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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 19.10.2001
Aktenzeichen: 2 UF 16/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812
BGB § 1614
Verzichtet ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind zum Zwecke der Vermeidung einer Abänderungsklage für einen bestimmten Zeitraum auf die Geltendmachung seiner Rechte aus einem Unterhaltsurteil, so liegt hierin kein unzulässiger Verzicht gemäß § 1614 BGB. Dies gilt zumindest dann, wenn wegen Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ohnehin kein Anspruch bestanden hätte.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE - Senat für Familiensachen -

Im Namen des Volkes Urteil

wegen Kindesunterhalts

hat der 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 05. Oktober 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Riedel, May, Großmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 17.12.1999 (15 F 116/98) werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater der am 10.5.1978 geborenen Beklagten Ziff. 1 und der am 4.8.1981 geborenen Beklagten Ziff. 2 aus der Ehe mit deren Mutter. Er war zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - B.-B. vom 25.11.1994 (6 F 259/94) verurteilt worden, an die Beklagten jeweils 418 DM monatlich Kindesunterhalt zu zahlen. Der Kläger begehrt - zuletzt im Wege der verlängerten Vollstreckungsgegenklage - von den Beklagten die Rückzahlung von im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebenem Unterhalt für den Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997.

Mit Schreiben vom 24.10.1996 und 22.10.1996 wandte sich der damalige Rechtsanwalt des Klägers an die Beklagte Ziff. 1 und die gesetzliche Vertreterin der damals noch minderjährigen Beklagten Ziff. 2 und wies darauf hin, daß der Kläger an einer von der BfA bewilligten Berufsförderungsmaßnahme teilnehme, bis zu deren Abschluß und anschließender Arbeitsplatzsuche er nicht zu Unterhaltszahlungen in der Lage sein werde, so daß das Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 abgeändert werden müsse. Das gerichtliche Abänderungsverfahren lasse sich vermeiden, wenn ihm gegenüber erklärt werde, daß "in Anbetracht der geänderten Verhältnisse auf Geltendmachung von Rechten aus dem Unterhaltstitel 6 F 259/94 vorläufig, einstweilen beschränkt auf die Dauer der berufsfördernden Maßnahme unter Einbeziehung einer angemessenen Frist von 4 Monaten, die zur Arbeitsplatzsuche benötigt werde, verzichtet werde". Sowohl die Beklagte Ziff. 1 als auch die gesetzliche Vertreterin der Beklagten Ziff. 2 haben eine vom Rechtsanwalt des Klägers vorbereitete Erklärung (I, 51), in der sich der Kläger jeweils verpflichtete, an jede Beklagte zur Abgeltung des bis September 1996 entstandenen Unterhaltsrückstands einen Betrag von 10.336 DM zu zahlen, im Dezember 1996 unterschrieben. In der Vereinbarung, die in der Präambel auf das Schreiben des Rechtsanwalts des Klägers vom 22.10.1996 Bezug nimmt, ist weiter festgehalten: "(K./V.) K. verzichtet darüberhinaus auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 - 6 F 259/94 - bis einschließlich Oktober 1997; Herr K. nimmt diesen Verzicht an." Der Unterhaltsrückstand wurde vereinbarungsgemäß ausgeglichen.

Die Beklagten haben am 16.6.1998 die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Unterhalts für den Zeitraum ab Oktober 1996 bis November 1997 eingeleitet. Hierauf hat der Kläger Vollstreckungsabwehrklage erhoben mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Urteil für unzulässig zu erklären, soweit sie den Betrag von 3.036 DM übersteigt und hierfür um Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Das Familiengericht hat die Prozeßkostenhilfe zum Teil verweigert, hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes Oktober 1996 bis Oktober 1997 wurde dem Kläger durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 24.3.1999 (2 WF 5/99) Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die Zustellung der Klageschrift erfolgte am 3.5.1999. Nachdem zwischenzeitlich von der jetzigen Ehefrau des Klägers am 31.1.1999 der geforderte Betrag von insgesamt 11.704 DM zur Vermeidung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen gezahlt wurde, hat der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 7.6.1999 die Rückzahlung von je 5.852 DM von den beiden Beklagten begehrt. Die jetzige Ehefrau des Klägers hat ihre Rückforderungsansprüche gegen die Beklagten am 18.11.1999 an den Kläger abgetreten.

