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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: 2 UF 107/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 769
BGB § 1578
BGB § 1577 Abs. 2
1. Nach der Übertragung des Miteigentumsanteils an der früheren Ehewohnung von einem auf den anderen Ehegatten sind für beide Parteien zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs die aus einem fiktiven Veräußerungserlös erzielbaren Zinseinkünfte anzusetzen

2. Um die überobligationsmäßige Erwerbstätigkeit der Unterhaltsberechtigten hinreichend zu privilegieren ist unter Berücksichtigung des Alters der ehegemeinsamen Kinder das erzielte Einkommen nur mit 1/3 anzurechnen.

3. Das aus überobligationsmäßiger Tätigkeit herrührende Arbeitslosengeld ist teilweise bedarfsdeckend anzurechnen.

4. Die Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten vermindert sich nicht aufgrund der durch das Zusammenleben mit einem neuen Lebenspartner ersparten Lebenshaltungskosten

Die eingelegte Berufung wurde zurückgenommen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

Beschluss

2 UF 107/03

Karlsruhe, 27. Oktober 2003

wegen Feststellung hier: Zwangsvollstreckung

Tenor:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Baden-Baden vom 16. August 2002 (2 F 465/01) wird einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 € insoweit eingestellt, als der Kläger zur Zahlung eines Elementarunterhaltes von mehr als 645 € monatlich und zur Zahlung eines Altersvorsorgeunterhaltes von mehr als 146 € monatlich verpflichtet wurde. Der weitergehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden vom 16. August 2002 (2 UF 465/01) mit dem er im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, an die Beklagte ab 17. April 2002 einen monatlich Vorsorgeunterhalt in Höhe von 158,00 € sowie einen monatlichen Elementarunterhalt in Höhe 686,00 € zu zahlen.

Die Parteien, die am 12. Juli 1992 die Ehe miteinander geschlossen haben, leben seit dem Jahre 2001 getrennt. Durch Urteil des Amtsgerichts Baden-Baden vom 11.12.2002, rechtkräftig seit 24. Januar 2003, wurde die Ehe der Parteien geschieden. Die Parteien haben zwei gemeinsame Töchter, L.-M., geb. am 12. März 1994, und C.-S., geb. am 12. März 1996, die seit der Trennung der Eheleute bei der Beklagten leben und von dieser betreut werden.

Der Kläger erzielte im Jahre 2002 nach Abzug der berufsbedingten Aufwendungen und der Beiträge zur Krankenversicherung ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.327,00 €. Der Unterhalt für die beiden ehegemeinsamen Kinder ist mit jeweils 135 % des Regelbetrages tituliert.

Die Beklagte, die auch schon während des Zusammenlebens der Ehegatten erwerbstätig war, ging bis 31. Mai 2003 einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit nach (vier Vormittage die Woche). Hieraus erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 337,00 €. Das bisherige Arbeitsverhältnis der Beklagten wurde wegen Geschäftsaufgabe gekündigt. Seit 01. Juni 2003 bezieht die Beklagte Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 229,93 €. Daneben geht sie seit 01. August 2003 einer Aushilfsbeschäftigung nach. Für den Monat August 2003 hat sie Einkünfte in Höhe von 101,50 € erwirtschaftet.

Die Parteien waren Miteigentümer zu je 1/2 der vormaligen Ehewohnung im Anwesen ............ Auf die zur Finanzierung des Ehewohnung aufgenommenen Kredite hatten die Parteien während ihres Zusammenlebens monatlich insgesamt 1303,50 € zu zahlen. Durch notariellen Vertrag vom 28. Dezember 2001 hat die Beklagte ihr hälftiges Miteigentum auf den Kläger gegen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 79.030,38 € übertragen. Die ehemalige Ehewohnung wird seither von dem Kläger gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin genutzt.

Die Beklagte hat mit einem Teil des erhaltenen Geldes den Sollstand ihres Girokontos ausgeglichen (4.057,37 €). Den restlichen Betrag hat sie zunächst zum überwiegenden Teil als Festgeld und in Höhe von 10.000 € in einem Fond angelegt. Zum 01. März 2002 hat sie von ihrem Festgeldkonto 25.000,00 € abgehoben und ein Kraftfahrzeug (Renault Espace) für 25.690,00 € erworben. Derzeit erzielt sie monatliche Zinseinkünfte in Höhe von 47 €.

