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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 15.11.2002
Aktenzeichen: 2 UF 115/02
Rechtsgebiete: HKÜ, EGBGB
Vorschriften:
HKÜ Art. 31 | |
HKÜ Art. 3 | |
HKÜ Art. 13 lit. B | |
EGBGB Art. 21 | |
EGBGB Art. 23 |
2. Art. 3 HKÜ enthält bzgl. der Bestimmung des verletzten Sorgerechts eine Gesamtrechtsverweisung; d.h. es wird auf das Recht des Herkunftsstaates insgesamt verwiesen und hier damit auf das Recht des mexikanischen Bundesstaates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Verbringung hatte. Danach kann sich ergeben, dass, wenn das Kind von beiden Eltern über die Erstellung einer Geburtsurkunde als gemeinsames anerkannt wurde, beide Eltern automatisch die gemeinsame elterliche Sorge innehaben.
3. Aus Art. 23 EGBGB lässt sich keine Zustimmungspflicht des Kindes zu der Anerkennung der Vaterschaft ableiten.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Karlsruhe, 15. November 2002
Beschluss
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 02.09.2002 (6 F 211/02) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2 des Beschlusses dahingehend abgeändert wird, dass die Antragsgegnerin die Herausgabe des Kindes abwenden kann, wenn sie selbst das Kind bis Montag, den 04.12.2002 an den gewöhnlichen Aufenthaltsort in Mexiko verbringt.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien sind die leiblichen Eltern des am 29.10.1998 geborenen Kindes D. E. D. A.. Der Antragsteller ist mexikanischer Staatsangehöriger und als Wirtschaftsingenieur bei der V. AG in Puebla/Mexiko beschäftigt. Die Antragsgegnerin ist deutsche Staatsangehörige und von Beruf Diplom-Romanistin. Die Parteien sind nicht verheiratet. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller 1996 bei einem Praktikum in Mexiko kennen gelernt. Nach Abschluss ihres Studiums 1997 lebte sie bis Mitte 1998 in Puebla/Mexiko. Im August 1998 ist sie nach O. zurückgekehrt und hat im Oktober 1998 den Sohn D. geboren. In der deutschen Geburtsurkunde ist der Antragsteller nicht als Vater genannt, es erfolgte keine Anerkennung der Vaterschaft nach deutschem Recht und auch keine gemeinsame Sorgerechtserklärung. Der Antragsteller hat von Oktober 1998 bis Februar 2000 aufgrund eines befristeten projektbezogenen Arbeitsvertrages der V. AG in Wolfsburg gelebt, wo ihn die Antragsgegnerin von O. aus besuchte. Ende Februar 2000 verzogen beide Parteien mit dem Kind D. wieder nach Puebla/Mexiko in die von ihnen vorher bewohnte Wohnung. D. wurde dort am 27.03.2001 getauft, war in Puebla in regelmäßiger kinderärztlicher Behandlung und besuchte den Kinderhort. Am 02.06.2000 haben die Parteien gemeinsam vor dem "juez del registro del estado civil" in der Anwesenheit von zwei Zeugen in Puebla eine Geburtsurkunde errichten lassen, in der der Antragsteller und die Antragsgegnerin als Eltern genannt sind. Die Antragsgegnerin hat etwa seit April 2000 bis Spätsommer 2001 als Übersetzerin auf Honorarbasis und Lehrerin bei der V. AG in Puebla gearbeitet (I 201, 207). Sie hat sich zusammen mit dem Kind vom 04.06. bis 08.07.2000, vom 25.09. bis 16.10.2000 und vom 19.03. bis 19.04.2001 in O. aufgehalten, wo sie bei ihrer Mutter in einer Wohnung, die sie während der gesamten Zeit angemietet hatte, gelebt hat. Anfang November 2001 hat der Antragsteller den Pass von D. an sich genommen, aber dann auf Betreiben seines eigenen Vaters an die Antragsgegnerin zurückgegeben. Zu einem Weihnachtsurlaub - der Antragsteller stellte hierzu eine schriftliche, bis zum 31.1.2002 befristete Reiseerlaubnis aus (I 21) - ist sie am 9.12.2001 nach Deutschland gereist und lebt seitdem in O.. Dort ist sie seit dem 31.08.1998 und das Kind D. seit seiner Geburt beim Einwohnermeldeamt gemeldet.
Der Antragsteller ist der Auffassung, das Kind D. habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt allein in Mexiko gehabt. Da er sich nur mit einem Besuch des Kindes in Deutschland über Weihnachten einverstanden erklärt habe, verletze die Antragsgegnerin durch das Zurückhalten des Kindes sein Mitsorgerecht. Er bestreitet die persönlichen Beschuldigungen der Antragsgegnerin. Eine Betreuung des Kindes im Fall seiner Rückkehr sei durch den weiteren Besuch im Kinderhort sowie durch die Unterstützung der Eltern und Geschwister des Antragstellers gewährleistet.
Mit am 05.07.2002 beim Familiengericht Karlsruhe eingereichter Antragsschrift der Generalbundesanwaltschaft als Zentraler Behörde hat der Antragsteller die Herausgabe des Kindes D. D. A. an sich zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Mexiko beantragt.
Die Antragsgegnerin hat die Abweisung des Antrags beantragt.