Der Kläger trägt vor, bei der Vereinbarung vom Dezember 1996 handle es sich um einen endgültigen Verzicht auf die Vollstreckung der titulierten Unterhaltsbeträge für den Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997. Da keine Unterhaltsforderung wegen Leistungsunfähigkeit des Klägers bestanden habe, sei in der Vereinbarung kein unzulässiger Unterhaltsverzicht für die Zukunft zu sehen. Mit der einmaligen Zahlung von 10.336 DM an jede Beklagte sei der Unterhalt bis einschließlich Oktober 1997 abgegolten. Durch die Vollstreckung hätten sich die Beklagten ohne Rechtsgrund bereichert, weshalb das Erlangte zurückzuzahlen sei. Eine Entreicherung der Beklagten liege nicht vor, insbesondere die Beklagte Ziff. 1 habe bereits seit September 1996 eine Ausbildungsvergütung erhalten, ohne dies mitzuteilen. Die Beklagten hätten ihn darüberhinaus bewußt geschädigt, da sie trotz noch anhängigen Beschwerdeverfahrens weiter vollstreckt und damit letztlich die Zahlung am 31.1.1999 erreicht hätten, die nur zur Vermeidung schwerer wirtschaftlicher Nachteile erfolgt sei (Verwertung einer gestellten Bürgschaft, Gefahr der Rückübertragung eines dem Kläger von seiner Mutter übertragenen Grundstücks aufgrund der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek). Im übrigen hätten die Beklagten trotz angeblicher Unwirksamkeit der Vereinbarung den dort genannten Betrag von jeweils 10.336 DM entgegen genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten Ziff. 1 und 2 jeweils zur Zahlung eines Betrages von 5.852 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu verurteilen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung tragen sie vor, bei der Vereinbarung vom Dezember 1996 habe es sich nur um eine Absprache bzgl. eines vorläufigen Verzichts auf die Vollstreckung der Unterhaltsbeträge während des Zeitraums Oktober 1996 bis Oktober 1997 gehandelt, danach hätten diese Beträge jedoch rückwirkend vollstreckt werden können; es habe sich quasi um eine Stundung der Unterhaltsbeträge gehandelt, die jedoch auch für einen so langen Zeitraum unzulässig sei. Die Vollstreckung sei erst nach Ablauf dieses Zeitraumes eingeleitet worden. Bei anderer Auslegung der Vereinbarung würde es sich um einen unwirksamen Verzicht auf zukünftigen Unterhalt handeln. Der Kläger hätte vielmehr eine Abänderungsklage erheben müssen. Soweit ein Verzicht für die Monate Oktober und November 1996 möglicherweise zulässig wäre, hätten die Beklagten bei Kenntnis der Unwirksamkeit der gesamten Verzichtsvereinbarung auch insoweit keinen Verzicht erklärt. Eine Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung scheitere am Vorliegen eines Rechtsgrundes, nämlich des Urteils vom 25.11.1994, und an einer Entreicherung der Beklagten, die den gezahlten Betrag verbraucht hätten. Eine Schädigungsabsicht habe nicht vorgelegen, weshalb auch kein Schadensersatzanspruch bestehe. Für die Rückforderungsklage sei im übrigen das Familiengericht sachlich nicht zuständig, da es um einen Anspruch der Ehefrau des Klägers gehe.