Seit Juni 2001 lebt die Beklagte mit einem anderen Mann zusammen.

Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Baden-Baden eine negative Feststellungsklage erhoben. Er begehrte die Feststellung, dass er der Beklagten ab 01. November 2002 einen geringeren Unterhalt schulde, als durch die einstweilige Anordnung vom 16. August 2002 festgesetzt wurde. Die Klage wurde durch Urteil des Amtsgerichts Baden-Baden vom 16. Mai 2003 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und begehrt nunmehr die Feststellung, dass er der Beklagten ab 01. Juli 2003 keinen Unterhalt mehr schulde. Darüber hinaus fordert er die Rückzahlung bereits erbrachter Unterhaltsleistungen in Höhe von insgesamt 6.205,00 € .

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagten seien Kapitaleinkünfte in Höhe von 4 % aus 79.030,38 €, insgesamt monatlich 330,00 €, zuzurechnen. Der Erwerb des neuen Kraftfahrzeuges sei nicht erforderlich gewesen, da der Beklagten ein Fahrzeug der Marke Opel Astra zur Verfügung gestanden habe. Die Beklagte habe das größere Fahrzeug nur erworben, um auch die Kinder ihres Lebensgefährten, des Zeugen E., transportieren zu können. Durch den Erwerb des Fahrzeuges habe die Beklagte ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt.

Der Kläger behauptet, die Beklagte erbringe Versorgungsleistungen für ihren Lebensgefährten, die mit monatlich mindestens 400,00 € zu bewerten seien. Das Familiengericht habe einen Widerspruch in der Aussage des Zeugen E. nicht berücksichtigt. Dieser habe einerseits erklärt, er habe infolge seiner Tätigkeit im Schichtbetrieb tagsüber viel Zeit, um Arbeiten im Haushalt zu verrichten. Andererseits habe sich auf Nachfrage herausgestellt, dass er seit 28. November 2002 wegen zweier Bandscheibenvorfälle krankgemeldet gewesen sei und sich im Anschluss an den Termin zur Beweisaufnahme in Kur befunden habe. Erfahrungsgemäß sei eine Haushaltstätigkeit auch mit dem Heben von schweren Lasten (Einkaufstüten, Wäschekörbe u.s.w.) verbunden. Darüber hinaus habe sich inzwischen eine Veränderung ergeben, da der Zeuge nunmehr wieder vollschichtig arbeite und zudem eine Nebentätigkeit als Hausverwalter ausübe.

Zumindest seien der Beklagten infolge des Zusammenlebens mit ihrem neuen Lebensgefährten ersparte Aufwendungen zuzurechnen.

Im Übrigen vertritt der Kläger die Ansicht, die Beklagte habe ihren Unterhaltsanspruch durch das Zusammenleben mit ihrem neuen Partner seit 01. Juli 2003 verwirkt.

Die Beklagte trägt vor, sie erbringe für ihren neuen Partner keine Versorgungsleistungen. Ihr Lebenspartner lasse sich nicht von ihr versorgen, sondern übernehme seinerseits Aufgaben im Haushalt. Zudem sei ihr Partner finanziell nicht in der Lage, Versorgungsleistungen zu vergüten.

Sie habe ein neues Kraftfahrzeug erworben, weil sich die Parteien -unstreitig- einig gewesen seien, den Pkw der Marke Opel zu verkaufen.

Hinsichtlich der Anlage des aus der Vermögensauseinandersetzung erhaltenen Betrages habe sie sich von der Bank beraten lassen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihre Einkünfte aus Erwerbstätigkeit seien in voller Höhe zur Berechnung ihres Unterhaltsbedarfes und lediglich hälftig im Rahmen der Bedürftigkeit anzurechnen, da sie schon bei der Trennung der Parteien überobligatorisch gearbeitet habe.