Sie hat vorgetragen, der Antragsteller und sie hätten vereinbart, sich im Wechsel in Mexiko und in Deutschland bzw. im europäischen Ausland aufzuhalten, was dem Antragsteller beruflich ohne weiteres möglich sei. Hieran habe sich der Antragsteller nicht gehalten und alle Angebote für eine Tätigkeit in Deutschland oder im europäischen Ausland abgelehnt. Sie ist der Auffassung, das Kind habe aufgrund des ständigen Wechsels zwischen Deutschland und Mexiko dort keinen gewöhnlichen Aufenthalt, bzw. sowohl in Deutschland als auch in Mexiko seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet (I 99). Der Vater habe kein Sorgerecht, da er nach deutschem Recht nicht Vater des Kindes und die mexikanische Urkunde nur deshalb zustande gekommen sei, weil ihr der Antragsteller gedroht habe, sie ohne das Kind aus dem Haus zu werfen. Auch habe sich der Vater mit dem Aufenthalt von D. in Deutschland im Nachhinein einverstanden erklärt, als er mit E-mail vom 02.04.2002 eine Besuchsregelung vorgeschlagen habe. Die Rückgabe des Kindes sei mit einer schwerwiegenden Gefahr für D. verbunden, da die Antragsgegnerin seit seiner Geburt die Hauptbezugsperson sei, während der Antragsteller immer gearbeitet habe, sich in Kneipen herumtreibe und Alkoholiker sei. Der Antragsteller habe sie im Beisein des Kindes geschlagen, gestoßen, beleidigt und angeschrieen. Eine Rückkehr sei ihr nicht zumutbar, da eine Trennung der Mutter vom Kind aufgrund möglicher Strafverfolgung durch mexikanische Behörden bei diesem zu schweren körperlichen und seelischen Schäden führen könnte.
Anlässlich der mündlichen Verhandlung am 29.08.2002 vor dem Amtsgericht Karlsruhe wurden das Kind D. und die Eltern angehört.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es keinerlei behördliche Maßnahmen in Mexiko gegen die Antragsgegnerin gebe, er dem Kind und der Antragsgegnerin eine Wohnung suchen, Kindesunterhalt zahlen und sich um eine Arbeitsstelle für die Antragsgegnerin bemühen werde.
Die Antragsgegnerin hat erklärt, die mexikanische Geburtsurkunde habe sie unterzeichnet, damit D. nicht immer ein Visum für den Aufenthalt in Mexiko brauche.
Durch Beschluss vom 02.09.2002 hat das Familiengericht die Rückführung des Kindes angeordnet.
Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes habe sich vor dem Verbringen nach Deutschland in Mexiko befunden. Der Antragsteller sei aufgrund der mexikanischen Geburtsurkunde als Vater des Kindes ausgewiesen und übe als solcher die elterliche Sorge zusammen mit der Mutter aus (Art. 598, 546 Zivilgesetzbuch des Bundesstaates Puebla). Aus der E-mail vom 02.04.2002 gehe allenfalls der Wunsch des Vaters hervor, sich mit der Antragsgegnerin über den weiteren Lebensmittelpunkt des Kindes und dessen Umgang mit dem Vater zu verständigen. Eine Einigung der Parteien liege aber nicht vor. Auch einer der Ausnahmetatbestände gem. Art. 13 HKiEntÜ sei nicht gegeben, da D. sich einer Rückkehr nicht widersetze und, wie der persönliche Eindruck des Gerichtes ergeben habe, ein herzliches Vater-Sohn-Verhältnis bestehe. Wolle die Mutter die Trennung von D. vermeiden, so sei ihr eine Begleitung des Kindes nach Mexiko zuzumuten, zumal kein Anlass für die Befürchtung bestehe, dass der Mutter von Seiten der mexikanischen Behörden nachteilige Maßnahmen drohten.
Gegen den am 05.09.2002 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 19.09.2002 sofortige Beschwerde erhoben und diese mit Schriftsatz vom 27.09.2002 begründet.
D. habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, da er seit seiner Geburt dort mehr Zeit verbracht habe als in Mexiko. Entscheidend sei weiter die Lebensplanung der Eltern - gerade bei einem kleinen Kind, da dies in besonderem Maße von ihnen abhängig sei. So habe die Antragsgegnerin in Deutschland arbeiten wollen (II 13), und auch der Antragsteller nach Ablauf seiner Arbeitstätigkeit in W. sich um andere Arbeit in Deutschland bemüht. Erst nachdem diese Pläne fehlgeschlagen seien, sei man mit der Absicht, abwechselnd in Deutschland oder in Mexiko zu leben, nach Mexiko umgezogen. Der Aufenthalt dort sei deshalb von vornherein nicht auf Dauer angelegt gewesen, jedenfalls die Antragsgegnerin habe die feste Absicht gehabt, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Deshalb habe sie auch ihre Wohnung in O. beibehalten, hierfür Miete gezahlt und sei weiter dort gemeldet geblieben. Auch sei sie weiter in Deutschland krankenversichert. Der Besuch des Kinderhortes in Mexiko sei für die soziale Integration von D. nicht prägend, entscheidend sei hier die Beziehung zu seiner Mutter, der Vater habe gearbeitet und sei im übrigen seinem eigenen Vergnügen nachgegangen. Zu den Großeltern väterlicherseits habe allenfalls einmal im Monat Kontakt bestanden. Auch sei sie mit dem Kind viel in Mexiko gereist, Mexiko sei deshalb das Reise- und Urlaubsland, Deutschland der Schwerpunkt des Aufenthaltes. Die Antragsgegnerin habe auch immer wieder beruflich in Deutschland Aufträge erhalten. Nach deutschem Recht stehe der Antragsgegnerin das elterliche Sorgerecht allein zu. Dieses sei gemäß Art. 23 EGBGB bei der Errichtung der Geburtsurkunde zu beachten. Sie habe nicht gewusst, dass