Das Familiengericht hat in seinem Urteil vom 17.12.1999 der Klage stattgegeben. Die Zwangsvollstreckung sei infolge eines wirksamen Vollstreckungsverzichts für den Zeitraum Oktober 1996 bis November 1997 (eigentlich wohl Oktober 1996 bis Oktober 1997) unzulässig gewesen, weshalb dem Kläger ein Rückforderungsanspruch sowohl unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes als auch aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehe. Es habe sich um einen endgültigen Vollstreckungsverzicht gehandelt, dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut, aber auch aus dem Zusammenhang mit dem Anschreiben des Rechtsanwalts des Klägers, der die Vereinbarung zum Zwecke der Vermeidung einer Abänderungsklage angeboten habe. Eine Entreicherung der Beklagten liege nicht vor, da diese Gegenstände angeschafft hätten, die sich noch in ihrem Besitz befänden.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten, mit denen sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage begehren. Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend verweisen sie darauf, daß entgegen der Ansicht des Familiengerichts nicht von einer fehlenden Leistungsfähigkeit des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum ausgegangen werden könne, da ihn gegenüber den damals minderjährigen Kindern eine gesteigerte Erwerbsverpflichtung treffe und nur der Mindestunterhalt tituliert gewesen sei. Der gesunde Kläger mit hoher beruflicher Qualifikation hätte eine Arbeitsstelle finden können. Ggf. hätte der Kläger sein Vermögen, nämlich das unbelastete Hausgrundstück, zur Sicherung des Unterhalts einsetzen müssen. Hinsichtlich der Auslegung der Vereinbarung vom Dezember 1996 sei auf den Horizont der Beklagten abzustellen, die nicht endgültig auf Unterhalt für den streitgegenständlichen Zeitraum hätten verzichten wollen. Eine Rückforderung der vollstreckten Beträge aus Bereicherungsrecht komme nicht in Betracht, da die Beklagten entreichert seien und keine Bösgläubigkeit vorgelegen habe. Ein Schadensersatzanspruch scheitere an einer Schädigungsabsicht der Beklagten, auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers sei wie das Amtsgericht zunächst von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung ausgegangen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - B.-B. vom 17.12.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor, beide Beklagte hätten die Aufnahme ihrer Ausbildungsverhältnisse nicht mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Im Verfahren 4 F 301/97 des Amtsgerichts R. wurde durch Teilanerkenntnisurteil vom 11.2.1998 das Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 dahingehend abgeändert, daß der Kläger der Beklagten Ziff. 1 gegenüber ab 3.12.1997 nicht mehr unterhaltspflichtig ist. Durch am 16.8.1998 beim Oberlandesgericht Karlsruhe geschlossenen Vergleich wurde hinsichtlich der Beklagten Ziff. 2 ein Pauschalunterhaltsbetrag von 1.500 DM für den Zeitraum 1.12.1997 bis 31.7.1998 vereinbart, für den Zeitraum danach wurde keine Unterhaltsverpflichtung des Klägers mehr angenommen. In diesem Verfahren wurde hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein Sachverständigen-Gutachten eingeholt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen sind zulässig, aber unbegründet. Das Familiengericht hat die Beklagten zu Recht zur Rückzahlung der im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Unterhaltsbeträge für den Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997 verurteilt.

1. Die Klage auf Rückzahlung ist zulässig. Das Familiengericht B.-B. ist sachlich zuständig, da der Betrag von 11.704 DM zwar von der jetzigen Ehefrau des Klägers gezahlt wurde, aber auf eine Unterhaltsverbindlichkeit des Klägers und zwar zur Vermeidung der weiteren Zwangsvollstreckung gegen den Kläger. Die Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Unterhalt fällt in die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts gem. § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621, Rn. 8). Die Ansprüche der Ehefrau wurden am 18.11.1999 an den Kläger abgetreten (I, 485), so daß dieser Zahlung an sich verlangen kann.

Nachdem während der Anhängigkeit der Vollstreckungsabwehrklage Erfüllung durch Zahlung eingetreten ist und damit zumindest bzgl. der Hauptforderung keine Vollstreckungsgefahr mehr drohte, konnte der Kläger im Wege der zulässigen Klagänderung gem. § 263 ZPO auf eine Rückzahlungsklage übergehen (Zöller, aaO., § 767, Rn. 8 m.w.N.).