Ihr Unterhaltsanspruch sei nicht verwirkt, da sie mit ihrem Lebenspartner nicht gemeinsam wirtschafte. Die Kosten für die gemeinsame Wohnung und die Lebenshaltungskosten würde entsprechend aufgeteilt. Der Lebensgefährte sei auch aufgrund der bestehenden Verpflichtungen aus seiner gescheiterten Ehe finanziell nicht imstande, sie zu unterhalten. Sie habe deshalb aus ihrer neuen Partnerschaft kein Auskommen. Im Hinblick auf das Alter der ehegemeinsamen Kinder und der Ehedauer sei ein Ausschluss des Unterhaltsanspruches grob unbillig.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich das Einkommen des Klägers im Jahre 2003 erhöht habe. Darüber hinaus sei der Kläger verpflichtet, das begrenzte Realsplitting in Anspruch zu nehmen und sich wegen der Unterhaltsverpflichtung einen Freibetrag auf der Steuerkarte eintragen zu lassen. Zudem müsse dem Kläger nach der Eigentumsübertragung der Vorteil des mietfreien Wohnens in voller Höhe zugerechnet werden.

II.

Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist analog § 769 ZPO zulässig (Zöller/Phillipi, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 620 f. Rn.15a). In der Sache hat der Antrag jedoch nur teilweise Erfolg.

Die Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung kann auf Antrag des Unterhaltspflichtigen einstweilen eingestellt werden, wenn dieser auf Feststellung klagt, dass er einen geringeren Unterhalt schuldet, als durch einstweilige Anordnung festgesetzt wurde. Bestimmendes Kriterium für die Ermessensentscheidung des Gerichtes ist die überwiegende Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 23. Aufl.,§ 769, Rn 6 m.w.N.). Nach dem bisherigen Sachvortrag beider Parteien hat die negative Feststellungsklage des Klägers derzeit teilweise Aussicht auf Erfolg.

Der Beklagten steht gemäß §§ 1361,1570 BGB ein Anspruch auf Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhalt zu.

1. Bedarf

Der Bedarf eines Unterhaltsgläubigers bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien, die im vorliegenden Fall durch das Erwerbseinkommen des Klägers und dem Surrogat des Wohnwertes der früheren Ehewohnung bestimmt werden.