mit Erstellung der mexikanischen Geburtsurkunde auch über die Vaterschaft hinausgehende Rechte des Antragstellers verbunden seien. Im übrigen sei die Urkunde mehr als 180 Tage nach der Geburt des Kindes errichtet worden, so dass sie keine Wirkung nach mexikanischem Recht entfalte. Telefonisch habe der Antragsteller sich mit dem Aufenthalt von D. in Deutschland einverstanden erklärt. Er könne im übrigen, wie er dies in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2002 als sein Ziel angegeben habe, auch in Deutschland eine Elternvereinbarung über seine Umgangsrechte schließen. Mit der Rückführung des Kindes nach Mexiko sei eine Trennung von der Mutter verbunden, die die primäre Bezugsperson des Kindes sei. Sie könne wegen der Drohungen des Vaters, ihrer bereits durch ihn erfolgten psychischen und physischen Misshandlungen und aufgrund der Korruption auch der Justiz nicht nach Mexiko zurückkehren. Nur in Deutschland könne sie für das Kind berechenbare und sichere materielle, soziale und emotionale Rahmenbedingungen schaffen (II 27). Die auch dem Kind gegenüber gezeigte Aggression und Gewaltbereitschaft des Vaters hätten bei einer Rückkehr zum Antragsteller einen schweren seelischen Schaden des Kindes zur Folge. Die Familie des Vaters sei zur Betreuung des Kindes nicht geeignet. Außerdem müsse ein mexikanisches Gericht bei dem gegebenen Sachverhalt die elterliche Sorge der Mutter übertragen, so dass das Kind anschließend wieder nach Deutschland zurückkehren müsste, was seinem Kontinuitätsinteresse und damit dem Kindeswohl widerspreche.
Deshalb beantragt die Antragsgegnerin die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe und die Zurückweisung des Antrags auf Rückführung des Kindes D.. Weiter beantragt sie die Bestellung eines Verfahrenspflegers für D..
Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Da das Kind 18 der letzten 21 Monate in Mexiko verbracht habe und dort sozial und familiär integriert sei, habe es dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Bei den Bestimmungen des HKiEntÜ komme es gerade nicht auf eine beabsichtigte, sondern auf die tatsächliche Lebensführung an. Bei der Wohnung der Antragsgegnerin in O. handele es sich um zwei Zimmer in der Wohnung ihrer Mutter (II 131). Die Abstammung des Kindes werde nach mexikanischem Recht durch die Geburtsurkunde bewiesen; damit sei automatisch die gemeinsame elterliche Sorge auch der nicht verheirateten Eltern verbunden. Mit der Geburtsurkunde habe man dem Kind die mexikanische Staatsangehörigkeit sowie das Erbrecht nach dem Antragsteller sichern wollen (II 133). Gem. Art. 875 des Zivilgesetzbuchs des Staates Puebla werde die Einschreibung der Geburt auch nach Ablauf der Frist von 180 Tagen nach der Geburt durchgeführt, allerdings könne dann ein Bußgeld wegen der Verspätung verhängt werden. Eine Einigung über den Aufenthalt des Kindes in Deutschland sei nicht erzielt worden, so dass die Entführung nicht genehmigt sei. Mit der Rückführung des Kindes sei keine Gefahr für das Kind verbunden. Der Antragsteller habe weder das Kind noch die Mutter misshandelt und die Betreuung des Kindes sei durch ihn bzw. durch seine Familie gesichert. Erst im Rahmen eines in Mexiko durchzuführenden Sorgerechtsverfahrens habe eine Regelung der elterlichen Sorge zu erfolgen, wobei aufgrund der Entführung Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin gerechtfertigt seien, so dass die Antragsgegnerin in Mexiko nicht automatisch mit der Übertragung der elterlichen Sorge rechnen könne. Für die Bestellung eines Verfahrenspflegers liege kein Grund vor.
Beide Parteien legen eidesstattliche Versicherungen vor, die Zeugnis ihrer liebevollen Beziehung zu D. und des gestörten Verhältnisses von D. zum jeweils anderen Elternteil geben (II 35,37,39,41,59-73,81 und II 149-189).
Das Jugendamt des R. -Kreises hat mit Bericht vom 29.10.2002 gem. § 14 SorgeRÜbkAG, § 49 a FGG zur Situation des Kindes D. in O. Stellung genommen und mitgeteilt, dass D. in O. liebevoll betreut wird und sich dort wohl fühlt. Er freue sich, den Vater zu sehen, habe aber Angst, dass dieser die Mutter wieder schlage.
II.
1) Das Rechtsmittel der Mutter vom 19.09.2002 gegen die Entscheidung des Familiengerichts vom 2.9.2002 ist als sofortige Beschwerde zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 8 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des europäischen Übereinkommens vom 20.05.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder unter Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses, Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz (SorgeRÜbkAG), vom 05.04.1990, BGBl. I, 701, i.V.m. §§ 22, 60 Abs.1 Nr. 6 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)).
2) Die sofortige Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.
Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKiEntÜ), BGBl. 1990 II, 207, das seit dem 01.09.1991 in Mexiko gilt (BGBl. 1992 II,19; Emmerich, Das internationale und materielle Recht der elterlichen Sorge im Mehrrechtsstaat Mexiko, S. 7) und seit dem 01.01.1990 in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. 1991,II 329) in Kraft ist, findet Anwendung.
