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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.10.1999
Aktenzeichen: 2 UF 133/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587a
BGB § 1578b
Leitsatz

Hat der Ehegatte mit den wertniedrigeren Anwartschaften aufgrund seiner Erwerbstätigkeit auch ausländische Anwartschaften (hier in Kasachstan) erworben, deren Höhe nicht geklärt werden kann und die wegen nicht zu erwartender Realisierbarkeit tatsächlich als wertlos anzusehen sind, sind diese nicht in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen. Wegen der Unwahrscheinlichkeit der Realisierbarkeit kann unter diesen Umständen nicht insgesamt auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen werden, der Versorgungsausgleich ist vielmehr mit den in Deutschland zu ermittelnden Anwartschaften durchzuführen. Sollte später doch aus dem ausländischen Anwartschaftsrecht eine Rente bezogen werden, kann dieser Umstand im Abänderungsverfahren nach 10 a VAHRG geltend gemacht werden.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 U F 133/98 2 F 222/96


Karlsruhe, 29. Oktober 1999

Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Versorgungsausgleich

Beschluß

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Nr. 2 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 17.6.1998 (2 F 222196) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf (12 x 260,14 DM =) 3.121,68 DM festgesetzt.

4. Der Antragstellerin wird für den 2. Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwältin , 76133 Karlsruhe Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

5. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Auf den am 29.11.1996 (I, 17 ES) zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin vom 17.9.1996 hat das Familiengericht durch Urteil vom 17.6.1998 (I, 67 ff. ES) die am 18.10.1975 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, daß von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA Berlin auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der LVA Baden monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 260,14 DM durch Splitting übertragen wurden. Hierbei wurden eine ehezeitbezogene Rentenanwartschaft der Antragstellerin in Höhe von 538,95 DM entsprechend der Auskunft der BfA Berlin vom 2.12.1997 (I, 37 ff. VA) sowie eine solche des Antragsgegners in Höhe von 18,66 DM entsprechend der Auskunft der LVA Baden vom 14.1.1998 (I, 65 ff. VA) zugrundegelegt.

Gegen das ihr am 8.7.1998 (I, 97 ES) zugestellte Urteil wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 3.8.1998 eingegangenen Beschwerde (II, 1). Sie macht geltend, der Antragsgegner werde durch die angefochtene Entscheidung bevorzugt, da seine in Kasachstan erworbenen Rentenanwartschaften aufgrund eines fehlenden Sozialversicherungsabkommens nicht berücksichtigt würden. Bei der Antragstellerin, die nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit habe, finde das Fremdrentengesetz Anwendung, weshalb ihre in Kasachstan zurückgelegten Versicherungszeiten als inländische Versicherungszeiten anerkannt würden. Der Antragsgegner, der noch die russische Staatsangehörigkeit habe, gehöre nicht zu dem durch das Fremdrentengesetz begünstigten Personenkreis, weshalb nur die im Inland zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt würden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß er seinen in Kasachstan erworbenen Rentenanspruch behalte. Dann sei aber die Antragstellerin nach Durchführung des Versorgungsausgleichs benachteiligt. Ein Versorgungsausgleich dürfe daher nicht stattfinden.

Die Versorgungsträger haben bestätigt, daß mit Kasachstan kein Sozialversicherungsabkommen besteht und im übrigen keine Stellungnahme abgegeben. Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat zu der Frage, in welcher Form der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der von beiden Parteien in Kasachstan erworbenen Anwartschaften durchzuführen ist, beim Sachverständigen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat die Akte jedoch unbearbeitet zurückgegeben, da es ihm nicht möglich sei, zu den dort erworbenen Anwartschaften Auskünfte zu erhalten. Ferner wurde eine neue Auskunft bezüglich der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Neubewertung der Kindererziehungszeiten ab 1.7.1998 eingeholt. Aus der neuen Auskunft der BfA Berlin vom 17.7.1998 (II, 25 ff.) ergibt sich eine ehezeitbezogene Anwartschaft von 550,74 DM.

II.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Familiengericht hat zu Recht den Versorgungsausgleich durchgeführt.