a) Nach der Übertragung des Miteigentumsanteiles der Beklagten an der früheren Ehewohnung auf den Kläger sind für beide Parteien zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfes die aus einem fiktiven Veräußerungserlös erzielbaren Zinseinkünfte anzusetzen (Gerhardt, Die Veräußerung des Eigenheimes beim Ehegattenunterhalt, FamRZ 2003, 414,415; OLG Hamm, NJW-RR, 2003, 511 ff), denn die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien sind durch die wirtschaftliche gleichwertige Nutzung des Vermögenswertes "Ehewohnung" geprägt. Während ihres Zusammenlebens haben die Parteien zur Schaffung einer Ehewohnung einen Teil des ihnen zur Verfügung stehenden Einkommens/Vermögens in Form von Wohnungseigentum angelegt, an dessen wirtschaftlichem Wert (Wohnvorteil) sie in gleichem Maße partizipiert haben. Diese ehebedingte Miteigentumsgemeinschaft zur Unterhaltung einer Ehewohnung haben die Parteien trennungsbedingt aufgelöst und den der Wohnung innewohnenden Wert realisiert, wobei in Fortsetzung der ehelichen Lebensverhältnisse jeder der Parteien ein wirtschaftlich gleichwertiger Anteil an dem Vermögenswert zuzufließen hat. Setzt man nach der Veräußerung des Miteigentumsanteiles den (halben) Wohnwert des Erwerbers einerseits und - als Surrogat des früheren halben Wohnwertes - für den veräußernden Ehegatten dessen Zinserlös aus dem hälftigen Veräußerungserlös als bedarfsprägend an (in diese Richtung wohl Borth, Wohnwert und Unterhaltsbestimmung, FamRB, 2003, 328,330 f.), sind hingegen beide Werte i.d.R. nicht gleich hoch. Denn der Ehegatte, der sich bei Auflösung der Miteigentumsgemeinschaft entschließt, seinen Anteil nicht zu veräußern, sondern weiterhin in Wohnungseigentum zu investieren, erzielt regelmäßig wegen der auf dem Wohnungseigentum lastenden Verbindlichkeiten - jedenfalls vorläufig - einen geringeren Ertrag, als derjenige, der seinen Anteil auf dem Kapitalmarkt anlegt. Die Investitionsentscheidungen der Parteien dürfen aber nicht dazu führen, dass zwei unterschiedlich hohe Werte in die Bedarfsberechnung eingestellt werden, da die von beiden Ehegatten erzielten oder erzielbaren Erlöse jeweils hälftiges Surrogat des eheprägenden Wohnwertes sind und daher bei einer normativen Betrachtungsweise gleich hoch angesetzt werden müssen. Ansonsten wäre eine gleichmäßige Teilhabe an dem die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Vermögenswert "Ehewohnung" nicht gewährleistet. Für die Unterhaltsberechnung ist daher eine Vermögensumschichtung entsprechend eines fiktiven Verkaufes an einen Dritten vorzunehmen, wobei der Auszahlungsbetrag an den verkaufenden Ehegatten ein Indiz für den (hälftigen) Veräußerungserlös darstellt (Gerhardt/FamRZ 2003, 414 (415)). Im vorliegenden Fall ist deshalb zunächst jeder der Parteien ein anteiliger Veräußerungserlös in Höhe von 79.030 € zuzurechnen. In die Bedarfsermittlung sind grundsätzlich als Surrogat des früheren Wohnwertes die von beiden Parteien aus dem fiktiven Verkaufserlös erzielbaren Zinsen einzustellen, während die von der Beklagten erzielbaren Erträge bedarfsdeckend anzusetzen sind. Unterhaltsrechtlich ist die Veräußerung des Miteigentumsanteiles an den anderen Ehegatten somit neutral (Gerhardt, a.a.O.).

b) Indem die Beklagte einen Teil des ihr zugeflossenen Kapitals verbraucht hat, kann sie allerdings auch nur einen entsprechend reduzierten Ertrag erwirtschaften. Würde man auf der Bedarfsebene nur einen reduzierten Zinsertrag der Beklagten berücksichtigen, verminderte sich ihr Bedarf nur um die Hälfte der Differenz zwischen dem Ertrag aus dem ursprünglich zur Verfügung stehenden Betrag und dem nunmehr erzielbaren Ertrag, während sich der bedarfsdeckend anzurechnende Betrag um den vollen Minderbetrag verringerte. Stellt man also darauf ab, welches Kapital tatsächlich noch vorhanden ist, steht jede der Parteien um so günstiger, je mehr sie von dem ihr zugeflossenen Kapital verbraucht.

ba) Soweit eine Partei ihr Kapital durch einen unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennenden Verbrauch vermindert , darf sich dies aber nicht auf die Höhe des geschuldeten Unterhaltes auswirken. In einem solchen Fall hat deshalb bereits zur Ermittlung des Bedarfes auch ein entsprechender Teil des Kapitals des anderen Ehegatten außer Ansatz zu bleiben ( OLG Koblenz, NJW 2002, 1886 f. für jeglichen Verbrauch).

bb) Bei der Verminderung des Vermögens aufgrund unterhaltsrechtlich anzuerkennender Ausgaben ist zu bedenken, dass die Partei, bei nicht frei verfügbarem Kapital, unterhaltsrechtlich berechtigt wäre wegen solcher Ausgaben einen Kredit aufzunehmen. Die entsprechende Verbindlichkeit wäre dann bei der Bedürftigkeit / Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen und hätte damit Auswirkungen auf die Unterhaltshöhe. Dementsprechend ist ein Kapitalverbrauch aufgrund einer unterhaltsrechtlich relevanten Ausgabe nur bei der Berechnung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit, nicht aber bei der Feststellung des Bedarfs von Bedeutung (a.A. OLG Koblenz a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bislang insgesamt 29.747,37 € (4.057,37 + 25.690) verbraucht. Da die Beklagte nicht dargelegt hat, durch welche Ausgaben der Sollstand ihres Girokontos verursacht wurde, kann der zum Ausgleich des Sollstandes aufgewendete Betrag von 4.057,37 € unterhaltsrechtlich nicht anerkannt werden.