Es sieht vor, dass die sofortige Rückgabe eines Kindes anzuordnen ist, das unter Verletzung des Sorgerechtes, das einer Person nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, in den Zufluchtsstaat verbracht worden ist oder dort zurückgehalten wird, Art. 1 lit. A und Art. 3 HKiEntÜ.
Grundsätzlich gilt nach deutschem Recht für nichteheliche Kinder gem. Art. 21 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes. Zunächst befand sich der gewöhnliche Aufenthalt von D. ab seiner Geburt bis Februar 2000 in Deutschland, es galt mithin deutsches materielles Recht, wonach dem Antragsteller keine elterliche Sorge mangels gemeinsamer Sorgerechtserklärung zustand (§ 1626 a BGB).
Mit dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes ändert sich aber auch das Statut des Eltern-Kind-Verhältnisses, es ist wandelbar (vgl. Henrich, FamRZ 1998, S. 1401, 1404). Das HKiEntÜ stellt insoweit auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes vor der Entführung ab (Art. 3 HKiEntÜ). Demzufolge müsste D. vor der Verbringung nach Deutschland bzw. seiner Zurückhaltung in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Mexiko begründet haben und dem Antragsteller müsste nach dortigem Recht das Sorgerecht zustehen (Art. 3 und 4 HKiEntÜ).
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes entspricht dem der übrigen Haager Abkommen, d.h. es kommt auch hier auf den Ort des tatsächlichen Daseinsmittelpunktes des Minderjährigen und den Schwerpunkt seiner sozialen und hier insbesondere seiner familiären Bindung an (Palandt/Heldrich, BGB, 61. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB, Rn. 10; Staudinger/Pirrung, BGB, 13. Bearbeitung 1994, Vor Art. 19 EGBGB, Rn. 647; Vomberg/Nehls, Rechtsfragen der internationalen Kindesentführung, S. 5/6). Entscheidend ist der "faktische Wohnsitz" (BGH, FamRZ 1997, S. 1070). Insoweit kommt es auf die Perspektive des Kindes an, denn durch die Regelungen des HKiEntÜ soll sein Interesse an der Kontinuität der Lebensbedingungen geschützt werden (BVerfG, FamRZ 1999, S. 85 (87)).
D. ist im Alter von ca. 1 1/2 Jahren zusammen mit beiden Eltern nach Mexiko verzogen. Er hat sich dort im Einverständnis beider Eltern bis zum Alter von etwa 3 1/4 Jahren aufgehalten. In dieser Zeit beginnt für kleine Kinder die Entdeckung der Umgebung. D. hat in einem Spanisch sprechenden Land die Sprache erlernt. Er hat in diesem Alter die ersten Freundschaften geknüpft, nicht nur Vater und Mutter, sondern auch andere Kinder und die weitere Verwandtschaft wurden für ihn wichtig. Unstreitig hat er den Kinderhort besucht, in dem er sich wohl etwa sechs Stunden an Werktagen aufgehalten hat (I 187). Insoweit bestimmte die mexikanisch geprägte Umgebung zusätzlich zu seinen Eltern sein tägliches Leben. Als Indiz kann dabei auch die Dauer des tatsächlichen Aufenthaltes dienen, wobei als Faustregel häufig etwa 6 Monate genannt werden (Palandt/Heldrich, a.a.O., Anh. Zu Art. 24 EGBGB, Rn. 11). Da sich D. auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Unterbrechungen von März 2001 bis Dezember 2001 durchgehend in Mexiko aufhielt, spricht dies für seine Integration in Mexiko.
Deshalb kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin behauptet, sie habe einen gewöhnlichen Aufenthalt in Puebla nicht begründen wollen, als sie im Frühjahr 2000 mit dem Antragsteller nach Mexiko zurückgekehrt sei, bzw. sie habe gleichzeitig ihren deutschen gewöhnlichen Aufenthalt mit dem Kind beibehalten. Es mag sein, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes neben seinem faktischen Schwerpunkt auch eine Willenkomponente enthält (vgl. hierzu OLG Rostock, FamRZ 2001, S. 642). Auswirkungen auf die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes kann der Wille der Parteien aber allenfalls dann haben, wenn sich der auf die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes gerichtete Willen durch seine faktische Umsetzung auch manifestiert. Dies mag z.B. der Fall sein, wenn im Einverständnis der Parteien der Wechsel des Aufenthaltes mit einer jeweils längeren Verweildauer - das OLG Düsseldorf geht von etwa 6 Monaten aus (OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, S. 1318) - tatsächlich praktiziert wird. Selbst wenn die Planung bestanden haben sollte, gemeinsam auch wieder in Deutschland oder einem anderen europäischen Ausland zu leben, so waren diese Pläne doch so unkonkret und vage, dass sie an der Integration gerade des noch kleinen Kindes in seiner mexikanischen Umgebung nichts ändern können.
Aufenthalte der Antragsgegnerin in Deutschland dagegen hatten Besuchscharakter. Sie dauerten in der Regel etwa 4 Wochen und fanden in O. bei der Mutter der Antragsgegnerin statt. Auch wenn die Antragsgegnerin dort die ganze Zeit behördlich gemeldet war und bei ihrer Mutter auch eine Wohnung gemietet hat, wobei ihr die Miete wohl gestundet wurde, so kann schon allein wegen der Dauer der Aufenthalte nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen werden.