2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens gezahlten Unterhaltsbetrages gem. § 812 Abs. 1 BGB zu, da für den Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997 aufgrund der im Dezember 1996 getroffenen Vereinbarung der Rechtsgrund für die Zahlungen entfallen ist. Die Parteien haben insoweit wirksam den bestehenden Unterhaltstitel, nämlich das Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 - 6 F 259/94, als Vollstreckungstitel außer Kraft gesetzt.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nicht um einen gem. § 1614 Abs. 1 BGB unzulässigen Verzicht auf künftigen Unterhalt. Dies gilt ohnehin nicht bzgl. des Unterhalts für den Zeitraum Oktober 1996 bis Dezember 1996, da hier auf bereits rückständigen Unterhalt verzichtet wurde, für den § 1614 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet. Der Unterhalt für den Monat Dezember 1996 war bereits im voraus fällig, § 1612 Abs. 3 S. 1 BGB, und gehört daher ebenfalls bereits zum Rückstand, da die Vereinbarung erst im Laufe des Monats Dezember 1996 geschlossen wurde.

b) § 1614 BGB ist nicht unmittelbar anwendbar, da die Beklagten nicht auf den materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruch als solchen verzichtet haben.

Ein Unterhaltsverzicht im Sinne des § 1614 BGB setzt einen Verzicht auf die Unterhaltsforderung bzw. einen Erlaß der Unterhaltsforderung in der Form des § 397 BGB mit einem entsprechenden Verzichtswillen des Gläubigers voraus. Dieser muß wissen bzw. damit rechnen, daß er ein bestehendes Recht, also einen bestehenden Anspruch gem. § 194 BGB, aufgibt (Staudinger/Kappe/Engler, 13. Bearb., § 1614 BGB, Rn. 6).

Vorliegend wurde nicht auf den durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 festgestellten Unterhaltsanspruch als solchen, sondern nur auf die Vollstreckung aus diesem Urteil für den Zeitraum bis Oktober 1997 verzichtet. Durch den Vollstreckungsverzicht wird der Bestand des materiell-rechtlichen Anspruchs jedoch nicht berührt. Daß Vereinbarungen dieser Art dem Gesetz nicht fremd sind, zeigt z.B. die Vorschrift des § 843 ZPO.

Die Frage, ob auf derartige Vereinbarungen § 1614 BGB entsprechend anzuwenden ist, da der Vollstreckungsverzicht im Ergebnis wie der Verzicht auf den Unterhaltsanspruch als solchen zu einer zukünftigen Befreiung des Unterhaltsverpflichteten von seiner Zahlungspflicht führt, kann dahinstehen, da selbst die entsprechende Anwendung des § 1614 BGB vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führt.

Dabei ist hier von entscheidender Bedeutung, daß der Vollstreckungsverzicht ersichtlich erklärt wurde, um die angedrohte Abänderungsklage abzuwenden, die nach den Darlegungen des Klägers wohl auch aus der Sicht der Beklagten erfolgversprechend erschien. Unter diesen Umständen war der zeitweilige Verlust des ausgeurteilten Unterhalts durch Vollstreckungsverzicht aus Sicht der Beklagten gewissermaßen das mildere Mittel, da ab November 1997 aus dem Urteil des Amtsgerichts B.-B. vom 25.11.1994 weiter vollstreckt werden konnte, wohingegen bei einer Abänderungsklage der Verlust des Unterhaltsanspruchs und damit auch des Vollstreckungstitels für die Zukunft gedroht hätte. Angesichts dieser Ausgangslage kann aber nicht zweifelhaft sein, daß der bloße Vollstreckungsverzicht, abgesehen davon, daß er den materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruch unberührt läßt, jedenfalls im vorliegenden Fall nicht dem Unwerturteil des § 1614 BGB unterstellt werden kann.

c) Selbst wenn man eine Anwendbarkeit des § 1614 BGB auf den vorliegenden Fall bejaht, würde dies voraussetzen, daß für die Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich noch ein Unterhaltsanspruch bestanden hat, auf den sie verzichtet haben. Ein solcher ist jedoch nicht ersichtlich.