Nachdem die Parteien zunächst unstreitig vereinbart hatten das gemeinsame Fahrzeug zu veräußern, war die Beklagte, die im Hinblick auf das Alter der ehegemeinsamen Kinder auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, berechtigt, ein anderes Fahrzeug zu erwerben. Allerdings war der Erwerb eines Kraftfahrzeuges zu einem Kaufpreis von 25.690 € den Lebensverhältnissen der Parteien, die während des Zusammenlebens einen Pkw der Marke Opel (Astra) gefahren haben, nicht angemessen. Unterhaltsrechtlich war die Beklagte nur zum Erwerb eines etwa gleichwertigen Fahrzeuges berechtigt. Der Senat schätzt die hierfür erforderlichen Aufwendungen auf höchstens 15.000 €. Insgesamt beruht somit die Verminderung des der Beklagten zur Verfügung stehenden Kapitals in Höhe von 14.747,37 € (4.057,37 + 10.690) auf unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennenden Ausgaben. Im Rahmen der Unterhaltsberechnung haben daher auch auf Seiten des Klägers insgesamt 14.747,37 € außer Ansatz zu bleiben, so dass für jede der Parteien auf der Bedarfsebene ein Kapitalbetrag in Höhe von 64.030 € zugrunde zu legen ist. Hätten die Parteien das Kapital im Jahre 2002 in Bankschuldverschreibungen angelegt, wäre eine Verzinsung von 4% zu erzielen gewesen (vgl. Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank 2002, Stand: April 2003). Bei einem Grenzsteuersatz von 30% (Kläger) bzw. 16% (Beklagte) errechnen sich, nach Abzug der Sparerfreibeträge von jeweils 1.601 € und der Werbungskostenpauschbeträge von jeweils 51 €, erzielbare Zinseinkünfte in Höhe von monatlich 191 € (Kläger) und 202 € (Beklagte). Insgesamt erhöht sich der Bedarf damit um 393 € monatlich.

c) Einkommen der Beklagten

Das Erwerbseinkommen der Beklagten ist aufgrund des Alters der von ihr betreuten Kinder als Einkommen aus einer unzumutbaren Tätigkeit anzusehen. Es hat deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt und ist auf Bedarfsebene, in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Senats, nicht zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2003, 518 ff).

2. Bedürftigkeit

a) Im Rahmen der Bedürftigkeit ist das Erwerbseinkommen der Beklagten gemäß § 1577 Abs.2 BGB nach Abzug der pauschalen berufsbedingten Aufwendungen und des Erwerbstätigenbonusses nach Billigkeit anzurechnen. Will man denjenigen, der einer unzumutbaren Tätigkeit nachgeht nicht schlechter stellen, als denjenigen, der einer zumutbaren Tätigkeit nachgeht und dessen Einkünfte nach der Differenzmethode behandelt werden, darf gemäß § 1577 Abs.2 BGB höchstens die Hälfte der Einkünfte angerechnet werden (Gutdeutsch, FamRZ 2003, 1002 (1003)). Um die Beklagte, die den Kläger durch ihre überobligationsmäßige Erwerbstätigkeit finanziell entlastet, hinreichend zu privilegieren, hält der Senat unter Berücksichtigung des Alters der ehegemeinsamen Kinder im vorliegenden Fall eine Anrechnung des Einkommens zu 1/3 für angemessen. Für die Zeit bis einschließlich Mai 2003 sind von den Erwerbseinkünften der Beklagten somit 96,00 € monatlich (337,00 € - 16,85 € berufsbedingte Aufwendungen - 32,00 € Erwerbstätigenbonus : 3) und für die Zeit ab August 2003 29,00 € (101,50 - 5,08 - 9,60 : 3) monatlich anzurechnen.