Vorliegend spricht vielmehr die gesamte Gestaltung der Lebensverhältnisse der Eltern für einen zumindest auf Dauer in Mexiko angelegten Aufenthalt. So kehrten die Eltern gemeinsam in die Wohnung zurück, die sie vor dem Aufenthalt in Deutschland bereits gemeinsam bewohnt hatten. Der Antragsteller nahm wieder seine vorher ausgeübte Tätigkeit auf und auch die Antragsgegnerin arbeitete wieder bei ihrem alten Arbeitgeber. Wie die von beiden vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen belegen, hatten die Eltern auch in Mexiko ihren Freundeskreis. Selbst wenn die Antragsgegnerin in Mexiko viel gereist ist, so hatte sie doch ihren Lebensmittelpunkt in Puebla.
Der Senat geht daher - wie das Amtsgericht Karlsruhe - vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Mexiko aus, bevor es nach Deutschland verbracht wurde. Dass sich das Kind eventuell inzwischen in Deutschland eingelebt hat, muss gem. Art. 12 Abs. 1, 2 HKiEntÜ außer Betracht bleiben, da der Rückführungsantrag vor Ablauf der Jahresfrist gestellt wurde (KG, FamRZ 1997, S. 1098(1099)).
Die Zurückhaltung des Kindes in Deutschland erfolgte auch widerrechtlich. Gem. Art. 3 HKiEntÜ gilt das Zurückhalten des Kindes dann als widerrechtlich, wenn zumindest das Mitsorgerecht verletzt wird, das einer Person nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese kollisionsrechtliche Norm enthält einen Gesamtrechtsverweis, d.h. es wird auf das Recht des Herkunftsstaates insgesamt verwiesen (Palandt/Heldrich, a.a.O., Anh. Zu Art. 24 EGBGB, Rn. 61, 65; Staudinger/Pirrung, BGB, Vor Art. 19 EGBGB, Rn. 639), und damit auch auf das Kollisionsrecht des Herkunftsstaates (Emmerich, Das internationale und materielle Recht der elterlichen Sorge im Mehrrechtsstaat Mexiko, 2000, S. 17). Für Mexiko ergibt sich dabei die Besonderheit, dass Mexiko ein Bundesstaat ist. Gem. Art. 31 HKiEntÜ i.V.m. Art. 3 Abs.1 lit. a HKiEntÜ wird über den Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthaltes deshalb auf das gesamte Recht einschließlich der Kollisionsnormen des Bundesstaates verwiesen, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Verbringung hatte (Emmerich, a.a.O., S. 99). Da das Kind in dem Bundesstaat Puebla lebte, wird auf das Recht dieses Staates verwiesen. Das Recht des Bundesstaates Puebla enthält in Art.14 CC entsprechend der im Bundesrecht in Art. 12 CCDF a.F. geltenden Norm die Regelung, dass die Gesetze des Bundesdistrikts hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit und des Zivilstandes, worunter auch die elterliche Sorge fällt (Emmerich, a.a.O., S. 66), auf alle Personen anwendbar sind, die sich dort auch nur vorübergehend aufhalten (Emmerich, a.a.O., S. 78, 90, 57). Da es sich hierbei um eine Sachnormverweisung handelt (Emmerich, a.a.O., S. 159), gilt das materielle Recht zur Regelung der elterlichen Sorge des Bundesstaates, in dem sich das Kind vor seiner Verbringung aufgehalten hat. Dabei ist auf die Sorgerechtslage im Zeitpunkt der Entführung abzustellen (Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, Rn. 23). Da D. im Bundesstaat Puebla lebte, gilt das Recht von Puebla.
Wenn das Kind von beiden Eltern anerkannt wurde ("Anerkennungssystem") und die Eltern, auch wenn sie nicht verheiratet sind, zusammen leben, üben beide die elterliche Gewalt aus , Art. 603 CC Puebla (Emmerich, a.a.O., S. 215, 216; v.Sachsen-Gessaphe, Das Konkubinat in den mexikanischen Zivilrechtsordnungen, 1990, S. 28). Voraussetzung der elterlichen Sorge ist damit das Anerkenntnis des Kindes durch die Eltern, wenn diese öffentlich als Mann und Frau zusammenleben, ohne verheiratet zu sein (Artt. 297, 542 CC Puebla). Dies erfolgt durch die Errichtung einer Geburtsurkunde (Artt. 546, 555, 558 Abs. 1 CC Puebla) vor dem Richter des Zivilregisters in Anwesenheit von zwei Zeugen (Artt. 558 Abs.1, 834, 859 CC Puebla). Da der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vom 29.8.2002 genau eine solche Geburtsurkunde eines Richters des Zivilregisters ( "el juez del registro del estado civil" ), auf der zwei Zeugen die festgestellten Tatsachen bestätigen und die beide Eltern unterschrieben haben, im Original vorgelegt hat (I 201), bestehen keine Zweifel an dem Anerkenntnis des Kindes D. durch den Antragsteller in Mexiko.