Unstreitig hatte der Kläger bereits im Verfahren vor dem Amtsgericht B.-B. im Jahr 1994 eingewandt, er sei nicht leistungsfähig, weil er trotz ausreichender Bemühungen keine Stelle gefunden habe. Die Bemühungen wurden vom Familiengericht damals nicht als ausreichend erachtet, weshalb er fiktiv als für den Mindestunterhalt leistungsfähig angesehen wurde. Der Kläger muß sich jedoch nicht auf Dauer an dieser Fiktion festhalten lassen, vielmehr können auch bei angenommenen fiktiven Einnahmen Veränderungen der Verhältnisse berücksichtigt werden, etwa Änderung der Vermittlungschancen durch Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder fortschreitendes Alter (OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 931, 932; OLG Schleswig FamRZ 1985, 69; Wendl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1, Rn. 438). Hier ist neben der fortdauernden Arbeitslosigkeit des Klägers zu berücksichtigen, daß er seit 1.8.1995 mit 30 % schwerbehindert ist (I, 41 der Akten 4 F 301/97 AG R.) und 1995 ein Rentenverfahren angestrengt worden war (I, 119 der Akte 4 F 301/97). Nach Ablehnung des Rentenantrages wurde mit der Wiedereingliederungsmaßnahme, die zum Abschluß der streitgegenständlichen Vereinbarung führte, offenbar letztmals ein Versuch unternommen, den damals 53-jährigen Kläger wieder auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. Unter Berücksichtigung der Einkünfte des Klägers für den Zeitraum der Wiedereingliederungsmaßnahme besteht keine Leistungsfähigkeit und damit auch kein Unterhaltsanspruch, so daß kein Verstoß gegen § 1614 Abs. 1 BGB vorläge.

Soweit die Beklagten darauf verweisen, der Kläger habe ihnen gegenüber als minderjährigen Kindern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit, gilt dies für die Beklagte Ziff. 1, die bereits volljährig war, ohnehin nicht (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB). Die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, die sich zwischen der Vollendung des 18. und des 21. Lebensjahres noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden, wurde erst durch das KindUG vom 6.4.1998 mit Wirkung vom 1.7.1998 eingeführt. Daß der Kläger auch nicht in der Lage war, sein Hausgrundstück für Unterhaltszwecke zu belasten, da der Nießbrauch hieran seiner Mutter zusteht und er bei einer Belastung des Grundstücks verpflichtet ist, dieses zurückzuübertragen, ist im Einzelrichtertermin am 11.7.2000 unstreitig gestellt worden (II, 175).

Mit ihrer Auffassung, daß in der Vereinbarung nur eine Stundung der Vollstreckung der titulierten Unterhaltsforderung zu sehen ist, können die Beklagten nicht gehört werden. Aus den außergerichtlichen Schreiben vom 22.10.1996 und 24.10.1996, in denen der Kläger ausdrücklich darauf hinwies, daß die Vereinbarung zur Vermeidung einer Abänderungsklage geschlossen werden sollte, ergibt sich eindeutig, daß die Vereinbarung vom Dezember 1996, die nochmals auf die Schreiben Bezug nahm, nicht nur vorübergehend die Vollstreckung hindern, sondern diese auf Dauer für den Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997 ausschließen sollte. Wären die Beklagten damals der Auffassung gewesen, der Kläger würde für diesen Zeitraum weiter den titulierten Unterhalt schulden, hätten sie die Vereinbarung nicht treffen dürfen und den Kläger auf die Abänderungsklage verweisen müssen. Die Vereinbarung sollte vielmehr für den streitgegenständlichen Zeitraum den Unterhaltstitel entfallen lassen, ohne daß damit auch für die weitere Zukunft nach Oktober 1997 ein Unterhaltsverzicht gewollt war. Vielmehr sollte dann der bestehende Titel weiter wirksam sein, da zunächst davon ausgegangen wurde, daß dann eine Leistungsfähigkeit des Klägers besteht. Eine andere Zielsetzung ist - auch unter Berücksichtigung der vor dem 1.7.1998 gültigen Fassung des § 323 Abs. 3 ZPO, wonach eine Abänderung eines Urteils erst ab Rechtshängigkeit der Abänderungsklage möglich war - unter Einbeziehung der außergerichtlichen Schreiben des Klägers der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Gleichzeitig sollten die Beklagten offenbar für den streitgegenständlichen Zeitraum durch Zahlung des bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstands durch einen von der Mutter des Klägers zur Verfügung gestellten Einmalbetrag wirtschaftlich abgesichert werden.