b) Das von der Beklagten seit Juni 2003 bezogene Arbeitslosengeld ist ebenfalls nur teilweise bedarfsdeckend anzurechnen. Zwar beruht der Bezug von Arbeitslosengeld, das nach dem Verlust eines Arbeitsplatzes mit unzumutbarer Arbeit gezahlt wird, nicht unmittelbar auf einer überobligationsmäßigen Anstrengung. Der Anspruch auf Zahlung des Arbeitslosengeldes folgt jedoch aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, die bislang von dem Einkommen der Beklagten vorweg abgezogen wurden und somit von beiden Parteien gemeinsam getragen wurden. In seiner Höhe ist der Anspruch abhängig von dem früheren Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit. Eine volle Anrechnung des Arbeitslosengeldes, die ausschließlich dem Kläger zugute käme, entspräche deshalb nicht der Billigkeit. Der Senat hält vielmehr eine hälftige Anrechnung des Arbeitslosengeldes für angemessen ( für hälftige Anrechnung: OLG Köln, FamRZ 2001, 625; a.A. OLG Hamburg, FamRZ 1992, 1308 (1309); OLG Stuttgart FamRZ 1996, 415)). Damit wird das nach einer unzumutbaren Tätigkeit gezahlte Arbeitslosengeld im Ergebnis wie das im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigende Einkommen aus einer zumutbaren Tätigkeit behandelt.

c) Die Bedürftigkeit der Beklagten vermindert sich schließlich um die aus dem zurechenbaren Kapitalvermögen erzielbaren Zinsen. Wie bereits ausgeführt (vgl. II 1 ba), ist der anzusetzende Kapitalbetrag zunächst um die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennenden Ausgaben (hier 14.747,37 €) zu verkürzen. Darüber hinaus sind im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit auch die unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Ausgaben von dem zu verzinsenden Kapital abzuziehen (s.o.). Da die Beklagte das erhaltene Kapital für den Erwerb eines Kraftfahrzeuges in unterhaltsrechtlich zulässiger Weise um 15.000 € vermindern durfte, sind zur Feststellung ihrer Bedürftigkeit erzielbaren Erträge aus einem Betrag in Höhe von lediglich 49.283 € anzusetzen, mithin monatlich 160 €.

Es kann dahin stehen, aus welchen Gründen die Beklagte die konkreten Anlageformen gewählt hat. Unterhaltsrechtlich muss sich der Kläger jedenfalls nicht entgegenhalten lassen, dass diese derzeit keine oder nur eine sehr geringe Rendite (1,7%) erbringen. Die Beklagte ist so zu behandeln, als hätte sie das Kapital in wirtschaftlich sinnvoller Weise zu einem erzielbaren Zinssatz von 4% angelegt.

d) Der Beklagten sind im Rahmen der Prüfung einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung keine (fiktiven) Einkünfte wegen der Versorgung ihres jetzigen Lebensgefährten zuzurechnen, da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat ( § 769 Abs.1 S.2 ZPO), dass die Beklagte für ihren neuen Partner Versorgungsleistungen erbringt.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, FamRZ 2001, 1693 f.) fiktives Einkommen aufgrund der Versorgung eines neuen Partners im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist und damit auch den Bedarf der Unterhaltsberechtigten erhöhen würde.

e) Die Bedürftigkeit der Beklagten vermindert sich auch nicht aufgrund der durch das Zusammenlebens mit dem Zeugen E. ersparten Lebenshaltungskosten. Zwar werden durch das Zusammenleben in einer häuslichen Gemeinschaft im Allgemeinen Wohn- und Haushaltskosten vermindert. Beim Ehegattenunterhalt bemisst sich der Bedarf jedoch grundsätzlich nach einer Quote des beiden Ehegatten zur Verfügung stehenden Einkommens und nicht nach dem vom Berechtigten konkret benötigten Lebensaufwand. Infolge der Trennung entsteht bei beiden Ehegatten i.d.R. ein trennungsbedingter Mehrbedarf, der, außer bei Vorhandensein nicht prägender Einkünfte, den Unterhaltsanspruch des Berechtigten nicht erhöht. Durch das Zusammenleben mit dem neuen Lebenspartner wird der Berechtigte lediglich in die Lage versetzt ähnlich günstig zu wirtschaften wie während des Zusammenlebens mit seinem Ehegatten. Damit wird aber lediglich ein trennungsbedingter Mehrbedarf ausgeglichen. Für eine Reduzierung des Quotenunterhaltes ist deshalb kein Raum (BGH, FamRZ 1995, 343,344).