Aus der Urkunde ergibt sich ebenfalls, dass die Eltern sie gemeinsam errichtet haben. Dies bestreitet die Antragsgegnerin auch nicht. Soweit sie vorträgt, sie sei hierzu gezwungen worden, so ist ihr Vortrag nicht nachvollziehbar. Die Drohung, sie müsse das Land ohne D. verlassen, wenn sie die Errichtung einer Geburtsurkunde verweigere, ist nicht schlüssig. Solange D. noch nicht als Sohn eines Mexikaners anerkannt war, hatte er kein Aufenthaltsrecht, er hätte mit seiner Mutter das Land verlassen müssen. Erst mit der Anerkennung hat er ein eigenes Aufenthaltsrecht erworben. Wieso es ohne die Urkunde zu einer Trennung von Mutter und Kind hätte kommen können, ist daher nicht nachvollziehbar. Dass D. mit der Anerkennung durch seinen Vater die mexikanische Staatangehörigkeit und ein Erbrecht nach dem Vater verschafft werden sollte, liegt in seinem Interesse. Soweit die Antragsgegnerin einwendet, sie habe keine Kenntnis der Konsequenz hinsichtlich der elterlichen Sorge gehabt, so handelt es sich um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum. Aus den Umständen der Errichtung der Urkunde - Termin vor Gericht, zwei Zeugen - hätte sie erkennen müssen, dass hiermit weitreichende rechtliche Folgen verbunden sind. Ihr wäre es zumutbar gewesen, sich vorher hierüber zu informieren.
Die Beurteilung der Erforderlichkeit und Erteilung der Zustimmung eines Kindes zu seiner Annahme durch den Vater ist dabei entgegen der Auffassung der Antragsgegnrin gem. Art. 23 EGBGB nicht nach deutschem Recht zu beurteilen, da Art. 23 EGBGB nur über eine selbständige kollisionsrechtliche Anknüpfung dieser Vorfrage für das Sorgerecht anwendbar wäre. Grundsätzlich ist aber bei staatsvertraglichem Kollisionsrecht - ein solches liegt mit Art. 3 Abs. 1 HKiEntÜ vor - eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen zur Sicherung des internen Entscheidungseinklangs geboten (Palandt/Heldrich, a.a.O., Einl v. EGBGB 3 Rn. 30 m.w.N.; Erman/Hohloch, BGB, 10.Aufl., Einl Art. 3 Rn. 13). Die Frage der Widerrechtlichkeit ist insgesamt anhand des fremden Rechts festzustellen (Bach/Gildenast, a.a.O., Rn.69). Deshalb wäre diese Vorfrage, da das mexikanische Kollisionsrecht insgesamt auf seine Sachnormen verweist, auch hier nach mexikanischem Recht zu beurteilen. Ein Erfordernis der Zustimmung des Kindes ist aber insoweit nicht ersichtlich.
Selbst wenn man aber über eine selbständige Anknüpfung dieser rechtlichen Vorfrage gem. Art. 23 EGBGB zur Anwendung der deutschen Sachnormen käme, da das Kind deutscher Staatsangehöriger ist, lägen die Voraussetzungen der Zustimmung zur Anerkennung nach deutschem Recht vor. Denn gem. §§ 1592 Nr.2, 1594, 1595 BGB bedarf die Anerkennung nur dann der Zustimmung des Kindes, wenn die elterliche Sorge der Mutter nicht zusteht. Da die Mutter hier aber sorgeberechtigt ist, ist die Zustimmung des Kindes auch nach deutschem Recht nicht erforderlich. Es bestehen insoweit keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der mexikanischen Anerkennung des Kindes durch den Vater.
Auch die Fristversäumnis für die Errichtung der Geburtsurkunde, die gem. Art. 856 CC Puebla innerhalb von 180 Tagen nach der Geburt des Kindes erfolgen soll, hat gem. Art. 875 CC Puebla keine Bedeutung für die Wirksamkeit der Urkunde, sondern kann nur die Verhängung eines Bußgeldes zur Folge haben.
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Antragssteller Mitinhaber der elterlichen Sorge ist.
Die Verlängerung des Aufenthaltes des Kindes D. in Deutschland über den 31.01.2002 hinaus war ab dem 31.01.2002 widerrechtlich, wie sich aus der vom Antagsteller vorgelegten Urkunde vom 09.12.2001 (I 21) ergibt und auch von der Antragsgegnerin nicht bestritten wird. D. sollte sich für einen Weihnachtsurlaub und nicht länger in Deutschland aufhalten.
Die Widerrechtlichkeit entfällt auch nicht durch eine nachträgliche Genehmigung des Aufenthaltes durch den Vater mit seinem Schreiben vom 02.04.2002 (I 113), wie die Antragsgegnerin meint. Dieses Schreiben enthält einen Vorschlag für eine zukünftige Regelung des Aufenthaltes des Kindes, eine Einigung oder eine Billigung des Aufenthaltes des Kindes in Deutschland kann - wie das Amtsgericht zutreffend feststellt - darin aber nicht gesehen werden.
Für die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe sich ihr gegenüber telefonisch mit dem Aufenthalt von D. in Deutschland einverstanden erklärt, tritt sie keinen Beweis an. Ihr kann nicht gefolgt werden, da sie im Widerspruch zu dem gesamten weiteren Verhalten des Antragstellers steht. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte ein Telefongespräch mit dem behaupteten Inhalt nicht festgestellt werden. Eine nachträgliche Genehmigung des Vaters zum Aufenthaltsort des Kindes, an deren Vorliegen im übrigen strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Staudinger/Pirrung, a.a.O., Rn. 682), liegt damit nicht vor.