1. Die vorgenommene Berechnung ist nach den Auskünften, die dem Familiengericht vorlagen, zutreffend. Nach der neuen Auskunft für die Antragstellerin würde sich der Ausgleichsbetrag gem. § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB sogar auf 266,04 DM erhöhen ([550,74 DM ./. 18,66 DM] : 2). Wegen des Verschlechterungsverbots im Beschwerdeverfahren (ständige Rechtsprechung seit BGH FamRZ 1983, 44, 45 ff.) war eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu Lasten der Antragstellerin nicht möglich.

2. Wie der Versorgungsausgleich durchzuführen ist, wenn ein Ehegatte - wie hier der Antragsgegner aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Kasachstan - unzweifelhaft Versorgungsanwartschaften erworben hat, deren Höhe jedoch nicht zu ermitteln ist, weil es an allen Grundlagen für eine Bewertung nach § 1587 a Abs. 5 BGB fehlt, ist gesetzlich nicht geregelt. In Betracht käme zwar ein Vorgehen nach § 1587 b Abs. 4 BGB; dies scheitert jedoch daran, daß eine solche Regelung von keiner Partei beantragt wurde.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich jedenfalls dann nicht durchgeführt werden kann, wenn feststeht, daß der Ehegatte mit den wertniedrigeren Anwartschaften auch ausländische Anwartschaften erworben hat, deren Höhe nicht geklärt werden kann (OLG Köln FamRZ 1986, 689, 690; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 903). Dann kann nämlich nicht ermittelt werden, wer ausgleichspflichtig ist und wie hoch die Ausgleichsforderung ist (§ 1587a Abs. 1 S. 2 BGB). Die Parteien sind dann auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen, da ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich weder nach § 1587 b BGB noch nach §§ 1, 2 VAHRG erfolgen kann.

Diese Voraussetzungen sind hier an sich wie auch in dem der Entscheidung des OLG Nürnberg (NJW-RR 1999, 903 f. = FamRZ 1999, 1203 f) zugrundeliegenden Fall (dort für Tadschikistan) erfüllt. Mit der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten besteht nach der Auskunft der Versorgungsträger kein Sozialversicherungsabkommen, es ist auch in absehbarer Zeit keines zu erwarten. Es ist daher nicht erkennbar, daß der Antragsgegner jetzt oder in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, die in Kasachstan erworbenen Anwartschaften zu realisieren. Sie sind somit zur Zeit als tatsächlich wertlos anzusehen und werden es voraussichtlich auch bleiben. Es ist nach der Einschätzung des Senats wenig wahrscheinlich, daß die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gegenüber ausgewanderten Einwohnern jemals verbindlich Rentenverpflichtungen übernehmen werden. Auch ist nicht ersichtlich, daß der Antragsgegner, der auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wieder nach Kasachstan zurückkehren wird. Die ausländischen Anwartschaften des Antragsgegners sind daher nach gegenwärtigem Stand überhaupt nicht in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen, da nicht zu erwarten ist, daß der Antragsgegner hieraus jemals Versorgungsleistungen beziehen wird.

Unter diesen Umständen insgesamt auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen, wäre wegen der Unwahrscheinlichkeit der Realisierbarkeit verfehlt. Ausschlußgründe nach § 1587 c BGB sind nicht ersichtlich, so daß der öffentlichrechtliche Versorgungsausgleich in der vom Familiengericht vorgenommenen Weise durchzuführen ist.

Die Antragstellerin wird hierdurch auch nicht unangemessen benachteiligt. Sollte der Antragsgegner wider Erwarten seine Anwartschaften zu einem späteren Zeitpunkt doch realisieren können, kann sie diesen Umstand in einem Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG geltend machen und es kann dort eine Neuberechnung durchgeführt werden.

3. Eine mündliche Verhandlung war nach Sachlage nicht geboten, nachdem den Parteien rechtliches Gehör gewährt worden war, der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist und eine Vereinbarung der Parteien nicht zu erwarten war (BGH FamRZ 1983, 267, 268).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 iVm Abs. 3 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 17 a GKG (12-facher Wert der zu übertragenden Anwartschaften).

5. Der Antragstellerin war gem. § 114 ZPO Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, da ihre Beschwerde nicht von vorneherein als nicht aussichtsreich anzusehen war. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse entfällt eine Verpflichtung zur Ratenzahlung.

6. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wird die weitere Beschwerde zugelassen, §§ 621 e Abs. 2 Satz 2, 546 Abs 1 Satz 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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