d) Bei der Beklagten Ziff. 1 kommt hinzu, daß diese bereits ab 1.9.1996 eine Ausbildung begonnen und hieraus eine Ausbildungsvergütung bezogen hat, ohne dies dem Kläger mitzuteilen. Zwischenzeitlich hat die Beklagte Ziff. 1 die Höhe der Ausbildungsvergütung mit 1.232,86 DM ab September 1996 im 1. Ausbildungsjahr angegeben. Hiermit war ihr titulierter Unterhaltsbedarf gedeckt.

Der Rechtsgrund für Unterhaltszahlungen im Zeitraum Oktober 1996 bis Oktober 1997 ist damit entfallen, so daß auch die Zwangsvollstreckung nicht mehr zulässig war. Auf den Einwand der Beklagten, die veränderten Umstände könnten nicht im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage, sondern nur im Rahmen einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend gemacht werden, kommt es somit nicht an. Im übrigen haben sie aufgrund der eindeutigen Vereinbarung vom Dezember 1996 mit der Vollstreckung rechtsmißbräuchlich gehandelt.

e) Die Beklagten sind zur Rückzahlung des ohne Rechtsgrund Erlangten, somit zur Rückzahlung von jeweils 5.852 DM, gem. § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet.

Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, daß sie nicht mehr bereichert sind, § 818 Abs. 3 BGB. Zwar wird der gezahlte Unterhalt in der Regel für die laufende Lebensführung ausgegeben, so daß Entreicherung vorliegt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Unterhaltsgläubiger sich mit dem Geld Gegenstände angeschafft hat, die sich noch in seinem Vermögen befinden und die er sich nicht - ggf. auch nicht unter Einschränkungen in der Lebensführung - unter normalen Umständen aus dem gezahlten Unterhalt angeschafft hätte (BGH FamRZ 1998, 951; Wendl/Gerhardt, aaO., § 6, Rn. 210). Dies ist hier der Fall: Die Beklagte Ziff. 1 hat sich u.a. ein Reitpferd für 6.500 DM gekauft (I, 437). Die Beklagte Ziff. 2 hat u.a. einen Computer, Elektrogeräte, Schmuck und Einrichtungsgegenstände gekauft (I, 435, 439 ff.). Angesichts des geringen Unterhalts von 418 DM monatlich ist nicht davon auszugehen, daß die Beklagten neben der Lebensführung die genannten Gegenstände aus dem Unterhaltsbetrag hätten anschaffen können.

3. Ob dem Kläger darüberhinaus Schadensersatzansprüche nach §§ 823, 826 BGB zustehen, kann dahinstehen. Ein Verschulden der Beklagten, die den Kläger durch die Vereinbarung vom Dezember 1996 von der Erhebung einer Abänderungsklage abgehalten haben, um im Rahmen der Vollstreckung einzuwenden, die vom Kläger vorgetragenen veränderten Umstände könnten nur im Wege einer Abänderungsklage geltend gemacht werden, die wegen der Vorschrift des § 323 Abs. 3 ZPO a.F. jedoch gar nicht mehr möglich gewesen wäre, liegt nach Auffassung des Senats jedenfalls vor.

II.

Der Zinsausspruch ist nicht zu beanstanden, Rechtshängigkeit der Rückforderungsklage ist am 2.11.1999 durch Verzicht auf förmliche Zustellung eingetreten (I, 463).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlaßt, § 546 ZPO.



Ende der Entscheidung

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