D. wird daher widerrechtlich unter Verletzung des Sorgerechtes des Antragstellers in Deutschland zurückgehalten.
Die Rückgabe des Kindes hat auch nicht gem. Art. 13 lit. b HKiEntÜ zu unterbleiben, da die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen hat, dass sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist. Das HKiEntÜ dient dem Ziel, die Beteiligten von einem widerrechtlichen Verbringen des Kindes ins Ausland abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes sicherzustellen. Die Berücksichtigung von zwangsläufig mit jeder Rücküberstellung verbundenen Belastungen für das Kind im Rahmen der Folgenabwägung würde dem so verstandenen Schutz des Kindes widersprechen. Deshalb ist eine enge Auslegung von Art. 13 HKiEntÜ geboten und nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohles können einer Rückgabe des Kindes entgegenstehen (BVerfG, FamRZ 1996, S. 405 und FamRZ 1999, S. 85; OLG Hamm, FamRZ 1999, S.948 (949); KG, FamRZ 1997, S. 1098 (1099); OLG Hamburg, FamRZ 1996, S. 685). Für solche ungewöhnlich schwerwiegenden Beeinträchtigungen liegen keine Anhaltspunkte vor. So konnte sich das Amtsgericht bei der mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass zwischen dem Antragsteller und D. eine liebevolle und herzliche Beziehung besteht. Bestätigt wird dies durch den Bericht des Jugendamtes insoweit, als sich D. auch nach der nun fast ein 3/4 Jahr dauernden Trennung ein positives Bild von seinem Vater bewahrt hat. Auch die Antragsgegnerin behauptet nicht, dass der Antragsteller das Kind geschlagen oder misshandelt habe. Die Behauptung, der Vater sei Alkoholiker und unbeherrscht, erscheint eher als eine durch die Auseinandersetzung der Eltern beeinflusste Bewertung des Antragstellers. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen über die Auseinandersetzungen der Parteien schildern typische, bei der Trennung von Partnern stattfindende Konflikte; eine besondere, außergewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindes kann hierin nicht gesehen werden.
Der Wechsel der Umgebung stellt für das Kind ohne Zweifel eine Belastung dar, sie übersteigt aber nicht die normalerweise mit einer Rückgabe für ein Kind verbundene Beeinträchtigung. Insbesondere sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, dass das Kind nur in Deutschland eine stabile wirtschaftliche, soziale und emotionale Umgebung finden kann. Beide Eltern sind in gehobenen Positionen berufstätig und leben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Es mag sein, dass D. durch die mit der Trennung der Eltern verbundenen Auseinandersetzungen emotional verunsichert wurde. Dafür, dass es sich hierbei um Störungen handelt, die schwerwiegende Beeinträchtigungen für ihn zur Folge haben, ist aber nichts ersichtlich. Im übrigen ist gerade dies ein Aspekt, der bei der Sorgerechtsentscheidung im Herkunftsland, aber nicht im Rahmen des HKiEntÜ zu prüfen ist.
Gleiches gilt für den Einwand der Mutter, die Familie des Antragstellers und der Antragsteller selbst könnten D. nicht betreuen, denn eine völlig unzureichende Versorgung durch den Vater, die allein unter Umständen eine Rückgabe des Kindes ausschließen könnte, trägt die Antragsgegnerin nicht vor.
Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass eine Trennung von ihr für das jetzt 4-jährige Kind eine schwere Belastung darstellen kann (vgl. hierzu auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, S. 643 (644)). Hierauf kann sich die Antragsgegnerin aber nicht berufen, wenn es ihr selbst zuzumuten ist, mit dem Kind in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Denn wer durch die Ablehnung der Begleitung eines Kindes selbst diese Gefahr schafft, kann diese nicht der Rückführung entgegenhalten (OLG Zweibrücken, a.a.O., S. 644; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.2001, 2 UF 287/01). Dies muss gerade auch deshalb gelten, weil der entführende Elternteil dem Kind die Trennung vom im Herkunftsland verbleibenden Elternteil zumutet. Selbst wenn dieser Elternteil nicht die Hauptbezugsperson des Kindes gewesen sein sollte, so setzt sich zunächst der entführende Elternteil über die Verlustängste des Kindes hinsichtlich des anderen Elternteils hinweg. Die Trennung vom entführenden Elternteil kann deshalb nur ausnahmsweise ein Grund für die Verweigerung der Rückgabe darstellen. Der entführende Elternteil muss schon sehr schwerwiegende Gründe aufführen, bevor er sich zu Recht auf die Gefährdung des Kindes durch die Trennung berufen kann. Vorliegend verweist die Antragsgegnerin - belegt durch verschiedene eidesstattliche Versicherungen - auf ein unbeherrschtes und sie misshandelndes Verhalten des Antragstellers. Auch bei Würdigung der konkreten Vorfälle kann der Senat - wie dargelegt - nur die bei einer Trennung übliche Streitigkeiten zwischen den Parteien feststellen. Im übrigen können solche Auseinandersetzungen künftig schon dadurch vermieden werden, dass sich die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung nimmt.
Zwar behauptet die Antragsgegnerin, ihr drohten behördliche Maßnahmen wegen der Kindesentführung, wenn sie nach Mexiko zurückkehrte. Diese sind nach Auffassung des BVerfG (FamRZ 1999, S. 85, 87) als Folge der rechtwidrigen Entführung hinzunehmen (vgl. auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, S. 643, 644). Im übrigen werden solche Maßnahmen von der Antragsgegnerin ohne weitere Substantiierung behauptet. Da der Antragsteller glaubhaft versichert, er werde keine behördlichen Maßnahmen veranlassen, ist dieses eventuell bestehende Risiko der Antragsgegnerin zuzumuten.