3. Unterhaltsberechnung

Nach allem berechnet sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten für die Zeit ab August 2003 wie folgt:

Bedarf: Einkommen des Klägers 2.327,00 € abzügl. Tabellenunterhalt Kinder 652,00 € abzügl. Erwerbstätigenbonus 171,00 € zuzügl. Zinsen 393,00 € bedarfsbestimmendes Einkommen 1.897,00 € Bedarf 948,50 €

Bedürftigkeit: abzüglich anzurechnendes Einkommen 29,00 € abzüglich Arbeitslosengeld 115,00 € abzügl. Zinsen 160,00 € ungedeckter Bedarf: 645,00 €

Altersvorsorgeunterhalt: 645 + 16 % = 748,20 € 748,20 € x 19,5 % = 146,00 €

Neuberechnung des Elementarunterhaltes:

Zur Ermittlung der Höhe des geschuldeten Elementarunterhaltes muss im vorliegenden Fall keine zweistufige Berechnung vorgenommen werden, da die Einkünfte der Beklagten lediglich im Rahmen der Anrechnungsmethode von der Unterhaltsquote abzuziehen sind. Erzielt der Unterhaltsberechtigte Einkünfte, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben und deshalb lediglich auf den Quotenunterhalt anzurechnen sind, führt dies zu einer Entlastung des Unterhaltspflichtigen, die es ihm ermöglicht, in Höhe des auf den Bedarf anzurechnenden Betrages Vorsorgeunterhalt zu leisten, ohne dass der Halbteilungsgrundsatz zu seinen Lasten verletzt wird (BGH, FamRZ 1999, 372 ff.; Wendl/Staudigl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5.Aufl., § 4/484). Der Halbteilungsgrundsatz ist im vorliegenden Fall bereits dann gewahrt, wenn der Kläger nicht mehr als 948,50 € monatlich als Ehegattenunterhalt zu zahlen hat. Bei einem Vorsorgeunterhalt in Höhe von 146 € monatlich kann der Kläger daneben also ohne Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes zu einem Elementarunterhalt in Höhe von 645 € verurteilt werden.

4.) Verwirkung

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist nicht verwirkt. Unstreitig lebt die Beklagte seit 01. Juli 2001 mit dem Zeugen E. in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Das Zusammenleben der Unterhaltsberechtigten mit einem Partner kann dann zur Annahme eines Härtegrundes im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB führen, wenn sich diese Beziehung in einem solchen Maße verfestigt, dass sie an die Stelle einer Ehe getreten ist. Nach welchem Zeitablauf und unter welchen konkreten Umständen eine solche Verfestigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft angenommen werden kann, lässt sich nicht allgemeinverbindlich festlegen. Es bestehen zwar Anhaltspunkte dafür, dass aus der Sicht Außenstehender zwischen der Beklagten und dem Zeugen E. eine dauerhafte Verbindung bestehen könnte. Nach herrschender Meinung kann jedoch eine dauerhafte feste soziale Verbindung erst nach einem Zusammenleben der Partner von mindestens zwei bis drei Jahren angenommen werden, da sich in der Regel erst nach dieser Zeit verlässlich beurteilen lässt, ob die Partner nicht nur probeweise zusammen leben. Nachdem die Beklagte mit dem Zeugen E. derzeit erst knapp zwei Jahre zusammenlebt kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Partner diese Lebensform bewusst auch für ihre weitere Zukunft gewählt haben.

Nach allem war die Zwangsvollstreckung aus der einstweilige Anordnung vom 16. August 2002 unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien und der Erfolgsaussichten der Klage teilweise gegen Sicherheitsleistung einzustellen.

Ende der Entscheidung

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