinsamen Entscheidung der Eheleute beruht. Dafür, dass der Ehemann nicht mit der Verwendung der Einkünfte der Antragstellerin einverstanden war, gibt es keine Anhaltspunkte. Da auch in anderer Weise nicht für die Altersversorgung der Antragstellerin gesorgt ist, hält der Senat eine Reduktion oder einen Teilausschluss des Versorgungsausgleichs für nicht gerechtfertigt. Der Versorgungsausgleich ist daher insgesamt entsprechend den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

Insoweit begegnen die Berechnungen des Amtsgerichts hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs keinen Bedenken. Insbesondere können die an Hand der Barwertverordnung ermittelten Werte weiter zugrundegelegt werden, da sich erst bei der Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs mögliche Änderungen auswirken, vorliegend diese Möglichkeit aber nur grundsätzlich vorbehalten werden soll.

Neben dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich bleibt damit der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist deshalb begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 FGG, auch wenn das Rechtsmittel vollen Erfolg gehabt hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 14. Aufl., § 13 a Rn. 20). Es bleibst insofern bei der Ermessensentscheidung nach Billigkeit. Angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz erscheint es insofern billig, dass die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst und die Gerichtskosten anteilig tragen.

Der Beschwerdewert wurde gemäß §§ 131 a, 99 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KostO entsprechend festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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