Eine Rückgabe des Kindes ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein mexikanisches Gericht in einer Sorgerechtsentscheidung ohnehin der Mutter die elterliche Sorge zusprechen würde und deshalb dem Kind ein Wechsel des Aufenthaltes in den Herkunftsstaat und dann die Rückkehr nach Deutschland nicht zumutbar erscheint. Für den Fall sogenannter "gegenläufiger Rückführungsanträge" hat das BVerfG (FamZ 1999, S. 85, 88) das Vorliegen einer besonders schwerwiegenden Härte im Sinne des Art. 13 HKiEntÜ zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch mag es durchaus sein, dass der Antragsgegnerin in Mexiko von einem dortigen Gericht die elterliche Sorge zugesprochen wird, zumal nach dem Recht des Bundesstaates Puebla eine gesetzliche Vermutung dafür spricht, dass Kinder unter sieben Jahren grundsätzlich in die Obhut der Mutter zu überstellen sind (vgl. Emmerich, a.a.O., S. 305). Trotzdem kann dies die Rückgabe des Kindes nach Mexiko nicht ausschließen. Das HKiEntÜ soll nämlich gerade verhindern, dass sich der entführende Elternteil durch die Entführung der Gerichtsbarkeit des Herkunftsstaates entzieht; es soll eine Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes gewährleisten (BVerfG, FamRZ 1999, S. 85 u. 88; Staudinger/Pirrung, a.a.O., Vor Art. 19 EGBGB zu Art. 13 HKÜ, Rn. 684; Diedrich, FamRZ 1996, S. 686). Wendete das um die Rückgabeentscheidung ersuchte Gericht gewissermaßen im Vorgriff auf die materielle Sorgerechtsentscheidung das Recht des Herkunftslandes an, so träfe es eine Sorgerechtsentscheidung an Stelle des Gerichtes des Herkunftslandes. Deshalb mag in den Fällen, in denen bereits eine Entscheidung eines Gerichtes des Herkunftsstaates vorliegt, in der dem entführenden Elternteil die elterliche Sorge übertragen wurde, eine Entscheidung zur Rückgabe des Kindes ausgeschlossen sein (nur zu diesem Fall BVerfG, FamRZ 1999, S. 85 (88); Staudinger/Pirrung, a.a.O., Rn. 684 a.E.). Wenn jedoch ein Gericht des Herkunftsstaates noch nicht entschieden hat, widerspräche dieser "Vorgriff" dem oben genannte Zweck des HKiEntÜ, die Gerichtsbarkeit des Herkunftslandes zu gewährleisten, Art. 1 lit. b HKiEntÜ. Im vorliegenden Fall hat die Mutter aber noch nicht einmal einen Antrag auf Entscheidung eines mexikanischen Gerichtes gestellt. Ob ihr die elterliche Sorge zugesprochen wird, ist daher offen. Da dieser Entscheidung nicht vorgegriffen werden darf, ist der Antragsgegnerin die Durchführung des Sorgerechtsverfahrens in Mexiko zuzumuten. Selbst wenn ihr dort die elterliche Sorge zugesprochen werden sollte, so bedeutet der dann wahrscheinliche erneute Wechsel der Umgebung für das Kind keine ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigung, da Dominik auch schon vorher immer wieder von Mexiko nach Deutschland und zurück gereist ist.
Gründe für eine Ablehnung der Rückgabe nach Art. 13 Lit. b HkiEntÜ liegen damit nicht vor.
Auch soweit das Jugendamt berichtet, das Kind wolle in Deutschland bleiben, stellt dies bei einem 4-jährigen Kind keinen Ablehnungsgrund im Sinne des Art. 13 S. 2 HKiEntÜ dar, da insoweit nicht davon auszugehen ist, dass es das Alter und die Reife zu einer verantwortungsvollen Entscheidung hat (vgl. Staudinger/Pirrung, a.a.O., Rn. 685).
Nach Art. 20 HKiEntÜ müsste die Rückgabe abgelehnt werden, wenn sie nach den Menschenrechten und Grundfreiheiten des ersuchten Staates unzulässig wäre. Insoweit behauptet die Mutter, die Justiz in Mexiko sei korrupt. Diese pauschale Behauptung ist nicht geeignet, irgendwelche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Rückgabe des Kinds zu ziehen. Im Gegenteil erscheint das Recht von Puebla sehr wohl auf einen interessengerechten Ausgleich der Beteiligten eines Sorgeverfahrens bedacht zu sein. Für den Fall, dass sich die Eltern nicht einigen, ist ein Gericht zur Entscheidung berufen. Sowohl die Rechte des Vaters als auch die der Mutter und des Kindes werden berücksichtigt. Für einen Verstoß gegen den deutschen ordre public durch eine Rückgabe des Kindes nach Mexiko sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind gem. § 50 FGG ist entbehrlich, da das Kind zu beiden Elternteilen ein gutes und herzliches Verhältnis hat und ein Interessenkonflikt zu den Eltern nicht ersichtlich ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern des Kindes D. wegen eigener Interessen nicht in der Lage sind, seine Belange wahrzunehmen, liegen nicht vor. Im übrigen sind dem Bericht des Jugendamtes ausreichende Informationen über das Kind und die Mutter zu entnehmen.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes wird daher zurückgewiesen.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gem. § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 6 Abs. 1 SorgeRÜbkAG i.V.m. § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus den §§ 131 Abs. 2, 94 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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